Samstag, 10. Oktober 2009

Thilo Sarrazin und Ralph Giordano und die biologische Gefahr und biologische Lösung des "Türkenproblems"



Obiges Video-Zitat stammt aus der Sendung "Hauptsache Kultur" des hessischen Fernsehens. Die Sendung interviewte Ralph Giordano. Giordano verteidigt darin die Äußerungen Thilo Sarrazins, die dieser jüngst im "Lettre International" gemacht hat. Hier das ungeschnittene Original des Videos in der Mediathek des HR (vermutlich nur eine Woche lang abrufbar). Ich habe Giordano hier nicht abgeschnitten, sondern dieser Ausschnitt ist so als Ausschnitt auch im Original so geschnitten.

Giordano sagt in obigem Video-Ausschnitt:

Diese muslimische, türkisch dominierte muslimische Minderheit in Deutschland wird - so Hochrechnungen, die ernst zu nehmen sind - im Jahre 2030 soviel Kinder gebären, wie die nächst-muslimische Gesellschaft insgesamt. Selbstverständlich ist das ein Problem.

Man könnte einwenden, Giordano meint hier sicherlich, dass nicht die türkischen Menschen selbst das Problem seien, sondern bestimmte Ansichten dieser Menschen, im Besonderen eine eventuelle Ablehnung der freiheitlichen Demokratie und Toleranz, aber Giordano sagt dies nicht. Im Gegenteil ist seine Äußerung Teil einer Rede, in der er die rassistischen Äußerungen von Thilo Sarrazin zu rechtfertigen versucht.

Sarrazin sagte unter anderem ja beispielsweise:
Die Araber und Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig. Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun. [...]

Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. (Quelle: Kanzlei-Hoenig.info)

Sowohl Sarrazin als auch Giordano sehen also im Vorhandensein bestimmter Menschen ein Problem. Dementsprechend könnte nach dieser Logik die Lösung des "Integrationsproblems" auch nur so aussehen, dass die Anzahl dieser Menschen verringert werden muss oder zumindest konstant gehalten werden muss. Sarrazin schlägt hier den Stopp des Zuzugs solcher Menschen nach Deutschland vor. - Nebenbei bemerkt ist das übrigens jedoch eine seltsame "Lösung", denn das würde ja letztlich nicht verhindern, dass diese sogenannten "problematischen" Menschen, die schon in Deutschland sind, sich hier weiter viel stärker vermehren als der sogenannte "unproblematische" Teil der Bevölkerung.

Sarrazin und Giordano sehen also in den Menschen selbst das Problem. Sie sehen das Problem darin, dass es in Deutschland bestimmte Menschen gibt. Die pure Existenz dieser Menschen ist in ihren Augen das Problem.

Sarrazin behauptet, dass ein großer Teil der Türken in Deutschland nicht integrationswillig sei. Diese Beschreibung wird in der deutschen Presse und in großen Teilen der Bevölkerung mit zustimmendem Nicken aufgenommen. Dabei übersehen die meisten jedoch, dass Sarrazin offensichtlich auch meint, dass sich dieser Unwille auf Seiten der Türken niemals mehr ändern wird. Die Integration sei gescheitert, und zwar dauerhaft gescheitert, so Sarrazin.

Es gäbe also keine Hoffnung mehr, das Verhalten vieler Türken oder die Einstellung vieler Türken zu ändern. Das Verhalten und die Einstellung dieser integrationsunwilligen Türken wird in dieser Sichtweise zu einem unbeweglichen, unflexiblen Bestandteil der türkischen Menschen selbst. Verhalten, Werte und Einstellungen erscheinen in der Darstellung von Sarrazin und Giordano als unveränderliche und untrennbare Bestandteile der biologischen Existenz dieser türkischen Menschen.

Und das ist genau der Punkt, an dem der implizite Rassismus der Vorstellungen von Sarrazin und Giordano sichtbar wird. Dementsprechend bieten Sarrazin und Giordano auch nur biologische Lösungen des Problems an: Die Zahl dieser Menschen muss veringert werden oder zumindest konstant gehalten werden. Die Existenz dieser Menschen selbst wird also letztlich zur Disposition gestellt.

Auch wenn Giordano und Sarrazin nicht das entlarvende Wort "Rasse" in den Mund nehmen, sind sie dennoch leider Rassisten. Denn ihre Erklärungsmuster und die damit verbundenen impliziten biologistischen "Lösungsvorschläge" beruhen auf dem Weltbild und der Ideologie des Rassismus.

Man muss also schlussfolgern: Sowohl Sarrazin als auch Giordano sehen das Problem letztlich nicht darin, dass sich bestimmte Menschen in Deutschland intolerant verhalten, sondern sie sehen das Problem letztlich in dem Vorhandensein bestimmter Menschen selbst.

Stefan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat also völlig Recht, wenn er die Äußerungen Sarrazins in beklagenswerter Nähe zu Äußerungen von Göring, Goebbels und Hitler sieht.

Montag, 13. Juli 2009

Ein Produkt der deutschen Sicherheitspolitik

Nichts verdeutlicht die Perversion der deutschen Sicherheitspolitik à la Schily und Schäuble besser, als die Notwendigkeit, sich neuerdings solch ein Produkt zulegen zu müssen als Bürger:

Zettel zu Reisepasstasche mit Informationen über die Schutzfunktion der Tasche gegen unbefugtes Auslesens des RFID-Chips auf dem Reisepas
Nur der "Beipackzettel" weist auf die RFID-Schutzumhüllung hin. Von außen sieht man der Tasche diese Funktion nicht an.

Ich bekam die Tasche geschenkt. Es war ein Werbegeschenk einer Firma, die sonst normalerweise Kalender und Kugelschreiber und solch ein Zeug verschenkt. Und ich stelle mir vor, wie die Kunden dieser Firma jetzt dank dieses Werbegeschenks vermutlich zum ersten Mal etwas hören und lesen von "RFID" und davon, dass ihr neuer Reisepass eine Gefahr und ein Risiko für sie darstellt. Auch ein Zeichen des Wandels.

Sonntag, 28. Juni 2009

Deutschland ist keine echte Demokratie

Heribert Prantl beklagt wieder einmal wortreich den Machtverlust des Parlamentes in Deutschland, also des Bundestages. Der Bundestag sei zu einem Abwinkverein der Gesetzesvorhaben der Regierung geworden. Die Ursache dafür sieht Prantl anscheinend in einem mangelnden Demokratieverständnis der Öffentlichkeit, wobei Prantl hier offen lässt, ob er damit eher die Medien oder eher die Bürger oder ein ungutes Zusammenspiel aus Populisten, populistischen Medien und dämlichen Bürgern meint.

Zitat:

Es ist nicht "die Politik", die da agiert. Es ist in Deutschland allein die Regierung. Der Bundestag, der demnächst neu gewählt wird, spielt eine immer geringere Rolle. Er hat noch die Aufgabe, Kanzlerin oder Kanzler zu wählen. Dann hat er ausgespielt. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Prantls Diagnose des Zustands ist natürlich richtig. Aber seine Diagnose der Ursachen für diesen Zustand ist kindisch und verantwortungslos:

Das Gefährliche an der Selbstherrlichkeit der Exekutive ist, dass dieser Stil bei der Bevölkerung ankommt. [...]

Es entwickelt sich eine hochproblematische Sortierung der Politiker: Helden und Deppen. Da sind die wenigen Guten, nämlich die politischen Macher [...].

Bei den normalen Parlamentariern ist das nach landläufiger Meinung anders, bei ihnen gilt das Streiten als Indiz für Verkommenheit. [...]

Das hat eine längere Geschichte: Seit der sogenannten Rede von Roman Herzog wird von der Notwendigkeit des großen Rucks fabuliert. Es gibt eine öffentliche Gier nach Machtworten, nach klarer Linie und Kante [...]. (Quelle: Sueddeutsche.de)

Natürlich gibt es in den Medien und beim einfachen Mann auf der Straße die Vorstellung, es bräuchte eine starke Regierung, die auf die Laberbude Parlament verzichten könne und solle. Aber das ist nicht die Ursache des Machtverlustes des Parlaments.

Die Ursache des Machtverlustes der zweiten Gewalt im Staate, also der Legislative, sind strukturelle Mängel im demokratischen System Deutschlands. Die Architektur der demokratischen Institutionen in Deutschland leidet an einem großen Baufehler. Die ganze schöne Gewaltenteilung funktioniert in Deutschland deshalb nicht, weil es einen mächtigen Mitspieler in der deutschen Politik gibt, der die ganze schöne Gewaltenteilung ad absurdum führt. Die Auftrennung der Gewalten in Regierung, Parlament und Justizwesen ist in Deutschland nur oberflächlich. Die Ursache dafür liegt nicht in moralischen Defiziten der Bürger, Medien oder Politiker. Die Ursache dafür liegt auch nicht in einem mangelhaften Wissen und Verständnis über demokratische Prozesse und Gepflogenheiten.

Nein, die Ursache für das Nichtfunktionieren der Gewaltenteilung in Deutschland liegt schlicht daran, dass wir in Deutschland einen Mitspieler in der Politik haben, der über den zwei Gewalten Exekutive und Legislative steht. Dieser Mitspieler herrscht immer sowohl über Regierung als auch über das Parlament. Dieser eine Mitspieler hebt die Gewaltenteilung auf und ist somit eine Gefahr für die Demokratie.

Nein, dieser Mitspieler ist nicht etwa das Volk. Sondern es sind die Parteien, konkret: die jeweilige Mehrheitspartei oder Mehrheitskoalition. Sie bestimmt sowohl Regierung als auch Parlament. Deshalb ist das Parlament in Deutschland schon immer letztlich nur der Abwinkverein für die Gesetzesinitiativen der Regierung. Denn wenn die Abgeordneten der Mehrheitsparteien nicht gehorchen, bestimmt ihre Partei, die auch die Regierung stellt, dass sie ihren Listenplatz bei der nächsten Wahl verlieren oder stellt die Störenfriede sonstwie kalt.

Das Problem der deutschen Demokratie sind die Parteien. Vor allem die beiden Parteiblöcke SPD und Union sind zudem intern dadurch gekennzeichnet, dass auch innerhalb ihrer Partei politisch engagierte und kritische, also diskussionsfreudige Bürger mundtot gemacht werden. Parteitagsbeschlüsse werden zudem entweder bewusst so schwammig formuliert, dass sie der Regierungspolitik keine Grenzen setzen oder die Parteitagsbeschlüsse werden von der Regierung später schlicht und einfach ignoriert. Auch intern sind die wichtigsten Parteien in Deutschland also kein Hort der Demokratie.

Und der Bürger kann zum Schluss immer nur alle vier Jahre die gleichen vier oder fünf Mitspieler bei diesem Parteienkonzert wählen. Diese für den Bürger beschränkte Vorauswahl ähnelt irgendwie stark dem, was beispielsweise auch im Iran passiert, wo die Bürger auch nur aus ein paar Kandidaten wählen dürfen, die zuvor von einem Wächterrat abgesegnet wurden. Im Iran gibt es zumindest alle paar Jahre neue Kandidaten. In Deutschland hingegen sind es immer die gleichen "Kandidaten" mit dem Namen SPD, Union, FDP, Grüne und neuerdings noch die Linkspartei.

Das Parlament könnte seine Unabhängigkeit wiedererlangen, wenn es wesentlich mehr kleinere Parteien gäbe oder wenn die Abgeordneten des Parlaments alle direkt gewählt würden. Letzteres wäre natürlich auch keine perfekte Lösung, wenn dann nur der Kandidat mit den meisten Stimmen pro Wahlkreis ins Parlament ziehen würde und alle anderen Stimmen für die unterlegenen Kandidaten verfallen und nicht berücksichtigt werden würden. In diesem Fall könnte es sein, dass der politische Wille der Mehrheit der Bürger in Wahlkreisen gar nicht gehört und berücksichtigt wird bei der Parlamentszusammensetzung, weil es für einen Direktkandidaten ausgereicht haben mag, nur 30% der Stimmen in einem Wahlkreis auf sich zu vereinen und weil alle konkurrierenden Kandidaten weniger Stimmen hatten. Eine Stichwahl würde wiederum einen Großteil der Wähler dazu zwingen, einen Kandidaten zu wählen, den sie eigentlich nicht wählen wollen. Und auch bei einer Stichwahl würde der politische Wille eines Großteils der Bürger letztlich im Parlament nicht abgebildet werden.

Aber hier ließen sich sicherlich Lösungen finden, die einerseits die alleinige Wahl von Direktkandidaten realisiert (also keine Parteilisten mehr nötig macht) und andererseits auch die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten als Gewicht in das Parlament mit einbringen lassen. Beispielsweise dadurch, dass auch unterlegene Kandidaten ins Parlament einziehen, ihre Stimmen im Parlament jedoch schwächer gewichtet werden als die Stimme des Siegers in einem Wahlkreis. Die Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahl im deutschen Wahlrecht stellt genau solch einen Versuch dar, dies zu erreichen - mit dem grundlegenden Konstruktionsfehler allerdings, dass die "Zweitstimme" hier direkt den Parteien zugute kommt und so überhaupt erst diese die Gewaltenteilung aushebelnde Macht der Parteien erschuf.

Die Zweitstimme sollte also abgeschafft werden und die Bürger sollten nur noch reale Personen wählen dürfen. Diese realen Personen können sie dann auch wieder abwählen und auf diese realen Personen könnten die Bürger direkter einwirken und sie direkter zur Verantwortung ziehen als ein derart abstraktes und intransparentes Ding namens Partei. Es muss Personen geben, die direkt für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können vom Wähler. Parteien können stattdessen schlecht abgestraft werden vom Wähler. Denn wen soll der Bürger wählen, wenn er mit der einen Hälfte der Parteien politisch nicht übereinstimmt und der anderen Hälfte der Parteien schlicht und einfach misstraut, weil diese Parteien ihre eigenen Wahlprogramme nicht ernst nehmen und sich nicht an ihre Versprechen halten? Die Alternative, nämlich selbst eine eigene Partei zu gründen, scheitert in der Praxis häufig und kann keine Entschuldigung dafür sein, den heutigen Einfluss der Parteien aufrecht zu erhalten.

Die in einem Wahlkreis unterlegenen Kandidaten sollten jedoch bei einer reinen Direktwahl der Kandidaten, wie gesagt, ebenfalls teilweise ins Parlament einziehen und ihre Stimme sollte je nach ihrem Abschneiden in ihrem Wahlkreis schwächer gewichtet werden als die Stimme der Wahlkreissieger. Wie genau dies aussehen kann, müsste natürlich noch genauer ausgearbeitet werden. Man könnte festlegen, dass eine bestimmte Anzahl von Kandidaten pro Wahlkreis ins Parlament zieht (die ersten vier Kandidaten eines Wahlkreises ziehen ins Parlament) oder man könnte eine bestimmte Prozentzahl der Stimmen pro Kandidat als Kriterium festlegen, ab der Kandidaten ins Parlament ziehen dürfen (alle Kandidaten mit mehr als 10% der Stimmen ziehen ins Parlament). Welche Einflussmöglichkeiten die Kandidaten im Parlament haben, würde dann bestimmt werden durch ihr Abschneiden in ihrem Wahlkreis. Der Einfluss der Kandidaten im Parlament würde gewichtet werden anhand ihres Wahlkreiserfolgs. Eventuell wäre es bei solch einem System auch nötig die Wahlkreise zu vergrößern, um die dann größere Anzahl an Abgeordneten pro Wahlkreis auszugleichen. Dies alles sind rein technische Probleme, für die man sicherlich Lösungen finden könnte.

Entscheidend dabei wäre, dass die politischen Parteien in so einem reformierten Wahlprozess nur noch politische Plattformen wären, denen sich Kandidaten anschließen könnten, aber nicht anschließen müssten. Parteien könnten den Kandidaten organisatorische Unterstützungen zukommen lassen und ihr politisches Programm gegenüber dem Wähler leichter erkennbar machen. Die Parteien würden aber nicht mehr darüber bestimmen, wer ins Parlament einzieht und wer nicht. Dieses Recht läge wieder alleine in den Händen der Bürger. Nur der Bürger darf in einer Demokratie entscheiden, wer ins Parlament einzieht. Dies ist derzeit in Deutschland in der Praxis durch den überbordenen Einfluss des Parteienapparats auf die Abgeordneten nicht der Fall. Deshalb ist Deutschland keine echte (repräsentative) Demokratie.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Die Missverständnisse rund um Nokia, Siemens und den Iran

Gerade merkt man wieder, dass es nicht zum Wissensschatz von Journalisten gehört, die Grundlagen der Informationstechnologie zu kennen.

Journalisten scheinen sich zur Zeit von den Pressesprechern von Nokia und Siemens leicht, sehr leicht beruhigen und einseifen zu lassen. Man habe nur "ein besseres Tonband" in den Iran geliefert, mit dem man einzelne Gespräche einzelner Telefonanschlüsse abhören könne, heißt es da von Siemens. Oder aber auch, dass man den Vertrieb des Siemens Produkt "Monitoring Center" jetzt einer ominösen Firma namens "Perusa Partners Fund" überlassen habe. Auch hätte man als Siemens gar keine Technik in den Iran geliefert, mit der neben der Überwachung des Telefonverkehrs auch die Überwachung oder gar Blockierung des Internets im Iran möglich sei.

Und die Journalisten sind's zufrieden.

Und mir kommt das Kotzen.

Hier noch einmal die Fragen, die Journalisten jetzt intensiver stellen müssten:

  • "Ein besseres Tonband"... das heißt gar nichts. Ein megatonnenschweres Radioteleskop, dass ferne Galaxien untersucht, ist auch nur ein "besseres Tonband".
  • Nur einzelne Telefongespräche soll man abhören können mit dem von Siemens gelieferten "Monitoring Center"? Wirklich "nur"? Das Monitoring Center ist modular aufgebaut. Es dürfte ein Leichtes sein für den Iran, durch einfaches Nachinstallieren (Bestellung bitte an den "Perusa Partners Fund") das Monitoring Center zur vollen Größe aufzublasen - und warum nicht gleich das vollständige Produkt von Nokia Siemens Networks (NSN), nämlich die sogenannte "Intelligence Platform" nachrüsten? Ist doch kein Problem. Nokia und Siemens haben das Produkt entwickelt und jeder kann es kaufen, weil es für so etwas keine Exportbeschränkungen in Deutschland gibt.
  • Siemens hat mit Sicherheit keine Internetüberwachungstechnologie an den Iran geliefert, denn dieser Teil der Überwachungstechnologie kommt von Nokia. Siemens Telefonie-Überwachungstechnologie namens "Monitoring Center" kann beim Kunden jedoch einfach mit der Internetüberwachungstechnologie von Nokia zusammengeführt werden. Genau dies ist der Sinn der von Nokia Siemens Networks (NSN) gemeinsam entwickelten, übergreifenden Plattform namens "Intelligence Platform".
  • Aber letztlich ist die eigentliche Frage nicht, ob Siemens oder Nokia oder Perusa Partners welches Produkt in welchem Umfang geliefert haben, sondern die eigentliche Frage ist, warum solche Produkte überhaupt in dieser Gestalt hergestellt werden! Wäre es NSN nur darum gegangen, Rechtsstaaten technische Lösungen zu liefern, um einzelne Telefonanschlüsse im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren überwachen zu können, hätten sie nicht eine dermaßen mit Modulen erweiterbare Softwaresuite namens "Monitoring Center" und ein solches Überwachungsmonster namens "Intelligence Platform" entwickelt. Der einzige Zweck für die Entwicklung dieser Produkte in dieser Form kann nur gewesen sein, Unrechtsregimen oder unrechtmäßig handelnden Behörden oder Geheimdiensten (wie derzeit die NSA in den USA, die sich gerade heftigen Angriffen von Menschenrechtsgruppen ausgesetzt sieht wegen ihrer Überwachungspraxis) zu ermöglichen, den gesamten Telefonverkehr und den gesamten Datenverkehr, der über Mobilfunknetze läuft, umfassend und in Echtzeit zu überwachen. Genau dies wird auch deutlich, wenn man sich die Werbebroschüre von NSN zu diesen Produkten einmal anschaut. Da jedoch alles, was irgendwie mit Telekommunikation zu tun hat, in Deutschland von den meisten Journalisten und Politikern ja anscheinend schwer verstanden wird, hier eine Analogie: Was würde man sagen, wenn Siemens Geräte entwickeln würden, die in ihrer Gestalt und in ihrem Grundgedanken und in ihrem Ausmaß und in ihrer Architektur letztlich nur mit dem Ziel hergestellt werden, waffenfähiges Plutonium herzustellen? Die Analogie hinkt, weil es solche Produkte nicht gibt, weil diese Produkte tatsächlich immer einen Dual-Use-Charakter haben können. Die Architektur des Monitoring Centers jedoch lässt sinnvollerweise keinen Zweifel daran, dass das Teil nicht für den rechtsmäßigen Einsatz, also für das Abhören einzelner, weniger Telefonate konstruiert wurde. Warum dann all die Erweiterungen, die zur Verfügung stehen, all die weiteren Module? Warum macht man ein Produkt künstlich gefährlich, indem es jederzeit mit Modulen aufgerüstet werden kann, deren Einsatz so niemals in einem Rechtsstaat erlaubt wären? Man macht doch das Produkt für Rechtsstaaten so gefährlicher, nicht nützlicher! Für Rechtsstaaten mindert diese Erweiterbarkeit mit unrechtmäßigen Produkten die Qualität des Produktes, weil so die Konformität des Produktes mit Datenschutzgesetzen und die Überprüfung eines mit den Gesetzen konformen Betriebes erschwert wird. Warum also gibt es im Monitoring Center anscheinend Schnittstellen, die jederzeit und einfach mit weiteren, unrechtmäßigen Überwachungsmodulen aufgerüstet werden können? Was soll das?
  • Und zum Schluss muss man die Frage stellen, warum es zumindest kein Ausfuhrverbot für derart gefährliche Produkte in Länder gibt, die nachweislich kein Rechtsstaat sind. Der Schaden, den NSN außenpolitisch angerichtet hat, ist bereits groß, ganz zu schweigen vom Leid unterdrückter Bürger.
Das alles gipfelt in einem Staunen meinerseits darüber, dass bislang die Bundesregierung nicht öffentlich Stellung genommen hat zu all diesen Fragen, obwohl das Thema international gerade sehr wohl Schlagzeilen macht - nur eben in Deutschland selbst nicht. Kein Wunder, haben doch beispielsweise ARD-Tagesschau und ZDF-Heute/Heute-Journal bis heute mit keinem einzigen Wort über dies alles berichtet.

Wirtschaftliche Gründe kann das Schweigen von Regierung und Staatsfernsehen nicht haben. Die Einnahmen aus dem Verkauf derartiger Überwachungstechnologie an Unrechtsregime dürften für einen Weltkonzern wie Siemens oder Nokia vernachlässigbar sein. Manche munkeln, dass die Regierung sich bedeckt hält, weil der BND eventuell Hintertüren in allen Siemens-Produkten besitzt und so ausländische Regierungen heimlich übers Telefonnetz auslauschen kann. Aber ich befürchte, dass hier noch ein ganz anderes Kalkül hinter dem Schweigen steht: Die Bundesregierung möchte vermeiden, dass in der Öffentlichkeit intensiver über Überwachungstechnologien und die Möglichkeiten dieser Technologien diskutiert wird. Denn dann würde das soeben beschlossene Zensurgesetz ("Zugangserschwerungsgesetz") vielen womöglich noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen. Dann würde deutlich werden, wie einfach es wäre, solche Gesetze zum Aufbau einer umfassenden Zensurinfrastruktur jenseits von DNS-Sperren zu benutzen. Auch die immer wieder auftauchenden Forderungen von Landespolizeien, Polizeigewerkschaften, BKA, Verfassungsschutz und Innenminister Schäuble, Datenbanken aus verschiedenen Gebieten miteinander zu vernetzen, könnten mehr Kritiker finden. Es reicht nämlich, kurz einen Blick in die oben verlinkte Werbebroschüre von NSN zu werfen, um zu erkennen, was moderne Informationstechnologie in Gestalt des Monitoring Centers und der Intelligence Platform alles mit solchen vernetzten Daten anstellen können, um jedem denkenden Bürger das Gruseln zu lehren.

Fazit: Die Technik ist kompliziert, Journalisten durchschauen deshalb die PR-Spielchen nicht und wegen des fehlenden öffentlichen Drucks kann es sich die Bundesregierung leisten zu schweigen. Es wird also nicht öffentlich diskutiert, ob es nicht ein Herstellungs- und Vertriebsverbot für derartige Überwachungstechnik geben sollte. Es wird übersehen, dass die NSN-Produkte in ihrer heutigen Form geradezu dafür entwickelt wurden, von Geheimdiensten und Unrechtsregimen missbraucht zu werden. Und es wird übersehen, wie beispielsweise die jetzt per Gesetz eingeführte Internetzensur in Deutschland bald eventuell technisch unterstützt werden könnte durch Produkte ähnlich wie denen von NSN. Denn ich bezweifle, dass die Sperrung unliebsamer Webseiten auch in zehn Jahren noch durch einfach zu umgehende DNS-Sperren realisiert wird. Es gibt mächtige Interessenverbände, die wollen unbedingt das Internet kontrollieren. Die Rede vom "rechtsfreien Raum", den es angeblich zu schließen gelte, ist ihr Tarnmantel.

Bei all den technischen Möglichkeiten, bei all den starken Interessenverbänden und bei all dem Gelüge und Gemauschel bei dem Thema "Prävention und Überwachung" mittels moderner Kommunikationstechnologie, sollte die Presse wirklich endlich mal aufwachen und sich nachhaltig und investigativ mit dem Thema beschäftigen. Das Thema ist zu wichtig, als dass man es wie bisher einzelnen Technik-Publikationen und Technik-Journalisten überlassen sollte, die sich zwar technisch wunderbar auskennen, die aber aus ihren Techniknischen heraus leider kaum breiteres Gehör in die Gesellschaft hinein finden.

Wenn man den Einsatz solcher Technologien wie der "Intelligence Platform" nicht heute wirksam bekämpft, werden auch wir in Deutschland irgendwann unter ihnen zu leiden haben, wenn sie nicht schon längst auch in Deutschland eingesetzt werden - ob in eingeschränkten Versionen oder nicht, spielt dabei - wie oben ausgeführt - leider weniger eine Rolle, weil die Machart dieser NSN-Produkte an sich äußerst problematisch ist.

Weitere Links zum Thema in meiner Linkablage.

Dienstag, 23. Juni 2009

Kampf gegen Unrechtsregime: Was tun, wenn das Internet als Kommunikationsmedium wegfällt?

Ich befürchte, dass repressive Regierungen weltweit bald, sehr bald, noch erfolgreicher als heute Mittel und Wege finden werden, unerwünschten Datenverkehr im Internet zu "regulieren". Sei es, dass die Methoden des "Deep Packet Inspection (DPI) immer ausgereifter werden und zur gezielten Zensur von Internetinhalten, Blockierung von Internetanwendungen und Protokollen und unerwünschten Datenströmen genutzt wird. Schon heute kann beispielsweise verschlüsselter Datenverkehr mittels DPI vom unverschlüsselten Datenverkehr unterschieden werden. Ein Regime kann schon heute gezielt Peer-to-Peer-Datenverkehr oder auch jegliche Art von verschlüsselten Verbindungen unterdrücken, auch wenn Letzteres bedeuten mag, dass dann auch die Wirtschaft leidet. Im Iran kann derzeit wohl - unter anderem dank Nokia Siemens Networks - die Telekommunikation jedes einzelnen Bürgers im Land in Echtzeit überwacht werden, der Inhalt seiner Telefongespräche und seiner E-mails und welche Datendienste er nutzt und welche Webseiten er besucht, kann automatisch ausgewertet werden.

Für Zensurgegner bleibt in diesen Fällen, wie aktuell am Beispiel Iran zu sehen ist, nur die Möglichkeit, sich über Proxy-Server mit einem nicht zensierten Teil des Internets zu verbinden. Dies setzt jedoch voraus, dass es irgendwo auf der Welt noch einen nicht zensierten Teil des Internets gibt und dass das repressive Regime überhaupt noch Internetverbindungen in diesen freien Teil des Internets technisch ermöglicht. Auch möchte ich nicht ausschließen, dass neue Überwachungstechnologien bald in der Lage sind, gezielt Verbindungen zu Proxy-Servern zu blockieren. Und schließlich könnte ein Land natürlich auch den gesamten Internetverkehr zum Rest der Welt kappen und nur noch ausgewählten Personen und Institutionen oder nur noch zertifizierten Computern und Programmen den Zugang "nach draußen" erlauben.

Die Gefahr, die ein nicht reguliertes Internet für ein Regime darstellt, wird anhand der Reaktionen der iranischen Regierung in diesen Tagen überdeutlich. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass viele Regierungen weltweit derzeit mit allem Hochdruck daran arbeiten, das Internet zu entwaffnen.

Für Zensurgegner kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Es besteht immer die Gefahr, dass ihr Zugriff aufs Internet gleichzeitig zu einer für sie unsichtbaren Überwachung (Stichwort "Bundestrojaner"/"Online-Durchsuchung"/"Quellen-Telekommunikationsüberwachung"/"Vorratsdatenspeicherung") und zum Aufheben ihrer Anonymität führen kann. Ihr Datenverkehr wird so zur Geruchsspur, die die Schnüffler direkt zur Haustür der Zensurgegner führt.

Meine Prognose lautet: Es wird zunehmend schwieriger werden für Bürger repressiver Regime einen freien und weitgehend ungefährlichen Kommunikationskanal übers Internet und mit Internettechnologien aufrecht zu erhalten.

Was ist also zu tun?

1.) Alle Menschen weltweit müssen jederzeit auf politischer Ebene dafür kämpfen, dass ihr Staat keine Techniken entwickelt oder einsetzt, mit denen der Internetdatenverkehr umfassend überwacht werden kann und technisch reguliert werden kann. Vordergründig führen die Befürworter solcher Techniken an, dass es bei Einsatz solcher Überwachungs- und Regulierungstechnik im Herzen des Internets oder bei den Schnittstellen des Internets zum Internetnutzer immer nur um Terror-Abwehr ginge oder dass arme Zugangsprovider sich vor übermäßigem Datenverkehr schützen müssten, beispielsweise vor massenhaftem Abrufen von YouTube-Videos, wodurch ihr Netz drohe überlastet zu werden (Stichwort "Netzneutralität"). Diese Argumente sind jedoch fadenscheinig und unseriös. (Warum, will ich jetzt an dieser Stelle nicht ausführen.) Sicher ist, dass solche Überwachsungstechniken entweder sofort oder später dazu führen werden, dass sie missbraucht werden - entweder durch Einzelpersonen, einzelne Firmen und einzelne Institutionen oder aber gleich durch ein ganzes, repressives Regime.

2.) Weil politische Bemühungen leider nicht ausreichen werden, um die Informationsfreiheit, die mit dem Internet und der Digitalisierung erreicht wurde, zu schützen, müssen Zensurgegner JETZT anfangen, verstärkt Mittel und Wege vorzubereiten, die ihre freie Kommunikation unabhängig vom Internet macht. Denn nimmt man meine obigen Ausführungen ernst, wird es für die Zukunft nicht ausreichen, einfach noch ausgefeiltere Software zu programmieren, mit denen man versucht den Datenverkehr im Internet noch besser zu verschleiern, zu verschlüsseln und zu verstecken. Die Situation im Iran zeigt, dass eine Protestbewegung im Zweifelsfall die Möglichkeit haben muss, selbst bei einem kompletten Ausfall von Computernetzwerken weiter digital miteinander zu kommunizieren. Die Betonung liegt hier auf "digital kommunizieren". Darum geht es mir hier. Es müssen somit zusätzliche Mittel und Wege erfunden werden (sozusagen als eine Art "Backup"), digitale Informationen auch ohne Computernetzwerke effizient und sicher und heimlich zu verbreiten. Natürlich könnte man auch heute wie früher schlicht und einfach Flugblätter ausdrucken und per Hand überall verteilen. Dann würde man jedoch auch den Vorteil der Digitalisierung von Informationen aufgeben, als da wären: die leichte Kopierbarkeit der Information, die Möglichkeit zum schnellen Editieren von Information und die physische Diskretion der Information (eine Mikro-Speicherkarte mit vielen Gigabyte an Informationen kann leichter versteckt werden als tausende von ausgedruckten Flugblättern).

Wir brauchen also ausgearbeitete Mittel und Wege, digitale Informationen effizient, sicher und unbeobachtet ohne Internet oder Telefonnetz zu transportieren. Und nein, nicht nur zu transportieren, sondern vor allem auch, sie effizient zu verteilen!

Die Lösung dieses Problems ist leider nicht so trivial, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte: nämlich einfach kleine Speicherkarten oder USB-Sticks unter Aktivisten von Hand zu Hand zu verteilen. Diese Lösung mag zwar sicher sein, aber sie ist nicht effizient. Und wenn eine Protestbewegung im Untergrund nicht effizient arbeitet, ist sie dem Untergang geweiht. Die effiziente und möglichst fehlerfreie Verbreitung von Informationen ist der entscheidende Schlüssel für ihren Erfolg. (An dieser Stelle sollte übrigens und nebenbei bemerkt auch deutlich werden, dass ich hier nicht für Terror-Organisationen spreche, denn denen ist es egal, ob ihre politischen Botschaften beim Volk fehlerfrei übermittelt ankommen und verstanden werden. Ihre Informationen sind und werden ja bereits ausgedrückt durch ihren Terror. Korrekter ausgedrückt: Der Terror IST ihre Information. Der Schrecken und das möglicherweise Blutvergießen IST ihre "Ansprache" ans Volk. Diese Tatsache wird natürlich repressive Regierungen nicht davon abhalten, das Bemühen um Informationsfreiheit mehr oder weniger stark unter Terrorverdacht zu stellen.)

Welche Ideen, Methoden oder Technologien könnten also das Internet ersetzen, um digitale Informationen effizient und zensurresistent zu verbreiten?

Ich habe darauf keine Antwort. Nur ein paar ziemlich unausgegorene Ideen. Technikprofis mögen bitte mein laienhaftes Halbwissen entschuldigen. Aber irgendwo muss man ja mal anfangen ins Blaue hinein zu denken. Jeder ist herzlich eingeladen, sich mit seinen Ideen, Verbesserungsvorschlägen, Kritik oder Links in den Kommentaren oder in seinen eigenen Weblogs zu Wort zu melden.

  • Getarnte USB-Kopierstationen - beispielsweise in elektronischen Alltagsgeräten versteckte USB-Schnittstellen mit eigenem Speicher, über die man mitgeführte USB-Sticks oder Memory-Cards mit in der Kopierstation abgelegten Dokumenten füttern kann. Man müsste also kleine, unscheinbare Kästchen herstellen, die über ein rudimentäres Betriebssystem und eine USB-Schnittstelle verfügen, sowie über intelligente Stromsparsoftware und eine Batterie. Diese Kästchen könnte man dann so an öffentlichen Ort anbringen, dass sie Uneingeweihten nicht auffallen. Die Kästchen müssen billig herzustellen sein, damit sie ohne große Kosten ersetzt werden können, wenn sie von Vertretern eines repressiven Regimes entdeckt werden. Als Ergänzung zu dieser Hardware wäre noch eine Software nötig, die auf diesen Kästchen läuft und die ohne Nutzerinteraktion genau jene Dokumente auf einen USB-Stick/Memory-Card kopiert, die dort noch nicht vorhanden sind und in einem zweiten Schritt genau jene Dokumente vom USB-Stick/Memorcy-Card auf die Kopierstation transferiert, die auf dieser noch nicht vorhanden sind.
  • Es müssten Funktechniken weiterentwickelt werden, mit deren Hilfe man kleine Stadtgebiete mit digitalen Informationen versorgen könnte. Die Schwierigkeit hierbei wäre es, den Aufenthaltsort der Sender möglichst schwer ortbar zu machen - gibt es dazu denkbare Ansätze, Ideen?
  • Vielleicht wäre es sogar möglich, Funkwellen quasi huckepack auf anderen Frequenzen mitreiten zu lassen, um sie zu verschleiern. Nur Empfänger, die wissen, wo sie suchen müssen, wären in der Lage, die Botschaft aus dem Meer an Funkwellen herauszufischen.
  • Sehr elegant wäre es natürlich, wenn man die Technik, Daten mittels der Leitfähigkeit der menschlichen Haut zu übertragen, nutzen könnte, um so heimlich Aktivisten schnell mit digitalen Dokumenten versorgen zu können. Dann reicht ein Handschlag oder ein Schulterklopfen und man könnte in Windeseile eine große Zahl an Menschen mit Informationen versorgen.
  • Eine Idee habe ich noch, die jedoch eher wieder an "Flugblatt-Methoden" erinnert, mit dem Nachteil, dass hier die Informationen nur vom Sender zum Empfänger laufen können. Aber vielleicht ist die Idee dennoch brauchbar, weil sie die Empfänger besser schützt, als wenn diese lose auf der Straße liegende Flugblätter aufheben müssen und bei sich tragen müssen: Man könnte vielleicht durchsichtige Folien entwickeln, auf denen steganografische Informationen versteckt sind. Die Folien könnten dann über Werbeplakate oder auf sonstige Stellen im öffentlichen Raum geklebt werden. Fotografiert man dann einen Gegenstand, auf dem die unsichbare Folie klebt (Untergrundnachrichten könnten verbreiten, diese Woche alle Plakate mit Werbung von Firma Soundso zu fotografieren...), kann man anschließend am Computer die versteckte Botschaft entschlüsseln. Das würde sich natürlich nur lohnen, wenn auf diese Art und Weise größere Mengen an Information verbreitet werden könnten als das, was ohnehin Mund-zu-Mund weitergegeben werden kann.
Wichtig bei all diesen Ideen wäre, dass sie zumindest auf der Seite der Informationsempfänger auch von technisch völlig ungebildeten und unerfahrenen Menschen genutzt werden können muss. Und wichtig wäre, dass man diese Technologie JETZT entwickelt, so lange dies noch möglich ist, beziehungsweise, dass man sie HIER entwickelt, um sie Bürgern repressiver(er) Regime zur Verfügung stellen zu können. Vielleicht könnten solche Technologien sogar in Form von Forschungsprojekten an Universitäten verwirklicht werden.

Ich bin mir sicher, es gibt noch viele weitere Ideen. Die Kommentare sind, wie gesagt, offen...

Montag, 22. Juni 2009

Das Überwachungsmonster von Nokia Siemens Networks wird ans Tageslicht gezerrt

Schon vor mehr als einem Jahr schrieb der famose Journalist (ja, die gibt es noch, famose Journalisten...) namens Erich Moechel für den österreichischen Rundfunk (ORF) auf, dass die deutsch-finnische Firma "Nokia Siemens Networks" (NSN) eine seltsame Produktpalette besitzt. Besonders das Produkt namens "Intelligence Platform" erregte seine Aufmerksamkeit. Es wurde von NSN als eine Art eierlegende Wollmilchsau der Überwachungstechnologie angepriesen. Und tatsächlich: NSN steht mit diesem Produkt nahezu konkurrenzlos auf dem Markt. Die "Intelligence Platform" ist der feuchte Traum jedes Geheimdienstes und jedes Überwachungsfanatikers weltweit.

Zitat:

In einer Art Data-Warehouse für Geheimdienste werden von Verbindungsdaten aus Telefonienetzen und dem Internet - die nunmehr EU-weit vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung wird ganz oben angeführt - über Kreditkartenzahlungen und Banktransfers, Grundbuch, Kfz- und Melderegisterdaten bis hin zu Flugpassagier-, Fingerprint- und DNA-Informationen alles zusammengeführt, was ein Mensch an Spuren in den zahlreichen Computersystemen eines entwickelten Staates hinterlassen hat. (Quelle: Futurezone.ORF.at)

Die "Intelligence Platform" verwirklicht also das, wovor Datenschützer immer warnen: Hier werden alle möglichen Daten aus allen möglichen Lebensbereichen der Menschen an einem Ort, in einer Datenbank zusammengeführt, um diese Daten dann anschließend alle in einen Zusammenhang bringen zu können. Die Folge davon ist, dass man mit der "Intelligence Platform" ganz leicht und ganz schnell Verhaltensmuster von Millionen von Menschen entlarven kann.

Ein weiteres Merkmal der Produkte von NSN (beispielsweise des "Monitoring Center") ist, dass sie nahtlos in die Telekommunikationsnetze eines Landes eingefügt werden können und man beispielsweise via Deep Packet Inspection auch die Art der Internetnutzung (bis hin, welche Software verwendet wird) pro Internetnutzer und sein Internetnutzungsverhalten entlarven kann. Vermutlich können die Produkte von NSN dann auch gezielt den Internetzugang blockieren. Und wenn nicht, dann liefern die Produkte von NSN zumindest die Informationen, um mit Hilfe anderer technischer Systeme und Softwarelösungen Internetzugänge gezielt zu sperren.

Der Knackpunkt ist nun, dass diese Produkte von NSN in einem Rechtsstaat gar nicht eingesetzt werden könnten. Natürlich könnte ein Rechtsstaat eine extrem abgespeckte Version der Produktepalette von NSN einsetzen, aber ein Rechtsstaat, dem der Schutz seiner Bürger ehrlich am Herzen liegt, würde davon wohl eher Abstand nehmen, denn es bestände immer die Gefahr, dass eine abgespeckte Version von NSN-Produkten heimlich aufgerüstet werden könnte zum vollen Überwachungsmonster. Ein Rechtsstaat braucht schlichtweg die Produkte von NSN nicht!

NSN sieht (beziehungsweise sah - inzwischen hat NSN das Geschäft mit der Überwachungstechnik an die Münchner Investmentgesellschaft Perusa Partners abgegeben) somit den Markt für das Überwachungsmonster auch vorwiegend in Asien und im Nahen Osten.

Warum aber "muss" es erlaubt sein, dass eine Firma Produkte herstellt, die in dieser Form und in diesem Umfang letztlich nur dafür gebraucht werden, Unrechtsregime in aller Welt zu stabilisieren und Menschen zu unterdrücken? Warum gibt es aber zumindest nicht Ausfuhrverbote in Unrechtsregime für deutsche Firmen für solch eine Technik? Ah, ich ahne es: Arbeitsplätze... Also, sorry, liebe Iraner. Aber wir müssen ja auch von irgendwas leben hier in Deutschland. Wir verhungern sonst.

(Siehe auch mein Eintrag dazu in meiner Linkablage.)

Samstag, 20. Juni 2009

Zur Beruhigung

Deutschland hat am Donnerstag gezeigt, wie weit das Land erneut regrediert ist. Es möchte wieder eine Zensur haben. Da erscheint es mir (auch angesichts der für diese regredierten Deutschen sicherlich äußerst verstörenden Vorkommnisse im Iran) unbedingt nötig, den deutschen Kindern jenseits des 40. Lebensjahres, besonders aber unseren Politikern mit ihrem ausgeprägten Beschützerinstinkt, ein beruhigendes Liedchen vorzutragen. Passenderweise ein Lied von einem Dichter, der die Beglückungen der Zensur in überschwänglichem Maße genießen durfte.

Zur Beruhigung

(von Harry/Heinrich Heine)

Wir schlafen ganz, wie Brutus schlief -
Doch jener erwachte und bohrte tief
In Cäsars Brust das kalte Messer!
Die Römer waren Tyrannenfresser.

Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak.
Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,
Ein jedes Volk hat seine Größe;
In Schwaben kocht man die besten Klöße.

Wir sind Germanen, gemütlich und brav,
Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf,
Und wenn wir erwachen, pflegt uns zu dürsten,
Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten.

Wir sind so treu wie Eichenholz,
Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz;
Im Land der Eichen und der Linden
wird niemals sich ein Brutus finden.

Und wenn auch ein Brutus unter uns wär,
Den Cäsar fänd er nimmermehr,
Vergeblich würd er den Cäsar suchen;
Wir haben gute Pfefferkuchen.

Wir haben sechsunddreißig Herrn
(Ist nicht zu viel!), und einen Stern
Trägt jeder schützend auf seinem Herzen,
Braucht nicht zu fürchten die Iden des Märzen.

Wir nennen sie Väter, und Vaterland
Benennen wir dasjenige Land,
Das erbeigentümlich gehört den Fürsten;
Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten.

Wenn unser Vater spazieren geht,
Ziehn wir den Hut mit Pietät;
Deutschland, die fromme Kinderstube,
Ist keine römische Mördergrube.

(Erschienen 1844 im "Vorwärts!" - nein, nicht jene Zeitung einer ehemaligen sozialdemokratischen Partei, bei der fehlte nämlich natürlich das Ausrufezeichen)

Es ist also nichts passiert am Donnerstag. Bitte gehen Sie weiter (Hut ziehen nicht vergessen). Hier gibt es nichts zu sehen. Ein Lächeln wäre auch schön. Danke. Jetzt wird das BKA sicherlich nichts auszusetzen haben.