Mittwoch, 19. September 2007

Tatvorbereitung der Tatvorbereitung: Wenn Bombenbau-Infos verboten werden

Und täglich grüßt ein neuer, grundgesetzwidriger Gesetzentwurf.

Bundesjustizministerin Zypries will also in einem neuen Gesetzentwurf das Herunterladen von Anleitungen zum Bombenbau verbieten. Ganz unabhängig davon, warum sich jemand Informationen über Herstellung von Bomben beschafft. Nur Angehörigen bestimmter Berufsgruppen soll es anscheinend beispielsweise gestattet sein, sich derartige Informationen zu beschaffen.

Farlion hat die wichtigsten Passagen des Gesetzentwurfs einmal zitiert und kommentiert: Völlig unausgegorener Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz.

Bloggern und anderen Privatpersonen soll es also in Zukunft nicht mehr gestattet sein, sich beispielsweise darüber zu informieren und zu fragen, ob die Angaben der Behörden hinsichtlich der Gefährlichkeit der Chemikalien, die bei mutmaßlichen Terroristen gefunden wurden, stichhaltig sind oder ob den Bürgern von den Strafverfolgungsbehörden da nicht eventuell teilweise ein Märchen aufgetischt wurde.

Es ist wirklich unfassbar, welche Verachtung der Freiheitsrechte fast tagtäglich in neuen Gesetzesvorschlägen unserer Politiker sichtbar wird. Diese Blindheit für die Freiheitsrechte ist die logische Konsequenz aus dem Wunsch, Verbrechen mit allen Mitteln präventiv verhindern zu wollen. Da landet man irgendwann zwangsläufig bei dem Ansinnen, nicht mehr nur konkrete Absprachen und konkret ausgearbeitete detaillierte Anschlagspläne und konkrete Tatvorbereitungsmaßnahmen zu ahnden - was an sich bereits schon äußerst problematisch ist, so etwas ahnden zu wollen. Sondern nun will man auch schon gegen Informationen über Dinge vorgehen, die eventuell für Anschläge eingesetzt werden könnten. Es ist wieder ein Schritt mehr weg von einer konkret zu benennenden Tat mit konkret angerichtetem Schaden, hin zu einer ominösen Tatvorbereitung, ja sogar nun schon hin zur Vorbereitung der Tatvorbereitung. Die Tatvorbereitung der Tatvorbereitung sozusagen.

Auf jeden Fall erhöht sich wieder einmal die Rechtsunsicherheit. Es ist das gleiche Spiel wie beim Hackerparagraphen. Die kriminellen Cracker oder Terroristen wird es nicht abhalten, sich die betreffenden Mittel und Informationen trotzdem zu besorgen. Menschen jedoch, die informiert sein wollen, mündig sein wollen, wissen wollen, was eigentlich technisch möglich ist, werden vom Staat durch derartige Gesetze verängstigt und verunsichert.

Ein nutzloses Gesetz also. Es sei denn, man möchte schlicht und einfach noch ein Gesetz mehr haben, dass Rechtsunsicherheit schafft und die Kriminalisierung unbscholtener Bürger ermöglichen soll.

Diese Kriminalisierung unbescholtener Bürger ist immer eine Gefahr, wenn man derart weitgefasste Gesetze erlässt. Musterbeispel dafür ist der Paragraph 129a, bei dem schnell auf reinen Verdacht hin eine Gruppe von Menschen zu einer Terrorgruppe umdefiniert werden kann (Fefe spricht passend von "On-Demand-Kriminalisierung"), mit weitreichenden Einschränkungen ihrer Rechte gegenüber normalen Verdächtigen.

Aber auch die umfassende Vorratsdatenspeicherung oder die Möglichkeit der Polizei bei Hausdurchsuchungen auch sogenannte "Zufallsfunde" mitzunehmen, macht den Weg frei, Bürger aus "heiterem Himmel" zu kriminalisieren. In Deutschland darf die Polizei so Ermittlungsverfahren einleiten, wenn sie bei einer Hausdurchsuchung Hinweise auf weitere Straftaten findet. Die Polizei verwendet also in diesem Fall Informationen und Daten, die ihr erst zur Verfügung stehen, nachdem sie eigentlich nach etwas anderem gesucht hatte und sucht so also selbständig nach möglichem Fehlverhalten der Bürger - ohne dass es dazu zuvor einer Anzeige oder eines bekannt gewordenen Schadens bedarf.

Es ist diese Philosophie des wachenden Auges der Polizei. Die Polizei wacht und verfolgt von sich aus. Das Ziel dieser Philosophie ist die umfassende "Sauberkeit" der Bürger durchzusetzen. Es geht dann nicht mehr nur um die "Schadensregulierung" nach Bekanntwerden eines Schadens oder Anzeige eines Schadens, sondern es geht um Prävention. Und die erfolgreichste Prävention ist, den Gedanken an Verbrechen auszurotten.

So funktioniert das nur leider nicht. Menschen sind nicht "rein". Es gibt keine klare Definition von "Sauberkeit". Es gibt das Gute und Böse im Strafrecht als solches nicht. Was Gut und Böse ist, kann dort letztlich eindeutig nur anhand eines konkret vorliegenden Schadens definiert werden, der durch eine konkret erfolgte Tat angerichtet wurde. Gedanken alleine sind dazu nicht in der Lage.

Die Politik der Terrorprävention kann deshalb jenseits der normalen Abschreckung durch die Drohung mit Strafen nicht über das Strafrecht erfolgen. Denn Terroristen werden sich - wie oben schon gesagt - vermutlich kaum abschrecken lassen davon, Bomben zu bauen, wenn die Beschaffung der Informationen illegal ist. Schließlich lassen sie sich ja auch nicht abschrecken von der Tatsache, dass der Bombenanschlag selbst auch illegal ist. Will man derartige "Taten" wie das Beschaffen von Bombenbauanleitungen also verhindern, bedürfte es einer umfassenden Kommunikationskontrolle, so dass die unbemerkte Bombenbauanleitungs-Beschaffung an sich tatsächlich erschwert würde. Die Erschwerung käme also nicht durch das Verbot und eine mögliche abschreckende Wirkung des Verbotes zustande (Strafrecht), sondern durch die Überwachungsmaßnahmen und die Zensur von Bombenbauanleitungen.

Das Strafrecht sollte sich eigentlich nur mit Schadensfällen auseinandersetzen, die anschließend "reguliert" werden. Die mutmaßliche Gesinnung des Täters spielt zwar auch eine Rolle bei der Beurteilung der Höhe seiner Schuld, aber eben nur, nachdem ein Schaden tatsächlich eingetreten ist. Soll heißen: Der Schädiger wird bestraft, nachdem er als Verursacher eines Schadens dingfest gemacht wurde. Wo aber liegt konkret ein Schaden vor, wenn jemand liest, mit welchen Techniken Menschen bomben bauen können?

Es geht also bei Zypries Gesetzentwurf eigentlich um die direkte Überwachung und die direkte Kontrolle des Verhaltens und des Zugangs zu Informationen. Die Regulierung des Verhaltens findet dann nicht mehr dadurch statt, dass man sagt: Wenn du dies und das tust, wirst du in einem transparenten Verfahren nach festgelegten Regeln deinen angerichteten Schaden verantworten müssen. Sondern man unterbindet Handlungsmöglichkeiten der Bürger, die an sich keinen Schaden verursachen, ganz direkt. Mit der Vorstellung von einem mündigen Bürger hat dies nichts zu tun. Man könnte dazu - überspitzt und in Anlehnung an einige jüngeren Einträge zu diesem Thema hier im Weblog - sagen: Es ist die "Jugendschutz-Philosophie", nur dass hier nicht Kindern der Zugang zu Informationen erschwert werden soll, die sie eventuell überfordern (auch hier steckt also der Gedanke dahinter, dass diese jugendgefährdenden Informationen einen direkten Schaden in den Köpfen der Kinder verursachen, es also einen Schaden gibt), sondern mündigen Bürgern. Das Lesen einer Bombenbauanleitung wird niemanden zum Terroristen machen. Selbst wenn die Union morgen genau dies behaupten sollte (zutrauen würde ich der Union solch eine Aussage).

Auch das Verbot des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder ist beispielsweise etwas völlig anderes als ein Bombenbauanleitungs-Leseverbot. Ein kinderpornografisches Bild existiert nur, weil zuvor bereits ein Schaden angerichtet wurde, nämlich der Missbrauch des abgebildeten Kindes. Außerdem verletzt jede weitere Verbreitung solcher Bilder die Würde der Opfer ein weiteres Mal.

Auch der Aufruf und die Anstachelung zu Gewalttaten ist zu Recht verboten, weil sie an sich den sozialen Frieden stören und an sich so Schaden verursachen.

Bei technischen Anleitungen oder Informationen über chemische Beschaffenheiten kann ich dies nicht erkennen. Jemand anderer Meinung? Bitte einfach 'nen Kommentar hinterlassen.

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2 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Heute sind es diese Anleitungen, morgen Anleitungen zur anonmymen Kommunikation, die ja auch nur von Terroristen genutzt wird. Mal sehen, was es noch so gibt.

Anonym hat gesagt…

-- manueller Trackback -- Gaervorgang.de

BMJ dreht nun auch durch
http://gaervorgang.de/2007/09/22/bmj-dreht-nun-auch-durch/