Freitag, 21. September 2007

CDU in Lübeck: Mit "Sicherheitsapparat" Extremisten destabilisieren

Die Lübecker Nachrichten berichten über eine öffentliche Veranstaltung im Rathaus der Stadt Lübeck, bei der der Kieler Verfassungsschutz über die Aktivitäten von Extremisten in und um Lübeck aufklärte:

In der von Stadt, Konrad-Adenauer-Stiftung und Kirchenkreis Lübeck organisierten Veranstaltung forderte Geißler [CDU-Innensenator von Lübeck; Anmerkung von mir], den "Sicherheitsapparat konsequent einzusetzen", um Extremisten zu verunsichern und zu destabilisieren. (Quelle: LN-Online.de)


Was ist an obiger Aussage vom Lübecker CDU-Innensenator Thorsten Geißler problematisch? Dass man gegen Extremisten vorgeht? Nein, das nicht. Sondern, dass man die Sicherheitsbehörden dazu einsetzen will, um Extremisten zu verunsichern, gar zu destabilisieren.

Mit "Extremist" kann Geißler sinnvollerweise hier nur Bürger gemeint haben, die politisch extreme Ansichten haben. Das Haben von politisch extremen Ansichten alleine ist jedoch nicht strafbar. Erst wenn man beispielsweise Gewalt anwendet oder zu Gewalt aufruft oder sonstige, klar definierte Delikte begeht, macht man sich strafbar. Das Bekämpfen von politischen Ansichten an sich ist in einem demokratischen Rechtsstaat Aufgabe der Politik und nicht des "Sicherheitsapparates". Der Verfassungsschutz informiert nur. Die Polizei ahndet Verbrechen und hält die öffentliche Ordnung aufrecht. Gibt es Straftaten, so muss sie handeln. Bei dem Feststellen von irgendwelchen politischen Gesinnungen ist es aber nicht Aufgabe der Sicherheitsbehörden, verunsichernd oder destabilisierend wirksam zu werden. Dies würde sogar der öffentlichen Ordnung entgegen wirken.

Mir scheint der Lübecker CDU-Innensenator ist noch nicht ganz angekommen in der Demokratie.

Oder Geißler entlarvt mit seinen Äußerungen eine Denke, die eventuell sogar weit verbreitet ist in der Union: Das Akzeptieren des Gedankens, Sicherheitsbehörden einzusetzen, um mit ihnen den politischen Gegner einschüchtern zu wollen. Ich hoffe nicht, dass dies auch ein heimlicher Wunsch mancher CDU-Bundespolitiker ist bei ihren Forderungen nach mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden.

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Donnerstag, 20. September 2007

Rheinland-Pfälzischer CDU-Chef Baldauf will auch mitspielen bei den Großen

(Via 24Stunden.de) Manche Leute fürchten sich bekanntlich vor Erdstrahlen, schwarzen Katzen oder Freitag den 13. Die CDU fürchtet sich hingegen vor Sicherheitslücken. In zunehmendem Maße. Überall sieht sie neuerdings eklatanteste Sicherheitslücken. Und das Mittel der Wahl ist natürlich...?

Die Wormser Zeitung berichtet:

[Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christian] Baldauf befürwortete die Pläne von Innenminister Schäuble zur Online-Durchsuchung. Werde diese eingesetzt, könne man sie auch bei gewaltbereiten Fußball-"Fans" einsetzen. "Man muss im Vorfeld dringend darüber nachdenken, Sicherheitslücken zu schließen", erklärte Baldauf, seit 25 Jahren Dauerkarten-Besitzer auf dem Kaiserslauterer Betzenberg. "Online-Durchsuchungen muss man auch in diesem Bereich zulassen, weil nicht unterschätzt werden darf, dass viele Dinge im Vorfeld über Computer abgesprochen werden." Zu denken gebe ihm, "dass sich das Gewaltpotenzial nicht auf Erste und Zweite Liga konzentriert, sondern dass es auch in den unteren Ligen gefährlich wird". (Quelle: Wormser-Zeitung.de)


Ts, ts, ts. Baldauf hat aber mindestens zwei Stufen übersprungen. So geht das doch nicht. Das politische Desinformationshandbuch, Ausgabe 34, schreibt vor, dass zur politischen Durchsetzung umstrittener, neuer Ermittlungsmethoden, die die Grundrechte einschränken, nach der Heraufbeschwörung der Terrorgefahr (Stufe 1) erst die Warnung vor Kinderpornografie (Stufe 2) kommt. Und dann die vor der Organisierten Kriminalität (Stufe 3). Anschließend die vor Mördern (Stufe 4). Und erst dann - meist nachdem die neuen Ermittlungsmethoden längst etabliert sind - kommt die Forderung, sie auch gegen Hooligans einzusetzen.

Aber ich kann Baldauf ja verstehen. Womit soll man sich als heutiger CDU-Politiker denn noch profilieren, wenn man auch mal ernst genommen werden will bei den Großen da im fernen Berlin, wenn nicht mit dem heißumkämpften, heißgeliebten Thema "Online-Durchsuchung"? Die Online-Durchsuchung in den Mund zu nehmen, das hat was von großer Politik. Mal sehen, welcher CDU-Kommunalpolitiker dann zu Stufe 6 greift: Online-Durchsuchungen gegen Ladendiebe und Schwarzfahrer. Bestimmt nutzen die auch ab und zu mal Computer.

Ob die Online-Durchsuchung auch gegen Haarausfall hilft? Hat ja auch was mit "Lücken" zu tun.

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Statt Terrorangst jetzt mal ein paar wirkliche Probleme

Jugendpastor Bernd Siggelkow in einem Interview bei Süddeutsche.de:

Derzeit ist die Situation in Deutschland so: Eine achtköpfige Familie, die unter dem Existenzminimum lebt, hat keinen Anspruch auf eine Waschmaschine. Eine Mutter, die im Krankenhaus um etwas kostenlose Nahrung für sich und ihren Säugling bittet, wird abgewiesen. Ein Jugendlicher, der von der Mutter rausgeworfen wird und nicht weiß, wo er schlafen soll, ist auf sich selbst gestellt und muss erst einmal die Kostenübernahme klären. Die Jugendämter machen freitags um 16 Uhr Feierabend. Das ist die Situation in Deutschland. [...] Wir haben bereits französische Verhältnisse: In Berlin brennen ständig Autos. Es heißt dann: Der Staatsschutz ermittelt. Ja, was soll er denn ermitteln? Das ist Kinderkriminalität. Das sind ausgestoßene junge Leute, die nichts mit sich anzufangen wissen und sich in Banden zusammenrotten. Das wird noch schlimm werden. Sie glauben gar nicht, welches Ausmaß die sexuelle Verwahrlosung angenommen hat. Mit 15 haben die alles durch. Mit 16 kriegen die Mädchen ihr erstes Kind. So dreht sich die Spirale weiter. Das sind Probleme, die die gesamte Gesellschaft betreffen. (Quelle: Süddeutsche.de)


Und auch Welt.de berichtet anlässlich des heutigen Weltkindertages. Wie Kinder mit Hartz IV leben:

Zwar sei richtig, dass die Regelsätze die das Sozialgesetzbuch für Kinder von Hartz-IV-Empfängern vorsehen, nicht ausreichten. Nur die finanzielle Unterstützung zu erhöhen oder auszuweiten, etwa beim Kinderzuschlag, sei jedoch der falsche Weg. „Viele unserer Familien geben das Geld einfach falsch aus“, sagt Büscher. Statt in neue Kleidung werde dann eben in einen Flachbildfernseher investiert. Er plädiert deshalb dafür, Leistungen auszubauen, die den Kindern direkt zu Gute kommen – Gutscheine für Sportvereine und Nachhilfeunterricht oder kostenloses Schulessen. [...] Allerdings macht Mersch auch häufig die Erfahrung, dass selbst bei Familien, die gut haushalten, das Geld oft nicht mehr bis zum Ende des Monats reicht. Mit weit reichenden Folgen: Dem Kind bei Schulproblemen die Nachhilfe zu bezahlen sei für ALG-II-Empfänger undenkbar. Schon die kleinste Störung wie etwa eine kaputte Waschmaschine, könne das ganze System zum Zusammenstürzen. Bei der Caritas haben sich die Anträge auf Spenden seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II verdoppelt. Bei einigen Schuldnerberatungsstellen des Verbandes ist der Andrang inzwischen so groß, dass es lange Wartelisten gibt. (Quelle: Welt.de)


Kinder können nichts für das eventuelle Fehlverhalten ihrer Eltern. Die gesellschaftlichen Folgekosten fehlender staatlicher Unterstützung sind vermutlich enorm. Es kann doch nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt so mit Kindern umgegangen werden muss?

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Schäubles Pläne für neue Notstandsgesetze: Wird 2008 das neue 1968?

Schäuble hat die Lücke im Grundgesetz entdeckt.

Das ist das Problem mit Gesetzeswerken. Es gibt immer irgendwo eine Lücke.

Nein, ich meine keine ominösen "Schutzlücken", durch die Terroristen schlüpfen könnten. Ich meine die Lücke, in die man einen Hebel hineinstecken kann, um mit ihm das Grundgesetz auszuhebeln.

Der Hebel, mit dem Schäuble das hinderliche Grundgesetz aushebeln will, heißt "Krieg" oder "Notstand". Kein "übergesetzlicher" Notstand, auf den sich Privatpersonen notfalls berufen können, sondern ein per Gesetz definierter Notstand oder eben auch "Kriegszustand", um staatliches Handeln außerhalb der normalen Regeln des Grundgesetzes zu ermöglichen. Im Krieg, so die Meinung mancher Rechtsgelehrter, könne das eiserne Prinzip des Grundgesetzes, der unbedingte Schutz der Menschenwürde nämlich, nicht mehr eingehalten werden. Im Kriegszustand, so erlaubt es wohl auch die Genfer Konvention, ist das Militär bei seinen Aktionen dazu berechtigt bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf zu nehmen.

Wenn also ein Terrorflugzeug über Deutschland fliegt, so etabliere dies einen Kriegszustand oder Notstand, so Schäuble anscheinend in einem Gesetzentwurf, der schon länger in seiner Schublade lag, über den auch schon einige Male am Rande diskutiert wurde und der jetzt wieder hervorgeholt wird.

Per Ministerdekret solle - so Schäubles Vorschläge - der Friedenszustand in den Kriegszustand umgewandelt werden können oder ein erweiterter, allgemeiner Notstand ausgerufen werden können. Das Grundgesetz mit seinen Behinderungen staatlichen Handelns wäre dann weitgehend außer Kraft gesetzt und ein Terrorflugzeug könnte so abgeschossen werden.

Bei der Propaganda gegen das Grundgesetz, die derzeit aus der Union tönt und das Grundgesetz als hinderlich im Anti-Terrorkampf darstellt, kann man davon ausgehen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung solch ein neues, erweitertes Notstandsgesetz sogar begrüßen würde.

Im Vergleich zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen eines "Notstandes" erkenne ich bei Schäubles Vorschlägen folgende Besonderheiten:

So lange noch kein Terrorflugzeug abgestürzt ist, könnte man bei der bestehenden rechtlichen Lage noch nicht von einem Notstand reden. Schäubles Notstandsgesetz soll wohl also schon vor dem Eintreten einer Katastrophe wirksam werden können. Hier wird erneut das teuflische Wirken des Präventionsgedankens sichtbar! Das ist der eklatante Unterschied zu den bisherigen Regelungen, bei denen nur bei bereits eingetretenen Katastrophen das Militär mit Einschränkungen auch im Inland aktiv werden darf.

Der zweite Unterschied zu den bisherigen Notstandsregelungen ist, dass Schäuble anscheinend die Kompetenz den Notstand auszurufen auf einzelne Minister übertragen will. Spiegel.de berichtet dazu über Äußerungen Schäubles gegenüber der "Passauer Neue Presse":

Außerdem solle eine "Eilkompetenz" für Bundesinnen- und Bundesverteidigungsminister geschaffen werden, um Einsätze der Streitkräfte mit militärischen Mitteln im Notfall allein anordnen zu können [...]. (Quelle: Spiegel.de)


Dies ist womöglich eine dieser typischen Forderungen, die nur in einen Gesetzesvorschlag geschrieben werden, um sie in Verhandlungen mit den Pseudo-Politikern der SPD wieder "wohlwollend" und "kompromissbereit" zu streichen oder an ihnen ein wenig rumzuändern, um so dann zumindest den Kernbestandteil des Gesetzentwurfs, also die Ausrufung eines Notstandes schon vor Eintreten einer Katastrophe, durchzusetzen.

Spiegel.de setzt sich in einem Artikel mit den Folgen einer erweiterten Notstandsgesetzgebung auseinander (Hervorhebungen von mir): Pläne zur Terrorabwehr - Finger am Abzug.

Der deutsche Polizeiminister plant, das Grundgesetz zu ändern, um den Krieg gegen den Terrorismus auch im Innern zu führen [...]. Der Abschuss von gekaperten Flugzeugen und noch viel mehr soll durch eine Ergänzung des Militär-Artikels 87a in der Verfassung möglich werden. Der Minister selber hat es formuliert: Der Einsatz von Jungs Soldaten ist danach nicht nur wie bisher "zur Verteidigung", sondern auch nach innen "zur Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens" möglich. [...] Staatsrechtler, die Schäuble in kleinem Kreis um Rat fragte, haben wiederholt gewarnt: Eine so weite Ermächtigung für Militäraktionen im Innern lädt zu Missbrauch geradezu ein. Ein "Angriff auf die Grundlagen des Gemeinwesens" sei abzuwehren: So oder so ähnlich waren noch immer die Begründungen von Militärs, die in einem Staat die Macht mit Gewalt an sich gerissen haben. Um so etwas auszuschließen, hatten die Autoren des Grundgesetzes nach der Wiederbewaffnung der Republik den Einsatz von Soldaten strikt auf die Landesverteidigung beschränkt. [...] Setzt der Innenminister seine Grundgesetzänderung durch, so wäre die Erlaubnis zum Abschießen von Flugzeugen das Einfallstor für eine umfassende Militarisierung der Innenpolitik. Wenn mitten im Frieden Krieg ist, hat das Verfassungsgericht seine Kraft verloren. (Quelle: Spiegel.de)


Wäre die Verabschiedung solch einer Aushebelung des Grundgesetzes machbar? Natürlich. Denn leider gibt es wie 1968 auch heute noch diese Partei namens SPD, die bei nötigem Druck alles mitmacht. Und wie 1968 so haben wir auch heute wieder eine Große Koalition. 2008, also genau 40 Jahre nach Einführung der Notstandsgesetzgebung ins Grundgesetz, könnte dann vielleicht also diese damals geschaffene, kleine Notstandsgesetz-Lücke im Grundgesetz zum Ansatzpunkt werden, um tatsächlich in gefährlicher Weise das Grundgesetz "präventiv" auszuhebeln.

Die Orwellsche Neusprech-Formulierung "Krieg ist Frieden" ist also tatsächlich auch die Formel, mit der auch das deutsche Grundgesetz an der Ewigkeitsklausel vorbei außer Kraft gesetzt werden kann. Georg Orwells in seinem Roman "1984" dargestellte Einsichten in die Funktionsweise politischer Machtausübung erweisen sich immer mehr als Beschreibung der Realität.

Noch verneint die SPD es vehement, dass sie derartige Pläne mittragen würde. Was aber sollte die gestrige Verweigerung der SPD, im Bundestag einen Antrag auf eine Regierungserklärung zur Innenpolitik mit zu unterstützen? Ich kann mir diese Verweigerung nur damit erklären, dass die SPD die Karten nicht auf den Tisch legen will. SPD-Politiker (oftmals aus der "zweiten Reihe") widersprechen zwar den wilden Plänen von Jung und Schäuble. Aber intern innerhalb der Regierung könnte die SPD längst die Pläne von Schäuble, hinter den sich ja auch Merkel offiziell gestellt hat, mittragen.

Die Öffentlichkeit wird also derzeit von der Großen Koalition an der Nase herumgeführt - vor allem von der SPD.

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Vom Alltag am Rande des Wahnsinns

(Via Simon's Blawg) Neu in meiner Blogroll (Linkliste rechts in der Navigationsleiste unter "Gegen die Schieflage"): Vom Alltag am Rande des Wahnsinns.

Hamburg - Bagdad in einem 16 Jahre alten VW Passat - so brach die freie Journalistin Susanne Fischer im Herbst 2003 von der Elbe an den Tigris auf. Eigentlich wollte sie drei Monate bleiben. Inzwischen berichtet sie seit mehr als drei Jahren aus dem Irak. Seit März 2005 lebt sie im kurdischen Suleimania im Nordirak und bildet im Auftrag des britischen Institute for War and Peace Reporting (www.iwpr.net) irakische Journalisten aus. (Quelle: Stern.de)


In einer TV-Reportage über Susanne Fischer, die ich vor einiger Zeit zufällig sah (also die Reportage, nicht Susanne Fischer), wurde erwähnt, dass sie aus Sicherheitsgründen nicht ständig im Irak ist, sondern bewusst nur in unregelmäßigen Abständen. Deshalb vermutlich auch die zeitlichen Lücken in ihrem Weblog bei Stern.de.

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Mittwoch, 19. September 2007

Merkel und ihre Geheimpolitik zur Inneren Sicherheit

Die Regierung will weiterhin nur in ominösen, nebulösen, missverständlichen Interviews einzelner Minister sporadisch mitteilen, was sie über mögliche Terrorgefahren weiß und ob sie das Grundgesetz abschaffen will oder nicht (eine "Änderung" des Grundgesetzes dahingegend, dass der Abschuss von Zivilmaschinen möglich wäre, liefe beispielsweise auf eine Abschaffung des Grundgesetzes hinaus). Ein Antrag der Opposition, dass die Regierung in Form einer Regierungserklärung nun bekannt geben soll, was sie eigentlich will - vor allem, ob die Positionen von Schäuble und Jung auch die Positionen der Regierung sind - wurde soeben mit der Mehrheit der Union und der SPD-Fritzen im Bundestag abgelehnt.

Die Regierungspolitik der Unklarheit und der Verunsicherung geht also weiter. Nun auch ganz offiziell gedeckt von der SPD. Wenn Schäuble also demnächst wieder loszieht, um vom Weltuntergang zu reden, kann die SPD sich dann nicht mehr darüber beschweren.

Mein Fazit daraus: Angstmachen ist das Programm dieser Regierung. Freuen wir uns also in den nächsten Wochen auf weitere Interviews von Schäuble, Bosbach, Jung und so weiter, in denen geraunt werden wird, dass Deutschland enorm gefährdet sei und dass man weitere Grundrechte einschränken müsse. Und in den Hinterzimmern von SPD und Union wird dann derweil zusammengebraut, wo weiter "gespart" werden soll am Grundgesetz, um die Sicherheitslage Deutschlands "zu reformieren".

Vorsicht vor dieser Regierung! Denn niemand weiß, was sie vorhat und das, was ihre Minister bislang mitteilten, lässt Schlimmes erahnen.

Tatvorbereitung der Tatvorbereitung: Wenn Bombenbau-Infos verboten werden

Und täglich grüßt ein neuer, grundgesetzwidriger Gesetzentwurf.

Bundesjustizministerin Zypries will also in einem neuen Gesetzentwurf das Herunterladen von Anleitungen zum Bombenbau verbieten. Ganz unabhängig davon, warum sich jemand Informationen über Herstellung von Bomben beschafft. Nur Angehörigen bestimmter Berufsgruppen soll es anscheinend beispielsweise gestattet sein, sich derartige Informationen zu beschaffen.

Farlion hat die wichtigsten Passagen des Gesetzentwurfs einmal zitiert und kommentiert: Völlig unausgegorener Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz.

Bloggern und anderen Privatpersonen soll es also in Zukunft nicht mehr gestattet sein, sich beispielsweise darüber zu informieren und zu fragen, ob die Angaben der Behörden hinsichtlich der Gefährlichkeit der Chemikalien, die bei mutmaßlichen Terroristen gefunden wurden, stichhaltig sind oder ob den Bürgern von den Strafverfolgungsbehörden da nicht eventuell teilweise ein Märchen aufgetischt wurde.

Es ist wirklich unfassbar, welche Verachtung der Freiheitsrechte fast tagtäglich in neuen Gesetzesvorschlägen unserer Politiker sichtbar wird. Diese Blindheit für die Freiheitsrechte ist die logische Konsequenz aus dem Wunsch, Verbrechen mit allen Mitteln präventiv verhindern zu wollen. Da landet man irgendwann zwangsläufig bei dem Ansinnen, nicht mehr nur konkrete Absprachen und konkret ausgearbeitete detaillierte Anschlagspläne und konkrete Tatvorbereitungsmaßnahmen zu ahnden - was an sich bereits schon äußerst problematisch ist, so etwas ahnden zu wollen. Sondern nun will man auch schon gegen Informationen über Dinge vorgehen, die eventuell für Anschläge eingesetzt werden könnten. Es ist wieder ein Schritt mehr weg von einer konkret zu benennenden Tat mit konkret angerichtetem Schaden, hin zu einer ominösen Tatvorbereitung, ja sogar nun schon hin zur Vorbereitung der Tatvorbereitung. Die Tatvorbereitung der Tatvorbereitung sozusagen.

Auf jeden Fall erhöht sich wieder einmal die Rechtsunsicherheit. Es ist das gleiche Spiel wie beim Hackerparagraphen. Die kriminellen Cracker oder Terroristen wird es nicht abhalten, sich die betreffenden Mittel und Informationen trotzdem zu besorgen. Menschen jedoch, die informiert sein wollen, mündig sein wollen, wissen wollen, was eigentlich technisch möglich ist, werden vom Staat durch derartige Gesetze verängstigt und verunsichert.

Ein nutzloses Gesetz also. Es sei denn, man möchte schlicht und einfach noch ein Gesetz mehr haben, dass Rechtsunsicherheit schafft und die Kriminalisierung unbscholtener Bürger ermöglichen soll.

Diese Kriminalisierung unbescholtener Bürger ist immer eine Gefahr, wenn man derart weitgefasste Gesetze erlässt. Musterbeispel dafür ist der Paragraph 129a, bei dem schnell auf reinen Verdacht hin eine Gruppe von Menschen zu einer Terrorgruppe umdefiniert werden kann (Fefe spricht passend von "On-Demand-Kriminalisierung"), mit weitreichenden Einschränkungen ihrer Rechte gegenüber normalen Verdächtigen.

Aber auch die umfassende Vorratsdatenspeicherung oder die Möglichkeit der Polizei bei Hausdurchsuchungen auch sogenannte "Zufallsfunde" mitzunehmen, macht den Weg frei, Bürger aus "heiterem Himmel" zu kriminalisieren. In Deutschland darf die Polizei so Ermittlungsverfahren einleiten, wenn sie bei einer Hausdurchsuchung Hinweise auf weitere Straftaten findet. Die Polizei verwendet also in diesem Fall Informationen und Daten, die ihr erst zur Verfügung stehen, nachdem sie eigentlich nach etwas anderem gesucht hatte und sucht so also selbständig nach möglichem Fehlverhalten der Bürger - ohne dass es dazu zuvor einer Anzeige oder eines bekannt gewordenen Schadens bedarf.

Es ist diese Philosophie des wachenden Auges der Polizei. Die Polizei wacht und verfolgt von sich aus. Das Ziel dieser Philosophie ist die umfassende "Sauberkeit" der Bürger durchzusetzen. Es geht dann nicht mehr nur um die "Schadensregulierung" nach Bekanntwerden eines Schadens oder Anzeige eines Schadens, sondern es geht um Prävention. Und die erfolgreichste Prävention ist, den Gedanken an Verbrechen auszurotten.

So funktioniert das nur leider nicht. Menschen sind nicht "rein". Es gibt keine klare Definition von "Sauberkeit". Es gibt das Gute und Böse im Strafrecht als solches nicht. Was Gut und Böse ist, kann dort letztlich eindeutig nur anhand eines konkret vorliegenden Schadens definiert werden, der durch eine konkret erfolgte Tat angerichtet wurde. Gedanken alleine sind dazu nicht in der Lage.

Die Politik der Terrorprävention kann deshalb jenseits der normalen Abschreckung durch die Drohung mit Strafen nicht über das Strafrecht erfolgen. Denn Terroristen werden sich - wie oben schon gesagt - vermutlich kaum abschrecken lassen davon, Bomben zu bauen, wenn die Beschaffung der Informationen illegal ist. Schließlich lassen sie sich ja auch nicht abschrecken von der Tatsache, dass der Bombenanschlag selbst auch illegal ist. Will man derartige "Taten" wie das Beschaffen von Bombenbauanleitungen also verhindern, bedürfte es einer umfassenden Kommunikationskontrolle, so dass die unbemerkte Bombenbauanleitungs-Beschaffung an sich tatsächlich erschwert würde. Die Erschwerung käme also nicht durch das Verbot und eine mögliche abschreckende Wirkung des Verbotes zustande (Strafrecht), sondern durch die Überwachungsmaßnahmen und die Zensur von Bombenbauanleitungen.

Das Strafrecht sollte sich eigentlich nur mit Schadensfällen auseinandersetzen, die anschließend "reguliert" werden. Die mutmaßliche Gesinnung des Täters spielt zwar auch eine Rolle bei der Beurteilung der Höhe seiner Schuld, aber eben nur, nachdem ein Schaden tatsächlich eingetreten ist. Soll heißen: Der Schädiger wird bestraft, nachdem er als Verursacher eines Schadens dingfest gemacht wurde. Wo aber liegt konkret ein Schaden vor, wenn jemand liest, mit welchen Techniken Menschen bomben bauen können?

Es geht also bei Zypries Gesetzentwurf eigentlich um die direkte Überwachung und die direkte Kontrolle des Verhaltens und des Zugangs zu Informationen. Die Regulierung des Verhaltens findet dann nicht mehr dadurch statt, dass man sagt: Wenn du dies und das tust, wirst du in einem transparenten Verfahren nach festgelegten Regeln deinen angerichteten Schaden verantworten müssen. Sondern man unterbindet Handlungsmöglichkeiten der Bürger, die an sich keinen Schaden verursachen, ganz direkt. Mit der Vorstellung von einem mündigen Bürger hat dies nichts zu tun. Man könnte dazu - überspitzt und in Anlehnung an einige jüngeren Einträge zu diesem Thema hier im Weblog - sagen: Es ist die "Jugendschutz-Philosophie", nur dass hier nicht Kindern der Zugang zu Informationen erschwert werden soll, die sie eventuell überfordern (auch hier steckt also der Gedanke dahinter, dass diese jugendgefährdenden Informationen einen direkten Schaden in den Köpfen der Kinder verursachen, es also einen Schaden gibt), sondern mündigen Bürgern. Das Lesen einer Bombenbauanleitung wird niemanden zum Terroristen machen. Selbst wenn die Union morgen genau dies behaupten sollte (zutrauen würde ich der Union solch eine Aussage).

Auch das Verbot des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder ist beispielsweise etwas völlig anderes als ein Bombenbauanleitungs-Leseverbot. Ein kinderpornografisches Bild existiert nur, weil zuvor bereits ein Schaden angerichtet wurde, nämlich der Missbrauch des abgebildeten Kindes. Außerdem verletzt jede weitere Verbreitung solcher Bilder die Würde der Opfer ein weiteres Mal.

Auch der Aufruf und die Anstachelung zu Gewalttaten ist zu Recht verboten, weil sie an sich den sozialen Frieden stören und an sich so Schaden verursachen.

Bei technischen Anleitungen oder Informationen über chemische Beschaffenheiten kann ich dies nicht erkennen. Jemand anderer Meinung? Bitte einfach 'nen Kommentar hinterlassen.

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Montag, 17. September 2007

Abschuss von Terrorflugzeugen: Tagesschau.de einsilbig

Ob's an der eventuell mangelnden politischen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender liegt, die unmöglich macht, dass einfach, klar aber umfassend geschildert und berichtet wird, was Verteidigungsminister Jung und die CDU-Politiker Bosbach und Pofalla hinter ihm im "Schützengraben" gerade anstellen? Was auch immer die Gründe sein mögen, bei Tagesschau.de gibt es momentan erstaunliche inhaltliche Lücken in den Artikeln zu Jungs Bekundungen, Terrorflugzeuge abschießen zu wollen.

Im Artikel "Dürfen Piloten den Abschuss verweigern?" steht:

Nach der Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, im Notfall den Abschuss von entführten Passagiermaschinen anzuordnen, herrscht Unklarheit über die rechtliche Situation von Bundeswehrpiloten. Nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums dürfen die Piloten einen Abschussbefehl trotz unklarer Rechtslage nicht verweigern. (Quelle: Tagesschau.de)


Wo, bitte schön, existiert eine unklare Rechtslage? Wenn Jung die klare Rechtslage nach eigenem Geschmack umdeuten will, ist das sein Problem.

Und im als "Hintergrund-Artikel" angemalten Bericht "'Übergesetzlicher Notstand' soll Flugzeugabschuss ermöglichen" darf man lesen:

Der "übergesetzliche Notstand" ist weder im Grundgesetz noch in anderen deutschen Gesetzesbüchern geregelt. Der Begriff besagt, dass ein Gesetzesbruch dann zulässig ist, wenn so höhere Werte geschützt werden. Jung will damit für den Staat in Anspruch nehmen, was im Strafgesetzbuch als Notwehr für den einzelnen Bürger gilt. Wer eine Straftat begeht, um sich selbst oder andere zu schützen, handelt nicht rechtswidrig. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Straftat ein "angemessenes Mittel" ist, die drohende Gefahr abzuwenden. Diese unter Juristen umstrittene Argumentation ist der letztmögliche Versuch, die rechtliche Grundlage für den Abschuss entführter Flugzeuge zu schaffen [...]. (Quelle: Tagesschau.de)


Was genau ist unter Juristen umstritten? Dass Notwehr nicht rechtswidrig sei oder dass der Staat ein Notwehrrecht für sich beanspruchen dürfe? Und warum dann die Beanspruchung des Konstruktes "übergesetzlicher Notstand" durch den Staat unter Juristen umstritten ist, erfährt der Leser bei Tagesschau.de leider auch nicht. Das könnte vermutlich Tagesschau.de nur in einem Artikel darstellen, den man dann mit dem Begriff "Dokumentation" anmalt.

Netzeitung.de hat das Agenturmaterial etwas sinnvoller zusammengestrickt, wie mir scheint: Einen übergesetzlichen Notstand gibt es nicht". Darin heißt es:

Ein "übergesetzlicher Notstand" ist weder im Grundgesetz noch in anderen deutschen Gesetzesbüchern geregelt. Wer sich darauf beruft, stellt sich automatisch außerhalb des geltenden Rechts. Er sucht einen Entschuldigungsgrund für den bewussten Verstoß gegen eine strafrechtliche Vorschrift wie etwa das Folter- oder Tötungsverbot, um damit angeblich übergeordnete Werte zu schützen. [...] Das Strafgesetzbuch kennt nur den "rechtfertigenden Notstand" (§ 34 StGB). Demnach handelt "nicht rechtswidrig", wer eine Straftat begeht, um eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben von sich oder einem anderen abzuwenden. [...] Auf den "rechtfertigenden Notstand" darf sich nach den Worten des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Ernst Benda allerdings nur "der Bürger berufen, nicht aber der Staat". (Quelle: Netzeitung.de)


Und da wird schon deutlicher, warum der Staat sich nicht auf den "rechtfertigenden Notstand" berufen kann. Weil der "Notstand" eine Ausnahme vom normalen Recht wäre. Der Rechtsstaat selbst ist jedoch das Recht. Der Rechtsstaat und seine Organe existieren nur als abstrakte Konstrukte und werden nur durch das Recht erzeugt, zusammengehalten und am Leben erhalten. Anders in einer Diktatur oder Monarchie. Dort ist bekanntlich der Alleinherrscher der personifizierte Staat. Foltergesetze oder Notstandsgesetze stellen zwar die Ethik von Monarchien oder Diktaturen in Frage, jedoch nicht ihre Existenz. Ein Rechtsstaat jedoch, der in Fragen der Anwendung von Gewalt Willkürrecht folgen würde (und auf nichts anderes als auf Willkür laufen letztlich solche Dinge wie Folter oder präventive Massenabschlachtungen in Friedenszeiten im Inland oder das Abstreifen normaler gesetzlicher Regelungen durch den Staat in Notstandszeiten hinaus), löst sich automatisch ins Nichts auf und wird selbst zu einer Form der Willkürherrschaft.

Tja, dann warten wir mal auf die "Dokumentation" bei Tagesschau.de, wo die Zweifel der Juristen eventuell näher dargestellt werden. Mit Erscheinungsdatum nach Abflauen der Kritik an Jung womöglich? Derweil gibt es in den anderen Artikeln zu dem Thema bei Tagesschau.de nur die übliche Aneinanderreihung der Statements diverser Politiker.

Ach so, einen Kommentar gibt es bei Tagesschau.de auch noch. Tenor: Die Kritiker Jungs würden nicht sagen, was sie denn selbst tun würden:

Es ist schon erstaunlich, wie sich quer durch die Parteien Politiker verbal auf den Verteidigungsminister einschießen, aber mit keiner Silbe erwähnen, was sie selber in einer nicht ausschließbaren 9/11-Situation am Himmel über Deutschland zu tun gedächten. (Quelle: Tagesschau.de)


Also ich hätte darauf eine Antwort: Nichts.

Ja, genau. Nichts tun. Zumindest kein Roulette mit dem Leben von Flugzeuginsassen oder Menschen an potenziellen Absturzstellen spielen. Es gibt Grenzen der Möglichkeiten. Genau diese Grenzen zeichnen den Rechtsstaat aus. Diese Grenzen sind kein Defizit, sondern sein Vorzug vor anderen Regierungsformen. Und außerdem: Das Leben ist tödlich. Es gibt keine unendliche Sicherheit. Unfassbar, oder?

Und zum Schluss noch ein Danke an Tagesschau.de für die Beschimpfungen in oben erwähntem Kommentar - mit folgendem Gruß von mir zurück: Hey, Thomas Nehls, sie sind selbst ein Heuchler!

Tolles Niveau, nicht wahr? Mit Blick auf das Gebahren der GEZ kann man da nur sagen: Passt schon.

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Wenn Prävention zum Terror wird

Es scheint ja in den Medien Uneinigkeit zu herrschen darüber, was Verteidiungsminister Jung eigentlich will. Fordert er eine gesetzliche Regelung, nach der es möglich wäre Verkehrsflugzeuge auch dann abzuschießen, wenn Zivilisten an Bord sind? Oder fordert er nur eine gesetzliche Regelung, um zumindest Verkehrsflugzeuge abzuschießen, wenn klar ist, dass nur Terroristen an Bord sind? Oder fordert er gar keine gesetzliche Regelung, sondern sagt einfach, dass er schlicht und einfach 'ne Verkehrsmaschine vom Himmel holen würde, selbst wenn das gesetzlich nicht erlaubt ist? Und wäre er dann bereit, die Konsequenzen zu tragen, beispielsweise nach einem Abschuss wegen Totschlages verurteilt zu werden? Und würde ein Abschuss überhaupt Menschenleben retten? Bestände nicht die Gefahr, dass im dicht besiedelten Deutschland es überall auf eine ähnlich große Opferzahl hinauslaufen würde, egal ob das Flugzeug abgeschossen würde oder im von mutmaßlichen Terroristen mutmaßlich anvisierten Ziel einschlagen würde? Und ab welcher angenommenen Opferzahl wäre es vertretbar, das Leben der Flugpassagiere und das möglicher Opfer an der Absturzstelle zu opfern? Oder sollen bestimmte Gebiete in Deutschland ausgewiesen werden, die auf jeden Fall geschützt werden? Menschen, die außerhalb dieser Gebiete leben, müssten dann halt mit herunterfallenden, abgeschossenen Flugzeugen leben?

Hach, sind die Paradoxien eines wie ein religiöser Glaube verfochtenen Präventionsbegehrens von Seiten unserer (Un-)Sicherheitspolitiker nicht lustig? Also meinen Humor-Geschmack trifft's.

Okay, egal. Worauf ich ja eigentlich nur warte, ist, dass Schäuble Jung helfend zur Seite springt und die Online-Durchsuchung von Terror-Verkehrsflugzeugen fordert. Dann würden die Erben von Monty Python's Flying (!) Circus endgültig neidisch auf unser Land und seine spitzen Politiker blicken. Ein anderer als Schäuble ist übrigens schon gesprungen. Bosbach sein Name. Ganz ohne Fallschirm wie es scheint. Und Bosbach hat in diesem Fall, also dem mit den Verkehrsflugzeugen und den Terroristen, was ganz neues entdeckt, wie Süddeutsche.de berichtet:

"Hier gibt es Schutzlücken, die wir solange nicht schließen können, bis sich die SPD endlich bewegt." (Quelle: Süddeutsche.de)


Immer diese verfluchten Schutzlücken! Sowas kann sich doch kein anständiger Staat leisten! Das ist ein klarer Garantiefall. Also her mit der Gesetzesänderung!

Wenn da nicht das Problem wäre, dass das Grundgesetz es nach Artikel 1 (der mit der Menschenwürde und der Unantastbarkeit derselben) verbietet, Zivilisten in Passagierflugzeugen einfach so abzuschießen. Selbst bei Gefahr "im Anflug" nicht. Sowas aber auch. Aber das Bundesverfassungsgericht hat's ganz klar gesagt. Und zudem wäre eine Änderung von Artikel 1 laut Ausführungen bei Wikipedia.org nur möglich, wenn gleich eine ganz neue Verfassung verabschiedet wird, weil Artikel 1 unter die sogenannte "Ewigkeitsklausel" fällt.

Aber mit einer Sache haben die Väter des Grundgesetzes nicht gerechnet. Dass Jung einfach "hart" bleiben könnte, sich einfach "hart gibt", wie Spiegel.de schreibt. Also dann müssen wir Artikel 1 wohl ändern. Ich schlage deshalb folgende Neufassung des Artikel 1 vor:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es sei denn, es bestehen irgendwo Schutzlücken, dann darf jeder verfahren, so wie er es für richtig hält, um diese Schutzlücken zu schließen. Und außerdem ist die SPD schuld.


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Sonntag, 16. September 2007

Unions-Märchenstunde: Keine Hetzjagd in Mügeln, dafür aber nahender Weltuntergang

Mir dämmert langsam, warum es so relativ wenige politische Weblogs in Deutschland gibt. Das Thema "Deutsche Innenpolitik" ist einfach keine angemessene intellektuelle Herausforderung. Das, was SPD und Union beispielsweise an politischen Manövern veranstalten, ist so durchsichtig und auch so gehaltvoll wie ein Furz im Weltall. Leider aber nicht genauso ungefährlich. Haben in der Politik - so wie derzeit - die Chaoten das Sagen, kann ein Weltallfurz schnell zur Supernova werden, wenn mir diese "hysterische" Bemerkung einmal erlaubt sei.

Aber der Reihe nach...

Der Sächsische Ministerpräsident Milbradt (CDU) hat neue Erkenntnisse zu den Vorfällen in Mügeln. Er behauptete jetzt laut Süddeutsche.de auf dem Parteitag der sächsischen CDU, wo er mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde:

"Es gab keine Hetzjagd in Mügeln, sondern auf Mügeln und die Mügelner", sagte Milbradt. "Ich finde es unerträglich, wenn ein ganzer Ort und ein ganzer Landstrich stigmatisiert wird." Es sei nur noch schwer zu ertragen, wie oberflächlich und einseitig bundesweit berichtet werde. (Quelle: Süddeutsche.de)


Mein Vorschlag: Herr Milbradt, bitte melden Sie sich bei der Polizei! Da ihre Schilderungen extrem von dem abweichen, was die Polizei und die Presse bislang wissen, sollten Sie ihr Wissen der Polizei nicht vorenthalten!

Da ich ahnte, dass von mancher Seite bald ein übles Desinformationsspiel betrieben würde in Bezug auf die Vorfälle in Mügeln, hatte ich vorweislich in einem früheren Weblog-Eintrag ganz bewusst nur mal das gesammelt, was nach dem Vorfall publik wurde: Mob in Mügeln: Was hat die Presse nun rausbekommen? Selbst wenn die Ermittlungen der Polizei noch nicht abgeschlossen sind, wie anders als eine "Hetzjagd" soll man das bezeichnen, was da vorgefallen war? Mit welchem Recht konnten circa 50 Leute auf wenige Inder losgehen? Hatten die Inder Waffen, mit denen sie die Menge bedrohten, so dass diese sich durch einen Gegenangriff wehren mussten? Bislang ist nur bekannt, dass eventuell Glasscherben im Spiel waren. Warum ließ die Menge nicht ab, nachdem die Polizei anfing einzuschreiten? Lebt Milbradt noch auf diesem Planeten oder bereits in höheren (oder sonstigen) Sphären? Dass die CDU und noch dazu der Ministerpräsident höchstpersönlich die Sichtweise der Rechtsradikalen bei diesem Fall eins zu eins übernimmt, hätte ich selbst in meinen kühnsten Alpträumen nicht für möglich gehalten. Und dass Milbradt solche Aussagen nicht etwa privat in einem Hinterzimmer macht, sondern öffentlich auf einem Parteitag, wo er dann wiedergewählt wird, lässt Schlimmes erahnen über den inneren Zustand der Union. Was ist da los in Sachsen? Es kann einen nur gruseln.

Aber nicht nur Milbradt ermuntert so ausländerfeindliche Deutsche indirekt, demnächst noch ein wenig kräftiger zuzuschlagen. Auch unser Bundesinnenminister äußert sich mal wieder vortrefflich missverständlich, wie Süddeutsche.de weiter berichtet:

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble warnte vor hysterischen Debatten im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Vorfällen in Deutschland gewarnt. Es gehe um ein ruhiges und verantwortungsbewusstes Handeln, sagte der CDU-Politiker auf dem Parteitag. (Quelle: Süddeutsche.de)


Aber welche Hysterie meint Schäuble nur? Wer macht wie hysterische Äußerungen über Nazis? Welche Übertreibungen meint Schäuble? Ich habe nur Empörungen darüber wahrgenommen, dass Menschen aus gar keinem oder nichtigem Anlass heraus wegen ihrer ethnischen Herkunft schnell zum Opfer werden können in manchen Gegenden Deutschlands. Und dass ganze Menschenmengen durch aggressive Übergriffe auf offener Straße Menschen schlagen, jagen und mit dem Tod bedrohen. Will Schäuble die Empörung über derartige Vorgänge etwa als "Hysterie" verharmlosen? Wenn nicht, was will er dann? Könnte er da nicht mal etwas konkreter werden?

Ach, richtig, ich vergaß! Das Spezialgebiet Schäubles ist ja, nebulöse Anmerkungen zu machen, die dann ständig seltsamerweise missverstanden werden. Man könnte dieses Verhalten Schäubles als bewusste Desinformation interpretieren. Desinformation ist bekanntlich eine nicht zu unterschätzende Waffe, um den Meinungsdiskurs zu verwirren und in die eigene gewünschte Richtung zu lenken. Schäuble und sein Geheimdienstumfeld wissen das vermutlich. Aber die Reden von Schäuble sind sicherlich nur aus Versehen so missverständlich. Der Mann hat halt viel zu tun und ist schon etwas alt. Wenn er da irgendwo irgendwas sagt, ob auf Parteitagen oder in Interviews, dann ist er eben häufig nicht so ganz bei der Sache. Das muss man verzeihen. Die Hauptaufgabe eines Politikers ist es ja auch nicht, irgendwelche Reden zu halten. Schon gar nicht auf Parteitagen. Da fehlt einfach die Übung. Und dann kommt es zu Missverständnissen. Oder so.

Deutsche, die andere Menschen in Zusammenrottungen verprügeln oder umfangreiche Waffenlager anlegen und auch schon mal in der Öffentlichkeit mit Maschinenpistolen um sich schießen, sind also nicht so gefährlich, meinen Milbradt und Schäuble.

Wo die wirklichen Gefahren liegen, darüber werden wir dann jedoch auch noch aufgeklärt. Generalbundesanwältin Monika Harms etwa sieht eine enorme Gefahr ausgehen von Sachbeschädigungen, die - im Gegensatz zum sonst üblichen Vandalismus - begleitet werden von ominösen, verschwurbelten Bekennerschreiben. Solche als "linksextremistisch" titulierten Sachbeschädigungen könnten "umschlagen", sagt Harms. Soll heißen, später zu Angriffen auf Personen werden. Das mag sein. Der Möglichkeit bestehen bekanntlich immer viele. Es ist aber aktuell anscheinend glücklicherweise noch nicht passiert. Eine potenzielle Gefahr also, dass Menschen verletzt werden. Ist diese potenzielle Gefahr genauso schlimm oder gar schlimmer wie jene ganz reale und nicht nur potenzielle rechtsextremistische Gefahr, bei der immer wieder ganz bewusst Menschen verletzt und gar getötet werden? Warum relativiert Frau Harms hier? Ist das nötig? Für wen ist das nötig?

Wir haben also den Rechtsextremismus, den man aus welchen seltsamen Gründen auch immer anscheinend gegen "hysterische" Reaktionen in Schutz nehmen muss. Und wir haben aktuell einen Linksextremismus, der nach allem, was man davon hört und liest, bislang bewusst keine Menschen schädigen will. Wer fehlt noch bei der Aufzählung der Gefahren? Genau, das Internet. Denn dort versteckt sich vor allem die dritte Gefährdergruppe, die Islamisten. Diese Gefahr wird bekanntlich beständig analysiert von unseren Sicherheitsbehörden. Und Schäuble präsentierte nun in einer Rede in der Konrad-Adenauer-Stiftung ein weiteres Ergebnis dieser Gefahrenanalyse: Die Offenheit der Kommunikation im Internet sei das besonders Gefährliche. Diese Warnung Schäubles und seine Angst vor der uneingeschränkten Kommunikation kann ich ausnahmsweise einmal uneingeschränkt nachvollziehen. Ist doch die ungehinderte Kommunikation und der leichte Zugang zu Informationen schon immer der größte Feind der Desinformation gewesen.

Und auch mit seinen Warnungen, dass islamistische Terroristen irgendwann radioaktive Bomben einsetzen könnten, hat Schäuble leider Recht. Die FAZ gibt die Worte Schäubles so wieder:

"Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob", sagte Schäuble im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Doch die Deutschen sollten sich von solch düsteren Aussichten nicht ihr Leben vergällen lassen. "Aber ich rufe dennoch zur Gelassenheit auf", sagte Schäuble. "Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen." (Quelle: FAZ.net)


Eine schmutzige Bombe, so hörte ich, galt bislang als denkbares Szenario. Es wäre schlimm, aber nicht die Vernichtung der Erde (Weltuntergang). Ein Anschlag mit einer ausgewachsenen, richtigen Atombombe wäre wohl nicht allein durch eine Terrorgruppe im heute üblichen Wortsinne zu bewerkstelligen und bräuchte vermutlich tatkräftige Unterstützung eines feindlichen Staatswesens. Dann wären wir wieder bei der Gefahr, die es auch schon zu Zeiten des kalten Krieges gab und der man vor allem mittels der üblichen außenpolitischer Initiativen begegnen müsste, um internationale Spannungen abzubauen. Und sind die Sicherheitsbehörden mit ihren heutigen Befugnissen tatsächlich so völlig machtlos, wie Schäuble wieder einmal implizit in obigem Satz behauptet?

Es ist das übliche Desinformationsspiel Schäubles: Das Schreckliche wird in beschwichtigende Worte verpackt. So meint er, er könne quasi alles sagen. So meint er, er könne von der Tötung von Verdächtigen sprechen, weil er diesen Vorschlag ja nur in einen Fragesatz gepackt habe. So meint er jetzt, mit dem Weltuntergang drohen zu können, weil er ja gleichzeitig betone, dass man deshalb nicht in Panik verfallen sollte. Schäuble weiß genau, wie seine Worte verstanden werden und wie sie wirken. Und er weiß, dass wir es wissen. Offiziell jedoch kann er sich wegen dieser missverständlichen Sprache immer herausreden. Es waren ja nur Gedankenspiele und es dürfe ja keine Denkverbote geben! Ich habe doch gar keine Panik machen wollen, ich sagte doch selbst, man solle gelassen bleiben! Und so weiter. Es ist ein für einen Minister absolut unanständiges und unwürdiges Spiel. Schäuble sollte sich von seinem Desinformationsgefasel oder von seinem Ministerposten verabschieden.

Wir sind doch nicht dämlich!

Noch gibt es deshalb glücklicherweise die völlig offene Kommunikation im Internet. Also wird Schäuble & Co. zumindest im Internet weiterhin um die Ohren gehauen bekommen, dass sie bislang ihre Forderungen nach Online-Durchsuchung und weiteren Befugnissen nicht mit überzeugenden Argumenten begründen konnten.

Kein Wunder also, dass Schäuble im Angesicht dieser unregulierten, kritischen Diskussion jetzt schon andeutete, dass nun schon ganz genau diese offene Diskussion über seine Vorschläge - und nicht mehr nur ganz allgemein die "Offenheit" des Internets - eine Gefahr darstelle. So sagte Schäuble laut FAZ.net:

"Wenn ich heute sehe, wie die Terroristen aus unseren öffentlichen Debatten lernen, fürchte ich manchmal, dass die Bedrohung nicht ab-, sondern zunimmt." (Quelle: FAZ.net)


Aber vermutlich habe ich ihn hier wieder nur gänzlich missverstanden.

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