Sonntag, 23. Dezember 2007

Musikindustrie testet, was unsere Politiker von Meinungsfreiheit halten

Gut, dass wir die Musikindustrie haben. So kann sich jetzt jeder EU-Bürger ein eigenes Bild davon machen, wie wichtig unseren Politikern solche Dinge wie Meinungsfreiheit, Rezipientenfreiheit und informationelle Selbstbestimmung sind.

Die Musikindustrie hat nämlich einmal spaßeshalber auf EU-Ebene den Politikern einen Vorschlag unterbreitet, der auf die gesamte Filterung des gesamten Datenverkehrs im Internet hinauslaufen würde. Bei den Internetprovidern würde eine mächtige Filter- und Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, die so "Urheberrechtsverletzungen" ausfindig machen soll. Jedes Datenpaket würde dabei zunächst geprüft werden, ob es eventuell Dinge enthält, die der Musikindustrie nicht passen. Fehler passieren bei solchen Filterungen natürlich absolut nie. Und ein Missbrauch für andere Zwecke ist natürlich auch völlig ausgeschlossen. Und wenn einmal Daten an der Weitervermittlung behindert werden, obwohl sie keine Urheberrechte verletzten - ja mei, das ist dann halt das Opfer, das jeder Bürger bringen muss, damit die technisch völlig überflüssig gewordene Musikindustrie wirtschaftlich weiter leben kann.

Heise.de berichtet, dass einzelne EU-Abgeordnete den Vorschlag der Musikindustrie, das ganze Internet vollständig zu filtern, tatsächlich aufnehmen und daraus bereits ein Positionspapier gezimmert haben:

Die spanische Kulturpolitikerin hat den Filteransatz aufgegriffen und in einen Änderungsantrag (PDF-Datei) für die Empfehlungen (PDF-Datei) des Industrieausschusses für den Bono-Bericht eingebaut. Ursprünglich ging es der Berichterstatterin in dem Gremium, Neena Gill, allein um einen unkonkreten Ansatz, "die kritische Angelegenheit des geistigen Eigentums neu zu überdenken". Der federführende Kulturausschuss des EU-Parlaments soll nun Mitte Januar darüber entscheiden, ob ein Aufruf zum Filtern des Internet auf Providerebene mit in das Empfehlungspapier aufgenommen werden soll. (Quelle: Heise.de)


Der Vorschlag der Musikindustrie wurde bereits von der wachsamen Electronic Frontier Foundation scharf kritisiert.

Der Vorschlag der Musikindustrie kann also als eine Art Testballon angesehen werden. Mit ihm kann jetzt jeder Bürger nachvollziehen, wie anti-demokratisch die EU-Politiker eingestellt sind. Je nachdem wie weit und wie verbreitet der Vorschlag der Musikindustrie von Politikern aufgegriffen wird, wird man anschließend sagen können, wie weit eine gefährliche anti-demokratische Haltung (denn letztlich geht es um die Beschneidung der Meinungsfreiheit bei den Vorschlägen der Musikindustrie) unter den Politikern verbreitet ist.

Die konservative spanische Abgeordnete und frühere Kulturministerin ihres Landes, Pilar del Castillo Vera, die den Vorschlag der Musikindustrie aufgegriffen hat, setzt sich damit eindeutig an die Spitze der anti-demokratischen EU-Politiker derzeit.

Ich kenne auch schon den nächsten Vorschlag der Musikindustrie. Es gibt nämlich noch eine große Gefahr, die das Überleben der eigentlich im Internetzeitalter technisch überflüssig gewordenen Musikindsutrie gefährden könnte: Die Politiker selbst. Denn es könnte ja sein, dass Politiker ins Amt gewählt werden, die den Wünschen der Musikindustrie nicht mehr hörig sind. Und das darf ja nicht sein. Da würde ja das "Urheberrecht" beschädigt werden. Da kann es zur Rettung der Musikindustrie also nur eine Lösung geben: die Abschaffung von Wahlen. Und auch dafür, da bin ich mir sicher, würden sich einige hirnzerbröselte EU-Politiker finden lassen.

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Samstag, 22. Dezember 2007

Weihnachten ist in Deutschland ein Fest für die Hunde

Schade, dass der WDR so ein armer Sender ist und sich keine weitere Festplatte leisten kann, auf der er dauerhaft alle "TagesZeichen"-Radiosendungen vom WDR3 speichern könnte. Die Sendung "TagesZeichen" gibt es zwar als Podcast, aber leider gibt es kein Online-Archiv, aus dem man Sendungen, die älter als eine Woche sind, herunterladen könnte. So muss der WDR wohl anscheinend die TagesZeichen-Sendungen leider nach einer Woche wieder löschen, weil man zum Speichern nur den 128 MB großen USB-Stick des Praktikanten zur Verfügung hat. Vermute ich mal.

So kann ich auch nicht auf irgendeine MP3-Datei verlinken, sondern nur auf eine inhaltsleere Unterwebseite. Das mit dem Internet kann der WDR eben immer noch nicht so richtig. Ist ja auch so ein derart "neues" Medium, dieses Internet. Also muss man mir einfach glauben, dass der folgende Text aus der Sendung "TagesZeichen" vom 3.12.2007 stammt:

Einen Vermögenszuwachs von 50 Milliarden Euro haben die 50 Reichsten im letzten Jahr verbucht. Das ist das 27-fache der Summe, die man für die Ernährung von 2 Millionen Kindern in Hartz-IV-Haushalten übrig hat.

2 Euro und 57 Cent, das ist der amtliche Verpflegungssatz für ein solches Kind pro Tag. Eine einzige warme Mahlzeit in einer Kita kostet mehr. Und 13 Euro pro Tag zahlt die Stadt Hamburg dem Tierschutzverein für jeden Hund in dessen Heimen.

1,9 Milliarden für die Ernährung von 2 Millionen Kindern. 50 Milliarden für 50 Top-Milliardäre. Ein schiefer Vergleich, gewiss, denn schließlich zahlt nicht der Staat für diese Superreichen. Aber ohne Gerhard Schröders Steuerreform hätten sie sich mit etwa 40 Milliarden begnügen müssen. [...]

In Berlin müssen über 40 Prozent der Klein- und Vorschulkinder bereits von Hartz IV leben. 9 Euro und 12 Cent hat der Gesetzgeber ihnen für Spielzeug zugestanden. Nein, nicht pro Monat, sondern pro Jahr. (Quelle: WDR3-Radiosendung "TagesZeichen" vom 3.12.2007)


Seit Beginn von Hartz-IV hat sich die Kinderarmut in Deutschland verdoppelt. Die Folge für die Kinder: Lernstörungen, Unterernährung, Beschädigungen des Selbstwertgefühls, Glotze statt kultureller Teilhabe, lebenslanges Abgehängtsein. Selbst aus purer ökonomischer Perspektive ist Hartz-IV der absolute Wahnsinn, denn es dürfte klar sein, dass die Lebensläufe dieser Kinder dem Staat später noch weitere Kosten verursachen werden. Von Lebenssinn und Menschenwürde darf man in Deutschland ja öffentlich schon gar nicht mehr sprechen, ohne gleich von den neoliberalen Affen als "Gutmensch" diffamiert zu werden.

Übrigens: Wer zudem gegen einen Mindestlohn ist, der befürwortet indirekt auch diese Kinderarmut. Daran sollte man denken, wenn man in die Fratzen solcher Leute wie Pofalla guckt.

Ach, ja: Schöne Weihnachten.

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Freitag, 21. Dezember 2007

Deutsche Medienmerkwürdigkeiten: Neujahrsansprache

Meine kurze Frage des Tages:

Warum kann in Deutschland der/die Regierungschef/in zu Neujahr eine ausführliche Ansprache in die TV-Kanäle drücken, ohne dass anschließend zum Ausgleich für die Opposition Sendeplatz zur Verfügung gestellt wird?

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Dienstag, 18. Dezember 2007

Willkommen in der Bastille!

Man merkt, dass die Zeiten sich ändern, wenn man Wiederholungen von Geschichtsdokus auf Phoenix plötzlich mit anderem Blick anschaut als früher.

Unsere Wahrnehmung wird geschärft durch unser Vorwissen und vernebelt durch fehlendes Vorwissen (ein Grund, vermute ich, für die Anti-Bildungspolitik der Unions-Parteien mit weniger Schuljahren, mehr Leistungsdruck, Lehrerwillkür und Unterdrückung des freien Willens bei den Schülern durch neue "Kopfnoten"). Auch altes Wissen erfährt eine Uminterpretation oder eine neue Gewichtung durch neue Erkenntnisse.

So kam am Wochenende eine Doku über den Anfang der französischen Revolution, die Erstürmung der Bastille also. Kennt man doch alles. Hat man doch in der Schule was drüber gelernt. Wie kann solch eine Doku also spannend sein?

Aber beim Anschauen rumort es im Hinterkopf. Es ist nicht nur die anschauliche Inszenierung der Dokumentation, die die ollen Kamellen von 1789 merkwürdig nah erscheinen lassen. Denn was stand eigentlich im Mittelpunkt damals, als das Volk vor der Wahl stand, dem königlichen Befehl zu gehorchen, oder die Übergabe der Bastille ans Volk gewaltsam durchzusetzen? Es war genau die Frage nach: Wollen wir Ordnung und Sicherheit oder Freiheit? Wollen wir ordentliche, königliche Polizei, die effizient gegen Kleinkriminelle vorgeht oder wollen wir die Unsicherheiten, die mit der Abschaffung der alten Ordnung einhergehen? 100 Jahre lang war Frankreich nach der Revolution zerstritten darüber, ob die Revolution die richtige "Entscheidung" gewesen war.

So kam gerade eben eine Doku über die Stasi-Herrschaft in der DDR.

Zu den Bildern einer heimlichen Wohnungsdurchsuchung durch die Stasi sagte die Stimme des Sprechers aus dem Off: "Für Verdächtige gibt es in der DDR keine Privatsphäre." Später dann der bekannte Ausschnitt aus einer Rede von Stasi-Chef Mielke als das Volk angefangen hatte, sich zu erheben gegen die Unfreiheit: "Ich liebe doch alle. Ich liebe doch alle Menschen! Ich setzte mich doch für alle ein!"

Überwachung als Liebestat. Das kennt man doch irgendwoher! Das kommt einem doch so verdammt vertraut vor.

Umfaller-Partei SPD und die CDU mit ihrer ehemaligen FDJlerin an der Spitze und die CSU sind es, die plötzlich - so als ob es nie eine DDR gegeben hätte - seit ungefähr einem Jahr ein neues, altes Lied anstimmen darüber, dass es für den Staat keine Lücken mehr geben dürfe, dass Datenschutz Täterschutz sei, dass man möglichst viele Daten der Bürger präventiv erheben und speichern müsse, dass man Terroristen ansonsten quasi einladen würde, wenn man irgendwo - und sei es auf den Festplatten der Bürger - Überwachungslücken bestehen lasse.
Und die obersten Polizisten stimmen ins Lied ein und fordern - ganz in seeliger Erinnerung an die guten alten Zeiten in der DDR - heimliche Wohnungsdurchsuchungen und heimliche Videoüberwachungen innerhalb von Wohnungen Verdächtiger und präventives Telefonabhören auch bei Menschen, bei denen es keinerlei handfeste Hinweise gibt, dass sie eines Verbrechens verdächtig sind.

Vor einigen Tagen sagte Jürgen Gehb, rechtspolitischer Sprecher der Union:

"Der Schutz der Privatsphäre ist zu einem Schutzschild für Verbrecher geworden, das Deutschland zu einem Biotop für Terroristen und organisierte Kriminelle macht." (Quelle: Welt.de)


Dagegen äußerte Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts laut "Hal Faber":

"In einem Staat, der keinen Rückzugsbereich der Privatheit übrig lasse, wolle er nicht leben." (Quelle: Heise.de)


Das Bundesverfassungsgericht ist zur Zeit das einzig verbliebene Bollwerk gegen die Regierung und gegen die mit ihr verbündeten windigen und gefährlichen parlamentarischen Rechtsstaats-Gefährder aus SPD, CDU und CSU.

Es herrscht Belagerungszustand. Anders als 1789 sitzen heute die Verteidiger und nicht die Gegner von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat in der Bastille eingeschlossen. Eine Flucht (Wohin? Ins Ausland? In die innere Emigration?), verehrter Herr Papier, ist kaum denkbar - falls sie solch einen Wunsch mit ihrer Äußerung andeuten wollten.

Nein, nein, nein. Keine Flucht. Nach 1984 kommt 1789/1989. Ich kann nur sagen: Vorsicht, Schäuble! Vorsicht Zypries! Vorsicht ihr Typen von der SPD, CDU und CSU! Vorsicht, ihr angeblich so biederen Chefs von BKA und LKAs! Treibt das Spielchen nicht zu weit!

Machen wir uns aber nichts vor. Der Terrorismus ist der willkommene Anlass, nicht der wirkliche Grund dafür, dass dieser Staat sich immer mehr von seinen freiheitlichen-demokratischen Grundsätzen entfernt. Die eigene Regierung stellt immer eine große potentielle Gefahr für eine Demokratie dar. Denn sie will in der Regel an der Macht bleiben und hat grundsätzlich die Mittel, dies auch gewaltsam durchzusetzen. Nur Regeln und Kontrolle hindern sie daran. Gibt man diese Regeln und Kontrollen auf, ergibt sich zwangsläufig eine Diktatur. Wäre Demokratie eine von Natur aus stabile Staatsform, gäbe es auf der Welt viel mehr davon. (Quelle: Antiterror.Blog.de)

Donnerstag, 13. Dezember 2007

Verfassungsreformen hier und da

Wenn in Venezuela eine neue Verfassung auf den Weg gebracht wird, dann sieht das so aus (via Gebloggtewelten.de):

Anhänger und Gegner der Verfassungsreform in Venezuela füllen auf getrennten Demonstrationen die Straßen von Caracas

Wenn in Europa eine neue Verfassung auf den Weg gebracht wird, dann sieht das so aus:

Gruppenbild der EU-Regierungschef nach ihrer Unterzeichnung des Lissaboner Vertrags

Fazit: Wenn das Volk entscheidet, so wie in Venezuela Anfang Dezember 2007, geht es teilweise tumultartig zu. Wenn "das Volk" entscheidet, so wie in der Europäischen Union, kommt höchstens Aufregung auf, wenn der Kugelschreiber der Kanzlerin bei ihrer "Stimmabgabe" nicht sofort funktioniert.

Merkel unterzeichnet den Lissaboner VertragAuseinandersetzungen mit den Massen auf der Straße, Unsicherheiten darüber, ob eine Entscheidung vom Volk angenommen wird oder nicht und durch Massendemonstrationen tagelang verstopfte Straßen - das haben wir Europäer ja glücklicherweise längst hinter uns gelassen. Europas "Demokratie" ist fortschrittlicher als die in Venezuela. Ganz klar. Denn Europas "Demokratie" ist so schön geordnet, sauber, klinisch rein.

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Huch, doch kein weiterer Aufschwung mehr?

Welt.de berichtet: Der Aufschwung verliert drastisch an Fahrt.

Na, sowas. Vor kurzem hieß es doch noch, dass die langjährige Reformpolitik nun den Durchbruch erzeugt hätte und nun endlich der Aufschwung da sei, auf den die Reformen der letzten Jahre hingearbeitet hätten! Wahrscheinlich ist der Post-Mindestlohn und der GDL-Bahnstreik und der verregnete Sommer (Zudem ohne jegliche Fußball-WM! Das war ja 2006 noch ganz anders!) dran schuld. Wäre dies alles nicht so gekommen, wäre der Aufschwung sicherlich - so wie Merkel dies behauptet - bei den Menschen angekommen und hätte nicht mal nur kurz durchs Fenster von draußen reingeschaut. Aber die Menschen wollten den Aufschwung ja nicht. Sie haben ihm die Tür verschlossen und nun zieht er eben weiter. Leute, wenn der Aufschwung da ist, dann müsst ihr ihn auch reinlassen, sonst geht der Aufschwung gaaaaanz schnell wieder weg! Oder so.

Undankbares Volk, da beschließt die Regierung über Jahre hinweg eine Reform nach der anderen, die - so Merkel - den Aufschwung erzeugt hätten, und dann beleidigen die Menschen den Aufschwung mit ihren überzogenen Forderungen, vom Arbeitslohn auch leben zu können und *puff* weg ist er, der Aufschwung. Ja, ja, so ist das mit dem Aufschwung. Vermutlich gibt es jetzt die kommenden zehn Jahre wieder nur Reformen, damit der Aufschwung das nächste Mal nicht nur ein knappes Jahr bleibt, sondern 'ne Woche länger, zumindest aber noch bis über Weihnachten hinaus. Er ist doch so lieb, der Aufschwung, aber eben auch seeeeehr empfindsam, empfindlich, schreckhaft und auch etwas mimosenhaft halt.

Das IfW erwartet einen Rückgang um 500.000 auf 3,29 Millionen Arbeitslose. Dennoch bemängelte das Institut, die deutsche Wirtschaftspolitik habe ihren Kurs geändert es würden mehr "Maßnahmen diskutiert und beschlossen, welche die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt wieder verschlechtern und damit das Fundament des Aufschwungs schwächen". (Quelle: Welt.de)

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Montag, 10. Dezember 2007

Bloggen ist für alle da

(Via diverse Weblogs) Wir leben wahrlich in seltsamen Zeiten, wenn eine irre Ablästerei eines Journalisten über die sich breit machende Meinungsdemokratie des Internets im Vergleich zum sonstigen Geschehen in Deutschland zu einer amüsanten Nichtigkeit wird.

Früher hätte ich mich über solch ein dämliches Geschreibsel eines Journalisten vom Internet als Hort der Narren und des Schmutzes aufgeregt. Heute bin ich eher verwirrt darüber, dass ein derartiger Artikel in der Süddeutschen Zeitung überhaupt noch irgendwo einen größeren Widerhall in der "Blogosphäre" findet.

Hey, es ist doch nur ein Journalist, der da seine Meinung ins Internet schreibt! Ein Blogger also wie wir! Liebe Blogosphäre, nehmt ihn freundlich auf, den Herrn Bernd Graff. Jeder hat einmal angefangen mit dem Bloggen. Er wird es schon noch lernen.

Samstag, 8. Dezember 2007

Polizeichefs attackieren jetzt auch mit neuen Überwachungsforderungen das Grundgesetz

Eigentlich hatte ich vor, auch noch einen Artikel zu schreiben über die unmöglichen Antworten, die die Bundesregierung auf eine kleine, parlamentarische Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zur sogenannten "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" gegeben hatte. Ich wollte mich aufregen darüber, dass die Bundesregierung es für völlig okay hält, wenn Polizeibeamte zum Zwecke der Überwachung von verschlüsselten Voice-over-IP-Telefongesprächen einfach heimlich in die Wohnung von Verdächtigen eindringen und dass dieses Eindringen angeblich mit der vom Gesetz garantierten "Unverletztlichkeit der Wohnung" nichts zu tun habe. So als ob die Beamten sich von der Wohnungstür direkt zum Computer teleportieren könnten, wie Kai Raven so trefflich schreibt, und nicht nach links und rechts schauen würden in der Wohnung und nur schnell die Schnüffelsoftware auf dem Computer installieren würden und das war's.

Dieses Spiel mit Interpretationen darüber, was die Unverletzlichkeit der Wohnung ist, ist zutiefst unwürdig für eine Regierung, die angeblich die Freiheitsrechte seiner Bürger schützen will. Entweder Sex oder kein Sex, entweder man betritt die Wohnung heimlich und verletzt dabei die Grenzen und Rechte des Wohnungsinhabers, oder man bleibt draußen. Wenn das kein Beispiel für das von George Orwell beschriebene "Zwiedenken" ist, dann weiß ich auch nicht. Verrückter als dieses Verdrehen einfacher Wahrheiten durch die Bundesregierung ist höchstens noch das - wie immer - lärmende Schweigen und stumme Echo, das derartige Äußerungen der Bundesregierung in den deutschen Medien hervorruft. Da muss der aufmerksame Beobachter doch zu dem Schluss kommen, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Aber bevor man sich noch über die eine Sache richtig aufregen kann, folgt schon der nächste Klopper. Dieses Mal ausnahmsweise nicht von Schäuble und Merkel, sondern von den höchsten Polizeichefs Deutschlands.

So sollen die Chefs der deutschen Landeskriminalämter und natürlich Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes, nun auch den sogenannten "Großen Spähangriff" auf Wohnungen, sprich heimliche Videokameras in Wohnungen, gefordert haben, sowie auch die präventive Telefonüberwachung von Leuten, die noch überhaupt gar keiner Tat verdächtigt werden. Außerdem soll ihrer Meinung nach die Überwachung von Internetcafés intensiviert werden und der Einsatz von W-Lan-Catchern bundesweit möglich werden.

Spiegel.de berichtet über einen Bericht, der ab Montag in der Tote-Holz-Ausgabe vom Spiegel zu lesen sein wird.

Die Polizeichefs verlassen mit ihren Vorschlägen natürlich ganz klar den Boden des Grundgesetzes. Um das festzustellen, reicht es schon, die Urteilsbegründungen des Bundesverfassungsgericht zum "Großen Lauschangriff" zu kennen. Liest man die, wird auch deutlich, dass auch eine Änderung oder Erweiterung des Grundgesetzes kaum dazu führen kann, einen "Großen Spähangriff" zu realisieren, denn in jedem Fall wäre bei einem Großen Spähangriff noch mehr als beim Großen Lauschangriff die Würde des Menschen bedroht. Die ist jedoch als oberstes zu schützendes Gut im Artikel 1 des Grundgesetzes unabänderlich festgezurrt.

Natürlich könnte man das Grundgesetz als Ganzes abschaffen. Und genau darauf zielen meiner Meinung nach letztlich die diversen Vorstöße von bestimmten Ministern der Bundes- und Länderregierungen und von bestimmten Behördenchefs ab. Michael Stolleis hat es in einem Artikel bei Online-Merkur.de trefflich beschrieben, wie die neue Doktrin von einem angeblichen "Grundrecht auf Sicherheit" darauf abzielt den freiheitlichen Rechtsstaat letztlich abzuschaffen. Wir leben also in immer gefährlicher werdenden Zeiten. Und zwar nicht wegen irgendeines Terrorismus von Außen, sondern wegen eines Terrorismus von Innen, aus dem "Apparat" heraus. Hier wird mit dem Feuer gespielt. Und das Feuer haben nicht die Bürger, die für Freiheitsrechte und Rechtsstaat und Datenschutz einstehen, angezündet.

Geschichte wiederholt sich also. Wie bei der Weimarer Republik wird der Staat als zu schwach dargestellt und als hilflos dargestellt von den Feinden der Demokratie - einhergehend mit der Forderung, Rechtsstaat und Demokratie abzuschaffen, um angebliche Sicherheit herzustellen.

Das ganz praktische Problem bei den nun von den Polizeichefs geforderten Überwachungsbefugnissen lautet: Jeder normale Bürger kann sehr schnell durch dumme Zufälle oder übertriebenes Vorgehen der Behörden in ein Netz von Verdächtigungen geraten und müsste dann nach den Plänen dieser "ehrenwerten" Herren einen umfassenden Angriff auf seine persönliche Integrität, sein Selbstbild, seine Würde, sprich auf das, was ihn als Menschen ausmacht, hinnehmen. Man könnte auch von einer Folter durch Überwachung sprechen, deren traumatische Wirkung dann voll zur Entfaltung käme, wenn der Verdächtige erfährt, dass der Staat wochenlang oder gar monatelang in jede seiner Poren geblickt hat.

Worin bestünde noch der Unterschied zwischen einem Leben in einer voll überwachten Wohnung und dem Leben in einer Gefängniszelle? Ach, richtig: in der Gefängniszelle hat man mehr Privatsphäre und mehr Rechte. Man weiß da nämlich zumindest um seine Situation und kann anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und sich aktiv gegen seine Situation wehren. Wohl dem, der also schnell eingesperrt wird und wehe dem, gegen den nur schwache Verdächtigungen vorliegen und der deshalb über Monate heimlich intensiv überwacht wird, um so handfestere Beweise gegen ihn zu sammeln.

Weil nach der Einführung derartiger Überwachungsmethoden die tatsächliche Schwellenhöhe für den Einsatz der Methoden anschließend erheblichen Schwankungen unterliegt (man beachte nur den exorbitanten Anstieg der Telefonüberwachungen in Deutschland in den letzten zehn Jahren), wird alleine die Existenz der Möglichkeit, dass der Staat Bürgern jeglichen Rückzugsraum, jegliche Privatsphäre entziehen kann, schweren Schaden im Verhältnis normaler Bürger zu ihrem Staat anrichten.

Denn Privatsphäre ist kein Luxus, sondern sie ist eine wesentliche Bedingung für ein selbstbestimmtes Leben. Sie ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass ich mich als autonomes Wesen erlebe. Sie ist die Bedingung, dass ich mir selbst gegenüber und anderen Menschen gegenüber ein bestimmtes Bild meiner Person aufbauen kann. Ein Mensch, der beständig in der Öffentlichkeit steht oder sich beständig überwacht wähnt (er braucht noch nicht einmal tatsächlich überwacht zu werden!), entwickelt langfristig ganz unzweifelhaft psychische Störungen, weil er keine Kontrolle mehr hat über einen wichtigen Teil seines Lebens, oder weil er meint, darüber keine Kontrolle mehr zu haben. Psychologen wissen, dass die eigene Identität von jedem Menschen aktiv hergestellt wird. Identität ist nicht einfach da, sie wird konstruiert. Eine selbstbestimmte Identität kann nur aufgebaut werden, wenn man auch die Macht über die Grenzen seiner Privatsphäre hat. Das erlebt spätestens jeder Mensch als heranwachsender Jugendlicher und das erzeugt unter anderem die bekannten Spannungen zwischen Kindern und Eltern. Wenn Teenager also anfangen, ihre Privatsphäre und ihre Identität unabhängig von den Eltern zu bestimmen. Privatsphäre macht das Erwachsensein, sprich das selbstbestimmte Leben aus und damit einen Großteil der Würde jedes Menschen.

Wer derartige Vorschläge macht wie unsere Polizeichefs, den fordere ich schlicht auf wegen seiner Ignoranz gegenüber der Wichtigkeit der Privatsphäre fürs Menschsein doch einfach einmal umzuziehen in den Zoo und sich wie die Affen in eine Unterkunft mit einer großen Glaswand an einer Wandseite einquartieren zu lassen, durch die dann alle Zoobesucher einen beim Wohnen und Leben zugucken können. Vielleicht wird ihm dann die Bedeutung der Privatsphäre als Fundament einer freiheitlichen Gesellschaft deutlicher.

Was für ein furchtbares Land, in dem Polizeichefs, vermutlich ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, derartige Vorschläge machen!

Das wirklich Schlimme ist aus meiner Sicht, dass diese Vorschläge überhaupt gemacht wurden. So als ob die Polizeichfes nicht wüssten, dass ihre Vorschläge niemals am Bundesverfassungsgericht vorbei kämen. Diese Vorschläge sind also die pure Provokation. Ich befürchte, dass genau diese Provokation gewollt ist. Dass es also gar nicht wirklich um die Realisierung der vorgeschlagenen neuen Polizeibefugnisse geht (weil utopisch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff), sondern dass die Provokation selbst das eigentliche Ziel ist.

Vielleicht wollen die Polizeichefs bewusst das Vertrauen der Bürger in die Polizei unterminieren. Ich befürchte, dass hier eine ganz bewusste Strategie der Destabilisierung des Staates verfolgt wird - vielleicht mit Rückendeckung einiger Unions-Minister.

Der Bürger wird sich wegen dieser haltlosen Forderungen nach immer mehr Überwachung und immer weitergehenden Polizeibefugnissen nicht sicherer fühlen. Im Gegenteil. Meine Eltern beispielsweise wollen das gar nicht hören, wenn ich ihnen mal wieder eines dieser Beispiele erzähle, bei denen die Polizei über die Stränge schlug. So wie neulich in Bayern, als ein Sondereinsatzkommando das Haus einer Familie stürmte, weil die Polizei aufgrund vager Gerüchte gehört hatte, dass der Familienvater eventuell für einen Farbklecks am Geburtshaus des Papstes verantwortlich sein könnte. Es schaudert meine Eltern. Man merkt ihnen ihre Angst an.

Das Spiel geht also wie folgt: Die Bürger fühlen sich durch die Reden und Taten unserer Sicherheitsbehörden und "Sicherheits"-Politiker verunsichert. Diese Verunsicherung wird dann sogleich jedoch paradoxerweise wieder zum Kraftstoff für die Unterstützung noch weitergehender Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Ein sich selbst verstärkender Kreis, an dessem Ende die weitgehende Abschaffung bürgerlicher Freiheitsrechte steht. Hier zeigt sich ein Mechanismus, durch den sich eine Demokratie mit tatwilliger Unterstützung großer Bevölkerungsmehrheiten selbst abschafft.

Die verrückten Vorschläge der Polizeichefs sollten also spätestens jetzt all diejenigen aufrütteln, die bislang immer noch dachten, dass das Tamtam um Bundestrojaner und Vorratsdatenspeicherung und um Schäubles Vorschläge und Aussagen zur präventiven Tötung von Verdächtigen oder zur angeblichen Unausweichlichkeit von Guantanamo und all die anderen Vorschläge nur ein parteipolitisches Profilierungsspielchen war.

Es geht also bei der Frage um mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienste um nichts weniger als die Zukunft der Demokratie in Deutschland.

Nachtrag: (Via Antiterror.Blog.de) Das Bundeskriminalamt fordert jetzt wohl auch noch zusätzlich zum oben dargestellten Maßnahmenkatalog die heimliche Wohnungsdurchsuchung, wie Taz.de berichtet:

Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach Hause. Der Sessel scheint aber nicht genau da zu stehen, wo er immer steht. Und die Zahnbürste liegt links vom Zahnputzbecher statt wie üblich rechts. War da etwa jemand in der Wohnung? Bisher konnte man ausschließen, dass die Polizei heimlich die Wohnung durchsucht hat [...]. Die Argumente für die heimliche Durchsuchung sind die gleichen wie für die geplante heimliche Ausspähung von Computer-Festplatten. Man würde gerne sofort wissen, was in der Wohnung zu finden ist, ohne aber den Verdächtigen und seine möglichen Hintermänner bereits zu warnen. Und wenn die Polizei sogar bald via Spionagesoftware auf Computer in der Wohnung zugreifen kann, warum sollte sie dann nicht erst recht mit einem Dietrich in die Räume eindringen und mal in den Schreibtisch und unters Bett schauen dürfen. Schließlich ist so ein Einbruch technisch ja viel einfacher. (Quelle: Taz.de)


Diese letzte Forderung komplettiert das Bild, das schon durch die weiter oben erwähnten Vorschläge sichtbar wurde. Die unrechtsstaatliche, undemokratische Einstellung der deutschen Polizeichefs kann kaum mehr überdeckt werden. Eigentlich wäre die sofortige Entlassung bis spätestens Montag Mittag fällig - aber die Vorschläge folgen ja der inhaltlichen Linie bestimmter einflussreicher Politiker in Deutschland. Ich kann mir jedoch keinen Bürger mit Restverstand vorstellen, der derartige Polizeibefugnisse begrüßen würde.

Die Vorschläge der Polizeichefs stellen eine gefährliche Eskalationsstufe dar. Man kann nur hoffen, dass sich dadurch bestimmte Hitzköpfe nicht provozieren lassen. Denn genau solch eine Wirkungsweise dieser polizeilichen Provokationen könnte manchem politischen Hasardeur nicht unwillkommen sein. Der Rest der vernunftbegabten Politiker sollte aufpassen, dass ihnen die Situation nicht entgleitet, falls Teile der Politik sich die unverantwortlichen Vorschläge der Polizeichefs zu eigen machen sollten.

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Freitag, 7. Dezember 2007

Licht-Aktionismus: Auf jeden Fall voll die Klimaretter überall

(Via Telepolis.de) Aktionismus hier, Aktionismus da. Aber weil ich am Samstag nicht in einer kalten Wohnung sitzen möchte (wenn das Stromnetz wegen der "Terror"-Aktion "Licht aus" möglicherweise "tschüss" sagt), finde ich schon deshalb die Aktion "Licht an" circa eintausendmal besser als die Aktion "Licht aus". "Licht an" schreibt:

Nutzen Sie die fünf Minuten, in denen das Licht ausgeschaltet ist, um alte Stromfress­birnen heraus- und klimaschonende Energiespar- lampen hineinzuschrauben. Das erspart der Atmosphäre bei zehn ersetzten 100-Watt-Birnen jedes Jahr 335 kg co2. Und senkt nebenbei Ihre Stromrechnung um 50 - 100 Euro. (Quelle: Wir-Klimaretter.de)


Man hätte vielleicht noch erwähnen können, dass es sinnvoll ist, neben Energiepaarschlampen Energiesparlampen sich auch um andere technische Geräte zu kümmern: Wäschetrockner, alte, energiefressende Fernseher, Röhrencomputermonitore, alte Kühlschränke und alte Waschmaschinen. Ich empfehle jedoch beim Austausch dieser Geräte das Licht angeschaltet zu lassen. Ein Aufenthalt auf der Intensivstation vermiest die persönliche CO2-Bilanz nämlich auch erheblich. Weiterhin sollte man natürlich das allgegenwärtige Standby mittels Mehrfachsteckleisten mit Ausschaltknopf bekämpfen und vor allemst für kleine Wege aufs Auto verzichten. Eine moderne Heizung und Wärmedämmung wären auch nicht schlecht. Aber wem sage ich das? Weiß doch inzwischen jeder.

Und natürlich sollte man - weil man als Privatverbraucher nicht für alles verantwortlich ist - politischen Druck ausüben. Wohin aber mit dem Druck genau? Zur Mitte Deutschlands natürlich, also beispielsweise nach Niederdorla in Thüringen. Denn dort residiert ja jetzt dauerhaft unsere Kanzlerin, wie sie auf dem CDU-Parteitag bekanntgegeben hat.

Und wenn dann am Samstag nüschte passiert mit dem Stromnetz, gibt es eine schöne Ausrede, warum nichts passiert ist: Weil bei "Licht an" mehr mitgemacht haben als bei "Licht aus". Klimaretter sind wir also in jedem Fall. Super.

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Donnerstag, 6. Dezember 2007

Aktion "Licht aus" bedroht Stromnetz - Totalstromausfall befürchtet

Macht nicht mit bei der bescheuerten "Licht-Aus"-Aktion von Greenpeace, BUND und World Wildlife Fund (WWF), unterstützt von der Bild-"Zeitung", dem Fernsehsender Pro7 und Google!

Bei dieser Aktion sollen alle Deutschen am kommenden Samstag zwischen 20 und 20.05 Uhr alle Lichter ausschalten. Auch bei vielen Sehenswürdigkeiten soll die Flutlichtbestrahlung in dieser Zeit ausgeschaltet werden. Als Symbol für... Weniger Licht? Mehr Infrarotnachtsichtgeräte? Mehr umweltschädliche Kerzenbeleuchtung (Kerzen haben eine schlechtere CO2-Bilanz als Stromsparlampen)? Längeres Schlafen? Keine Ahnung. Eine richtige Deppen-Aktion also. Sieht man schon daran, dass die Bild-"Zeitung" mitmacht. Ein untrügliches Zeichen. Eine Aktion "Verstand aus" also.

Die Aktion könnte - wenn mehr als 10 Millionen Haushalte mitmachen - zu einem Zusammenbruch des Stromnetzes in großen Teilen Europas führen, wie jetzt die Kraftwerksbetreiber und unabhängige Wissenschaftler warnen. Welt.de berichtet.

Als Gegenmaßnahme würde ich sogar empfehlen, zwischen 20 und 20.05 Uhr möglichst viele fiese Stromverbraucher anzuschalten. Mal sehen, irgendwo muss ich doch noch einen Radiator haben...

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Dienstag, 4. Dezember 2007

Leckere Fragen für Journalisten an Schäuble - miez, miez, miez!

Ein Plastikteller mit trockenem KatzenfutterDas Veröffentlichen von leckerem Essen in Weblogs ist total in Mode. Da muss ich natürlich mitmachen. Ich habe die dargestellte Speise jedoch nicht für mich selbst angerichtet, sondern möchte sie hiermit großzügigerweise an Bedürftige spenden.

Ich kritisiere ja sehr häufig die deutschen Medien hier in meinem kleinen Weblog. Und ich weiß: Das ist fies. So rumkritisieren kann jeder. Noch dazu als anonymer Schmierfink.

Aber ich bin doch gar nicht so. Eigentlich bin ich ein ganz netter Mensch, lässt mich zumindest meine Katze (jeder Blogger hat eine Katze, zumindest virtuell, Katze 2.0) morgens wissen, wenn sie um meine Beine streicht, um mich zu erpressen, ihr endlich was zum Futtern zu geben. Blödes Vieh.

Also, liebe Medien, liebe Journalisten, dann will ich euch auch mal ein bisschen Katzenfutter vor die Socken werfen. In Form von drei kleinen Fragen, die ihr bei nächster Gelegenheit an unseren Denkverbot-freien Bundesinnenminister, dessen Name ein Anagramm von "Belausche" ist, verfüttern dürft:

1.) Schäuble behauptet, dass es bei der geplanten Online-Durchsuchung (Bundestrojaner) nur um die Terrorabwehr geht und verneint vehement, dass es dabei auch um solch profane Dinge wie Steuerfahndung gehen könnte. Er betont dies mit dem Hinweis, wir würden in einem Rechtsstaat leben. Was sagt Herr Schäuble aber zu den von den Unions-Ländern mitgetragenen Empfehlungen der Bundesratsausschüsse, die Online-Durchsuchung auch für gewerbsmäßige Steuerhinterziehung einzusetzen? (Via Hanno's Blog)

2.) Was sagt Schäuble zu dem nun offenbar gewordenen Anspruch der USA, Menschen, die in den USA gesucht werden, auch an bestehenden Auslieferungsverträgen vorbei notfalls aus anderen Ländern heraus zu kidnappen, um sie so vor ein amerikanisches Gericht zu stellen? Findet er diese Praxis akzeptabel? Findet er sie nur für Terror-Verdächtige akzeptabel (Stichwort "Guantanamo", das er ja anscheinend gar nicht mal so schlecht findet), oder findet er diese Praxis auch für gewöhnliche Kriminelle akzeptabel, so wie die USA dies tun? Gefährdet dieses Vorgehen der USA nicht den Aufbau eines internationalen Sicherheitsraums von dem Schäuble träumt, wenn die Staaten innerhalb dieses Sicherheitsraums so unterschiedliche Auffassungen von einem Rechtsstaat haben? Oder ist es ihm egal, wenn deutsche Bürger durch die Teilnahme Deutschlands an solch einem internationalen Sicherheitsraum in ihren Grundrechten verletzt werden könnten?

3.) Was sagt Schäuble zu dem jüngsten Urteil des Kanadischen Bundesgerichtes, dass es Kanada entgegen eines Abkommens mit den USA fortan verboten sei, Menschen an die USA auszuliefern, weil die USA im Umgang mit Verdächtigen und Flüchtlingen nicht mehr die internationalen Menschenrechtsstandards einhalten (das kanadische Gericht warf den USA "Folter" vor und ausufernde Beobachtungslisten mit haltlosen Terrorverdächtigungen gegen unbescholtene Menschen)?

Ich weiß, Schäuble wird sich um die klare Beantwortung dieser Fragen drücken. Dann überlegt mal, liebe Journalisten, wie ihr ihn trotzdem dazu bringt, auf die Fragen einzugehen. Schließlich redet er immer von der Aufhebung des Unterschieds zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit. Und in puncto "Äußere Sicherheit" wird man um das Thema USA wohl kaum herumkommen. Aber was rede ich, ihr seid doch die Journalisten! Und nun guten Appetit!

Copyright-Hinweis: Die Urheberrechte an obigem Foto besitzt "thomwatson". Das Foto unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.

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Kristallkugeljournalismus, lateinamerikanische Variante

Neben dem "Schweinejournalismus" gibt es auch noch eine andere Art des Journalismus. Der sieht dann beispielsweise so aus:

Chávez hätte mit seinen Reformplänen [...] fast diktatorische Befugnisse im Fall eines Ausnahmezustands erhalten, den er selber ohne große Hürden hätte ausrufen können und dies wohl auch so eingeplant hat. (Quelle: Zeit.de)


Fast diktatorisch. Immerhin. Und woher wohl der ZEIT-Autor von diesen Ausnahmezustandsplänen weiß? Vielleicht daher?

Mit der Einführung der unbegrenzten Wiederwahl des Präsidenten wäre es ihm zudem gelungen, seine Amtszeit - wie von ihm geplant - bis auf das Jahr 2050 auszudehnen. (Quelle: Zeit.de)


Sofern das Volk ihn wiedergewählt hätte. Aber das venezolanische Volk besitzt ja keinen eigenen Willen, wie das gescheiterte Referendum gerade gezeigt hat. Oder so.

Chávez räumte seine Niederlage zwar ein, beglückwünschte seinen Gegnern und will nach eigenem Bekunden das Ergebnis der Volksabstimmung auch akzeptieren. Doch es bleibt abzuwarten, was der Linkspopulist wirklich machen wird. (Quelle: Zeit.de)


Schröder räumte seine Niederage nicht ein (2005), Stoiber sah sich bereits als Sieger (2002) und es bliebe abzuwarten, was Merkel alles machen würde, wenn 2009 die CDU eine Zweidrittel-Mehrheit bekommen würde. Oder so.

Chávez hat sich noch niemals mit Niederlagen abfinden können. (Quelle: Zeit.de)


Musste er bislang auch nicht wegen mangelnder Niederlagen.

Es handle sich jedoch nur um eine "vorübergehende Niederlage", hebt El Comercio aus Peru hervor. [...] "Wir setzen unseren Kampf für den Sozialismus fort", zitieren alle Zeitungen des Landes das Staatsoberhaupt. "Der Sieg sei 'mikroskopisch' klein gewesen und man sei vielmehr von der niedrigen Wahlbeteiligung - 44 Prozent der wahlberechtigten haben keine Stimme abgegeben - besiegt worden als von den Reformgegnern", zitieren gleich mehrere venezolanische Tageszeitungen den Präsidenten. (Quelle: Zeit.de)


Das hört sich natürlich ganz gefährlich an. Ähnlich wie wenn sich nach jeder Wahl in Deutschland regelmäßig alle Parteien zum eigentlichen Sieger erklären.

Aber bitte schön... Misstrauen gegenüber Regierungen ist immer gut. Schade nur, dass davon bezogen auf unsere Regierungsfritzen hierzulande immer so wenig zu spüren ist in unseren Medien. Vermutlich stammen die Kristallkugeln unserer Journalisten nicht aus deutscher Produktion, sondern sind nur billige Import-Ware aus Ländern, in denen die Kristallkugelhersteller von Deutschland noch nie etwas gehört haben. Dumme Globalisierung.

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Montag, 3. Dezember 2007

Dummensteuer wird verdoppelt

Der Lotto-Jackpot wurde nicht geknackt. Manche sprechen jetzt glücklich davon, dass sie nun noch einmal eine Chance hätten, ihn zu gewinnen.

Andere sagen jedoch schlicht: die Dummensteuer wird verdoppelt.

Venezuela: Wie ein "Diktator" eine Wahl verliert

Ein vom Volk gewählter "Diktator" verliert eine von ihm selbst mit auf den Weg gebrachte Volksabstimmung, die ihm angeblich laut mancher Medienberichte die ewige, absolute und uneingeschränkte Herrschaft erbracht hätte (auch wenn das so nicht in der zur Abstimmung stehenden Verfassung stand). Und nun gratuliert dieser fiese Diktator der Opposition brav zu ihrem Sieg.

Die Diktatoren von heute sind aber auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Aber aus Rache wird Chávez ja jetzt wohl bestimmt dem Westen den Ölhahn abdrehen, wie unsere "Qualitätsmedien" gestern berichteten.

Vielleicht ist diese Wahlniederlage mindestens aus zweierlei Gründen gut für Venezuela: Das Ausland muss erkennen, dass in Venezuela mitnichten ein Diktator an der Macht ist und auch die innervenezolanische Opposition könnte dies zum Anlass nehmen, ihre destabilisierenden Kampagnen ein paar Stufen runter zu schalten. Aber ich habe wenig Hoffnung, dass das passiert.

Noch weniger Hoffnung habe ich allerdings, dass unsere Medien etwas lernen aus dieser Geschichte und vielleicht ab jetzt vorsichtiger berichten - nicht nur über das, was in Venezuela geschieht, sondern allgemein. Die aufmerksamen Leser und Zuschauer jedoch haben in den letzten Tagen sehr viel über unsere Medien gelernt und darüber, wie falsch und manipulativ sie berichten können. Nachträgliche Korrekturen oder gar Entschuldigungen sind von unseren Medien bekanntlich auch nicht zu erwarten.

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Zitat des Tages

Das Zitat des Tages präsentieren wir heute mit freundlicher Unterstützung durch das "Kopfhoch-Studio":

In einem Land, in dem Kinder und Jugendliche stramm stehend die Nationalhymne brüllen, ist was faul. Oberfaul. (Quelle: Kopfhoch-Studio.de)


Die Eremiten-Höhle als letzter Hort des politischen Dissenses

Eremiten-Haus in der Bergwand des Gorge de Galamus in SüdfrankreichIn letzter Zeit liest man ja häufiger in manchen Medien abschätzige Bemerkungen über Blogger, gerade auch über politische Blogger. Der Vorwurf geht ungefähr so: Diese Blogger seien alle pseudo-politische und bequeme Sesselfurzer, weil sie sich nur im Netz politisch betätigen und ansonsten kaum auf Demos gehen und keiner politischen Gruppierung oder irgendwelchen Vereinen angehören.

Dazu kann ich nur sagen: Fallt darauf nicht herein, liebe Mitblogger und Blogleser! Das ist eine Falle. Wir sollen gelockt werden ins Verderben! Wir sollen herausgelockt werden aus unseren Blogger-Höhlen, damit man unser habhaft wird. Ganz klare Sache das.

Die politische Zukunft gehört in Deutschland nämlich den Eremiten. Sie werden die letzte Zuflucht, der letzte Hort politischen Dissenses sein, wenn alle Demoteilnehmer längst gefilmt und ihre Personaldaten in diversen Polizeidatenbanken zum Futter von heimlichen Ermittlungsverfahren wurden. Sie werden die Inseln des Widerspruchs sein, wenn alle Mitglieder von Bürgerinitiativen oder sonstigen kritischen Vereinen längst unter Anklage stehen wegen Bildung von kriminellen Vereinigungen und ihr Vermögen beschlagnahmt wird und die Angehörigen rund um die Uhr überwacht werden.

Ich kann nur dazu raten: Schreibt Weblogs aber haltet ansonsten eure Klappe! Keine Kontakte per E-mail, per Chat, per Brief, per Telefon und erst recht nicht in Form von realen Treffen in der physischen Welt zu anderen Leuten als euren engsten Freunden und Verwandten und Arbeitskollegen! Eure Weblog-Artikel reden ja in unpersönlicher Weise zur ganzen Welt und haben keinen bestimmten Adressaten. Macht anonymes Kommentieren in euren Weblogs möglich, dann bleibt euer Weblog eine unverbindliche Plattform, auf der sich nichts bilden kann. Keine irgendwie gearteten Mitgliedschaften jedenfalls.

Kommuniziert mit der Welt jenseits eurer drei, vier engsten Freunde und jenseits eures engsten Familienkreises und jenseits eurer Arbeitskollegen nur mit öffentlichen Blogpostings. Keine Heimlichkeiten, keine weiteren Kontakte mit irgendwem. Auch freundliches Zunicken Fremden auf der Straße gegenüber oder gegenüber der Kassiererin im Supermarkt sind zu unterlassen.

Alles andere könnte - wie bei jedem normalen Bürger, wie bei jedem Nicht-Eremiten - gegen euch verwendet werden. Jeder andere Kontakt könnte dem Staat verdächtig sein. Und ihr selbst könnt ja auch nicht wissen, ob die oberflächliche, lockere Bekanntschaft neulich in der Kneipe nicht irgendwo in irgendwelche kriminelle Aktivitäten verwickelt ist. Und schon wäret auch ihr dran und verdächtig der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Spinnt der jetzt total, der Solon?

Nicht ich spinne, sondern das deutsche Gesetz spinnt. Aber lest selbst (Hervorhebungen von mir):

Im Wesen organisierter Kriminalität liegt es, dass ihren Akteuren konkrete Tatbeiträge zu den tatsächlich verübten Verbrechen oft faktisch nicht nachgewiesen werden können. [...] in Deutschland löste man das Problem dadurch, dass man 1871 mit Schaffung des Strafgesetzbuches in § 129 die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellte.

Bald darauf wurde der Straftatbestand jedoch auch eingesetzt, um Sozialisten und Sozialdemokraten zu verfolgen. Im Nationalsozialismus erreichte der Missbrauch der Vorschrift zur Bekämpfung Oppositioneller ihren Höhepunkt. Praktisch jeder Andersdenkende, der sich mit anderen zusammen tat, wurde mit der Begründung, er plane die Bildung einer kriminellen Vereinigung, kriminalisiert.

Der Straftatbestand wurde im Laufe seiner Geschichte mehrfach erweitert. Ursprünglich stand nur die Bildung einer kriminellen Vereinigung unter Strafe, später wurden noch die Unterstützung und 1964 die Werbung neuer Mitglieder oder Unterstützer für eine kriminelle Vereinigung unter Strafe gestellt.

Betroffenen von Ermittlungsverfahren und Verurteilungen waren in den ersten Jahren der Bundesrepublik vor allem Gegner der Wiederaufrüstung und Kommunisten. In der Zeit von 1950 bis 1968 gab es über 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 10.000 Verurteilungen wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung. [...]

In etwa fünf Prozent aller Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wird Anklage erhoben, etwa ein Prozent führt zur Verurteilung. Aus diesem Grund wird der § 129 StGB auch als "Schnüffelparagraph" bezeichnet, da die allermeisten Verfahren ohne Rechtfertigung eine staatliche Überwachung im Milieu der fast beliebig auswählbaren Betroffenen legalisieren, ohne dass diese sich (schon Mangels Kenntnis des Verfahrens) dagegen wehren können. Ein geringfügiger Anfangsverdacht ist ausreichend, um weitreichende Ermittlungsbefugnisse zu erhalten. Häufig führen die Ermittlungen zu so genannten "Zufallsfunden". [...]

Nahezu jede Tätigkeit, die eine kriminelle Vereinigung in irgendeiner Weise unterstützt, ist unter Strafe gestellt. Dabei musste die Vereinigung weder existieren noch jemals aktiv geworden sein. Auch was als kriminell, beziehungsweise terroristisch im Sinne der §§ 129, 129 a StGB angesehen wird, ist nicht klar definiert und hängt, wie die Geschichte zeigt, häufig von den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. [...]

Häufig wird der Verdacht einer Kriminellen Vereinigung dazu benutzt, umfangreiche Ermittlungen einzuleiten. Ergebnis dieser Ermittlungen sind häufig aber nur Anklagen wegen "normaler" Delikte durch die bei den Ermittlungen gewonnenen Zufallsfunde. [...]

Auch das politische Ungleichgewicht bei den Ermittlungen wird immer wieder kritisiert. Hierzu stellte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen 1996 eine Kleine Anfrage im Bundestag. Dabei ergab sich, dass zwischen 1990 und 1996 1116 Ermittlungsverfahren gegen linke Gruppierungen, aber nur 23 Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen rechte Gruppen eingeleitet wurden. (Quelle: Wikipedia.org)


Ach ja, übrigens: Gegen Andrej H., den Berliner Doktor der Soziologie, wird weiter ermittelt. Nun nicht mehr wegen Mitgliedschaft in einer Terror-Organisation, sondern wegen Mitgliedschaft in eben solch einer kriminellen Vereinigung. Er war halt unvorsichtig und hat sich mit Menschen getroffen, die er anscheinend nur flüchtig kannte.

Nur uns Blog-Eremiten kriegen sie nicht. Da haben sie nichts in der Hand. Selbst mit solch einem Terror-Paragrafen wie dem 129 StGB nicht. Denn wo es keinerlei persönliche Kontakte zu irgendwem gibt, kann es auch keine Mitgliedschaft in irgendeiner Vereinigung geben.

Copyright-Hinweis: Die Urheberrechte an obigem Foto besitzt Erwyn van der Meer, den ich nicht persönlich kenne. Ehrlich nicht. Das Foto unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.

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Sonntag, 2. Dezember 2007

Spinning Wheel

Manche Medien wie beispielsweise Süddeutsche.de berichten, dass Chávez damit drohe, dem Westen das Öl abzudrehen, wenn das Referendum scheitere:

Der Präsident in Caracas hat seine festen Erwartungen - und er hat sein Feindbild. Wenn das Referendum zur Verfassungsreform scheitere, so erklärte er in einer Rede, dann seien daran allein die Amerikaner schuld. Die Konsequenz für diesen Fall: Er werde umgehend die Öllieferungen an die USA einstellen. Am Wochenende gab er sich noch radikaler. "Wenn wir nicht gewinnen, kriegt niemand unser Öl", wetterte Chávez. "Und dann steigt der Ölpreis auf 200 Dollar." (Quelle: Süddeutsche.de)


Woanders liest man jedoch:

Mit Blick auf ein publik gewordenes CIA-Dokument über eine „Operation Kneifzange" warnte Chávez, die Erdöllieferungen an die USA würden sofort eingestellt, falls die US-Administration eine Operation gegen den Sieg des Ja in Venezuela in Gang setzen sollte. [...] Er kündigte an ein negatives Ergebnis zu akzeptieren. Er werde dann bis zum letzten Tag seiner Amtszeit 2013 im Amt bleiben. Man müsste dann die Zeit nutzen, um einen Nachfolger für die Fortsetzung der Revolution zu finden. Zugleich forderte er die Opposition auf, ihrerseits ebenfalls das Ergebnis anzuerkennen, egal wie es ausfällt. (Quelle: Amerika21.de)


Es wird gedreht und gedreht und gedreht... Schon verrückt, dass man mal so richtig die eigene Hilflosigkeit und das eigene Ausgeliefertsein an die Medien spürt bei diesem Thema, nicht wahr? Das muss das Gefühl sein, das ansonsten nur Bewohner von Diktaturen kennen, in denen jegliche Presse zensiert wird und wo man auch keinen Zugang zur internationalen Presse hat. Wem soll man glauben? Ich rate zur allergrößten Vorsicht. Unsere deutschen "Qualitätsmedien" haben bei der Berichterstattung über Chávez nicht nur in letzter Zeit allzu häufig bewiesen, dass sie selbst vor offenen Lügen nicht zurückschrecken.

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Geld für PISA-Testteilnahme: Welche Folgen hat das?

Ich lese gerade in mehreren Artikeln, dass manche Länder beim PISA-Test den Schülern für ihre Teilnahme Geld oder Gutscheine übergaben - für die Teilnahme an sich und wohl nicht je nach ihrem Abschneiden beim PISA-Test.

Und ich merke den Medienberichten eine gewisse Konfusion an, weil davon gesprochen wird, dass die Wissenschaftler sich uneins seien, ob solch eine Entlohnung oder "Aufwandsentschädigung" nun die Ergebnisse beeinflusst haben könnten oder nicht.

Hier muss man zwischen zwei Beeinflussungsmöglichkeiten unterscheiden:

1.) Es könnte sein, dass bei den Schülern die Leistungsmotivation beim Durchführen des Testes erhöht wurde und sie so bessere Leistungen abgaben als jene Schüler, die für die Teilnahme nichts bekamen.

Hier wird berichtet, dass Vortests ergaben, dass solch ein leistungssteigernder Effekt anscheinend beim PISA-Testkatalog nicht signifikant nachgewiesen werden konnte. Eigentlich sollte ein Test, der das Wissen abfragen will, auch so konstruiert sein, dass er nicht die Motivation der Schüler misst, sondern eben ihr Wissen. Es wäre also ein schlechtes Zeichen für die Validität des PISA-Tests, wenn kleinere Motivationsunterschiede der Schüler bereits große Auswirkungen hätten auf das Test-Ergebnis. Es ist davon auszugehen, dass man bei der Konstruktion des PISA-Testverfahrens darauf geachtet hat, solch eine Verfälschung des Ergebnisses durch die Motivation der Kinder möglichst auszuschließen. Außerdem kann man davon ausgehen, dass Schüler, die am Test teilnehmen - egal ob sie dafür Geld bekamen oder nicht - allgemein daran interessiert sind, gut abzuschneiden. Eine normal hohe Motivation kann also erwartet werden. Geldgeschenke können diesen Motivationsgrad vermutlich kaum dermaßen anheben, dass die Leistungsergebnisse signifikant ansteigen. Dies zeigen unterschiedliche psychologische Studien zur Wirkung der Entlohnungshöhe auf die Leistungsbereitschaft. Nicht die tatsächliche Höhe der Entlohnung spielt hierbei die größte Rolle, sondern die Wahrnehmung der Entlohnung als angemessen. Schon das eigene Selbstbild drängt einen normalerweise dazu, sich einigermaßen intensiv anzustrengen. Erleben die Kinder die Teilnahme am PISA-Test also nicht als unfair, sollte auch bei einer nicht vorhandenen Aufwandsentschädigung bei der Mehrheit der Schüler eine normal hohe Motivation gegeben sein. Ausreißer nach unten hinsichtlich der Motivation, also Schüler, die absolut nicht motiviert sind und sich bewusst verweigern, sollten durch im Test eingebaute Vorgaben aussortiert werden können oder sich statistisch ausgleichen.

2.) Schwerer wiegt die Vermutung, dass dank der finanziellen Anreize sich vor allem nur bestimmte Schüler für die Teilnahme am PISA-Test meldeten. Statt also einen Durchschnitt aller Schüler eines Landes zu messen, hätte man dann nur jene Schüler gemessen, die den Test vielleicht eher nicht freiwillig durchgeführt hätten. Denkbar ist auch, dass es rund um die Implementierung einer Zahlung einer Aufwandsentschädigung andere Auswahleffekte gegeben hat. Vielleicht wurden so beispielsweise über die Möglichkeit, am Test teilzunehmen (und sich mal eben 50 Dollar zu verdienen) nur jene Schüler informiert, die allgemein gut informiert sind über das, was an ihrer Schule vorgeht. Oder vielleicht wurden von Lehrern sogar gezielt Schüler mit der Möglichkeit der Teilnahme "belohnt"? Aus der Testteilnahme könnte so durch die Aufwandsentschädigungen ein begehrtes, knappes Gut geworden sein, das sich vor allem erfolgreichere Schüler angeln konnten als Möglichkeit für einen kleinen Zusatzverdienst.

Das Problem wäre also weniger, dass Schüler durch Geschenke stärker motiviert wurden bei der Durchführung des Tests, sondern dass die Einführung einer Aufwandsentschädigung in manchen Ländern einhergegangen sein könnte mit einer speziellen Auswahl spezieller Schüler. Dies wäre jedoch kein Fehler am Testdesign des PISA-Tests selbst, sondern ein Fehler bei der Durchführung des PISA-Tests. Anders gesprochen: Wer ein Messinstrument falsch anwendet, darf sich nicht wundern, wenn er unbrauchbare Messergebnisse bekommt. Wer die Temperatur nicht im Schatten, sondern in der Sonne misst, darf sich nicht wundern, wenn er andere Messergebnisse bekommt als die der örtlichen Wetterstation.

Aber ich weiß schon, wie man diese neuen Nachrichten rund um den PISA-Test am Montag in Deutschland politisch kommentieren wird. Und das weiß ich, obwohl ich keine Kristallkugel im Schrank habe.

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Schäuble provoziert erneut mit angedachter Abschaffung des Rechtsstaates

(Via Fefe) Schäuble sagt mal wieder sozusagen "nichts". So sagte er gestern auf einem internationalen Sicherheits-Symposium in Werder bei Berlin nicht, er wolle in Deutschland so etwas wie Guantanamo. Wer ihn so versteht, hat Schäuble natürlich total falsch verstanden. Schäuble sagte nur laut Tagesschau.de:

Diejenigen, die sagen, Guantanamo ist nicht die richtige Lösung, müssen bereit sein, darüber nachzudenken was die bessere Lösung ist. Denn allein mit der Kritik ist kein Problem gelöst. (Quelle: Tagesschau.de)


Die Antwort ist einfach. Die bessere Lösung als Guantanamo heißt schlicht "Rechtsstaat". Wie schrieb vor kurzem der Ex-Verfassungsrichter Dieter Grimm bei Zeit.de:

Udo di Fabio hat zu Recht davor gewarnt, "das Recht in einen Ausnahmezustand hinein zu veralltäglichen oder vom Ausnahmezustand her konzeptionell zu denken".

Das gilt besonders für das "Feindstrafrecht", nach dem einige Juristen angesichts der Bedrohung durch Terroristen verlangen. Sie berufen sich darauf, dass der Terrorist sich selbst außerhalb der Rechtsordnung gestellt habe. Daraus folgt aber nicht, dass der Staat deswegen seinen Rechtsschutz schmälern dürfte. Der Staat, der seine Feinde außerhalb des Rechts stellt, hört damit auf, ein Rechtsstaat zu sein. (Quelle: Zeit.de)


Guantanamo ist dadurch gekennzeichnet, dass dort Menschen ohne Anklage festgehalten werden konnten und dass ihnen eben jener Rechtsschutz verwehrt wurde.

Schäubles Visionen kann man nur bekämpfen, wenn man klar macht, dass sein angedachtes "Feindstrafrecht" den Rechtsstaat massiv beschädigen würde. Das Problem ist, dass der Begriff "Rechtsstaat" so abstrakt ist. Nur wenige Bürger können sich vorstellen, dass der Staat sie eventuell unfair behandeln könnte. Denn erst dann wird die Notwendigkeit, dass man als einzelner Bürger Rechte vor dem Staat haben sollte, vor staatlicher Willkür geschützt sein sollte, hautnah erfahrbar.

Die Aufgabe ist also, den normalen CDU-Wählern klar zu machen, was "Rechtsstaat" heißt. Wir müssen ihnen anschaulich und leicht begreifbar vor Augen führen, was es heißt, als Bürger Schutz vor staatlicher Willkür zu haben. Korrekter: Wie wichtig es ist, diesen Schutz vor staatlicher Willkür mittels festgeschriebener Gesetze zu haben und nicht nur mittels der mündlichen Zusage von mehr oder weniger vertrauenswürdigen Politikern.

Ich stelle mir also vor, dass der unbedarfte Unions-Wähler sagt: "Ach, der Schäuble, der will doch nichts Böses! Komm, da verzichte ich auf 'ne schriftliche Garantie, dass der Staat mich nicht eventuell willkürlich einsperren darf. Auf so eine Idee kommt der Staat doch bestimmt nicht!"

Zwischen zwei Menschen mag solch eine Vertrauenshaltung ja löblich sein. Aber der Staat und seine Behörden sind keine Menschen. Es sind Systeme. Und Systeme brauchen faire und vor allem festgeschriebene Regeln, um jetzt und in Zukunft zu verhindern, dass jemand das System ausnutzt. Ein Vertrauen in Schäuble oder Merkel oder die CDU nutzt nichts und man tut diesen Leuten auch nicht persönlich weh, wenn man darauf besteht, dass die Regeln des Rechtsstaates weiterhin fair bleiben.

Ein Feindstrafrecht nach Schäuble würde jedoch die Fairness der Regeln für Terror-Verdächtige beseitigen. Verdächtig kann jedoch jeder sein. Ein Verdächtiger muss nichts verbrochen haben. Der Zufall kann ihn zum Verdächtigen gemacht haben. Die Polizei kann ihn fälschlicherweise als Verdächtigen ansehen. Das passiert leider sehr häufig. Es ist eben so, dass die Polizei am Anfang ihrer Ermittlungen im Unklaren tappt. Sie sucht und findet Anhaltspunkte. Häufig jedoch zeigt sich nach der weiteren Suche, dass die Anhaltspunkte in die Irre führten. Das ist normal, das ist Polizeiarbeit. Es gibt halt keine Hellseher bei der Polizei. Ein Verdächtiger ist also jemand, der noch nicht einer Tat überführt ist, der nur beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen als möglicher Täter nicht ausgeschlossen werden kann. Wäre der Verdächtige als Täter überführt, dann wäre er kein Verdächtiger mehr, sondern bald ein Verurteilter.

Mindert man also den Schutz der Verdächtigen vor staatlicher Willkür, überlässt man es letztlich dem Zufall, wer im Staat fair behandelt wird. Denn noch einmal: Verdächtigt werden geht ganz schnell. Soll also ein fairer Umgang des Staates mit seinen Bürgern vom Zufall abhängen? Solange man nicht verdächtig ist, ist alles okay, aber sobald man verdächtigt wird, verlöre man nach den Gedankenspielen der Theoretiker eines besonderen "Feindstrafrechts" den Schutz vor staatlicher Willkür - gerade dann, wenn man diesen Schutz am meisten nötig hätte!

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Extrasteuer auf Dummheit

Das Wesen und die tiefere Bedeutung von Lotteriespielen werden nicht etwa erfasst von den Boulevardzeitungen. Zutreffender ist wohl eher folgende Beschreibung in der Wikipedia:

Lotteries are most often run by governments or local states and are sometimes described as a regressive tax, since those most likely to buy tickets will typically be the less affluent members of a society. The astronomically high odds against winning have also led to the epithets of a "tax on stupidity" [...]. (Quelle: Wikipedia.org)


Samstag, 1. Dezember 2007

Telekommunikationsüberwachung: Jetzt fangen alle an Zypries zu kritisieren

Bundesjustizministerin Zypries warf den Kritikern an der Vorratsdatenspeicherung wiederholt vor, wenig Sachkunde zu besitzen.

In die Reihe der Unkundigen darf sich nun auch die gesamte Anwaltschaft Deutschlands und die Humanistische Union einreihen, nachdem sich zuvor schon der gesamte Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und auch ich persönlich mich als unkundig blamiert haben.

So äußert nun auch der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer im Namen der gesamten Anwaltschaft Deutschlands, dass das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (von dem die Vorratsdatenspeicherung ein Teil ist) verfassungswidrig sei und bittet deshalb Bundespräsident Köhler, das Gesetz nicht zu unterschreiben.

So stellt nun auch die Humanistische Union noch einmal deutlich heraus, dass Frau Zypries bei der öffentlichen Präsentation dieses Gesetzes mehrfach nachweislich die Unwahrheit gesagt habe.

Genau wie dies zuvor schon der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vor kurzem in einer Presseerklärung deutlich gemacht hatte.

Und wie ich auch vor einigen Wochen schon feststellte.

Aber was sind wir schon? Wir alle sind nur kleine Lichter. Uns mangelt die Weisheit. Uns allen fehlt die Sachkunde (besonders natürlich den Anwälten). Wir alle sind nichts im Vergleich zum Ozean des Wissens und nichts im Angesicht des Berges der Weisheit und der Sachkunde, den nur Uneingeweihte und Ungläubige immer noch mit dem profanen Namen "Zypries" anzusprechen sich herausnehmen.

So warten wir denn und hoffen ein Zeichen gesendet zu bekommen. Herab vom Berge, hervor aus den Weiten des Ozeans. Und seien es auch nur harsche Worte wie die des Götter-Innenministers Schäuble, der da schon oft sagte, wir seien alle nur arme Hysteriker, Panikmacher und ohne Sinn und Verstand, bar jeden Expertenwissens.

Ein Wort nur, oh Zypries! Besänftige unsere Zweifel! Und solltest Du nirgends ein offenes Ohr finden, so suche und gib nicht auf! Und suche im ARD-Hauptstadtstudio und halte Ausschau nach dem Manne namens Werner Sonne! Er sicherlich wird zuhören und keine unflätigen Nachfragen stellen.

Amen.

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Union passt das PISA-Wetter nicht, also soll neuer Wettermann her

Netzeitung.de berichtet:

Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat sich am Freitag der Kritik ihrer Unionskollegen angeschlossen. [...] Auch der niedersächsische Kultusminister Bernd Busemann (CDU) forderte Schleicher am Freitag zum Rücktritt auf und sprach sich dafür aus, auf längere Sicht aus der PISA-Studie auszusteigen. (Quelle: Netzeitung.de)


Könnte es sein, dass die Unions-Kultusminister und Frau Schavan, "Bildungs"- Ministerin, auch den Rücktritt von "Tagesthemen-Strömungsfilm"-Präsentatoren (sprich vom "Wettermann") fordern würden, wenn ihnen das präsentierte Wetter nicht passt?

Für wie bescheuert halten uns die Unionskultusminister und Frau Schavan eigentlich?

Da entsprechen die Ergebnisse aus der PISA-Studie also nicht den Wünschen und deshalb droht man aus dem PISA-Test auszusteigen? Das ist so lächerlich, dass man es kaum mit Worten beschreiben kann.

Und was soll dann geschehen? Will man dann die Schulleistungen sicherheitshalber nicht mehr wissenschaftlich evaluieren? Damit die Politiker wieder freies Feld haben für ihre Propaganda? Oder möchte man einen neuen, wissenschaftlichen Test? Da muss die Frage erlaubt sein: Warum? Gibt es wissenschaftlich etwas derartig auszusetzen am PISA-Test, dass seine Ergebnisse unglaubwürdig sind? Da würde ich aber gerne mal die Argumente hören von diesen Bildungsfritzen der Union.

Die Gründe für das Unbehagen der Union liegen wohl darin, dass PISA ein internationaler Vergleichstest ist. Und da die Verbesserung des Bildungssystems eine Sache von vermutlich eher Jahrzehnten als Jahren ist und die Union sich doch so gerne schon vor den nächsten Landtagswahlen als die "Bildungs-Partei" darstellen will, will man vermutlich schlicht diesen lästigen PISA-Test loswerden und ihn ersetzen durch einen rein nationalen Evaluationstest. Da ist Deutschland dann immer Spitze und die bayerischen Schulen am spitzesten und das lästige Skandinavien mit seinem guten Schulsystem führt nicht mehr zu unerwünschten Irritationen.

Mal sehen, wie das jetzt weiter geht und bei welchen anderen Themen und Fachgebieten die Union dann bald die Abschaffung wissenschaftlicher Expertise vorantreibt. Mit den Deutschen und ihren Medien kann man es ja anscheinend machen, ohne dass es auffällt.

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Interessantes Lehrstück in Manipulation: Berichte über Chávez in den Medien

Die Berliner Zeitung berichtet:

An diesem Sonntag sind die Venezolaner aufgerufen abzustimmen, ob sie mit einer Änderung der Verfassung Chavez ein Mandat auf Lebenszeit geben. (Quelle: Berlinonline.de)


Ah, ja. Ich würde sagen: Falscher kann man kaum berichten. Wirklich seltsam, was in den deutschen Medien abgeht bei diesem Thema.

Die Verfassungsänderung ermöglicht unter anderem, neben vielen anderen Punkten, die Wiederwahl von Chávez. Theoretisch auch die immer wieder wiederholte Wiederwahl bis zu seinem Ableben. Aber soweit ich das Konzept von Wahlen verstehe, nur, wenn das Volk ihn auch weiterhin haben will.

Richtig lustig wird es in einem der nächsten Sätze im Artikel der Berliner Zeitung:

Als Anreiz, für dieses Vorhaben zu stimmen, bietet Chavez den Wählern eine Verringerung ihrer Arbeitszeit. (Quelle: Berlinonline.de)


Auch hier erkennt man wieder ein Charakteristikum der deutschen Berichterstattung über Venezuela: Das venezolanische Volk ist so doof, die machen jemanden (angeblich) zum Diktator, nur weil sie etwas Brot und Gesundheitsversorgung dafür bekommen und dafür weniger arbeiten müssen. Dass es bei der Verfassungsreform hauptsächlich um mehr Gleichberechtigung und um mehr und direkteren Einfluss des Volkes auf die Politik geht, dass basisdemokratische Elemente eingeführt werden sollen, das wird seltsamerweise nie berichtet in unseren Qualitätsmedien. Es gibt einerseits eine Stärkung der zentralen Macht, andererseits eine Ausweitung basisdemokratischer Elemente. Dies soll beispielsweise den Einfluss korrupter Provinzfürsten mindern helfen. Sicherlich kann man diskutieren, ob dieses politische Konzept gelungen ist, aber es gibt da noch einige Zwischenstufen zwischen "Volksheld" und "Diktator". Seltsamerweise liest man in den deutschen Medien kaum etwas über diese Zwischenstufen.

Die Regierung will die Reform-Gegner am liebsten als alte Oligarchen-Garde darstellen, die nicht wahrhaben will, dass sich Venezuela gewandelt hat. Tatsächlich aber rebelliert eine wenig homogene Gruppe gegen den Präsidenten: Neben Sympathisanten der früheren Regierung gehören viele Studenten und immer mehr enttäuschte Chavez-Anhänger dazu. (Quelle: Berlinonline.de)


Wie homogen oder nicht homogen die Gegner der Verfassungsreform sind, kann man kaum sagen. Unglaubwürdig erscheint mir jedoch die implizite Aussage des Artikels der Berliner Zeitung, dass die Befürworter (ca. 60% nach den letzten Umfragen) eine homogene Gruppe sei.

Chávez auf einem Cover-Entwurf des brasilianischen Magazins 'Época'Der Artikel der Berliner Zeitung berichtet auch über die Sorge der Opposition, dass es bei der Abstimmung Unregelmäßigkeiten geben würde. Diese Sorge hatte die Opposition bislang bei allen Wahlen geäußert und sogar die letzten Parlamentswahlen deshalb boykottiert. Deshalb sitzt sie nun auch nicht im Parlament. Internationale Wahlbeobachter wie beispielsweise von der "Carter Foundation" konnten jedoch keinerlei Unregelmäßigkeiten feststellen und bescheinigten, dass es bei der Parlamentswahl korrekt zuging. Es ist gefährlich, schon vor der Wahl und ohne dass es konkrete Anhaltspunkte gibt oder eine Vorgeschichte gibt, die Manipulationen befürchten lässt, die Korrektheit einer Wahl in Abrede zu stellen. Wer sorgt hier für Instabilität? Ich würde doch sagen, jene Leute, die von vornherein eine Wahl als ungültig ansehen wollen, oder?

Ganz seltsam endet der Artikel der Berliner Zeitung, indem manipulativ die Frage gestellt wird, ob nicht Chávinisten für den Brand irgendeines Büros irgendeiner Universität in Frage kommen könnten. Man erfährt nicht, um welche Universität es sich handelt und nichts über die Hintergründe dieses Brandes. Wer auf Amerika21.de und anderswo etwas rumstöbert, wird jedoch von Bränden lesen, die von oppositionellen Studenten gelegt wurden und bei denen eingeschlossene Studenten unter anderem in Lebensgefahr gerieten.

Chavez vor einer ins Bild eingefügten Karte Südamerikas auf Cover der Druckausgabe des Magazins 'Época' mit verfremdenden BildmanipulationenMan mag über Chávez denken, was man will. Man mag es befremdlich, unsympathisch oder gar verwerflich finden, dass er sich so freundschaftlich stellt mit Personen wie Fidel Castro oder mit dem iranischen Präsidenten Amahdinedschad. Genauso mag man es befremdlich, unsympathisch oder gar verwerflich finden, dass er immer wieder eine mögliche Invasion der USA in Venezuela an die Wand malt. Informierte Menschen mögen dies eventuell versuchen zu erklären mit der jüngsten Geschichte Venezuelas, vor allem mit den Ereignissen rund um den Putschversuch von 2002, wo eine antidemokratisch eingestellte Opposition den gewählten Präsidenten (Chávez) versuchte zu stürzen und daraufhin sich ein Verdacht in Venezuela breit machte, der Umsturz sei von der CIA mit organisiert worden. Ganz egal, ob diese Verdächtigungen in Richtung USA nun übertrieben sind oder nicht, sie nährten das Misstrauen gegenüber der USA, die ihrerseits bislang auch wenig tat, um die Beziehungen zu verbessern zu Venezuela. Das Misstrauen zwischen den USA und Venezuela ist also - ganz unabhängig von der Frage, wer Schuld hat daran - ein Faktum, das die Außenpolitik Venezuelas bestimmt und vor dessen Hintergrund manche außenpolitischen Handlungen Venezuelas verständlicher, wenn auch nicht akzeptabler, erscheinen.

Aber so lange die Mehrheit des Volkes hinter Chávez steht und ihn in freien und fairen Wahlen wiederwählt, so lange die Pressefreiheit und die Menschenrechte von der Regierung geachtet werden (und nach allen Informationen, die ich habe, werden sie das entgegen den von den privaten Medien Venezuelas verbreiteten Meldungen), sollte man um der Wahrheit willen vorsichtig sein, Chávez als einen Diktator zu bezeichnen.

Die interessante Frage lautet also: Wer dreht hier in den deutschen Medien am Rädchen? Wer oder was ist dafür verantwortlich, dass kaum über die eigentlichen Inhalte der Verfassungsreform (nämlich die Einführung stärkerer basisdemokratischer Verfahren), über die morgen in Venezuela abgestimmt wird, berichtet wird, sondern immer nur in halbseidenen Berichten entweder durch offene Lügen, wie in obigem Artikel der Berliner Zeitung oder in manipulativ-einseitiger Berichterstattung wie vorgestern in der Tagesschau, dargestellt wird, Venezuela stände kurz vor der Einführung einer Diktatur?

Eine mögliche Erklärung ist, dass die deutschen Medien schlicht zu faul sind, selbst zu recherchieren und auf die von den privaten Medien Venezuelas verbreitete Wahrheit zurückgreifen. Diese privaten Medien Venezuelas, die angebunden sind an internationale Medienkonglomerate mit großem Einfluss in den USA und in Brasilien, sind jedoch selbst äußerst stark verwickelt in die Politik Venezuelas. Sie waren mit die Hauptakteure bei dem Versuch der Abschaffung der Demokratie dort im Jahre 2002. Wer mehr darüber erfahren will, dem empfehle ich, sich eine Kopie des von europäischen, öffentlich-rechtlichen Sendern wie ZDF und Arte mitproduzierten und international ausgezeichneten und 2004 für den Grimme-Preis nominierten Dokumentarfilms Hugo Chávez - Ein Staatsstreich von Innen zu besorgen. Bei Amazon wurde ich leider nicht fündig. Wer jedoch in eine Suchmaschine seiner Wahl den Begriff "indypeer" und den Titel des Films eingibt, bekommt wortwörtlich mehr zu sehen. Im Kino läuft der Film zur Zeit nicht und im Fernsehen auch nicht. In den üblichen Videotheken wird er auch wohl kaum aufzutreiben sein. Ein Dokumentarfilm eben, kein Spielfilm.

Wer dieses Weblog hier bereits länger liest, weiß, dass ich Regierungen gegenüber eher misstrauisch eingestellt bin. Aber mein Misstrauen gegenüber den Medien ist mindestens genauso groß. Und dieses Misstrauen wird derzeit leider extrem bestätigt.

Chávez Auftreten ist unorthodox, keine Frage. Außerdem weicht sein politischer Kurs ab von dem, was man kennt, nämlich der repräsentativen Demokratie und er macht neoliberale Umstrukturierungen der Vergangenheit rückgängig. Er gibt vor, den direkten Einfluss des Volkes stärken zu wollen. Ist das nur heiße Luft? Warum dann dieser ganze Zirkus mit der Volksabstimmung über eine Verfassungsreform, durch die das Volk dauerhaft noch mehr politischer Einfluss zugesprochen werden soll und die nicht nur von oben herab ausgearbeitet wurde, sondern in einem Prozess, bei dem breite Teile der Gesellschaft aktiv teilnahmen? Und wenn das alles Täuschungsmanöver von Chávez sein sollen, wäre es dann nicht sinnvoll, genau diese Täuschungsmanöver in Artikeln und Berichten über Chávez detailliert aufzudecken?

Dann also mal los, liebe Medien! Nehmt ihn auseinander, den "Diktator" Chávez! Zeigt es ihm und uns! Aber verschont uns mit falschen Berichten und oberflächlichen, manipulativen, einseitigen Berichten. Manipulative Berichte und Berichte, in denen sich Lügen finden lassen, sind keine Zier. Ehrlich nicht. Wusstet ihr noch nicht, liebe deutsche "Qualitätsmedien", oder? Tja. Man lernt eben nie aus.

Erläuterungen zu beiden oben eingeklinkten Bildern: Das erste Bild oben zeigt einen von insgesamt drei Cover-Entwürfen des brasilianischen Nachrichtenmagazins "Época":

Chávez auf drei Cover-Entwürfen des Magazins 'Época'

Das dritte Bild wählten die Redakteure aus. Gedruckt wurde dann jedoch eine verfremdete Version dieses Bildes, zu sehen oben in meinem Weblog-Artikel an zweiter Stelle. Die Redakteure von Época nahmen sich die "künstlerische" Freiheit heraus, Chávez durch Bildmanipulationen etwas, nun ja, "interessanter" aussehen zu lassen und fügten zudem eine Karte Südamerikas hinter Chávez ein. Warum nur? Passt vermutlich besser zur militärischen Montur von Chávez. Oder so. Mehr darüber weiß Sabina Becker in ihrem Weblog "News of the Restless" zu berichten (via Gebloggtewelten.de).

Und wen das Cover von Época irgendwie an ein deutsches Magazin erinnert, findet hier eine Antwort. So sehen sie halt aus, die Magazin-Cover für die "Info-Elite".

Mehr zum Thema "Medien und Chávez" hier in der "Schieflage":
Nachtrag: Noch ein interessanter, durchaus kritischer Artikel zur aktuellen Situation in Venezuela und vor allem mehr über den Inhalt dieser ominösen Verfassungsreform bringt auch mal wieder Amerika21.de: Autoritarismus von unten.

Darin:

Die geltende Carta Magna ist allerdings selbst ein eilig zusammengeschriebenes Reformwerk: Das kleine blaue Büchlein, das jeder gute Chavist immer in der Hemdtasche trägt, wurde in einem halben Jahr nach Chávez Amtsübernahme aus dem Boden gestampft. Mit der jetzigen Neufassung will die Regierung Chávez einerseits ihre Mängel ausbügeln. Zum anderen will sie damit den Übergang zum proklamierten "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" festschreiben. [...]

Kernpunkt der Reform sind aber die neuen "Volksmacht-Institutionen", die auf kommunaler Ebene die Macht übernehmen sollen. Gemeindepolitik wird dann nicht mehr den Rathäusern, sondern in "kommunalen Räten" entschieden. Aus chavistischer Sicht sollen die Räte helfen, lokale Machtkartelle zugunsten basisdemokratischer Strukturen abzuschaffen. [...]

Ob sie tatsächlich Keim einer revolutionären Basisdemokratie sein werden oder willfährige Instrumente der Regierung: Das ist die Frage, über sich die Venezolaner dieser Tage streiten. "Das Problem ist, dass die sogenannte Volksmacht, also die Gemeinde, am Tropf der Nationalregierung hängt", meint der Jesuit Arturo Peraza, Herausgeber der renommierten Zeitschrift SIC. Weil die Rätestruktur pyramidal auf die Nomenklatura im Zentrum zulaufe, habe diese alles unter Kontrolle und sei unangreifbar.

Die entscheidende Frage ist, ob und wie sich in einem Land, in dem Korruption und Kolonialismus tief verwurzelt sind, ein gewaltloser, demokratischer Übergang zu einer basisdemokratischen, solidarischen Gesellschaft schaffen lässt. Die Medienkampagnen der Opposition, aber auch der Verbalradikalismus der Chávez-Kader übertönen die leiseren Töne in der Debatte. (Quelle: Amerika21.de)

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