Samstag, 3. November 2007

Donaukurier protestiert gegen Vorratsdatenspeicherung mit geschwärzter Titelseite

(Via Heise.de) Bravo! Zumindest eine deutsche Tageszeitung spricht einmal unmissverständlichen Klartext und startet eine eigene Protestaktion gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Die Tageszeitung Donaukurier schwärzt heute die Titelseite ihrer Wochenendausgabe und präsentiert auch ihren Online-Besuchern auf der Homepage zunächst nur diesen Satz vor einem schwarzen Hintergrund:

Wir wehren uns gegen die Einschränkungen der Grundrechte und Pressefreiheit! (Quelle: Donaukurier.de)


Der Donaukurier erklärt seine Protestaktion in diesem Artikel: Massiver Eingriff in die Grundrechte der Bürger.

Darin:

Heute befindet sich die Demokratie dank staatlicher Reglementierungswut am Rande der Auflösung. Gesellschaft, Medien und auch Journalisten schauen gebannt und oft auch untätig auf das, was sich die Totengräber der Grundrechte und der Freiheit in München, Berlin oder auch Brüssel ausdenken.

In wenigen Tagen unternimmt die Bundesregierung einen weiteren Vorstoß, die Grundrechte der Bürger massiv einzuschränken. Sie benutzt dazu die Novellierung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Dieser Regierungsentwurf sieht nicht nur vor, dass die Verbindungsdaten von Telefon-, Handygesprächen, von Fax, E-Mail oder SMS sechs Monate gespeichert werden, es soll auch die Journalisten künftig zur Geheimnisträgern zweiter Klasse degradieren. Die Kommunikation von Journalisten soll überwacht werden können, vom Informantenschutz bleibt nur noch eine leere Hülle. (Quelle: Donaukurier.de)


Starke Worte. Meinen Glückwunsch an die Redakteure des Donaukuriers für ihren Durchblick und ihren Mut, über den eigenen Schatten zu springen und die Regeln des Journalismus in diesem Punkt einmal beiseite zu schieben. Solch eine Aktion ist jedoch tatsächlich nur vertretbar, finde ich, wenn es um die Pressefreiheit als solche geht und um kein anderes Thema. Denn all die journalistischen Prinzipien wie der Satz, sich mit keiner Sache gemein zu machen, nutzen schlussendlich nichts mehr, wenn die Pressefreiheit selbst in Gefahr ist.

Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn es hier Absprachen zwischen verschiedenen Tageszeitungen und Online-Medien gegeben hätte und so in einer konzertierten Aktion die Leser am Wochenende von bundesweit geschwärzten Titelseiten überrascht worden wären. Aber noch ist es nicht zu spät. Man könnte die Aktion des Donaukuriers ja als Gedankenanstoß ansehen. Es wäre ein enormes Zeichen, wenn diese Aktion Nachahmer finden würde.

Allerdings bin ich mir sicher, dass die Aktion des Donaukuriers noch nicht einmal große Erwähnung finden wird in anderen Medien (Denn wo ist die Relevanz für den Leser in Köln oder Bremen oder Berlin, wenn der Donaukurier seine Titelseite umgestaltet, nicht wahr?) geschweige denn Nachahmer. Protest, ja sogar Kritik ist den meisten deutschen Medien wesensfremd, genauso wie investigativer Journalismus. Und deshalb werden die meisten deutschen Medien auch keinen Verlust spüren, wenn die Vorratsdatenspeicherung kommt. Schläft man tief und fest, merkt man eben auch nicht, wenn gerade das eigene Haus ausgeraubt wird oder abbrennt.

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Radiosendung über BND und die Kontrolle der Geheimdienste

Die Radiosendung "Der Tag" von HR2 befasste sich vor kurzem mit den deutschen Geheimdiensten und dem Bundesnachrichtendienst (BND) im Besonderen. Sehr informativ. Hier die Sendung "Update für Agenten: Besser schweigen mit dem neuen BND" als MP3-Datei.

Man erfährt Details über die Anti-Terror-Datei, über die an die 40 Behörden Informationen untereinander austauschen.

Außerdem wird die geplante Umstrukturierung des BND dargestellt, die dazu dienen soll, in Zukunft weitere BND-Skandale zu verhindern, weil angeblich nach der Umstrukturierung die Zuständigkeiten innerhalb des BND und die Kontrolle des BND durch die Regierung besser geregelt sein sollen.

Wie unzulänglich jedoch die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste ist, wird in einem in die Sendung eingebetteten Interview mit Hans-Christian Ströbele deutlich. Der Grünen-Abgeordnete Ströbele sitzt im parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, das die Geheimdienste kontrollieren soll.

"Kontrolle" heißt dabei: Wenige Abgeordnete des Parlaments dürfen Vertreter der Geheimdienste in regelmäßigen Sitzungen dieses parlamentarischen Kontrollgremiums befragen. Die Abgeordneten dürfen sich jedoch keine Notizen machen und anschließend das, was sie von den Geheimdiensten erfahren haben, niemandem mitteilen. Auch beispielsweise ihren Fraktionsvorsitzenden nicht. Das bedeutet, dass die Geheimdienste eigentlich den allergrößten Mist anstellen könnten und die Abgeordneten des parlamentarischen Kontrollgremiums könnten letztlich nichts dagegen tun.

Die einzigen, die jenseits der Regierung den Geheimdiensten wirksam auf die Finger klopfen könnten, sei - so Ströbele - die Presse. Sofern die Presse an Insiderinformationen aus den Geheimdiensten gelange (beispielsweise durch Whistleblower) und diese Informationen dann veröffentliche. Diese Medienberichte stellten dann auch für die Abgeordneten des Kontrollgremiums wichtige Ausgangspunkte dar für Fragen an die Geheimdienste.

Was in der Radiosendung leider nicht zur Sprache kam: Diese indirekte Kontrolle der Geheimdienste durch eine investigative Presse wird ab Januar 2008 leider praktisch verschwinden. Wenn nämlich die Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten kommt und es für Geheimdienste leicht möglich sein wird, jede Kommunikationsverbindung von Journalisten mit möglichen Whistleblowern aufzudecken, um so die Whistleblower zu identifizieren und um so letztlich Whistleblower-Kandidaten abzuschrecken, sich überhaupt an die Medien zu wenden. Erfahrungen aus Belgien, wo die Vorratsdatenspeicherung schon Gesetz ist, lassen dies vermuten. Auch Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung stellt noch einmal in zwei Artikeln dar, wie die Vorratsdatenspeicherung die Pressefreiheit bedrohen wird:


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Schlechte Scherze und Terrorismus

Fefe verlinkt eine verrückte Nachrichtenmeldung:

Weil er auf ihn wütend war, hat ein Schwede seinen Schwiegersohn bei der US-Polizei FBI als Mitglied der Terrororganisation El Kaida denunziert. [...] Der Mann schickte der US-Bundespolizei eine E-Mail, in der er versicherte, der Mann gehöre El Kaida an [...]. Als der denunzierte Schwede in Florida eintraf, wurde er umgehend festgenommen, verhört und elf Stunden in einer Zelle eingesperrt. (Quelle: Yahoo.com)


Das erinnert mich irgendwie an diesen alten Witz mit der Nummer 17931.

Schlechter Humor und Terrorismus sind also letztlich gar nicht so weit voneinander entfernt.

Insofern macht mir dieser aufschlussreiche Telepolis-Artikel so langsam klar, warum Schäuble beständig vom Internet als "Fernuniversität und Trainigscamp" für Terroristen spricht.

Mein Tipp: Demos ab jetzt nur noch in Venezuela machen!

Wenn von vielen bekannten Medien wie Tagesschau, Süddeutsche Zeitung, Welt, Zeit, Netzeitung.de oder auch Neue Zürcher Zeitung (NZZ) über eine Demonstration berichtet wird, die außerhalb Deutschlands, ja sogar außerhalb Europas und dabei beispielsweise nicht in China (Stichwort "Unterdrückung der Meinungsfreiheit") oder in den USA (Stichwort: "Antikriegsdemonstration" oder ähnliches) stattgefunden hat. Und wenn diese Demonstration von Überschriften begleitet wird wie "Massendemonstration" oder "Unruhen". Und wenn besonders betont wird, dass die Polizei die Demonstration nicht nur einfach aufgelöst habe, sondern "mit großer Härte" und "gewaltsam" aufgelöst habe...

Welches Bild entsteht da vor dem inneren Auge?

Richtig: Es muss eine riesige Demonstration gewesen sein, wenn über sie hier in deutschen Medien berichtet wird, obwohl sie nicht in Deutschland oder in Europa stattfand, oder? Und/oder die Gewalt muss extreme Ausmaße gehabt haben, wenn über sie derart berichtet wird, nicht wahr?

Nun, an der Demonstration, die hier gemeint ist, hatten sich anscheinend circa 6.000 bis 10.000 Menschen beteiligt. Die Gewalt bestand darin, dass einige Demonstranten Steine in Richtung Polizei warfen und anscheinend Anhänger der Regierung mit Gegnern der Regierung aufeinander stießen und die Polizei daraufhin Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse einsetzte, um die Demonstration aufzulösen. Verletzt wurden insgesamt laut der Berichte ein Student und sechs Polizisten. Zumindest gab es keine Massen an Verletzten. Auch von Massenfestnahmen liest man nichts.

Die Demonstration fand in Südamerika statt.

Interessant, oder?

Und warum berichten alle über diese Demonstration?

Hmmm. Vielleicht, weil sie in Venezuela stattfand und die Chefredakteure annehmen, dass beim deutschen Medienrezipienten das Stichwort "Venezuela" schon ausreichend mit Assoziationen wie "Diktatur" und "Diktator Chavez" verknüpft ist und deshalb eine Meldung über die Auflösung einer kleinen Demo den deutschen Medienrezipienten ein wohliges "na, siehste, dieser Chavez!" enlocken dürfte?

Und wogegen wurde eigentlich demonstriert?

Gegen eine Verfassungsreform, die das Parlament Venezuelas auf den Weg bringen will.

Dagegen kann man doch demonstrieren, oder? Und so eine Verfassungsreform ist ja auch enorm bedeutend.

Ja, bedeutend ist sie. Was allerdings in den meisten Meldungen verschwiegen wird (außer bei der NZZ, die berichtet etwas ausführlicher und vor allem korrekt): Die Verfassungsreform wird in Venezuela nicht wie in solch "demokratischen" Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland einfach vom Parlament verabschiedet ohne Mitspracherechte der Bevölkerung, sondern es wird eine Volksabstimmung über die Verfassung stattfinden. Über diese Verfassungsreform wird in Venezuela schon seit vielen Wochen diskutiert. Was nicht heißen soll, dass man trotzdem auch gegen eine zur Volksabstimmung freigegebene Verfassungsreform demonstrieren können sollte.

Die Frage bleibt jedoch: Worin liegt jetzt genau die Relevanz, dass die deutschen Medien über solch eine relativ kleine Demonstration berichten? Klein ist die Demonstration und groß die Berichterstattung beispielsweise im Vergleich zu einer mehr als doppelt so großen Demonstration in Berlin vor einigen Wochen gegen die Vorratsdatenspeicherung. Oder auch im Vergleich zu zahlreichen anderen Demonstrationen in Berlin, beispielsweise gegen die Hartz-IV-Gesetze. Hier halten sich deutsche Medien häufig sehr zurück bei ihrer Berichterstattung. Wenn man die Demonstration in Venezuela nun zumindest zum Anlass genommen hätte, ausführlicher über Venezuela zu berichten, könnte ich das Eingehen deutscher Medien auf die Demonstration ja verstehen. Aber genau diese ausführlichere Berichterstattung fehlt ja. Außer bei der NZZ.

Vielleicht sollten die Hartz-IV-Gegner und die Leute vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ihre nächsten Demonstrationen also einfach in Venezuela durchführen? Zumindest würden ihre Demonstrationen dann vielleicht häufiger erwähnt werden in den deutschen Medien.

P.S.: Das ZDF schreibt übrigens unrichtigerweise erneut, dass im Mai angeblich ein regierungskritischer Sender in Venezuela geschlossen worden sei. Es wurde jedoch schlicht ein Vertrag über die Nutzung einer öffentlichen Sendefrequenz nicht wieder verlängert. Der Sender ist im Kabelnetz und über Satellit weiterhin zu empfangen. Das ganze reiht sich ein in ein Vorhaben der Regierung Venezuelas, die Medienvielfalt zu erhöhen. Siehe dazu auch folgende Berichte bei Telepolis.de: Information statt Freiheit, Gefahr für die Meinungsfreiheit, Demokratie aus der Presse.

An Chávez' Politik gäbe es sicherlich genug auszusetzen. Aber die Art und Weise, wie die deutschen Medien über Venezulea berichten, offenbart in beispielhafter Weise viel von der allgemeinen Schludrigkeit und der häufig versteckten und einseitigen politischen Meinungsmache in und von deutschen Medien. Nichts gegen meinungsstarke Kommentare, aber Meinungsmanipulationen durch einseitiges Agenda-Setting, durch Weglassen von Fakten oder gar durch falsche Berichterstattung darf man nicht einfach so hinnehmen. Selbst wenn es dabei "nur" um Venezuela geht.

Nachtrag: Über eine anscheinend ziemlich große Demonstration von Anhängern der Regierung Venezuelas wird interessanterweise kaum berichtet in den deutschen Medien. Obwohl an die hunderttausend Demonstranten an iher teilgenommen haben sollen, wie Amerika21.de berichtet: Über Hunderttausend für Reform. Woher also kommt diese seltsame Schwerpunktsetzung in vielen deutschen Medien beim Thema "Venezuela"?

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Freitag, 2. November 2007

Wo sind die Op-Eds von Nicht-Politikern und Nicht-Journalisten?

Es gibt in den deutschen Medien meiner Meinung nach viel zu wenige Gastkommentare von Persönlichkeiten, die keine Politiker oder keine Journalisten sind und nicht von einer Lobbyorganisation bezahlt werden oder für eine Lobbyorganisation arbeiten.

Es gibt also zu wenige ausführliche Kommentare zu aktuellen, umstrittenen politischen Themen von beispielsweise Professoren, Richtern, Wirtschaftsunternehmern, Vertretern von Nicht-Regierungs-Organisationen, Künstlern oder sonstigen bekannten Persönlichkeiten.

In englischsprachigen Zeitungen liest man jeden Tag Gastkommentare solcher Menschen. Diese Kommentare sind häufig die interessantesten, weil die Kommentatoren unabhängig sind von Politik und Mediengeschäft und mit ihrem eigenen Blick politische Themen bewerten und nicht mit einem durch Parteipolitik oder Medienagenda vernebelten Blick.

Wäre es nicht schön, wenn sich mehr Richter, Wissenschaftler, Unternehmer und Künstler und so weiter einmal in Zeitungen, Magazinen, im Radio oder Fernsehen oder auf den Internetseiten der etablierten Medien beispielsweise über die geplante Vorratsdatenspeicherung äußern würden oder über Schäubles Pläne für einen Umbau des Rechtsstaates?

Ich meine, dass hier ein erhebliches Potenzial brach liegt, das die Medien noch wesentlich intensiver nutzen könnten, indem sie gezielt Personen für einen Gastkommentar ansprechen, die sich auf ganz anderen Gebieten als Politik oder Mediengeschäft verdient gemacht haben und die auch nicht insgeheim von einer Lobbyorganisation wie beispielsweise der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" oder irgendwelchen Think-Tanks bezahlt werden. Stattdessen hört oder liest man immer die gleichen Interviews mit den gleichen wenigen Leuten, die einmal in die Datenbanken der Journalisten gelangt sind und nun zum immer gleichen Thema immer wieder befragt werden oder auch einmal selbständig einen eigenen Kommentar dazu veröffentlichen dürfen.

Es fehlen mehr unabhängige Stimmen im öffentlichen Diskurs.

Und ja, ich weiß, ich höre schon den Einwand, dass es doch nun Blogger gäbe und die würden doch unabhängig sein. Aber ich vermute, dass ein kritischer Kommentar beispielsweise in der Süddeutschen Zeitung, beispielsweise von einem bekannten Unternehmer oder einem Richter an einem Oberlandesgericht zur geplanten Vorratsdatenspeicherung oder zur Terror-Hysterie bedeutend größere Aufmerksamkeit erhalten würde, als ein Blog-Eintrag von Bürger XY. Das macht den Blogeintrag nicht unwichtig, keineswegs, aber der Blogeintrag kann eben solche Wortmeldungen von prominenteren Menschen an prominenteren Stellen auch nicht ersetzen.

Und ja, ich weiß, ich höre schon den Einwand, dass viele Verbände und bekannte Persönlichkeiten sich doch im "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" zusammengeschlossen hätten. Aber auch hier kann dieser Zusammenschluss nicht einzelne, prominente Wortmeldungen ersetzen.

Und ja, ich weiß, ich höre schon den Einwand, dass viele wichtige Persönlichkeiten im Land vermutlich aus Unwissenheit die Vorratsdatenspeicherung oder die Terrorpanik für richtig halten. Woher und wie sollten sie sich auch eine andere Meinung gebildet haben bei der täglich in Tagesschau und Co. übertragenen Flut an "herrschender Meinung" in Form der Politikerworte aus SPD und Union? Aber irgendwo muss es doch auch unter den Menschen, die eine Stimme von "Gewicht" jenseits von Politik und Mediengeschäft haben, Leute geben, die die aktuelle innenpolitische Entwicklung kritisch verfolgen.

Oder ist es die Angst der deutschen Medien, hier Meinungsmacht, Deutungshoheit und Agendasetting-Power an Dritte abzugeben? Und sei es nur in einzelnen Kolumnen oder Kommentaren?

Onlinedurchsuchung als Wundermittel gegen alles Böse in der Welt

Hanno Zulla hat einmal in seinem Blog schlicht und einfach nur die zahlreichen in den letzten Wochen von unseren Politikern zur "Onlinedurchsuchung" gemachten Aussagen aufgelistet. Das sich daraus ergebende Bild ist verheerend. Wir werden tatsächlich von ahnungslosen Chaoten regiert: 10 bis 20 Fälle.

Der obige Katalog von Zitaten klingt eher so, als wäre die Online-Durchsuchung ein zertifiziertes Allzweckmittel gegen alles Böse dieser Welt - passt überall, hilft immer, quasi das kriminalistische Äquivalent zur Eigenurin-Therapie. [...] Offenbar weiß keiner wirklich, was die Online-Durchsuchung ist, was sie kann und was sie leisten soll. Hauptsache, die Online-Durchsuchung kommt, dann wird alles wieder gut. Also ganz ähnlich wie einst bei der Rasterfahndung und dem großen Lauschangriff, ohne die seinerzeit ebenfalls die innere Sicherheit Deutschlands angeblich nicht mehr zu gewährleisten war. (Quelle: Hanno's Blog)


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Donnerstag, 1. November 2007

Schäuble: Geheimdienste wichtigstes Mittel für Stabilität der Gesellschaft

Zeit.de berichtet von einer Tagung des Bundesnachrichtendienstes (BND). Obwohl Bundesinnenminister Schäuble in Bezug auf seinen Aufgabenbereich nichts mit dem BND zu tun hat, wurde er als Redner eingeladen. Und wer bislang Schäuble für ungefährlich hielt, sollte spätestens nach seiner Rede vor dem BND eines Besseren belehrt sein.

So soll Schäuble laut Zeit.de dargestellt haben, dass die Geheimdienste der eigentliche Garant für die Stabilität unserer Gesellschaft seien. Nicht nur Garant für einen stabilen Staat, ein stabiles Staatswesen oder eine handlungsfähige Regierung, nein für die Gesellschaft insgesamt:

Überhaupt scheint Schäuble die Vorgaben des demokratischen Rechtsstaates für eher hinderlich zu halten. Denn anschließend sagte er etwas, was in dem Saal voller Geheimdienstler zu spontanem Applaus führte: "Wir sollten die Leistungsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes nicht durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse gefährden." Schließlich seien die Informationen, die er beschaffe, "lebensnotwendig". Und sie seien das wichtigste Mittel, um die Stabilität unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Den Nachrichtendiensten "unlautere Absichten zu unterstellen", sei deshalb geradezu "unredlich". (Quelle: Zeit.de)


Ich wiederhole: Die Geheimdienste seien also das wichtigste Mittel, um die Stabilität unserer Gesellschaft zu gewährleisten.

Nicht die Polizei, nicht das Rechtssystem, nicht eine unabhängige Justiz, nicht freie und geheime Wahlen und nicht das politische Ziel der Herstellung einer Chancengleichheit für alle Bürger seien also laut Schäuble die wichtigsten Mittel, um die Stabilität unserer Gesellschaft zu gewährleisten, sondern die Geheimdienste.

Ausgerechnet die Geheimdienste! Die unkontrolliert von der Öffentlichkeit vor sich hin werkeln, sich häufig nicht an Recht und Gesetz halten, die Privatsphäre und Menschenwürde der Bürger verletzen, häufig aus purem Eigeninteresse heraus vor allem den eigenen Apparat schützen wollen und Desinformationen verbreiten (siehe BND-Untersuchungsausschuss) und häufig von der Regierung selbst kaum ausreichend kontrolliert werden können und so die rechtsstaatliche Ordnung in ihrem Tun häufig eher gefährden als schützen. Und Schäuble fordert, die Geheimdienste sollten noch weniger kontrolliert werden als jetzt schon!

Außerdem tut Schäuble so, als ob die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei etwas Exotisches, Ungeheuerliches sei und aufgehoben werden müsse:

"Manche halten das Trennungsgebot fast schon für einen Verfassungsgrundsatz", sagte der Innen- und Verfassungsminister. Er habe es aber im Grundgesetz nicht gefunden. Die Abgrenzung von Polizeiarbeit und Spionage, von an Gesetzen gebundenen offenen und von geheimen, konspirativen Ermittlungen, eine Lehre aus der NS-Zeit, steht tatsächlich nicht im Grundgesetz. Es wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren aus diesem abgeleitet. Zu Schäubles Ärger offensichtlich. Denn, so sagte er, die Wirklichkeit halte sich nicht an diese klare Trennung. Und der demokratische Rechtsstaat dürfe sich dem Wettkampf mit den Gefährdern nicht verweigern. (Quelle: Zeit.de)


Es ist jedoch natürlich genau umgekehrt. Gerade die Beschränkung der Befugnisse der Geheimdienste sorgt für Stabilität. Schäuble weiß dies natürlich. Deshalb muss man leider annehmen, dass ihn andere Beweggründe treiben als die Verbesserung der "Stabilität der Gesellschaft". Wer weiß, in welche seltsamen Netzwerke Schäuble eingebunden sein mag. Ich habe jedenfalls kein Vertrauen mehr zu diesem Mann!

Die Beschränkung der Macht der Geheimdienste, die Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei also, und die Trennung von Außenverteidigung und Innerer Sicherheit, von Militär und Polizei also, haben bekanntlich etwas mit der für eine Demokratie grundlegenden und eine Demokratie stabilisierenden Gewaltenteilung zu tun: Die überbordenden Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste werden ganz bewusst dadurch in ihrer Macht etwas beschränkt, dass die Geheimdienste nicht - so wie die Polizei dies tun kann - exekutive Befugnisse, also vollziehende Gewalt haben. Geheimdienste können also nur informieren, aber nicht selbst Bürger beispielsweise verhaften oder einen Strafprozess gegen Bürger einleiten.

Die Geheimdienste gehören also bislang nicht zu den Strafverfolgungsbehörden. Mir als juristischem Laien ist der Grund dafür intuitiv klar: Wenn Geheimdienste neben ihrer umfassenden Befugnis geheim und unkontrolliert Informationen zu beschaffen und neben ihrem oft angewendeten Instrument der Desinformation auch noch selbsttätig Personen strafrechtlich belangen könnten, würde das Vertrauen in einen fairen Prozess allgemein schwinden. Denn gäbe es dann noch die ausreichende Möglichkeit für die Verteidigung, den Wahrheitsgehalt der vom Geheimdienst vorgebrachten Beschuldigungen zu prüfen? Könnte der Geheimdienst nicht leicht Beweise selbst platziert und gefälscht haben? Juristisch ausgedrückt würde also wohl die geheime und unkontrollierte Art der Informationsbeschaffung von Geheimdiensten den etablierten Prozessmaximen bei einem Strafprozesses in einem Rechtsstaat widersprechen (Wer dies konkreter oder korrekter juristisch beschreiben kann, ist eingeladen, dazu einen Kommentar abzugeben! Danke!).

Aber Schäuble sagt schlicht laut Zeit.de: Den Nachrichtendiensten "unlautere Absichten zu unterstellen", sei geradezu "unredlich". Woraus wohl folgen soll: Eine Kontrolle der Geheimdienste sei nicht nötig. Wird diese Behauptung mit der Forderung verknüpft, den Geheimdiensten auch Befugnisse im Strafprozess, also polizeiliche Befugnisse, zuzugestehen, würde das jedes Gerichtsverfahren, bei dem Geheimdienste beteiligt sind, unterminieren. Denn vor Gericht wird nicht "vertraut", sondern "bewiesen".

Schäuble fordert hier nichts anderes als die Aufhebung des Prinzips der Gewaltenteilung. Denn auch eine Schwächung der Gewaltenteilung (und der Entzug jeglicher Kontrolle über die Geheimdienste und vor allem ihr Ausstatten mit polizeilichen Befugnissen) würde das Machtgleichgewicht in einer Demokratie empfindlich stören, ja meiner Meinung nach sogar kollabieren lassen. Denn wenn Geheimdienste selbsttätig alles ausschnüffeln dürfen und daraufhin dann Leute vor Gericht zerren dürfen und man den Geheimdiensten schlicht dabei vertrauen sollte, wie soll es dann noch faire Gerichtsprozesse geben, bei denen der Geheimdienst als neue Polizeibehörde involviert ist? Wer sollte unterscheiden können, wo die Geheimdienste ihr Mittel der Desinformation einsetzen und wo sie polizeilich korrekt und neutral eine Straftat ermitteln?

Die Desinformation gehört als Mittel zum Geheimdienst wie die Tatortanalyse als Mittel zur Polizei. Vermischt man beides, kann daraus nur Chaos entstehen. Das Vertrauen in einen ordentlichen Strafprozess würde unterminiert werden. Die Exekutive gewänne zwar Macht bei einer Aufhebung der Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei, der Staat insgesamt würde jedoch geschwächt werden, weil die Bürger kein Vertrauen mehr in ihn haben würden.

Denn nicht die umfassende Überwachung ist die Basis einer stabilen Gesellschaft, sondern das Vertrauen der Bürger, dass der Staat sie gerecht und fair behandelt. Damit dieses Vertrauen existieren kann, müssen im Staatssystem jedoch Beschränkungen der Macht des Staates eingebaut sein, sprich: Kontrollen der Macht.

In einem demokratischen Rechtsstaat gilt also genau das umgekehrte Schäublesche Prinzip: Nicht der Staat benötigt zum Vertrauen in seine Bürger die Kontrolle über die Bürger, sondern der Bürger benötigt zum Vertrauen in den Staat Kontrolle über den Staat und seine Institutionen.

Schäuble stellt also unseren Rechtsstaat auf den Kopf. Geheimdienste stabilisieren nicht die Gesellschaft, sondern höchstens die Macht der Exekutive. Dies kann man in allen Diktaturen der Welt sehen. Schäuble verwechselt "Stabilität der Gesellschaft" mit "Stabilität von Regierungsmacht". Unter einer "stabilen Gesellschaft" verstehe ich jedoch eine Gesellschaft, die weitgehend frei ist von Nöten und Unterdrückung, die aus größtenteils zufriedenen Menschen besteht. Eine stabile (korrekter: handlungsfähige) Regierung ist hier nur ein Teil dessen, was zu einer stabilen Gesellschaft beiträgt.

Schäuble behauptet also eigentlich, dass die Exekutive in Deutschland viel zu schwach sei, dass Regierung, Behörden und Polizei schwach seien in Deutschland und kaum in der Lage seien, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.

Ist dem so? Kann man die Situation in Deutschland tatsächlich vergleichen mit beispielsweise den schwächelnden staatlichen Ordnungssystemen in diversen Entwicklungsländern, die auf der oben genannten BND-Tagung eigentlich thematisch behandelt wurden?

Die Uhr tickt. Maximal noch zwei Jahre verbleiben, um die Öffentlichkeit umfassend darüber aufzuklären, dass Schäubles Ansichten schlicht und einfach verfassungsfeindlich sind. Bislang scheinen die Unionsparteien hinter Schäuble zu stehen. Käme die Union an die Macht und nimmt sie Schäubles Forderungen ernst und setzt sie um, müsste man wohl unserem liebgewonnen Rechtsstaat Lebewohl sagen. Ich würde in diesem Fall gleich auch Deutschland Lebewohl sagen. Denn die Aufhebung der Gewaltenteilung führt zwangsläufig in eine Diktatur. Und in einer Diktatur würde ich nicht leben wollen. Selbst wenn es dort keine Terroranschläge geben sollte (was ich zudem bezweifele, und zwar stark bezweifele).

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Mittwoch, 31. Oktober 2007

Vorratsdatenspeicherung: Wie Zypries weiterhin die Öffentlichkeit für dumm verkauft und die ARD dabei mitmacht

(Via Schnüffelblog) Wenn ich Journalist wäre und Frau Zypries interviewen würde und Frau Zypries würde mir gegenüber sachlich völlig unzutreffend wiederum behaupten, dass bei der geplanten, kommenden Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten nichts anderes und nichts mehr gespeichert würde als jetzt schon, dann würde ich sie schlicht als unverschämte Lügnerin bezeichnen und aus dem Studio schmeißen. Selbst wenn das Interview live über den Sender gehen würde.

Aber mit den "Journalisten" der ARD kann man es ja machen, muss Frau Zypries sich gedacht haben. Die kuschen. Ist ja 'ne Bundesministerin, die man interviewt. Da darf man nicht widersprechen. Man ist ja "staatstragend" bei der ARD. Oder hat schlicht von Tuten und Blasen keine Ahnung.

Es ist nicht das erste Mal, dass die ARD in diversen Sendungen die hanebüchenen Darstellungen von Zypries zur Vorratsdatenspeicherung unwidersprochen dem zahlenden Publikum präsentiert.

Erbärmlich. Sowohl Zypries als auch dieser Journalisten-Imitator namens Werner Sonne, der Zypries nun im ARD-Morgenmagazin in einem Interview erneut eine Plattform bot, ihre Lügengeschichten gefahrlos zu wiederholen.

Hier das Interview von Werner Sonne im ARD-Morgenmagazin als Real-Player-Stream.

Erneut wiederholt Frau Zypries dort die Behauptung, dass bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung nicht mehr Dinge gespeichert würden als Telekommunikationsprovider dies heute schon tun. Und wieder bringt sie das verquere Beispiel, dass die Daten der Vorratsspeicherung vergleichbar seien mit beispielsweise den Angaben auf einem Briefumschlag. Und schließlich stellt sie dar, dass diese Daten ja nur bei den Providern gespeichert seien und nicht beim Staat. Was natürlich irreführend ist, denn der Ort der Speicherung spielt bei digitalen und vernetzten Daten im Unterschied zu Aktenordnern aus Papier und Pappe keine Rolle mehr. So wird der Staat bald in Sekundenschnelle elektronisch übers Netz über besondere Schnittstellen, die derzeit in den berüchtigten ETSI-Ausschüssen technisch ausgearbeitet werden, jederzeit Zugriff nehmen können auf die bei den Providern gespeicherten Daten.

Ich hatte früher schon einmal ausführlicher versucht darzustellen, wo Frau Zypries alles in ihren Ausführungen irrt. Deswegen hier einfach die Links zu diesen älteren Weblog-Einträgen:

  • Vorratsdatenspeicherung: Eine Lachnummer für Terroristen. Da schrieb ich noch, dass Zypries sich wahrscheinlich nur versehentlich irrt und nicht bewusst lügen würde. Nach über einem halben Jahr müsste Zypries inzwischen jedoch wissen, worum es bei der Vorratsdatenspeicherung geht. Das Wiederholen ihrer falschen Aussagen kann ich jetzt nur noch als eine bewusste Verarschung böswillige Täuschung der Öffentlichkeit ansehen.
  • Vorratsdatenspeicherung für Dummies

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Bitte melden Sie verdächtiges Verhalten...

(Via Schneier.com) Allgemeine Aufforderungen an die Bürger, "verdächtiges Verhalten" zu melden, sind nicht nur gefährlich, weil sie die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens erodieren, sondern auch, weil sie ineffektiv für die Strafverfolgung oder Prävention sind. Denn jeder hält etwas anderes für "verdächtig" und so würden die Sicherheitsbehörden mit untauglichen Hinweisen überschwemmt werden.

Man könnte 'nen langen Vortrag drüber halten, um das den Leuten (und vor allem den Politikern) klar zu machen. Vielleicht reicht es aber auch schon, den Leuten einfach diesen kleinen Dilbert-Comic zu zeigen.

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Dienstag, 30. Oktober 2007

Präventionswahn macht's möglich: LKA-Berlin schafft sich seine Arbeit selbst

Das Berliner Landeskriminalamt (LKA) ist besonders fleißig und anscheinend immer auf der Suche nach Schwerverbrechern. Beispielsweise nach solchen Schwerverbrechern, die Autoventile an Reifen parkender Autos manipulieren und so die Luft aus den Reifen der parkenden Autos lassen, so dass die Autos nicht ohne eine Verzögerung (Aufpumpen) wieder in Betrieb genommen werden können. Nicht schön solch ein Luftablassen, keine Frage. Aber ein Fall für den Staatsschutz, sprich das LKA?

Wie Welt.de berichtet, hat nun aber in einem anderen Fall LKA-Chef Haeberer den Fleiß seiner Untergebenen gezügelt. Allerdings erst nach einem Rüffel durch die Staatsanwaltschaft. So nahm das LKA zahlreiche journalistisch arbeitende Fotografen ins Visier, weil LKA-Beamte bei einer der zahlreichen Hausdurchsuchungen (vermutlich im linken Milieu) in Berlin ein "Antifa"-Plakat entdeckt hatten, auf dem Fotos von bekannten Neonazis abgebildet waren. Die LKA-Beamten sahen in dem Plakat einen Verstoß gegen das Kunsturheberrechtgesetz/Recht am eigenen Bild. Anscheinend kam hier die polizeiliche Erfahrung zum Tragen, dass Neonazis sich nicht freiwillig für ein Antifa-Plakat fotografieren lassen würden.

Also legten die LKA-Beamten dann auch gleich mal los mit ihren Ermittlungen. Und zwar gegen die oder den Fotografen der Portrait-Fotos. Allerdings scheint der Fotograf kein Copyright-Hinweis auf dem Plakat hinterlassen zu haben, so dass unklar war, von wem die gefährlichen Fotos stammten. Aber das LKA kennt ja anscheinend seine Pappenheimer, sprich gefährliche Fotografen, die für solch eine Untat des unerlaubten Fotografierens in Frage kommen könnten. So wurden schnell sogenannte "Personagramme" über zahlreiche Fotografen angelegt, die aus Sicht des LKA eventuell als Urheber der Fotografien in Frage kamen. Welt.de schreibt, was in diesen Personagrammen des LKA alles vermerkt wurde über die verdächtigten Fotografen, die teilweise beispielsweise für Berliner Morgenpost, Tagesspiegel, Bündnis 90/Die Grünen, Tageszeitung und den Fernsehsender RTL arbeiten:

Meldedaten und Autos wurden vor Ort überprüft, Arbeitgeber ermittelt, Observationsberichte geschrieben. Sogar Dialekte und körperliche Behinderungen sind auf den Blättern vermerkt. In einem neunseitigen Schlussbericht forderten die LKA-Ermittler Durchsuchungsbeschlüsse für Wohnungen, Fahrzeuge und Arbeitsstätten der Beschuldigten sowie das Recht, Handys beschlagnahmen zu dürfen. Strafanzeigen – aufgrund eines angeblich dringenden Tatverdachts – schrieb das LKA von Amts wegen am 3. März. (Quelle: Welt.de)


Erst die Staatsanwaltschaft machte dem Ermittlungs-Spuk ein Ende und konstatierte trocken, dass das fragliche Plakat ja nie veröffentlicht worden sei und überdies überhaupt gar keine Anzeigen von den auf dem Plakat abgebildeten Personen vorliegen würden. Damit die Polizei überhaupt Ermittlungen bei Verstößen gegen das "Recht am eigenen Bild" aufnehmen kann, muss, soweit ich weiß, eben erst einmal überhaupt eine Anzeige der abgebildeten Person vorliegen. Deshalb hätte es gar keine Straftat gegeben, gegen die die LKA-Beamten hätten ermitteln können, so die Staatsanwaltschaft.

Festhalten muss man also:
  • Der Präventionsgedanken hat sich schon so sehr in die Hirne mancher Polizeiapparate hinein gefressen, dass bei kleinstem Verdacht auf eine Straftat und selbst bei Fehlen einer Anzeige sofort mit umfangreichen Ausforschungen von Personen begonnen wird.
  • Auch gegenüber Journalisten (viele der Fotografen hatten Journalistenausweise) gibt es keine Scheu selbst bei derart geringem Anfangsverdacht sofort Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen zu fordern.
  • Die betroffenen Fotografen wurden teilweise bis heute nicht über die meiner Meinung nach rechtswidrigen Ermittlungen gegen sie informiert.
  • Die Berliner LKA-Beamten erkennen auf den ersten Blick, dass auf einem Foto dargestellte Personen zur Neonazi-Szene gehören. Das könnte man ja noch als professionell und gut geschult bewerten. Der übereifrige Einsatz, diese Personengruppe mittels eigenmächtigem Anstoßen von Ermittlungsverfahren zu schützen, lässt jedoch zumindest ungute Fragen und Befürchtungen aufkommen. Vielleicht kannten die LKA-Beamten die dargestellten Neonazis ja auch aus anderen als rein professionellen Gründen?
  • Die Hausdurchsuchung, bei denen das fragliche Plakat gefunden wurde, wurde sicherlich nicht durchgeführt, um dieses Plakat zu finden. Das Plakat ist also ein weiteres Beispiel für einen sogenannten "Zufallsfund". Das heißt: Eigentlich suchte die Polizei bei der Hausdurchsuchung offiziell wohl nach anderen Dingen. Aber in Deutschland kann die Polizei bei einer Hausdurchsuchung auch andere Straftaten im Nachhinein verfolgen, sofern sie bei der Hausdurchsuchung "zufällig" aufmerksam wird auf solche Straftaten. Ich sehe die Einbeziehung von Zufallsfunden als sehr problematisch an, weil das Instrument der Hausdurchsuchung so schnell missbraucht werden kann, um Personen auch ohne konkreten Anfangsverdacht durch und nach einer Hausdurchsuchung doch irgendetwas anzuhängen, auch wenn es zuvor keinen Kläger und keine Anzeige in Bezug auf die zufällig gefundene Straftat gab. Hier wird das meiner Meinung nach hochproblematische deutsche Polizeikonzept deutlich. Ein Konzept nämlich von einer Polizei, die sich als eigenmächtige Ordnungsmacht versteht und nicht vornehmlich als weisungsgebundener Dienstleister geschädigter Verbrechensopfer.
Das Fazit aus dieser Geschichte könnte also lauten: Ermittler schaffen sich ihre Arbeit inzwischen häufig selbst. Ein Anstieg der Kriminalität oder des Terrorismus ist inzwischen für ein Anwachsen des Arbeitspensums bei der Polizei gar nicht mehr nötig. Dieses Vorgehen der Polizei erhöht also nicht die Sicherheit der Bevölkerung, sondern höchstens die Arbeitsplatzsicherheit der Polizisten.

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Montag, 29. Oktober 2007

Kleiner Verbrauchertipp: Eplus-Netz in Berlin seit Wochen störanfällig

Zumindest was die Datenübertragung (GPRS, UMTS) betrifft, funktioniert das Netz von E-plus nach meinen eigenen Beobachtungen in der Innenstadt Berlins (Wilmersdorf, Charlottenburg) schon seit einigen Wochen nur noch unzuverlässig. In den letzten Tagen geht teilweise gar nichts mehr. Hat man in seinem Handy als Standardverbindungsart "GPRS" auch für die Sprachtelefonie eingestellt, kommen auch keine Anrufe mehr an und man kann selbst keine Anrufe mehr durchführen. Die Eplus-Hotline sagt, man wüsste von keinen Problemen. Anfragen per E-mail werden nicht beantwortet.

Nur Sprachtelefonie und langsame Datenübertragung über das normale GSM-Netz funktionieren. Das Handy zeigt zwar an, dass ein UMTS-Netz verfügbar ist, aber die Einbuchung scheitert - vor allem am Wochenende und abends, manchmal aber auch den ganzen Tag lang - und in verschiedenen Funkzellen. E-plus ist also hinsichtlich seines Netzes in der Hauptstadt auf das Niveau eines Dorfes in der ländlichen Provinz zurückgefallen.

Ich kann deshalb nur jedem raten, der in der Innenstadt Berlins schnellere Datendienste über das Eplus-Netz nutzen möchte und überlegt, bei E-plus oder bei anderen Anbietern, die das Eplus-Netz nutzen (Simyo, Blau.de und so weiter), einen Vertrag abzuschließen, die Hände davon zu lassen. Es gibt bessere Weihnachtsgeschenke.

Falls E-plus die Schwierigkeiten irgendwann wieder in den Griff bekommen haben sollte und ich noch weiterhin Kunde bei denen sein sollte, werde ich an dieser Stelle mittels eines "Nachtrages" berichten.

Nachtrag, 08.11.2007: Inzwischen scheint das UMTS-Netz von E-plus wieder zu laufen. Zumindest gab es in den letzten Tagen keine Probleme mehr. Zuvor lief es mal einen Tag, dann wieder einen Tag lang nicht, dann lief es wieder einen Tag... Die Erreichbarkeit des UMTS-Netzes nun über mehrere Tage lässt also hoffen, dass die Probleme nun endlich beseitigt sind.

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Terror in Deutschland

Was dabei herauskommt, wenn die Medien munter und kritiklos weiterschwafeln, was ihnen von der Politik und den Behörden aufgetischt wird... was dabei herauskommt, wenn die Medien also beispielsweise munter weiterschwafeln, dass die im Sauerland gefassten mutmaßlichen Terroristen "kurz vor" einem Anschlag gestanden hätten... was dabei herauskommt, wenn unser Bundesinnenminister von terroristischen Atombombenanschlägen fantasiert... was dabei herauskommt, wenn bei absolut jeder Gelegenheit jeder Innenminister in diesem Land und jeder Vertreter jeder Sicherheitsbehörde immer noch mehr polizeiliche, ja geheimdienstliche Befugnisse haben will... was dabei herauskommt, wenn irgendwelche Provinzpolitiker nun aber auch mal die Online-Durchsuchung haben wollen, ob als Mittel gegen Besitzer von Kinderpornobilder oder gegen Fußball-Hooligans... was dabei herauskommt, wenn Provinzpolitiker die Sicherheitsbehörden als politische Hilfstruppen einspannen wollen... was dabei herauskommt, wenn Soziologen und ihr Umfeld wegen der Verwendung von einzelnen Begriffen in ihren Arbeiten monatelang intensiv als vermeintliche Terroristen überwacht werden und anschließend sogar in eine Art Isolationshaft gesteckt werden und erst nach langwierigen Anrufungen von Gerichten wieder freigelassen werden.... oder was dabei herauskommt, wenn die Polizei einfach einmal umfangreiche Durchsuchungsaktionen im Umfeld von G8-Gegnern durchführt, ohne konkreten Anfangsverdacht und ohne konkrete Ergebnisse...

Was dabei herauskommt? Terror. Zumindest von Seiten der Polizei und der Politiker. Glücklicherweise noch nicht von Seiten der deutschen Gerichte in Form menschenrechtsverletzender Urteile.

Dieses Terror-Geschwafel, diese Panikmache, dieses Beschwören einer umfangreichen Überwachung und polizeilichen Prävention als Mittel der Wahl gegen eine nebulöse Terrorgefahr, das alles hat Folgen. Es verändert unsere Gesellschaft. Dazu braucht es noch nicht einmal neue Gesetze. Das funktioniert auch so.

So führt es zu geistiger Verwirrung auf den ärmlichen Polizeistuben in der deutschen Provinz. Anders kann man das nicht benennen, wenn Polizeibeamten in der Lüneburger Heide eigenmächtig, ohne dass es irgendeinen Anfangsverdacht gab, ohne dass irgendwo irgendwie irgendeine Ermittlung vorauslief von irgendeiner Stelle, einfach Urlauber ohne richterlichen Beschluss in ihrem Ferienhaus überfallen. Von deutschen Polizisten, nicht von Terroristen! Überfallen, weil die Urlauber "fremdländisch" aussahen, ohne Auto angereist waren und ein Ferienhaus (!) gemietet hatten:

Um kurz vor 22:00 am Donnerstag klopften Kriminalpolizisten an die Haustür und hätten diese fast eingetreten, wäre ich nicht schnell genug aus dem Badezimmer zur Tür geeilt. Sie wiesen sich erst aus, als sie im Haus waren. Ein Durchsuchungsbefehl wurde an keiner Stelle vorgelegt, mein Einwand, dass meine Ehefrau sich noch bekleiden wollte wurde ebenso wie mein ausgestreckter Arm beiseite geschoben. Drei Polizisten rannten die Treppe im Ferienhaus zu den Schlafzimmern hoch, während der Einsatzleiter sich mit uns aufs Sofa setzte und zu erklären versuchte, warum sie so hereingeplatzt kamen:

Offensichtlich wurde zuvor die Polizei in Walsrode über die schwerwiegende Tatsache informiert, dass ein "orientalisch aussehendes" Pärchen "nachts" und "ohne Auto" nach Hamwiede kam und sich dort bereits seit Samstag aufhielt. Diese drei "Indizien" waren Grund genug für die Polizeiinspektion Soltau-Fallingbostel, acht Kriminalpolizisten zu mobilisieren und sie taktisch ausgerüstet (inklusive schußsicheren Westen) zu unserem Hauptquartier zu schicken. Vier davon haben das Haus umzingelt, während die anderen vier das Haus durchsucht haben. (Quelle: Too Much Cookies Network)


Der aufgeweckte, offenherzige deutsche Bürger wird jetzt natürlich einwenden, dass man sich doch gefälligst als Urlauber in der Lüneburger Heide vor Ankunft telefonisch bei den örtlichen Polizeibehörden anzumelden habe. Denn wer macht schon Urlaub in der Lüneburger Heide?! Spätestens seit dem Sommer sollte jedem klar sein, dass in der deutschen Provinz nur Bomben gebastelt werden. Überall. Wer da hin will, macht sich ganz klar verdächtig. Auch die Anreise per Taxi und nicht in eigenem Auto ist unstatthaft. Fremdländisch aussehen geht bekanntlich schon gar nicht. Hier helfen bekannte Schönheitschirurgen gerne aus. Das Tragen von Kopftüchern ist geradezu fahrlässig. Und wer, bitte schön, mietet heutzutage noch Ferienhäuser? Heute reist man mit dem eigenen Wohnmobil oder übernachtet in ordentlichen Hotels und nicht in irgendwelchen miefigen Unterkünften mit Styroporwänden.

Merke: Jeder kann bei der von unseren Politikern bewusst geschürten Terror-Paranoia Opfer von haltlosen Verdächtigungen werden. Den Sicherheitsbehörden wird nicht auf die Finger geklopft, im Gegenteil, sie werden bestärkt, noch "wachsamer" zu sein.

Ich rate also zur größten Vorsicht vor Polizeibeamten! Es könnten verdeckte Staatsterroristen sein, die aus nichtigem Anlass, ja bei eigentlich überhaupt gar keinem Anlass, auf die Idee kommen könnten, mal eben eure Wohnung zu stürmen. Es gibt keinen geschützten Bereich der privaten Lebensführung mehr in Deutschland. Zumindest in der Praxis. Die eigene Wohnung kann in Deutschland nahezu jederzeit von der Polizei unter den fadenscheinigsten Begründungen aufgebrochen und durchsucht werden. Im Gesetz steht zwar etwas anderes, aber was bedeutet schon das Gesetz?

Es wäre schon seltsam, wenn in deutschen Weblogs die früher üblichen Solidaritätsbekundungen bei irgendwelchen Abmahnungen (wenn also ein Blogger mal wieder von einem Abmahnanwalt wegen irgendeiner Nichtigkeit kostenpflichtig abgemahnt wurde) nun immer häufiger ersetzt werden sollten durch eine andere Art der Solidaritätsbekundung - nämlich bei und wegen erlittener Polizeiobservierungen oder Hausdurchsuchungen.

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