Mittwoch, 9. April 2008

Neues Gesetz mit Nebenwirkungen - Warum IP-Adresssammler bald Musikverlage gründen werden

Viele Anbieter von Webseiten oder Dienstleistungen via Internet speichern bekanntlich die IP-Adressen ihrer Besucher und Nutzer. Beispielsweise Google (Blogspot.com gehört auch zu Google). Aber auch viele private Website-Betreiber speichern leider immer noch die IP-Adressen ihrer Besucher.

IP-Adressen verraten, aus welcher Region oder Stadt der IP-Adressenbesitzer kommt und wie lange er wo unterwegs war. Ein Dienstleister wie Google könnte theoretisch Surfer mittels der IP-Adressen über viele Webseiten und Websites hinweg verfolgen. Google jedoch käme beispielsweise theoretisch auch an die IP-Adresse von Surfern, die überhaupt nicht Google nutzen. Denn Google verkauft Werbebanner. Und viele Websites binden diese Werbebanner wiederum in ihre Webseiten ein. Jeder Surfer, der Werbung sieht, hat somit eventuell, ohne es zu merken, auch dem Anbieter des Werbebanners (beispielsweise Google) seine aktuelle IP-Adresse mitgeteilt. Ob aktuell von Werbebanner-Anbietern tatsächlich IP-Adressen von Surfern längerfristig gespeichert werden, ist mir unbekannt.

Wäre ich Google (oder ein anderer großer Suchmaschinenbetreiber oder Werbebanner-Anbieter) würde ich demnächst zusätzlich zu den vielen Unternehmungen noch in ein völlig neues Geschäftsfeld einsteigen: Musik. Denn ein Musikverlag könnte bald in Deutschland der Schlüssel sein, der Türöffner sein, um diese vielen gespeicherten IP-Adressen mit den realen Personendaten, also den Namen der Surfer, zu verbinden.

Union und SPD wollen nämlich übermorgen ein Gesetz beschließen, nach dem die Musikindustrie direkt einen Richter bitten kann, dass Internet-Provider die Adressdaten von Kunden rausrücken müssen, die in Tauschbörsen Urheberrechtsverletzungen begangen haben. So wäre für die Musikindustrie nicht mehr der Umweg über die Staatsanwaltschaften nötig, die bislang erst immer ein Strafverfahren eröffnen mussten, im Zuge dessen die Musikindustrie dann eventuell an die Adressdaten der Urheberrechtsverletzer kam. Golem.de berichtet über das neue Gesetz.

Mit den nach dem neuen Gesetz leichter zugänglichen Adressdaten der Websurfer ließen sich also schneller Schadensersatzansprüche gegenüber den Urheberrechtsverletzern durchsetzen. Dafür mag man ja eventuell sogar noch Verständnis aufbringen. Richtig problematisch wird dieser relativ einfache Zugang der Musikindustrie zu diesen Daten jedoch, wenn diese Daten, also wer wann mit welcher IP im Internet surfte, in die Hände von Leuten gelangen, die eine riesige Datenbank haben, in der für einen langen Zeitraum genauestens aufgezeichnet ist, welche IP-Adressen welche Internetseiten besuchten. Könnten Besitzer umfangreicher IP-Datenbanken diese IP-Adressen mit vollständigen Personendaten verbinden, wäre das der Traum professioneller Datensammler und der Albtraum für die Verbraucher.

Dieses zusätzliche Datenschutz-Risiko gehen Verletzer von Urheberrechten also demnächst in Deutschland ein. Ob dieses allgemein größere Risiko der "Raubkopierer" Opfer von Datenschutzverletzungen zu werden sich dann jedoch mildernd auf die gegen sie erhobenen Schadensersatzansprüche auswirkt, wage ich zu bezweifeln.

Ein unredlich handelnder Musikverlag könnte natürlich auch versuchen, gleich ganze IP-Adressbereiche vor einem Richter fälschlicherweise als angebliche "Raubkopierer" anzukreiden, nur um so an noch umfassendere Datensätze zu kommen.

Mal sehen, wie lange es also dauert bis zur Gründung von "Google Records". Der Name wäre zudem schön zweideutig. Womit ich natürlich nicht behaupten will, dass Google dann tatsächlich solcherart in Erfahrung gebrachte Personendaten illegal weiterverwenden würde.

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Dienstag, 8. April 2008

Aufklärungslektüre für Spätpubertierende

Eine Premiere in meinem kleinen, wehleidigen, manche anscheinend trotzdem und seltsamerweise tierisch nervenden Weblog (*hier bitte böses Gelächter einfügen*):

Werbung!! Und noch dazu unbezahlte.

Buch-Cover von 'Der gekaufte Staat', Buch von Sascha Adamek und Kim Otto

Süddeutsche.de mit mehr Infos zum Buch.

Die Bundesregierung ist allerdings der Meinung, das Buch sei nur etwas für Spätpubertierende. Aber wer ist nicht spätpubertierend? Gut, natürlich nicht die kindlichen Gemüter, die weiterhin Union und SPD wählen. Und natürlich ist das Buch auch nichts für die schon seit Jahren Aufgeklärten, die schon immer wussten, dass der Staat einzig und allein von der Wirtschaft gelenkt wird. Aber für uns Normalsterbliche, für den Großteil der pubertierenden Bürger Untertanen also, scheint mir das Buch doch eine feine Lektüre zu sein.

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Sonntag, 6. April 2008

Das Zeug, das die im Bundesinnenministerium so zu sich nehmen, hat seltsame Nebeneffekte

Das Bundesinnenministerium sagt, dass derjenige, der in eine Badewanne voll Wasser steigt, nicht automatisch bade. Erst wenn derjenige sich auch schrubbt und etwas Badezusatz verwendet, könne man davon sprechen, dass man ein Bad genommen hat.

Ja, das sagt das Bundesinnenministerium.

Taz.de:

Inzwischen will das Innenministerium auch einen eher konventionellen Zugang zum Computer zulassen. Danach würde sich ein Polizeitechniker mit einem Dietrich Zugang zur Wohnung verschaffen, um vor Ort die Software auf den Computer aufzuspielen.

Das Justizministerium sieht darin jedoch eine heimliche Wohnungsdurchsuchung, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wäre. Da der Polizeitechniker nicht weiß, wo der Computer steht, muss er möglicherweise in alle Räume schauen oder auch in Taschen und Schränke.

Das Innenministerium teilt diese Einschätzung nicht, so die Informationen der taz. Demnach würde die Wohnung nicht "durchsucht", sondern nur "betreten". (Quelle: Taz.de)


Und die im Grundgesetz eigentlich festgeschriebene "Unverletzlichkeit der Wohnung"? Ach, ich verstehe: Man wohnt ja nicht auf dem Fußboden - also da, wo die Polizisten mit ihren dreckigen Schuhen hintreten. Und man wohnt auch nicht im Flur, den die Polizisten auf dem Weg zum Arbeitszimmer oder Wohnzimmer oder Schlafzimmer oder Küche (wo halt der Computer steht) durchschreiten müssen.

Halt! Da geht's in den Keller! Und wie es da aussieht, das wollen Sie bestimmt nicht sehen. Hier entlang bitte! Ja, meine Wohnung ist sehr verwinkelt. Vorsicht! Das Gemälde! Warum haben Polizisten auch alle so breite Schultern? Ja, ich habe einen Haufen Schuhe. Ja, die stehen hier alle im Flur, weil ich woanders keinen Platz habe. Na, Sie haben doch lange Beine, da können Sie doch drüber steigen. Nicht die Türen so knallen! Weil das Fenster in der Küche auf ist, gibt es hier immer einen Zug. Der Nachbar oben schläft noch und ich will es mir mit dem nicht verderben, verstanden? Also schön leise sein. Na, der schöne weiße Teppich im Wohnzimmer ist jetzt wohl hin... Na, egal, geht ja um die Sicherheit von diesem Dingens, na, äh, ach ja, Deutschland. Da muss ein Teppich schon mal dran glauben. Teppich oder träum ich gilt hier halt nicht. Ja, an der Lampe stößt sich jeder neue Besucher erstmal den Kopf. Das hält die aber aus. So. Der Computer? Ach ja, nebenan. Bitte nicht das schmutzige Geschirr beachten. Ich komme ja auch nicht so einfach unangemeldet in ihre Wohnung. So, nun nur noch durchs Schlafzimmer. Ich hatte doch gesagt, dass die Wohnung verwinkelt ist. Hallo. Das ist Herbert. Der schläft immer da. Ja, konnten Sie nicht wissen, dass der da ist. Er ist taub und hört das Klingeln nicht und den besonderen Klingelknopf zum Betätigen der Lichtklingel haben Sie ja nicht gedrückt. *Knacks* Was machen Sie denn da am Schrank? Und wer soll das jetzt bezahlen? Sie sind doch heimlich hier! Wie soll ich denn nachher wissen, wer mir die Schranktür bezahlt? So. Nun sind wir da. Der Computer. Wie der an gemacht wird? Sollten Sie das nicht wissen? Da tut sich nichts? Tja, kein Wunder. Ist ja auch kaputt. Oder vielleicht besonders gesichert? Wer weiß. Aber ich nutze das Teil eh kaum. Eher schon mein Notebook. Und das habe ich unterwegs immer mit. Also so wie jetzt. Denn ich bin ja gar nicht da. Sie verwüsten, ich meine natürlich: betreten meine Wohnung ja ganz alleine. Die kleine Stiftkamera im Flur haben Sie aber nicht bemerkt, oder? Ist 'ne ganz einfache Installation für wenige Euro. Macht automatisch ein Foto, wenn jemand durch den Flur geht.

Nur im Badezimmer waren Sie nicht. Denn Sie wollten die Wohnung ja nicht "durchsuchen", also beispielsweise nach anwesenden Menschen. Durchsuchen dürfen Sie ja nicht. Sondern nur "betreten". Vielleicht war ich ja also doch da und hab von ihrer ganzen Betreterei nur nichts mitbekommen, weil ich immer während des Badens laut Musik auf dem Kopfhörer habe. Und auf dem Weg aus dem Bad trete ich dann nach einer Stunde Dauerbaden im Schlafzimmer auf die für mich rätselhafterweise plötzlich auf dem Teppich liegenden Scherben der zerdepperten Schranktür und blute den Teppich voll und wundere mich, dass meine Wohnung ein Eigenleben zu führen scheint. Ich friere. Vom Baden kommt's aber nicht, denn ich habe mich schon abgetrocknet. Ich glaube, ich brauche eine neue Wohnung. Fühle mich nicht mehr wohl hier.

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Bundesregierung bezeichnet Kritik an Lobbyisten in Ministerien als "pubertär"

Die Frankfurter Rundschau berichtet über Reaktionen der Bundesregierung auf die Kritik des Bundesrechnungshofes an der Praxis, dass Lobbyisten aus der Wirtschaft direkten Kontakt zu Ministerien haben und dort sogar mitarbeiten an Gesetzen:

Der Bundesrechnungshof hatte zuvor kritisiert, dass Wirtschafts-Lobbyisten in "nicht unerheblichem Umfang" in Bundesministerien tätig sind. Einzelne Externe arbeiteten dort teils seit Jahren, schrieben an Gesetzestexten mit und hätten es gar bis zu Referatsleitern gebracht. Dies berge "zahlreiche Risiken" für die Unabhängigkeit des Staates.

Am Freitag beeilten sich mehrere Ministerien, diesen Verdacht zu verwischen. Im Gesundheitsministerium habe zwar ein Jahr lang ein Vertreter der Deutschen Bank gearbeitet, so Sprecher Klaus Vater. Auch habe man gelegentlich Mitarbeiter staatsnaher Kassenverbände rekrutiert. Daraus aber einen pauschalen Vorwurf zu konstruieren, sei unredlich: "Ich bin Katholik", so Vater, "dann könnten Sie mir auch unterstellen, ich sei die fünfte Kolonne des Vatikan im Ministerium - das ist pubertär." (Quelle: FR-Online.de)


In den USA und anderswo gibt es klare gesetzliche Vorschriften, die verlangen, dass alle Lobbyisten, die Kontakt zu Regierungsvertretern haben, offiziell registriert werden müssen. Wo wohl der Sinn eines solchen Gesetzes steckt? Zweifeln die Amerikaner etwa daran, dass Lobbyisten nur ihren "externen Sachverstand" einbringen wollen? Glauben die Amerikaner etwa, dass Lobbyisten in Versuchung sein könnten, mit ihren direkten Kontakten zur Politik die Partikularinteressen ihrer Geldgeber in der Wirtschaft politisch durchzusetzen? Wie "pubertär" von den Amerikanern! Vertrauen nicht ihrer Regierung! So etwas Ungezogenes und Kindisches!

In deutschen Ministerien, also dem innersten Kern der Regierung, sitzen jedoch Lobbyisten und arbeiten direkt an Gesetzen mit und transportieren Informationen aus den Ministerien zurück zu ihren privatwirtschaftlichen Auftraggebern, ohne dass der Souverän, also der Bürger, weiß, wer diese Leute sind, wieviele sie sind und von wem sie kommen und wo und wie sie alles Einfluss haben.

Und eine allgemeine ("pauschale") Kritik an dieser absolut skandalösen Praxis bezeichnet die Bundesregierung nun also als "pubertär".

Für wie doof hält die Regierung eigentlich die Bürger? Dieser sprachliche "Ausrutscher" des Sprechers des Gesundheitsministeriums mit dem passenden Namen "Klaus Vater" ist fast noch schlimmer als dieser direkte, unbeobachtete heiße Draht von Lobbygruppen direkt zur Regierung. Denn dieser sprachliche Ausrutscher zeigt wie mit einem Schlaglicht, welche Verachtung die Bundesregierung gegenüber dem Wähler hat.

Vermutlich fände dieser Sprecher nichts dabei, wenn die Kritiker sich auch noch bei der Bundesregierung entschuldigen würden, dass sie das undurchsichtige Geschäft der Regierung mit den Lobbyisten "pauschal" kritisiert haben.

Wenn jetzt gegen diese infamen Äußerungen des Sprechers des Gesundheitsministeriums keine weitere Kritik öffentlich wird, zeigt dies einmal mehr, wie tief noch ein demütiges, obrigkeitshöriges Denken im deutschen Volk verankert ist.

Kritik an der deutschen Regierung? Nein! Nicht doch! Das ist ungehörig und pubertär!

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