Kann es sein, kann es wirklich, wirklich sein, dass die ZEIT-Redakteurin Eva Schweitzer nicht erkannt hat, dass der US-Fernsehstar Stephen Colbert (bekannt durch seinen "The Colbert Report" und seine Auftritte in der "Daily Show" von Jon Stewart, beides TV-Sendungen auf "Comedy Central") ein Komiker und Satiriker ist?
Oder erkenne ich nicht, dass der ZEIT-Artikel "'Truthiness' for President" Satire ist? Oder wie? Oder was?
Meint Eva Schweitzer es also ernst, wenn sie schreibt:
Der einflussreichste konservative Fernsehtalker der USA, Stephen Colbert, amtiert für die Präsidentschaft - auf Seiten der Demokraten und der Republikaner. [...] "I Am America (And So Can You)!" Wer sonst hätte das Selbstbewusstsein, dies auszusprechen, als der einflussreichste konservative Fernsehtalker der Nation, Stephen Colbert, dessen politisches TV-Magazin "Colbert Report" auf die "No-Spin-Zone" von Fox News noch eins draufsetzt [...]. (Quelle: Zeit.de)
Anschließend beschreibt Eva Schweitzer auch den legendären Auftritt von Colbert im Weißen Haus:
Übrigens hat Colbert durchaus Erfahrungen im Weißen Haus: 2006 hielt er die Festrede beim alljährlichen Dinner der Weißen-Haus-Korrespondenten. Dort bemerkte er, dass die Realität liberale Vorurteile habe und den Präsidenten fürsorglich umarmte ("Wir sind beide keine Supergehirne auf Patrouille, oder Mitglieder der 'Faktinista', wir entscheiden aus dem Bauch, wo die Wahrheit liegt"). Und: Auch er bringe dem Volk die Wahrheit - ungefiltert von Argumenten. Wer ihn eingeladen hatte, weiß keiner, aber diese Person repariert nun wahrscheinlich Toilettenhäuschen im Irak für Blackwater-Angestellte. (Quelle: Zeit.de)
Wenn Eva Schweitzer diese Schilderungen des Treibens von Stephen Colbert nicht ernst, sondern satirisch meint: Die satirischen Ausdrucksfähigkeiten üben wir aber noch ein bisschen, okay, liebe Eva Schweitzer? Ich bin zwar selbst kein Künstler auf diesem Gebiet, aber falls Eva Schweitzer ihren Artikel tatsächlich satirisch gemeint haben sollte, kenne ich jetzt mindestens eine Person, die auf diesem sprachlichen Gebiet noch schlechter ist als ich.
Colbert war ganz bewusst ins Weiße Haus eingeladen worden. Es ist mittlerweile schon Tradition, dass bei dem jährlichen Dinner der Weißen-Haus-Korrespondenten in Anwesenheit des Präsidenten über diesen satirisch hergezogen wird. Bush soll herzhaft mitgelacht haben.
Auch weitere, kleinere Unrichtigkeiten finden sich in dem ZEIT-Artikel. So war nicht etwa Colbert selbst bei seinem Auftritt in der Daily Show als "Uncle Sam" verkleidet und er gab in der Daily Show mitnichten seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft bekannt, sondern er gab "offiziell" bekannt, sich "offiziell" darüber Gedanken zu machen, sich eventuell als Kandidat aufstellen zu lassen. Dementsprechend wurde auch unten am Bildschirm in der Daily Show eingeblendet: "Stephen Colbert - The Presidential Candidate Considerer". Erst etwas später in seiner eigenen Show "The Colbert Report" gab Colbert seine Kandidatur bekannt. Das ganze ist natürlich eine typische Satire, die genau zu dem Stil von "Daily Show" und "The Colbert Report" passt, nämlich sich als seriöse Nachrichten- oder Reportagemagazine auszugeben, in Wahrheit aber eine satirische Überhöhung des abgedrehten US-Nachrichtengeschäfts zu sein. Die Nachrichtenagentur "
AP"
berichtet im Gegensatz zur ZEIT korrekt und stellt sofort klar, dass die Kandidatur Colberts, der alles andere als erzkonservativ ist, nur eine satirische Aktion ist.
"The Colbert Report" und die "Daily Show" als Satiresendungen gehören mittlerweile zur amerikanischen Alltagskultur ähnlich wie bekannte US-Popstars, Filmstars oder TV-Fernsehserien wie "CSI" und dergleichen. Dass eine ZEIT-Redakteurin über ein Thema schreibt, von dem sie anscheinend nicht die geringste Ahnung hat, macht nachdenklich.
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