Online-Durchsuchung: Schäuble relativiert Bedeutung des Verfassungsgerichts
Die vor ein paar Tagen bei der ersten öffentlichen Anhörung des Bundesverfassungsgerichts zum NRW-Gesetz zur Onlinedurchsuchung offenbar gewordene Skpesis der Verfassungsrichter gegenüber der Onlinedurchsuchung hat Schäuble anscheinend nervlich stark angegriffen.
So äußerte Schäuble nun anscheinend in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag":
"Karlsruhe schreibt Urteile, keine Gesetze. Und der erste Verhandlungstag zeigt: Es gibt kein grundsätzliches Verbot von Online-Ermittlungen. Also muss die Politik jetzt handeln; die Bevölkerungsmehrheit sieht das längst so." (Quelle: Futurezone.ORF.at)
Das ist eine regelrechte Verhöhnung des Verfassungsgerichts. Schäuble tut so, als ob es in irgendeiner Weise möglich gewesen wäre, dass das Verfassungsgericht bereits am ersten Anhörungstag offen gesagt hätte, dass eine "Online-Ermittlung" in keinster Weise möglich sei. Und seine Äußerung, dass Karlsruhe keine Gesetze schreibe, offenbart erneut seine Verachtung gegenüber dem Grundgesetz. Denn Karlsruhe kann nur Gesetze verhindern, die gegen das Grundgesetz verstoßen. Gegen ein mögliches Urteil aus Karlsruhe kann niemand Gesetze schreiben. Es sei denn, man will die Verfassung abschaffen. Und genau dies legen die Äußerungen Schäubles - wie schon viele seiner früheren "Gedankenspiele" - nahe. Auch eine falsch informierte und deshalb vorhandene Bevölkerungsmehrheit kann glücklicherweise nicht als Entschuldigung herangezogen werden, einfach mal eben die Verfassung beiseite zu legen. Es gibt also eigentlich keinen Grund, die Rolle des Verfassungsgerichts in dieser Angelegenheit irgendwie zu relativieren.
Was muss eigentlich noch geschehen, damit Schäuble gefeuert wird?
Vielleicht legt es Schäuble ja genau darauf an, rausgeschmissen zu werden. Vielleicht ist Schäuble insgeheim fertig mit der Politik? Vielleicht sucht er das politische "Märtyrertum", um sich dann im Ruhestand im Kreis seiner Geheimdienst-Freunde als Held feiern zu lassen, der von der "Sozen-Kanzlerin" Merkel in heimtückischer Weise kalt gestellt wurde? Und wenn dann ein möglicher, nächster Terror-Anschlag kommt, könnte man aus dem "politischen Exil" heraus wunderbar mit einer Dolchstoßlegende wieder hervorkommen.
Wahrscheinlicher erscheint mir jedoch, dass Merkel - wie schon unter Kohl - nur eine Marionette ist. Eine Schönwetterkanzlerin, die eigentlich nichts zu sagen hat. Der erneute Vorstoß Schäubles, weiterhin die Online-Durchsuchung in geradezu rabiater Weise zu fordern, ist nicht nur Ausdruck tiefster Missachtung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht und der Verfassung, sondern ist auch ein offener Angriff auf die Autorität von Merkel. Wie oft muss Merkel eigentlich Schäuble noch anrufen und ihn um Mäßigung bitten, um den Koalitionsfrieden nicht zu stören?
Merkel hat Schäuble ganz offensichtlich nicht unter Kontrolle. Wäre ich Kanzler, käme von mir vielleicht noch ein allerletzter, scharfer Hinweis an Schäuble, nun Ruhe zu geben. Als letzte Warnung. Selbst der überzeugteste Anhänger der ominösen "Online-Durchsuchung" sollte doch wohl noch weitere vier Monate warten können, bis Karlsruhe anhand des nun vorm Verfassungsgericht verhandelten NRW-Onlinedurchsuchungs-Gesetzes klar gemacht hat, ob Onlinedurchsuchungen verfassungsmäßig realisiert werden können.
Der nicht Ruhe gebende Schäuble bedeutet also entweder, dass Schäuble raus will aus der Politik, oder im Gegenteil, dass Merkel eine extrem schwache Kanzlerin ist und Schäuble sein Revier als Kanzlerkandidat für die kommenden Wahlen absteckt. Oder Merkel und Schäuble wissen bereits, dass die SPD nun doch noch, trotz der klar sichtbar werdenden Zweifel des Bundesverfassungsgerichts an der Online-Durchsuchung - umkippen wird.
Aber jenseits aller politischen Machtspiele: Wenn diese Bundesregierung weiterhin glaubwürdig vorspielen will, dass sie die Verfassung achtet, müsste Schäuble spätestens jetzt endlich das Kabinett verlassen.
Technorati-Tag: Schäuble, Bundesverfassungsgericht, Online-Durchsuchung, Onlinedurchsuchung, Bundestrojaner, Remote Forensic Software
3 Kommentar(e):
Die Position Merkels zu Schäubles Angstbeißerei ist gar nicth soo unschlüssig. Mehrfach hat sich die Kanzlerin in einer für ihre Art sehr deutliche Weise voll und ganz hinter Schäuble und seine Kettenhunde gestellt. Wenn ich nicht bei ihr eine gewisse Intellligenz vermuten würde, könnte ich glatt behaupten, dass sie einfach von Kind auf daran gewöhnt ist, ein Volk aufgrund wirrer Gefahrenszenarien bis unter die Bettdecke auszuhorchen.
Wortbestätigung der Woche: pqzgdwv
(Geräusch eines auslaufenden Wasserbetts, nachdem es vom Nachrichtendienst angebohrt wurde um dort eine Wanze unterzubringen)
Tja, fragt sich aber, ob Merkel sich hinter Schäuble gestellt hat, um Schäuble und seine Anhänger zufrieden zu stellen, oder weil sie wirklich auch aus tiefster Überzeugung hinter seinen politischen Positionen steht.
Auffällig ist ja, dass sie immer nur auf Schäuble reagiert. Und zwar meist erst dann, wenn es darum geht, den Koalitionsladen zusammen zu halten. Kommt sie mal auf das Thema "Überwachung" in ihren Reden zu sprechen, handelt sie es immer nur mit den gleichen wenigen Worten ab und dann auch noch argumentativ extrem flach (wie ihr Wahlkampfauftritt mit der Forderung nach Videoüberwachung gegen Falschparker...).
Mir scheint also, dass sie vor allem auf Schäuble eingeht, um den erzkonservativen Flügel der Union bei der Stange zu halten, dass sie insgeheim aber gerne Ruhe von dieser Seite haben würde. Die SPD bleibt vermutlich derzeit nur noch in dieser Koalition, weil sie in den Umfragen derzeit so schlecht da steht und aus meiner Sicht absolut gar kein eigenständiges politisches Programm mehr hat. Man weiß schlicht nicht, wofür die SPD steht.
Wenn die SPD realisiert, dass sie Boden gewinnen könnte, wenn sie auf die Linkspartei zugehen würde und wenn die SPD realisiert, dass es in Deutschland eigentlich eine linke Mehrheit gibt und wenn die SPD realisiert, dass Merkel eine extrem schwache Kanzlerin ist, dann könnte die SPD eigentlich wieder beginnen, selbständig Politik zu machen.
So aber kann Schäuble alle vor sich hertreiben, weil der Rest der Koalition nur an der Macht, nicht aber an Themenauseinandersetzungen interessiert ist.
Und geben Sie es zu, Herr Ninjaturkey, sie denken sich das mit den Bedeutungen der Wortbestätigungen doch nur aus! :-)
Wie gerade auf Heise vermeldet hat sich Frau Merkel schon wieder deutlich hinter unseren verfassungsrechtlichen Wadenbeißer gestellt:
»...Bundeskanzlerin Angela Merkel gab Schäuble ein weiteres Mal Rückendeckung. Schäuble habe mit seiner Forderung Recht, sagte die CDU-Politikerin am Freitagabend auf einer Regionalkonferenz der CDU in Hamburg. Der Staat müsse auf Festplatten Zugriff haben, wenn darauf Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass ein terroristischer Anschlag geplant sei....«
Klar "reagiert" sie nur auf Schäubles Vorstöße, aber das eben rückhaltlos, ohne Einschränkungen.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Frau Merkel nur dem rechten Flügel gefallen will.
Als mißtrauischer Mensch neigt man bisweilen dazu, Inhalte in unverdächtigem Buchstabensalat zu sehen (o.k., ab und zu muss man die Kommentarfunktion mehrmals aufrufen, bis eine geeignete Kombination kommt ;-)) Heute: xared
(X-ared: (Durchleuchtung) nachrichtendienstlich für totale Erfassung von Personendaten)
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