Dienstag, 15. Mai 2007

Deutsche Sicherheitspolitik: Zu viel Hysterie und zu wenig Qualität?

"Flatter" vom Weblog "Feynsinn rettet die Welt" weist auf etwas hin, was mir auch neulich durch den Kopf ging: Hinter den aus meiner Sicht überzogenen Polizei-Aktionen gegen G8-Gegner und vor allem hinter den politischen Äußerungen von Schäuble & Co. zu diesem Vorgehen werden zwei Gefahren offenbar. Einerseits, dass friedliche Protestler in die Nähe von Terroristen geschoben werden könnten - ob gewollt oder ungewollt sei jetzt einmal dahin gestellt. Andererseits aber, dass die Sicherheitsbehörden eventuell tatsächlich die falschen Akzente setzen und so die wirklich gefährlichen Leute nicht im Visier haben.

Einen Terror-Anschlag während des G8-Treffens mit islamistischem Hintergrund halte ich für viel wahrscheinlicher als einen von einer bisher nirgends ernsthaft in Erscheinung getretenen, angeblichen linksextremistischen Terror-Organisation. Und selbst wenn es solch eine linksextremistische Terror-Organisation irgendwo geben sollte, so sah bislang jedenfalls der linksextremistische Terror anders aus als der islamistische. Ersterer zielte auf einzelne Personen (schlimm genug), letzterer jedoch immer auf möglichst große Menschenmassen.

Es wäre eine furchtbare Ironie, wenn die zu starke Konzentration auf eine angebliche Gefahr "von links" Lücken bieten würde für einen islamistischen Anschlag.

Eine perfekte Sicherheit wird es jedoch natürlich nie geben. Deshalb ist das Streben nach immer mehr Überwachung und immer mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden letzendlich keine Versicherung dafür, dass es keine Terror-Anschläge geben wird.

Meine Beobachtung bezüglich Polizei-Razzien, Onlinedurchsuchungen, Anti-Terror-Datei, Vorratsdatenspeicherung und so weiter ist aber, dass die von Schäuble & Co. vorgeschlagenen Mittel, um die Sicherheit zu erhöhen, eher von einer gewissen Hysterie als von einem Sachverstand mit Augenmaß geprägt sind. Schäuble wirft zwar den Gegnern seiner Vorschläge Hysterie vor, aber wenn immer mehr Experten, zum Beispiel alle professionellen Datenschützer Deutschlands und jetzt sogar Anwaltsvereine warnende Stimmen wegen Schäubles Überwachungsplänen erheben, dann fällt sein Vorwurf der Hysterie auf Schäuble zurück. Am Ende könnte genau dieser Übereifer Schäubles an der falschen Stelle dazu führen, dass man durch die Konzentration auf zwar öffentlichkeitswirksame, aber ansonsten eher unwirksame Methoden und Mittel, die tatsächliche Terror-Abwehr vernachlässigt.

Wie sieht es beispielsweise aus mit der Sicherheit an Flughäfen? Mit der Kompetenz und der Anzahl dort eingesetzten Sicherheitspersonals? Mit Air-Marshalls? Mit der personellen Infiltration von möglichen Terrorzellen? Mit der Kompetenz unserer Polizei mit den schon jetzt verfügbaren Datenbergen sinnvoll umzugehen? Mit Arbeitsüberforderungen, zu wenig Begleitung und Führung durch Vorgesetzte? Wie sieht es aus mit der Förderung von wissenschaftlichen Studien, um die Polizeiarbeit zu verbessern? Es gibt da meines Wissens nach wertvolle Ansätze in der Psychologie und Soziologie, um Korruption, Polizeigewalt und Fehler bei der personellen Führung zu bekämpfen und somit durch Ansätze auf dieser Ebene allgemein die Sicherheit für die Bürger zu erhöhen. Wie sieht es also aus mit der klassischen Geheimdienst- und Polizeitätigkeit - jenseits von all dem für die konkrete, zeitnahe Terrorabwehr eher unnützen Zeug wie Onlinedurchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Absicherung gegen gefälschte Pässe und so weiter? Könnte es sein, dass das Brimborium von Schäuble & Co. eventuell von Schwächen bei den wirklich effektiven, klassischen Methoden und Mitteln der Polizei und der Geheimdienste ablenken soll? Schaut man sich die Erkenntnisse beispielsweise aus dem BND-Untersuchungsausschuss an, muss sich schon die Frage stellen, ob unsere diversen Geheimdienste nicht bessere Vorgesetzte verdient hätten und ob an der Ausbildung der Geheimdienstler nicht etwas verbessert werden müsste. Auch eine effektivere Kontrolle der Geheimdienste, an Stelle der Pseudo-Kontrolle durch das parlamentarische Kontrollgremium, wäre letztendlich - neben der Absicherung gegen Verletzung von Bürgerrechten durch die Geheimdienste - auch ein Mittel zur Qualitätsverbesserung der Geheimdienstarbeit.

Schäuble selbst ist vermutlich zu wenig unabhängig (man schaue sich seine Biographie an) von den Geheimdiensten, um die nötige Aufsichts- und Führungsrolle über sie ausfüllen zu können. Eine wirklich unabhängige Kontrolle der Geheimdienste sollte wie bei anderen Organisationen, Behörden oder Firmen und so weiter auch zu einer realen Qualitätsverbesserung bei den Arbeitsergebnissen führen. Mehr Kontrolle würde also vermutlich zu in jeder Hinsicht besser arbeitenden Geheimdiensten führen und die Sicherheit effektiv erhöhen bei gleichzeitigem Schutz der Bürgerrechte.

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