Donnerstag, 17. Mai 2007

Um mal was zum Inhalt der G8-Proteste zu sagen...

Da der Inhalt der Proteste zum G8-Gipfel in Heiligendamm in den Medien kaum eine Rolle spielt und ich das ziemlich besch...eiden finde, will ich nicht auch diesen Fehler machen.

Dass ich hier in den letzten Tagen so häufig über den G8-Gipfel geschrieben habe, liegt nicht unbedingt daran, dass ich dieses Ereignis besonders wichtig finde hinsichtlich dessen, was da politisch zwischen den Teilnehmern beschlossen wird. Aber diese Gipfel-Treffen sind nun einmal zu einem symbolischen Kristallisationspunkt geworden. Vor allem für die Protestierer und Globalisierungskritiker. Und nun wird der G8-Gipfel von Heiligendamm auch noch zu einem Symbol für den Wischiwaschi-Umgang mit Bürgerrechten in Deutschland. Vor allem durch die überzogenen Polizei-Razzien gegen G8-Gegner im Vorfeld.

Der Protest bezüglich der Politik, für die die sich gipfeltreffenden Industriestaaten stehen, ist dermaßen vielstimmig und breit gefächert, dass ich in dieses Problemfeld nicht wirklich detailliert einsteigen will. Auch meine Ressourcen sind begrenzt. Deshalb nur ein paar Worte dazu:

Ich kann nachvollziehen, dass manche die Globalisierungskritiker als naive "Gutmenschen" diffamieren. Es gibt unter den Protestlern sicherlich zahlreiche, die selbst nicht richtig verstehen, wogegen sie da eigentlich sind und die vielleicht nur die in Heiligendamm versammelte Macht an sich böse finden und sich selbst wegen ihres "mutigen" Protestes gut finden und für die alle Ungerechtigkeit in der Welt mit der Politik der Industriestaaten zusammenhängt. Aber solche "Mitläufer", die mitmachen, weil sie sich dabei und damit halt "gut" vorkommen, gibt es überall, bei allen politischen Bewegungen. Selbst vermutlich bei den Neonazis. Oder gerade da - denn tragfähigen Inhalt haben die ja wohl am wenigsten zu bieten, so dass bei denen vermutlich alleine die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zählt.

Auch muss ich sagen, dass ich nicht daran glaube, dass derartige Protestumzüge und Aktionen viel bewegen werden. Inhaltlich betrachtet. Aber zumindest setzen sie ein Zeichen. Und zwar, dass da jemand nicht einverstanden ist. Nur das wird vermutlich am Ende beim Großteil der Bevölkerung ankommen, wahrgenommen werden: Da ist jemand sauer, wütend.

Und so kann dieser gewaltige Protest, der solch wahnsinnige logistische Vorbereitungen und solch intensive, unbezahlte Arbeit von den Demonstranten kostet, zumindest ein Anknüpfungspunkt für spätere Diskussionen sein. Denn wenn gar nicht bekannt wäre, dass es Unzufriedenheit gibt über die Politik der Industriestaaten, ja dann könnte auch solch eine Diskussion nicht starten. Darin liegt also der Sinn solch eines Protestzuges.

Das ist aber leider kein Grund, sich nach und während des Protestzuges als "Gutmensch" zu fühlen. Denn Protest alleine verändert erst einmal selbst noch gar nichts.

Und die geforderten Änderungen würden in Deutschland sicherlich viele erst einmal schlucken lassen. Denn Deutschland ist weltweit mit einer der absoluten Hauptprofiteure der derzeitigen Globalisierung. Das heißt nicht, dass andere Länder, gerade auch Schwellenländer und Entwicklungsländer nicht auch profitieren - aber in einem ganz anderen, viel geringerem Maße. Einerseits bedeutet Globalisierung die Möglichkeit zum freien Handel. Und beim Handel profitieren beide Seiten, sonst würde er nicht existieren. Andererseits profitiert beim Handel immer derjenige mehr, der schon stärker ist. Und da die Unterschiede zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten schier riesig sind, sind auch die möglichen Übervorteilungen der Entwicklungsländer durch die Industrienationen teilweise riesig. Da können die Industrienationen beispielsweise in Verhandlungen mit den Entwicklungsländern anbieten, ihre Märkte für Produkt "A" zu öffnen, verlangen dafür aber von den Entwicklungsländern im Gegenzug die Öffnung ihrer Märkte für Produkt "A", "B" und "C". Da das Entwicklungsland jedoch angewiesen ist, sein Produkt "A" im Ausland zu verkaufen (weil sonst nicht viel anderes produziert wird), muss es auf diese Bedingungen eingehen. Mit der Folge, dass anschließend Ansätze der heimischen Industrie, die auch Produkt "B" und "C" herstellten, wegen der jetzt offenen Märkte gar nicht mehr konkurrieren können mit den Angeboten aus den Industrienationen und so eingehen und anschließend die Abhängigkeit von Produkt "A" für das Entwicklungsland noch weiter steigt. Ist Produkt "A" ein Rohstoff oder ein Naturprodukt, so ist sein Abbau oder Anbau häufig nicht sehr wertschöpfend. Zum Beispiel weil zum Abbau nur wenige Arbeiter nötig sind oder weil das Produkt kaum über den Anbaukosten auf dem Weltmarkt verkauft werden kann.

Und die Industrienationen müssen häufig so handeln, wie sie handeln, weil ihnen sonst die heimische Bevölkerung aufs Dach steigen würde. Anders ist beispielsweise nicht zu erklären, dass die EU immer noch das meiste Geld für die Subventionierung der eigenen Landwirtschaft ausgibt und Entwicklungsländer häufig keine Chance haben, ihre Produkte in der EU abzusetzen.

Fazit: Es gibt keinen goldenen Weg bei diesem Problemfeld. Es gibt nicht den heldenhaften Weg, den die Industrienationen, angetrieben von beseelten, halb-heiligen G8-Protestlern und mit einem vom Gutsein angesteckten Volk im Rücken, beschreiten könnten, um den Entwicklungsländern ganz schnell aus der Patsche zu helfen. Es mag für bestimmte, abgegrenzte Probleme auch klare Lösungen geben. Zum Beispiel, dass eine Politik innerhalb der Entwicklungsländer, bei der Staatsvermögen oder staatliche Grundversorgung auf Teufel heraus privatisiert wird und dann in die Hände weniger, global agierender Großkonzerne fällt, nicht auch noch aktiv durch die Industriestaaten unterstützt und gefördert wird. Ansonsten sind mögliche Problemlösungen jedoch vermutlich meist halbgar, langatmig, kompliziert und vielleicht sogar teilweise schmutzig. Ich sage nur: Militärische Intervention? Darfur? Und wer war nicht alles gegen ein militärisches Engagement, um im Kongo freie Wahlen abzusichern? Wie weit geht die Solidarität? Welche Solidarität ist die richtige?

Aber man könnte sich vielleicht allgemein leiten lassen von dem Grundgedanken, dass letztendlich auch der internationale Handel leiden würde, wenn bei ihm immer nur die bereits Reichen noch reicher und die bereits Armen noch ärmer würden. Wenn der Handel also wirklich fair für beide Seiten wäre und/oder ein wirklich fairer Konkurrenzkampf existieren würde, dann würde auch in den jetzt unterentwickelten Ländern die Produktivität steigen und somit - sofern die Bevölkerung des jeweiligen Staates Anteil hat am Gewinn aus der Produktivitätssteigerung - auch der allgemeine Reichtum und so wiederum die Möglichkeit zum Konsum, was wiederum die Produktion steigen lässt, wovon dann auch wieder die Hersteller in den bereits entwickelten Ländern profitieren würden und so weiter.

Genauso wichtig wie faire internationale Regeln für den Handel ist jedoch der innere Zustand jedes einzelnen Landes selbst. Jeder faire Handel geht fehl, wenn an einem Ende ein Diktator sitzt (oder wenige, internationale Großkonzerne, die sich alles einverleiben...), der die Gewinne aus dem internationalen Handel abschöpft. Beispielsweise. Und viele sagen, dass der Hauptgrund für die Armut in Afrika nicht unfaire Handelsbeziehungen seien, sondern Diktatur, Korruption und ein mangelhaftes bürokratisches System und Rechtssystem. Und soweit ich weiß, gibt es leider noch keine Patentrezepte, wie man von Außen einem Entwicklungsland bei diesen Problemen helfen kann. Ein großer Spendenmarathon beseitigt halt leider keine Korruption. Wirkliche Hilfe von Außen bedeutet langfristiges Interesse des Helfenden und nicht einfach nur das Durchziehen von irgendwelchen, isolierten Entwicklungshilfeprojekten, die häufig nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken oder gar Dinge noch verschlimmern können, weil beispielsweise ein Staudamm zwar einem Drittel Menschen Wasser und Strom gibt, zwei Mal mehr Menschen dafür jedoch vertrieben werden oder weil Entwicklungshilfegelder direkt in die Hände korrupter Beamter fließen.

Für das Gute sind alle. Aber stur irgendwelchen Ideologien zu folgen, wird vermutlich nicht zum Erfolg führen, weil Ideologien den Makel haben, dass sie immer weniger komplex sind als die Realität.

Wer was Sinnvolles hinzufügen möchte, seien es Details oder breit angelegter Widerspruch... Bitte schön. Die Kommentare sind offen.

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