Dienstag, 15. Mai 2007

Die Menschenwürde ist unantastbar

Das Weblog "In Coram Publico" liefert einen Artikel, der es in sich hat: Die Allesregler.

Der Artikel greift den Staatsrechtler Manfred Baldus an, der auf dem Deutschen Verwaltungsrichtertag die teilweise Aufhebung der Würde des Menschen als vollkommen normal beschrieben hat. Die Würde des Menschen sei letzendlich auch nur Objekt von Abwägungsprozessen gegenüber anderen Werten. Sie sei also gerade nicht mehr unantastbar - zumindest in bestimmten Situationen, beispielsweise wenn dies von Staats wegen erforderlich sei, zur allgemeinen Gefahrenabwehr beispielsweise. Menschenwürde auf Abruf sozusagen. Menschsein nur, wenn der Staat nichts dagegen hat also. Der Staat, das übergeordnete Dings und der einzelne Mensch nur sein Anhängsel.

Es hat einen ganz tiefen Sinn, warum es ausdrücklich heißt im Grundgesetz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Und es ist alles andere als ein Zufall, dass derjenige, der dies in Frage stellt, ein paar Minuten später auch das absolute Folterverbot in Frage stellt und noch ein paar Minuten später die Interessen des Allgemeinwesens über die des einzelnen Menschen stellt und die Meinung vertritt, ein Staat könne alles regeln und müsse deshalb auch alles regeln.

Dieser Gedanken-Virus ist in Deutschland anscheinend nicht tot zu kriegen. Er schlief nur sechzig Jahre lang.

Vor allem, wenn man gerade "1984" von George Orwell noch einmal gelesen hat, gruselt es einen. Denn hinter den wohlmeinenden Ausführungen, dass die Würde des Menschen Verhandlungs- und Abwägungssache sei, steht nichts weiter als der grinsende Große Bruder, der zum vermeintlichen Wohle des Volkes leider - es tut ihm ja selbst leid - einzelne, gefährliche Subjekte zum Beispiel einer Gehirnwäsche unterziehen muss, sie ihrer Würde also berauben muss. Besteht eine Gefahr für die Gesellschaft, müsse der Staat also anpacken. Er muss sich kümmern.

Nein, sagt das Grundgesetz. Er muss sich nicht kümmern. Er darf es sogar nicht.

In Coram Publico schreibt:

Ein pathologisches Bedürfnis, man muss es so nennen, ist unter deutschen Staatsrechtlern im Angesicht des Terrors vorherrschend geworden, hat sich ihrer bemächtigt. Einige Verwaltungsrechtler sind inzwischen zu seelenlosen Robotern regrediert, die jeden – wirklich jeden – Lebenssachverhalt "vom Staat her denken", wie der Titel eines Buches, das sich mit dem Dezisionismus Carl Schmitts beschäftigt, so treffend nahelegt. Das ist krank. Und unjuristisch. Es zeugt darüberhinaus von magelndem Mut zu eigener Verantwortung und einem schiefen Menschenbild. Anstatt die Dinge vom Einzelnen aus zu betrachten wird umgekehrt von oben, von der – vermeintlichen! – Gesamtheit, "nach unten" gedacht. Was noch nicht geregelt ist, wird eben geregelt. Dass es Bereiche geben könnte, die ausdrücklich und notwendig der staatlichen Regelungskompetenz entzogen sind und auch entzogen sein müssen, will man das Wertvollste der Verfassung erhalten, dieser Gedanke kommt überhaupt nicht vor. (Quelle)


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