Donnerstag, 19. April 2007

Vorratsdatenspeicherung: Tagesschau kriegt es nicht hin

Die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau ist und bleibt eine Alt-Herren-Sendung. Nicht, weil da vor allem ältere Herren vor der Kamera erscheinen, sondern weil sie vermutlich nur noch von älteren Herren geguckt wird.

Anders kann ich mir den fehlenden Protest gegen die dort häufig allzu lückenhafte Berichterstattung nicht erklären.

Tagesschau.de und die 20-Uhr-Ausgabe im Fernsehen trennen Welten. Online ist das Angebot befriedigend. Aber die kurzen Beiträge in der Fernsehsendung enthalten oftmals so viele Lücken oder geben vor allem die Ansichten der Regierung wieder, dass man besser informiert ist, wenn man auf das Anschauen der Tagesschau verzichtet und sich anderswo informiert. Denn wer die Tagesschau guckt, unterliegt dem falschen Eindruck, informiert worden zu sein. Und das ist gefährlich.

Beispiel "Vorratsdatenspeicherung". Der Beitrag von Wolfgang Wanner in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau vom 18.04.2007 erwähnte vor allem die Position von Zypries, dass die Vorratsdatenspeicherung angeblich nichts anderes sei, als das, was jetzt schon gespeichert würde, nur halt statt 80 Tagen nun sechs Monate. Das ist jedoch eine schlichte Lüge. Tagesschau entlarvte das nicht als Lüge, sondern erzählte sie munter weiter. Die Argumente der Gegner der Vorratsdatenspeicherung wurden ebenfalls stark gekürzt wiedergegeben. Der Bundesdatenschützer sei halt dagegen, man befürchte den Überwachungsstaat und der Staat könne nun irgendwie mitbekommen, wenn jemand einen Anwalt oder Arzt angerufen hat. Das war es auch schon dazu.

"Ja und?", fragt sich da der normale Tagesschau-Zuschauer. "Was soll jetzt an der Vorratsdatenspeicherung so schlimm sein?"

Tagesschau verschwieg seinen Gebühren zahlenden Kunden Folgendes:

  • Bislang werden nur Daten gespeichert, die zur Rechnungsstellung nötig sind. Das sind weit weniger Daten als das, was bei der Vorratsdatenspeicherung gespeichert werden soll und bei Kunden mit Flatrate fallen diese Daten bislang überhaupt nicht an.
  • Die Speicherung von Verbindungsdaten von Flatrate-Kunden ist heute sogar noch gesetzlich verboten - warum wohl? Das wäre eine interessante Frage gewesen. Der unbedarfte Tagesschau-Gucker hörte sie nicht.
  • Es wurde nicht dargestellt, wie die Verbindungsdaten ein wesentlich transparenteres Bild eines Menschen zeichnen können als der Wust an Gesprächsinhalten selbst. "Nur" Verbindungsdaten zu speichern ist also keineswegs harmloser als auch die Gesprächsinhalte aufzuzeichnen, sondern die Verbindungsdaten sind oft aussagekräftiger für die Lebensumstände eines Menschen als Gesprächsinhalte. So kann es auch wesentlich aussagekräftiger sein, von wo und wohin jemand mit seinem Auto fährt, als was für Gespräche er während der Fahrt mit seinem Beifahrer führt. Verbindungsdaten sind somit auch Kommunikationsinhalte und Aufzeichnungen des Verhaltens der Bürger.
  • Bei der Erfassung von E-mail-Verbindungsdaten werden auch Inhalte der E-mail selbst erfasst.
  • Dass mit der Vorratsdatenspeicherung auch die Unschuldsvermutung weiteren Schaden nimmt, wurde ebenfalls von der Tagesschau unterschlagen.
  • Dass alleine das Vorhandensein eines solchen Datenberges das Risiko des Missbrauchs durch kriminelle Elemente in den Sicherheitsbehörden oder durch technische Fehler entstehen lässt, wurde ebenfalls verschwiegen.
  • Ebenfalls nicht weiter aufgezeigt wurde, dass das Vorhandensein solcher Daten auch immer wieder das weitere Begehren nach der Auswertung dieser Daten zu späteren Zeiten weckt und hier eine Salamitaktik zum Abbau der Grundrechte von einzelnen Politiker verfolgt wird.
  • Weiterhin wurde nicht erwähnt, dass die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene auf demokratisch absolut zweifelhafte Weise zustande kam, und dass sich die Beschwerde Irlands genau dagegen richtet. Hier hätte dem Bürger klar werden können, welche Farce der Bundestag und seine Abgeordneten zu großen Teilen dem sogenannten "Souverän" vorgespielt haben. Ein Thema, was eigentlich noch weit schlimmer und wichtiger ist als die Vorratdatenspeicherung selbst.
  • Und schließlich verschwieg die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau, dass auf die Industrie wahnsinnige Kosten zukommen und dies vermutlich die Preise für Telekommunikation in die Höhe treiben wird.
Den Einwand, dass die Tagesschau ja leider so eine kurze Sendung sei und man ein Thema nicht umfassend darstellen könne, lasse ich in diesem Fall nicht gelten. Wie lange hätte es gedauert, obige Punkte gerade noch mit in den Beitrag in einer kurzen Aufzählung unterzubringen? Hätte ein anderer Beitrag dafür nicht genau um diese eine Minute gekürzt werden können?

Fazit: Die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau ist überflüssig, weil sie statt zu informieren, durch die großen Lücken bei der Berichterstattung zu einem Thema eher desinformiert als informiert. Außerdem bestätigt sich wieder der Eindruck, dass die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau eher Sprachrohr der Regierung ist als eine unabhängige Nachrichtensendung. Ein vom Gebührenzahler bezahltes regierungsunkritisches Sprachrohr also. Und das klingt irgendwie nach Russland und China.

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