Sonntag, 23. Dezember 2007

Musikindustrie testet, was unsere Politiker von Meinungsfreiheit halten

Gut, dass wir die Musikindustrie haben. So kann sich jetzt jeder EU-Bürger ein eigenes Bild davon machen, wie wichtig unseren Politikern solche Dinge wie Meinungsfreiheit, Rezipientenfreiheit und informationelle Selbstbestimmung sind.

Die Musikindustrie hat nämlich einmal spaßeshalber auf EU-Ebene den Politikern einen Vorschlag unterbreitet, der auf die gesamte Filterung des gesamten Datenverkehrs im Internet hinauslaufen würde. Bei den Internetprovidern würde eine mächtige Filter- und Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, die so "Urheberrechtsverletzungen" ausfindig machen soll. Jedes Datenpaket würde dabei zunächst geprüft werden, ob es eventuell Dinge enthält, die der Musikindustrie nicht passen. Fehler passieren bei solchen Filterungen natürlich absolut nie. Und ein Missbrauch für andere Zwecke ist natürlich auch völlig ausgeschlossen. Und wenn einmal Daten an der Weitervermittlung behindert werden, obwohl sie keine Urheberrechte verletzten - ja mei, das ist dann halt das Opfer, das jeder Bürger bringen muss, damit die technisch völlig überflüssig gewordene Musikindustrie wirtschaftlich weiter leben kann.

Heise.de berichtet, dass einzelne EU-Abgeordnete den Vorschlag der Musikindustrie, das ganze Internet vollständig zu filtern, tatsächlich aufnehmen und daraus bereits ein Positionspapier gezimmert haben:

Die spanische Kulturpolitikerin hat den Filteransatz aufgegriffen und in einen Änderungsantrag (PDF-Datei) für die Empfehlungen (PDF-Datei) des Industrieausschusses für den Bono-Bericht eingebaut. Ursprünglich ging es der Berichterstatterin in dem Gremium, Neena Gill, allein um einen unkonkreten Ansatz, "die kritische Angelegenheit des geistigen Eigentums neu zu überdenken". Der federführende Kulturausschuss des EU-Parlaments soll nun Mitte Januar darüber entscheiden, ob ein Aufruf zum Filtern des Internet auf Providerebene mit in das Empfehlungspapier aufgenommen werden soll. (Quelle: Heise.de)


Der Vorschlag der Musikindustrie wurde bereits von der wachsamen Electronic Frontier Foundation scharf kritisiert.

Der Vorschlag der Musikindustrie kann also als eine Art Testballon angesehen werden. Mit ihm kann jetzt jeder Bürger nachvollziehen, wie anti-demokratisch die EU-Politiker eingestellt sind. Je nachdem wie weit und wie verbreitet der Vorschlag der Musikindustrie von Politikern aufgegriffen wird, wird man anschließend sagen können, wie weit eine gefährliche anti-demokratische Haltung (denn letztlich geht es um die Beschneidung der Meinungsfreiheit bei den Vorschlägen der Musikindustrie) unter den Politikern verbreitet ist.

Die konservative spanische Abgeordnete und frühere Kulturministerin ihres Landes, Pilar del Castillo Vera, die den Vorschlag der Musikindustrie aufgegriffen hat, setzt sich damit eindeutig an die Spitze der anti-demokratischen EU-Politiker derzeit.

Ich kenne auch schon den nächsten Vorschlag der Musikindustrie. Es gibt nämlich noch eine große Gefahr, die das Überleben der eigentlich im Internetzeitalter technisch überflüssig gewordenen Musikindsutrie gefährden könnte: Die Politiker selbst. Denn es könnte ja sein, dass Politiker ins Amt gewählt werden, die den Wünschen der Musikindustrie nicht mehr hörig sind. Und das darf ja nicht sein. Da würde ja das "Urheberrecht" beschädigt werden. Da kann es zur Rettung der Musikindustrie also nur eine Lösung geben: die Abschaffung von Wahlen. Und auch dafür, da bin ich mir sicher, würden sich einige hirnzerbröselte EU-Politiker finden lassen.

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