Samstag, 28. April 2007

Deutsche Medien: Mit Sinn, aber ohne Verstand

Durch einen schlimmen Fehler meinerseits landete ich vorhin beim Rumzappen in der "Nachrichten-Sendung" von Pro7. Und sogleich wurde ich Opfer und mich trafen sie, die bekannten, realitätsverzerrenden Pro7-TV-Strahlen in Form eines Berichtes über das mysteriöse Bienenvolk-Sterben, das zur Zeit vor allem in den USA grassiert.

Pro7 berichtete, dass Forscher jetzt eine Ursache für das Bienensterben gefunden hätten: Handystrahlung und Elektrosmog.

Leider liegt Pro7 hier falsch. Ich verweise auf das - im Vergleich zu Pro7 - "seriöse" Spiegel-Online. Dort erklärt ein Artikel, was die Forscher dazu wissen und was nicht. Und wenn selbst Spiegel-Online solch einen Artikel einigermaßen korrekt hinkriegt, dann will das im Umkehrschluss schon einiges heißen, dass Pro7 so etwas nicht hinbekommt.

Unwichtiges Kinkerlitzchen, solch eine Bienen-Falschmeldung bei Pro7? Bestimmt. Das unkritische Wiedergeben der Kritik eines arbeitgebernahen, neoliberalen, nicht unabhängigen "Wirtschaftsexperten" mit dem irritierenden Namen "Sinn", Hans-Werner Sinn nämlich, durch etliche TV-Sender, verbiegt die Realität sicherlich stärker als solch ein sinnfreier Bienen-Bericht. Aber wer garantiert mir, dass die Wettermeldungen bei Pro7 anschließend nicht genauso gefälscht sind wie die vorangegangenen Meldungen mit oder ohne Sinn? Eben. Deshalb kaufe ich mir jetzt eine Schutzkappe gegen die realitätsverzerrenden Pro7-Nachrichten-Strahlen. Vielleicht hilft die Kappe auch gegen das Bienensterben. Und ja, tatsächlich! Ich höre es schon summen!

Kommt nur, ihr Bienen! Bei mir seid ihr sicher! Kommt! Koooommt! Kooooooommmt!

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Umfragen: Deutsche lieben mehr Überwachung

Der Telepolis-Artikel "Überwachung: Vertrauensseligkeit in den Staat" verweist auf jüngste repräsentative Umfragen von Meinungsforschungsinstituten, die belegen, dass die große Mehrheit der Deutschen in mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden und einer Intensivierung der Überwachung kein Problem sieht.

Ein Beispiel mehr in der qualvollen Geschichte Deutschlands, dass die Mehrheit nicht immer Recht hat mit ihrer Einschätzung der Lage.

Gäbe es zu diesem Thema eine aufklärerische Presse in Deutschland jenseits einiger auf Technologie-Themen spezialisierten Nachrichtenangebote, dann sähe die Situation sicherlich anders aus.

Die Naivität der Deutschen ist nicht genetisch bedingt. Die Naivität kann nur das Produkt der deutschen Medien und des politischen Systems sein. Es ist eben der große Nachteil der Parteien-"Demokratie", das der einzelne Wähler kaum Einfluss auf die Politik hat und somit verständlicherweise auch sein politisches Interesse schwach bleibt.

Eigentlich müssten die Deutschen aus ihrer Geschichte gelernt haben. Eigentlich gibt es bislang keinen Grund, übermäßige Angst vor Terroranschlägen zu haben. Eigentlich gibt es kluge Journalisten, selbst in der Redaktion der ARD-Tagesschau. Eigentlich haben die Befürworter von mehr Überwachungsbefugnissen keine stichhaltigen Argumente vorzuweisen. Eigentlich blamieren sich die Überwachungsbefürworter in ihren Interviews regelmäßig und können ihre Behauptung, dass diese und jene Maßnahme mehr Sicherheit bringe, nicht belegen.

Eigentlich.

Aber die Verletzung des Datenschutzes ist unsichtbar. Die Macht der Daten ist unsichtbar. Das Missbrauchspotenzial ist unsichtbar. Und wenn man bedenkt, wie wohl tatsächlich viele Menschen im 3. Reich nicht mitbekamen, wie plötzlich Nachbarn in ihrer Umgebung spurlos verschwanden, dann kann man sich ausmalen, was erst passieren muss, welcher Missbrauch erst tatsächlich Realität werden muss, damit die große Mehrheit aufwacht.

Das gefährliche Neue ist aber - nochmals - die digitale Natur der Daten. Der Missbrauch digitaler Daten ist so schnell und unsichtbar und so umfassend möglich, dass sich einem Staat, der auf umfangreiche Datenberge digital zugreifen kann, niemand, wirklich niemand mehr effektiv entgegen stellen könnte, sollte dieser Staat und seine Regierung in ihrem Handeln auf die schiefe Bahn geraten. Onlineüberwachung, Telefonverbindungsüberwachung, Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen und an Autobahn-Mautbrücken oder im öffentlichen Nahverkehr samt möglicher kommender automatischer Gesichtserkennung, der Online-Abgleich von digitalen Passfotos und Fingerabdrücken, der mögliche Zugriff auf die Festplatten der Computer von Bürgern, die Überwachung von Finanzdaten und so weiter und die leichte Vernetzbarkeit all dieser digitalen Daten und ihre automatische Auswertung und Filterung per Knopfdruck schafft nicht nur einen gläsernen Bürger, sondern auch einen in seinem Datennetz gefangenen Bürger.

Einzelne Terroristen, die nur Angst verbreiten wollen, würden trotzdem Erfolg haben. Sie finden auch weiterhin obskure Wege, um sich untereinander zu verständigen. Weil es Wenige sind und sie zudem enorm risikobereit sind. Terroristen sind auf eine breite Kommunikation nicht angewiesen, deshalb können sie auch leichter möglichen Überwachungsmaßnahmen aus dem Weg gehen. Terroristen "sprechen" halt durch ihre Anschläge. Leider. Mögliche zukünftige Bürgerrechtler jedoch, die eine breite gesellschaftliche Opposition entstehen lassen wollten, wären durch die Macht dieser Daten von vornherein schachmatt gesetzt, weil ihr Machtmittel die Kommunikation ist und nicht Bomben.

Gefährlich ist schon die pure Existenz all dieser Daten. Es reicht nicht, per Gesetz den Zugriff auf diese Daten einzuschränken. Wie schnell sich die Regierung oder einfach irgendwelche Beamten in den Behörden über solche gesetzlichen Schranken hinwegsetzen könnten, wurde ja gerade deutlich, als herauskam, dass Schily einfach befahl, illegal Onlinedurchsuchungen durchzuführen. Wenn schon der oberste Verfassungsschützer, also der Bundesinnenminster, keine Probleme darin sieht, die Verfassung zu missachten, was mag da erst in den Köpfen einiger Beamte vorgehen, die wissen, dass sie mal eben per Knopfdruck an interessante Daten kommen können und ihnen der illegale Zugriff auf diese Daten noch nicht einmal nachgewiesen werden kann? Und angenommen, irgendeine zukünftige Regierung würde aus welchen Gründen auch immer nicht mehr ernsthaft daran interessiert sein, Gesetze einzuhalten, wer wäre in der Lage noch gegen diese Macht, die ihr aus den Datenbergen erwächst, anzugehen?

Der wirksamste Schutz vor Missbrauch ist nicht die oftmals lückenhafte gesetzliche Regelung des Zugriffs auf die Daten, sondern die Vermeidung der Erhebung von Daten. Datensparsamkeit heißt das im Jargon der Datenschützer.

Woran liegt es also, dass die Chefredakteure in Deutschland die Brisanz dieses Themas bislang immer noch konsequent verkennen und dass Journalisten in den von ihnen geführten Interviews so oft ihr Unwissen offenbaren? Vielleicht daran, dass es alte Säcke sind, die gerade mal wissen, wie man eine E-mail verschickt und ansonsten von digitaler Informationstechnologie nichts verstehen?

Ich weiß es nicht. Es ist ein Rätsel.

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Freitag, 27. April 2007

Ein "Long Tail" anderer Art: Die lange Spur unserer Lebensdaten

Das Wired-Weblog "27B Stroke 6" berichtet, wie der 66-jährige kanadische Psychologe und Psychotherapeut Andrew Feldmar von der US-amerikanischen Grenzkontrolle herausgepickt wurde und ihm nach einer kurzen Online-Datenabfrage vom Grenzschützer verboten wurde, jemals wieder in die USA einreisen zu dürfen.

Feldmar reiste bisher mehrmals im Jahr in die USA, um dort seine Kinder zu besuchen.

Was hatte Feldmar verbrochen, dass er von nun an niemals mehr in die USA reisen darf? Er hatte vor 40 Jahren zu wissenschaftlichen Zwecken LSD an sich selbst ausprobiert. Menschen, die jedoch beispielsweise an gefährlichen Krankheiten leiden oder eben auch illegale Drogen zu sich genommen haben, wird jedoch neuerdings die Einreise in die USA verweigert.

Warum ich auf diese kleine, unwichtig erscheinende Story hinweise? Für sich genommen ist diese Geschichte sicherlich bedeutungslos für alle Menschen, die Herrn Feldmar nicht kennen. Ich kenne ihn übrigens auch nicht. Aber was da an der US-Grenze dem Herrn Feldmar passiert ist, erscheint mir wie ein Beispiel dafür, wohin all diese kleinen Aushöhlungen des Datenschutzes führen können, die auch hierzulande derzeit von den Politikern angestrebt werden.

Die kleine Geschichte zeigt beispielsweise, wie das, was wir als "anständig" ansehen, ständigen Wechseln und Umbrüchen unterworfen ist. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten kann die gesellschaftliche Mehrheit über ganz andere Dinge und Verhaltensweisen die Nase rümpfen als sie es heute tut.

Vor 40 Jahren erschien die Beschäftigung mit LSD in den USA als weniger problematisch als heute. Heute erlebt die USA, wie Drogen einen verheerenden Schaden anrichten in riesigen Teilen der Gesellschaft. Zwar nicht speziell LSD, aber eben andere Drogen wie beispielsweise "Meth". Die Abscheu breiter gesellschaftlicher Kreise gegen Drogen, die anscheinend mittlerweile so groß ist, dass selbst der kleinste Drogenkontakt eines Ausländers als Gefahr für die innere Sicherheit der USA gewertet wird, ist somit sogar nachvollziehbar. Es ist eben nicht einfach ein hysterischer Ausrutscher von verrückten Amerikanern, denen Herr Feldmar hier zum Opfer gefallen ist. Ein tragischer Einzelfall also, der so nur in den USA passieren könnte, bei den "verrückten" Amis halt. Nein, der gesellschaftliche Wandel, die Zunahme oder die Abnahme von Abscheu gegen bestimmtes Verhalten ist verstehbar und nachvollziehbar.

Wenn heute immer mehr Daten über das Verhalten der Bürger aufgezeichnet werden - und schlimmer noch: immer leichter zugänglich und verknüpfbar werden - dann birgt das jedoch die Gefahr, dass plötzlich solch eine surreale Situation zustande kommt, wie sie Herr Feldmar gerade erlebt hat. Wessen Daten also heute aussagen, dass er "anständig" ist, kann morgen eine Überraschung erleben, weil dann ganz andere Maßstäbe an die selben Daten gelegt werden könnten. Das Erfassen von Unmengen von Daten über uns und deren schnelle Auswertung und der unkomplizierte Zugriff auf diese Daten durch jeden kleinen Beamten oder gar der Missbrauch durch Datendiebstahl, macht uns zu Sklaven dieser Daten und zu Sklaven der jeweils herrschenden Mehrheits-Meinung darüber, was "anständig" ist und was nicht. Durch die Datenberge und ihre leichte Zugänglichkeit und leichte Auswertbarkeit zählt nicht mehr nur das Verhalten, das wir heute an den Tag legen, sondern es kann plötzlich unser gesamtes Verhalten aus unserem gesamten Leben zählen. Wegen der umfangreichen Datenspeicherung kann eines Tages und ohne dass wir es heute auch nur im Entferntesten ahnen, irgendeine unserer vergangenen Handlungen, die vormals unverdächtig waren, plötzlich zu Verdächtigungen gegen uns oder sogar zu umfangreichen Restriktionsmaßnahmen gegen uns führen. Ich vermute, dass Feldmar vor 40 Jahren nicht ahnte, dass seine harmlosen LSD-Selbstversuche eines Tages dazu führen könnten, dass er seine Kinder nicht mehr besuchen darf.

Wer heute also keine Probleme mit der Speicherung seiner Daten hat ("Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten"), der verkennt, dass dies immer davon abhängt, was gerade als dieses Nichts, was er "nicht zu verbergen" braucht, angesehen wird. Dieses "Nichts" verändert sich jedoch. Das zeigt die Geschichte unzweifelhaft. Keiner kann sich somit sicher sein, dass nicht sein jetziges "Nichts" irgendwann doch interessant werden könnte für Sicherheitsbehörden, einfach weil man plötzlich andere Maßstäbe anlegt.

Wie unsicher und wechselhaft die Mehrheitsmeinung im Volk ist über das, was "anständig" ist, und wie schnell die Politiker durch neue Vorschriften auf diese Mehrheitsmeinung eingehen, das wird ja gerade auch durch den neurdings herrschenden Boom an neuen Überwachungsvorschlägen deutlich: Vor zwanzig Jahren wäre so etwas gesellschaftlich nicht durchsetzbar gewesen, was Schäuble heute an neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden fordert. Heute jedoch verschaffen ihm genau solche Vorschläge eine steigende Popularität in großen Teilen der Gesellschaft.

Die Beurteilung von Verhaltensweisen und die Ansicht, ob man bestimmtes Verhalten gesellschaftlich ächten muss, verändert sich ständig innerhalb der Gesellschaft:

  • Sind Männer, die gerne mit kleinen Kindern spielen, gefährlich?
  • Sind Menschen, die von einem Einkommen leben, dessen Quelle nicht sofort ersichtlich ist, gefährlich?
  • Sind Menschen, die im Ausland leben, aber Einfluss auf heimische Medien ausüben, gefährlich?
  • Sind Menschen, die in ein Land reisten, das damals unverdächtig war, aber heute als verdächtig gilt, gefährlich (Beispiel: Kurnaz)?
  • Sind Nutzer obskurer Internet-Foren gefährlich?
  • Sind Menschen, die bestimmte Computerspiele spielen, gefährlich?
  • Sind unzufriedene Schüler gefährlich?
  • Sind Raucher gefährlich?
  • Sind Übergewichtige gefährlich?
Und so weiter.

Auf viele der obigen Fragen kann jeder sofort mit einem klaren "Ja", "Vielleicht" oder "Nein" antworten. Aber antwortet man heute auf die Fragen exakt genauso wie vor zehn Jahren? Zur Erinnerung: Vor ungefähr zehn Jahren gab es etliche Gerichtsverfahren gegen Männer, die als Erzieher in Kindergärten arbeiteten, weil sie angeblich dutzende der ihnen anbefohlenen Kinder missbraucht haben sollen. Es gab eine Welle an Verdächtigungen gegen männliche Erzieher. Heute hört man davon nichts mehr. Welche möglichen Überwachungs-Maßnahmen hält man heute für oben genanntes, mögliches "verdächtiges" Verhalten als angemessen, welche hielt man früher für angemessen? Ist es nicht denkbar, dass man morgen wiederum ganz andere Überwachungs-Maßnahmen bei heute völlig unverdächtigen Verhaltensweisen für angemessen hält?

Unkonroliertes Datensammeln und unkontrollierter Datenzugriff und unkontrollierte Datenauswertung können also sehr schnell - und aus der "besten Absicht" heraus - urplötzlich zu einem Instrument der Repression werden, einfach weil es diesen Machtzuwachs in Form des Zugriffs auf Unmengen von Daten gibt und sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, ohne dass der Einzelne Einfluss hat auf die veränderte gesellschaftliche Meinung. Und seine gespeicherten Daten oder sein vergangenes Verhalten kann der Einzelne auch nicht mehr ändern. Wer will seine Hand dafür ins Feuer legen, dass sein heutiges Verhalten und seine heutigen Ansichten auch noch in fünfzig Jahren in allen Details dem gesellschaftlichen Mainstream entsprechen?

Eine Gesellschaft, die jedoch nur die Freiheitsrechte derjenigen unvoreingenommen schützt, die zufällig gerade heute mit ihrem Verhalten zum Mainstream gehören, ist keine freie Gesellschaft mehr. Erst recht nicht auf lange Sicht, wenn der Mainstream sich ständig verändert. Wenn Politiker also als Argument für mehr Überwachung anführen, dass ja jeder, der "anständig" ist, nichts zu befürchten hat, so ist dies eigentlich eine Drohung.

Daten haben in sich eine mächtige Dynamik, eine große Macht steckt in ihnen. Diese Macht ist jedoch leider nicht so sichtbar wie eine Bombe in einem Zugabteil und deswegen wird sie vom ungebildeten Volk unterschätzt.

Außerdem ist die Frage nach der Kontrolle dieser Daten im Zeitalter der digitalen Information enorm kompliziert. Darüber müsste viel intensiver diskutiert werden: Wie schützt man Daten vor Missbrauch? Welche technologischen Mittel werden für den Missbrauchsschutz eingesetzt? Welche organisatorischen Hemmnisse werden eingebaut, um den Missbrauch zu verhindern? Welche Fortbildungen müssen Leute absolvieren, die mit Daten umgehen? Welche Verhaltensregeln gelten? Wie kompetent sind die Leute, die den Gebrauch der Daten überwachen?

All dies wird nicht diskutiert in Deutschland. Stattdessen reißt die Politik immer mehr Datenschutzwälle ein. Man stelle sich vor, der Verkehrsminister würde fordern, die Regeln für die Flugsicherheit zu straffen, zu vereinfachen, einzustampfen, nur damit der Flugbetrieb schneller und effizienter funktioniert.

Wir schlittern dank dieser bescheuerten und ignoranten Politik auf eine Vielzahl von "Datenunfällen" zu. Genau davor warnen schon lange und immer lauter die professionellen Datenschützer. Aber die Politik hält dagegen und sieht im Datenschutz die Gefahr. So äußerte Beckstein vor kurzem, dass "Datenschutz nicht zum Sicherheitsrisiko werden dürfe". Es ist schlicht unglaublich.

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Donnerstag, 26. April 2007

3:0 für Schäuble: Online-Abfrage von Passfotos kommt

Die DPA berichtet gewohnt lässig, falsch verkürzend und einseitig: Koalition erleichtert Polizei Passfoto-Zugriff.

Es kommt also alles so, wie ich es befürchtet habe: Durch Schäubles Überschwemmung der öffentlichen Diskussion mit einer Vielzahl an Vorschlägen zum Ausweiten der Überwachung der Bevölkerung kann die Union nun zumindest einige seiner Vorschläge durchboxen. Die SPD steht hilflos daneben und ist quasi entmachtet. Und doof ist sie auch. Denn worin liegt der Sinn am Mitregieren, wenn man genau dies gar nicht tun kann? Ich vermute, dass die SPD sich selbst über ist und schlicht und einfach raus will aus der Politik und als Taubenzüchterverein oder Briefmarkensammelverein weiterleben will. Ist ja auch viel ruhiger und stressfreier.

Oder man hat von Anfang an den Widerstand gegen Schäubles Vorschläge eh nur vorgespielt und strebt auf lange Sicht nach der politischen auch die formelle Vereinigung von Union und SPD an. Dann müsste man sich auch nicht mehr mit den dreisten SPD-Parteimitgliedern an der Basis rumschlagen. Oder die Parteispitze samt der Posteninhaber in der jetzigen großen Koalition planen, bald zur Union zu wechseln. Verübeln könnte ich es ihnen nicht. Jeder Mensch ist halt faul und geht den Weg des geringsten Widerstandes.

Zurück zu den Überwachungsmaßnahmen: Wie bei allen vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen und erweiterten Befugnissen für die Sicherheitsbehörden spielen die Details eine enorme Rolle. Leider sind es genau die Details, die auf der medialen Bühne der Politik bekanntlich niemanden interessieren. Und deshalb ist es auch so leicht für die beteiligten Politiker, die Bedenken gegen die Maßnahmen herunterzuspielen.

Die schnelle und einfache Online-Abfrage von beliebigen Passfotos durch einfache Streifenpolizisten soll also erstmal nur "im Eilfall" möglich sein. Was immer das konkret heißen mag. Für mich klingt das nach "bei Gefahr im Verzuge". Dass der Begriff "Gefahr im Verzuge" hingegen alles bedeuten kann, macht die Praxis bei Hausdurchsuchungen deutlich. Das ist ein Gummi-Begriff, mit dem die Polizei jederzeit herumhantieren kann und jetzt schon quasi bei jedem Bürger sofort ohne richterliche Genehmigung eine Hausdurchsuchung durchführen kann, wenn sie möchte. Die so genannten Einschränkungen für die Passfoto-Online-Abfrage sind also vermutlich gar keine. Und ich bin mir sicher, dass das die Politiker wissen. Denn sie wissen auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Diskussion und die Aufregung über diese Pläne eh nicht versteht oder gar nichts davon mitbekommt.

Auf jeden Fall soll die Online-Abfrage von Passfotos am Wochenende möglich sein, wenn die Meldeämter geschlossen sind, heißt es. Wochenende? Na, das macht ja nichts. Da ist ja eh kein Bürger unterwegs. Höchstens so dämliche Demonstranten, die, aus welchen Gründen auch immer, ihre Demos häufig aufs Wochenende legen. Und da kommt solch eine Online-Abfrage von Passfotos eigentlich genau recht. So kann die Polizei die Videoaufnahmen von Demonstrationen, die sie ohnehin bereits heute anfertigt, mit einer Gesichtserkennungssoftware koppeln. Diese gleicht dann die Aufnahmen mit Passfotos ab, die online in Sekundenschnelle abgefragt werden. So kann die Polizei blitzschnell alle Teilnehmer einer Demonstration erfassen und vorsorglich mal in irgendeine Datei speichern. Man weiß ja nie... Also das ist jetzt nur so ein Vorschlag von mir. Nach Schäublescher Logik jedoch ein sehr stringenter Vorschlag, weil effizient. Und ein anderes Kriterium als Effizienz gilt für diesen Innenminister bekanntlich nicht.

Wie es weiter geht? Die Einigung über den Online-Zugriff auf die Passfotos wird von der SPD-Unions-Einheitspartei anscheinend laut der DPA-Meldung als Erfolg für den SPD-Flügel der neuen Einheitspartei gewertet. Demnach muss dieser SPD-Flügel bei einem der nächsten umzusetzenden Überwachungspläne nun vermutlich als Ausgleich dann "zurückstecken". Das heißt: Bald wird es 4:0 für Schäuble stehen.

Und eilig hat die SPD-Union es auch. Die Einheitspartei will die Überwachungsgesetze noch vor der Sommerpause unter Dach und Fach haben. Nachvollziehbar. Denn die täglichen Terror-Anschläge in Deutschland stören doch sehr. Da muss schnell Abhilfe her.

Es ist eine dunkle Art der Demokratie, die wir in Deutschland haben.

Siehe auch:

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Mit Anstand in den Überwachungsstaat

In der Rhetorik der deutschen (Un-)Sicherheitspolitiker wie Schäuble, Beckstein, Bosbach und so weiter taucht neuerdings immer häufiger ein neuer Typ von Bürger auf: Der sogenannte "anständige Bürger".

Der "anständige Bürger" - so Schäuble, Beckstein und Trallala - zeichnet sich dadurch aus, dass er nichts zu befürchten habe. Der Bürger, der nicht "anständig" ist, dem kann es jedoch passieren, dass er vom Staat intensiv überwacht und durchleuchtet wird und die Folgen daraus tragen muss. Unanständige Bürger müssen sich somit fürchten.

Wenn Schäuble, Beckstein und Trallala in den Medien vom "anständigen Bürger" reden, dann sind die armen Journalisten immer derart perplex, dass sie es leider immer versäumen, doch einmal nachzufragen, wer oder was "anständig" ist. Derjenige, der keine Gesetze bricht oder derjenige, der sich nicht verdächtig macht? Und wie macht man sich nicht verdächtig?

Das wüsste ich gerne. Denn sonst wird die Furcht vor Terroranschlägen langsam bei mir verdrängt von der Furcht, in den Augen von Schäuble, Beckstein und Trallala eventuell nicht mehr als "anständig" zu gelten.

Mittwoch, 25. April 2007

Geheimdienste dürfen in Deutschland alles

Wiefelspütz offenbarte in der WDR-Sendung "Hart aber Fair" gerade, dass er schon vor zwei Monaten vom Geheimdienst die Auskunft bekam, dass die Onlinedurchsuchung bereits ein paar Mal angwendet worden sei. An die Öffentlichkeit kam das ganze jedoch heute erst durch eine Anfrage der FDP an die Bundesregierung.

Es wäre interessant zu diskutieren, ob die Geheimdienste allein auf Grund einer Dienstvorschrift tatsächlich berechtigt sind, die Grundrechte der Bürger außer Kraft zu setzen. Wohl kaum. Also wäre damit der Fall gegeben, dass die Bürger laut Artikel 20 des Grundgesetzes Maßnahmen ergreifen müssten, diese Bundesregierung zum Schutz der Verfassung zu stürzen.

Wie kommen die Macher von "Hart aber Fair" übrigens dazu den Herrn Wiefelspütz als "Gegenspieler" zu Schönbohm einzuladen? Das offenbart doch, wie entsetzlich uninformiert die Macher dieser Sendung sind. "Hart aber Fair" war ansonsten wie üblich eine große, dicke, unerträgliche, undurchsichtige Soße an nichtssagendem Geschwafel. Das kam vor allem daher, weil alle möglichen Themen immer nur kurz circa jeweils 30 Sekunden lang angeschnitten wurden - nur damit bei aufkommender Diskussionsgefahr die eingeladenen alten Herren sofort vom Moderator wieder abgewürgt werden. "Hart aber Fair" ist das MTV unter den Talk-Shows: Die Gäste müssen "rappen", um überhaupt was sagen zu können, bevor sie wieder unterbrochen werden durch kleine Videoclips. Eine absolut lächerliche Sendung. Mich kotzen die öffentlich-rechtlichen Sender eh nur noch an. Von den privaten TV-Sendern natürlich ganz zu schweigen. Wenn eines deutlich wird, dann ist es die absolute Unfähigkeit der deutschen Sender, mit komplexen Themen umgehen zu können. Kann man nicht ein Gesetz einbringen, dass ARD und ZDF abschafft und stattdessen die Aufgabe der medialen Grundversorgung Deutschlands der BBC in die Hand geben?

Über den offenen Verfassungsbruch der Regierung berichtete übrigens die 20-Uhr-Tagesschau natürlich auch nicht. Und auch nicht über die heutigen Entscheidungen im EU-Parlament.

Wir haben vielleicht beschissene Medien in Deutschland...

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Die Deutschen sind blöd

Das Problem bei der schwachsinnigen Behandlung der Überwachungs-Vorschläge von Schäuble & Co. in den Medien und bei den Politikern ist, dass keiner die Natur digitaler Daten versteht.

Digitale Informationsverarbeitung ist:

  • Ein Knopfdruck reicht und Millionen von Daten landen irgendwo.
  • Kopieren von Dateien hinterlässt keine Spuren.
  • Millionen von Daten kann man automatisch in Sekundenschnelle analysieren und vergleichen und so Menschen gläsern machen.
Bei der Diskussion um Sicherheitsmaßnahmen verschweigen die Politiker aus Unwissenheit oder ganz bewusst immer mindestens eines dieser gefährlichen Qualitäten digitaler Daten. Also:
  • Dass man den Umgang mit digitalen Daten kaum technisch kontrollieren kann. Der Bürger weiß nicht mehr, was über ihn gespeichert ist und der Zugriff auf die Daten kann nicht ausreichend gut kontrolliert werden.
  • Dass zentrale Datenbanken und Speicherorte gar nicht nötig sind, sondern es alleine auf die Leichtigkeit des Zugangs zu diesen Daten ankommt. Eine Onlineabfrage ist somit gleichzusetzen mit einer zentralen Datenbank.
  • Die vielen Daten aus den unterschiedlichsten Quellen, die für sich genommen harmlos erscheinen, lassen sich wegen ihrer digitaler Natur ohne irgendeinen Aufwand zu einem dichten Netz zusammenweben. Die einzelnen Überwachungsmaßnahmen werden aber politisch immer nur einzeln besprochen, statt das Risiko ihrer Vernetzung in den Blick zu nehmen.

Kabel-Deutschland mag seine Analog-Kunden nicht

Immer auf das Wohl ihrer Kunden bedacht, erfahre ich gerade, dass Kabel-Deutschland die Verbreitung etlicher Radiosender im analogen Kabel in der Region Berlin-Brandenburg einstellt (Details siehe Kanalbelegung laut Medienanstalt Berlin-Brandenburg). Darunter leider auch BBC-World-Service. Die frei gewordenen Sendeplätze scheinen nicht durch neue oder andere Sender belegt zu werden.

Man möchte den zahlenden Kunden halt nicht zu viel Information zumuten und ihnen vermutlich den Abschied von den alten Medien Radio und Fernsehen und die verstärkte Nutzung des neuen Mediums Internet erleichtern.

Es könnte natürlich auch sein, dass Kabel-Deutschland darauf spekuliert, dass nun einige Analog-Kabelkunden endlich auch zum überteuerten Digital-Angebot von Kabel-Deutschland wechseln. Aber leider übersieht Kabel-Deutschland dabei, dass BBC-World-Service in Berlin auch über UKW empfangbar ist. Der Umstieg auf digitalen Schrott in minderer MP3-Qualität per Kabel-Deutschland ist also gar nicht nötig.

Ein Argument mehr, ganz auf den Service von Kabel-Deutschland zu verzichten und beim Radio ganz zum guten alten UKW zurückzukehren. Die überregionalen Sender hört man dann halt als Stream übers Internet in ähnlicher Qualität wie beim Digital-Angebot von Kabel-Deutschland. Die regionalen Sender über UKW und Fernsehen über DVB-T. Und weniger kosten tut das auch.

Typisch deutscher Kundenservice also, der da von Kabel-Deutschland betrieben wird: Man verhilft dem Kunden zum Sparen, indem man die eigenen, bisherigen Dienstleistungen einfach einspart und abschaltet und der Kunde daraufhin aufhört Kunde zu sein und sein Geld lieber für sinnvollere Dinge auf die hohe Kante legt.

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Interessante Links in der FR-"Blogosphäre"

Normalerweise möchte ich Blog-Posts vermeiden, die aus einem einfachen Link-Tipp bestehen. Dafür ist mein Del.icio.us-Archiv zuständig, aber hier mal wieder eine Ausnahme:

Monika Porrman bringt heute in ihrer wöchentlichen Rubrik "Blogosphäre" bei FR-Online.de eine gute Zusammenstellung interessanter Weblog-Artikel zu der gegen neue Überwachungsmaßnahmen gerichteten Protestaktion "Stasi 2.0" in deutschen Weblogs: Kurzer Protest gegen "Stasi 2.0".

Wer gute Weblogs kennenlernen möchte, sollte da mal vorbeischauen.

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Dienstag, 24. April 2007

Demokratie braucht Öffentlichkeit

Morgen stehen wichtige Entscheidungen im EU-Parlament an, die das Leben der Leute teilweise stark verändern könnten.

Die deutschen Medien (einschließlich der öffentlich-rechtlichen) berichten - wie immer - zum allergrößten Teil nicht. Von einer Berichterstattung Wochen oder zumindest Tage vorher, damit der Bürger eventuell noch Einfluss ausüben kann auf "seine" Parlamentarier, ganz zu schweigen.

Da ich hier nicht den Job der Medien mache, verrate ich nicht, um was es bei den Entscheidungen im EU-Parlament geht.

Vermutlich werden die deutschen Schlafmedien erst berichten, wenn der Bundestag in ein, zwei Jahren ein Gesetz verabschiedet, von dem es dann wieder heißt, man hätte es verabschieden müssen, wegen einer auf geheimnisvollem Wege zustande gekommenen EU-Vorgabe.

Sonntag, 22. April 2007

Wenn der Staat schützen will, braucht der Bürger häufig Schutz

Murat Kurnaz' Buch erscheint morgen. Welt.de interviewte ihn: So wurde ich in Guantánamo gefoltert.

Die schockierenden Schilderungen von Kurnaz über die Foltermethoden in Guantánamo sollte man sich unbedingt durchlesen. Unter anderem auch, um zu sehen, wie schnell ein Rechtsstaat zum brutalen Folterer werden kann. Und um zu begreifen, wie groß das moralische Versagen der deutschen Behörden und der deutschen Politiker wie zum Beispiel eines gewissen Herrn Steinmeier eigentlich ist:

WELT ONLINE: Deutsche Elitesoldaten befragten Sie im Gefängnis in Afghanistan, deutsche Geheimdienstmitarbeiter besuchten Sie auf Guantánamo. Hatten Sie da nicht die Hoffnung, dass Ihnen endlich geholfen würde?
KURNAZ: Die Araber im Gefängnis, meine Nachbarn, die wussten, dass ich aus Deutschland komme. Die sagten mir immer: Deutschland ist berühmt für Gerechtigkeit, für Demokratie. Du brauchst Dir keine Sorgen machen, wir sind uns sicher: wenn jemand hier entlassen wird, dann wirst Du es sein. Deutschland wird sich einsetzen. Über Jahre sah ich dann, wie andere europäische Länder ihre Staatsangehörigen abholten, die Dänen als allererstes, dann die Briten, dann andere. Plötzlich war ich der letzte Europäer auf Guantánamo. (Quelle)


Und Fr-Online.de zu einem ähnlichen Thema: Europarat kritisiert Bedingungen in psychiatrischen Anstalten in Deutschland: Dunkle Zellen, Schläge, Beschimpfungen.

Darin:

Im Bericht der Abgeordneten heißt es: "Allen Polizeibeamten ist deutlich zu machen, dass Gewaltanwendung bei einer Festnahme sich auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken sollte und keine Schläge gerechtfertigt sind, sobald die Betroffenen unter Kontrolle gebracht worden sind. Allgemeiner gesagt, sollten sie regelmäßig und angemessen daran erinnert werden, dass jede Form von Misshandlung - einschließlich verbaler Beschimpfung - festgehaltener Personen nicht akzeptabel ist und entsprechend bestraft wird." Insbesondere das Personal der Untersuchungshaftanstalt Hamburg und der Haftanstalt Fuhlsbüttel sei darauf hinzuweisen, "dass respektloses, verächtliches und/oder rassistisches Verhalten nicht hinnehmbar ist und entsprechend bestraft wird". Gleiches gelte für das Personal im Psychiatrischen Zentrum Neustadt (Schleswig-Holstein), stellen die Abgeordneten des Europarats fest. [...] Damit ist die Mängelliste aber noch nicht zu Ende: Erwachsene und jugendliche Straftäter werden gemeinsam untergebracht, ebenso wie Kriminelle und Abschiebehäftlinge, die nichts getan hätten, außer im falschen Land zu sein, monieren die Parlamentarier. (Quelle)


Die furchbare seelische und körperliche Folter, der Kurnaz in Guantánamo ausgesetzt war, ist zwar nur ansatzweise vergleichbar mit den Bedingungen in deutschen Anstalten oder Gefängnissen oder dem schlechten Benehmen deutscher Polizisten. Beides zeigt jedoch, wozu ein angeblich demokratischer "Rechtsstaat" fähig ist, wenn jemand zum Verdächtig(t)en wird.

Und Heribert Prantl schreibt bei Süddeutsche.de in dem neuen, erhellendem Artikel "Vom Umbau des Rechtsstaats in einen Präventionsstaat":

Die Ausländer- und Asylpolitik war ein Menetekel - die Beschränkung der Individualrechte, die Vereitelung des grundgesetzlich garantierten Rechtsschutzes, wurde dort vorexerziert: Der Rechtsschutz im Asylrecht ist kaum noch existent; und im Ausländerrecht gelten Ausländer grundsätzlich als verdächtig. Die Unschuldsvermutung ist hier längst abgeschafft. Ausländer werden wegen Straftaten abgeschoben, ohne dass sie wegen dieser Taten verurteilt worden sind. Die "Sicherheit der Bundesrepublik" genügt zur Rechtfertigung einschneidendster Maßnahmen. (Quelle)


Die Pläne von SPD und Union laufen in die Richtung, alle deutschen Bürger quasi zu solchen "Ausländern" zu machen. Es ist die Logik des Präventionsstaates, die - so wie Schäuble dies heute schon nachlesbar tut - letzendlich auch Folter akzeptiert, Foltergeständnisse als nötig ansieht, um das anscheinend jetzt nur noch alleine gültige Recht auf "Sicherheit" zu gewährleisten.

Die Vorfälle in Guantánamo und das Versagen der deutschen Behörden im Umgang mit Verdächtigen schon heute zeigen, dass eben nicht gilt, dass wer nichts zu verbergen hat, auch nichts zu befürchten habe. Wie wird das erst, wenn die Behörden dank neuer Datenberge noch mehr "Verdächtige" meinen zu identifizieren?

Interessant finde ich übrigens, dass Schäuble & Co, große Teile der SPD und der Union im Grunde genommen sich ähnlich verhalten mit ihrem Glauben an oder ihrem Streben nach Herstellung einer hundertprozentigen Sicherheit durch den Staat wie die Islamisten. Auch die Islamisten glauben ja, dass ein menschengemachtes Staatswesen, in diesem Fall ja ein islamistischer Gottesstaat, das Heil für alle Menschen bringen könnte. Genauso wie Schäuble & Co. glauben, ein Präventionsstaat könne das Heil bringen. Beides sind fundamentalistische Ideen, die dadurch charakterisiert sind, dass andere Werte, wie zum Beispiel der Schutz der Freiheitsrechte des Einzelnen, der Schutz des Einzelnen also vor staatlicher Willkür, weniger gelten als das "Heil" der Allgemeinheit. Weil die Allgemeinheit sich jedoch aus Einzelnen zusammensetzt, ist es schlussendlich paradox, das Heil der Allgemeinheit in Gesetzen oder beim Handeln des Staates über die Rechte des Einzelnen zu stellen.

Dieses Paradoxon und die Vernachlässigung vieler Werte zu Gunsten eines einzigen Wertes - bei Schäuble das "Heil von Gesundheit und Leben", bei den Islamisten das "religiöse Heil" - machen Schäuble & Co. mit ihrer einseitigen und fundamentalistischen Politik quasi zum Spiegelbild der einseitigen und fundamentalistischen Politik der Islamisten. Da bei den Islamisten sich das "religiöse Heil" aus mehreren zu beachtenden Werten zusammensetzt, ohne die das religiöse Heil nicht erreicht werden kann, sind die Islamisten sogar weniger fundamentalistisch als es die Innenpolitik eines hundertprozentigen "Präventionsstaates" wäre.

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