Donnerstag, 7. Februar 2008

Weißes Haus: Waterboarding ist keine Folter. Und Krieg ist Frieden.

Nun verteidigt also auch das Weiße Haus explizit die sogenannte "Waterboarding"-Methode und behauptet, es handele sich dabei nicht um Folter.

Verrückt. Über die menschenunwürdige Behandlung von Gefangenen in Abu Ghuraib gab das Weiße Haus sich damals schockiert. Und nun sagt man, dass Waterboarding, eine der furchtbarsten Methoden, um Menschen in Todesangst zu versetzen, keine Folter sei.

Die Neue Zürcher Zeitung berichtet:

Das Weisse Haus hat die umstrittene Verhörmethode des "Waterboarding" verteidigt, bei der Gefangene unter Wasser getaucht werden, so dass sie das Gefühl haben zu ertrinken. Das sei eine legale Verhörmethode, mit deren Hilfe das Leben von Amerikanern gerettet worden sei, es handle sich nicht um Folter, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch. [...]

Am Vortag hatte die amerikanische Regierung erstmals eingeräumt, dass die Verhörmethode bei drei Häftlingen angewendet wurde. (Quelle: NZZ.ch)


Die Meldung scheint von der AP zu stammen und enthält übrigens leider einen gravierenden Fehler: Beim vom CIA durchgeführten "Waterboarding" werden Gefangene nicht unter Wasser getaucht. Das Waterboarding läuft gänzlich anders ab. Seltsam, dass AP und die Neue Zürcher Zeitung das nicht wissen. Ein kurzes Nachschlagen schon in der Wikipedia hätte diesen eklatanten Lapsus verhindert. Stattdessen berichten AP und NZZ nun also so, dass beim Leser der falsche Eindruck entsteht, Waterboarding sei ein einfaches Kopf-unter-Wasser-Halten, wie man es vielleicht als Spaß auch schon einmal im Schwimmbad macht.

Waterboarding sieht völlig anders aus und wirkt völlig anders, als wenn man den Kopf von jemanden unter Wasser drückt. Bei Letzterem kann der Gefolterte die Luft anhalten und so bis zu mehrere Minuten durchhalten. Außerdem erkennt er, was gerade mit ihm passiert. Beim Waterboarding hingegen wird dem Verdächtigen Stoff über sein Gesicht gelegt und Wasser auf den Stoff gegossen. Wie beim Kopf-unter-Wasser-Halten kriegt der Verdächtige keine Luft mehr. Zusätzlich jedoch dringt das Wasser in die Nebenhöhlen und den Rachenraum und die Speiseröhre vor und löst so sofort ein Gefühl des akuten Ertrinkens hervor. Es entsteht also sofort ein Gefühl höchster Todesangst und man meint, spürt, ja weiß mit jeder Pore seines Körpers, dass man in den nächsten Sekunden sterben wird. Der Verstand kann gegen dieses Gefühl des akuten Ertrinkens nicht ankämpfen. Für den so Behandelten gibt es in diesem Moment keinen Unterschied zwischen realem Sterben und gefühlten Sterben, weil alle Empfindungen des eigenen Körpers einem sagen: Das war's! In den nächsten Sekunden bist du tot!

Die verbreitete Vorstellung über Foltermethoden ist, dass sie langsam den Schmerz erhöhen und so dem Gefolterten jederzeit die Möglichkeit gegeben wird, zu gestehen, um so den Schmerz zu beenden. Der Gefolterte sieht außerdem zumeist, was mit ihm passiert. Ihm wird so eine Art Kontrolle darüber gegeben, was mit ihm geschieht. Der Sinn "normaler" Folter ist es ja nicht, Schmerzen um der Schmerzen willen zuzufügen, sondern jemanden zu einem Geständnis (zweifelhafter Qualität) zu bringen. So bestand bekanntlich die erste Stufe der Folter im Mittelalter darin, dem Verdächtigen zunächst nur die Folterinstrumente zu zeigen und ihnen ihre Funktion zu erklären. Beim Waterboarding jedoch beraubt man dem Gequälten seiner Sinne, man täuscht ihn und versetzt seinen Körper in eine Situation, in der der Gequälte nicht nur aufgrund eines Gedankens annimmt, nun zu sterben, sondern in der er übermannt wird von einem reflexhaften Gefühl, jetzt tatsächlich zu sterben. Waterboarding ist quasi das virtuelle, sofortige Getötetwerden. So zumindest erleben es anscheinend die damit Behandelten.

Insofern hat das Weiße Haus Recht: Waterboarding ist keine "normale" Folter. Es ist schlimmer. Es ist eine Ausgeburt der Perversion und des Schreckens. Eine Hölle auf Erden, in die das Weiße Haus also offenbar weiterhin Menschen schicken will, die VERDÄCHTIGT werden, eventuell PLÄNE zu verfolgen, IN ZUKUNFT VIELLEICHT etwas Schlimmes zu tun.

Den Redakteuren von AP und NZZ sollte man hingegen vielleicht tatsächlich einmal den Kopf unter Wasser halten. Das soll ja erfrischend wirken.

Weitere Informationen zum Waterboarding:

Telepolis.de berichtete ausführlich über die Wirkung von Waterboarding - leider unter der irreführenden Überschrift "Langsames Ertrinken" - was es ja gerade eben nicht ist.

Slate.com stellt in einem Artikel unterschiedliche Foltermethoden vor und schreibt über das Waterboarding, dass es zwar keine nachweisbaren physischen Schäden hinterlässt, jedoch schweres mentales Leiden verursacht - nach allem, was ich über die Ursachen und Wirkungen von Traumatisierungen weiß, vermutlich ein bleibendes, mentales Leiden.

Washingtonpost.com berichtete über die Aussagen eines Ex-Navy-Überlebenstrainers vor dem US-Kongress. Überlebenstrainer Malcolm Wrightson Nance hat am eigenen Leib die Wirkung des Waterboardings erlebt hat:

"In my case, the technique was so fast and professional that I didn't know what was happening until the water entered my nose and throat," Nance testified yesterday at a House oversight hearing on torture and enhanced interrogation techniques. "It then pushes down into the trachea and starts the process of respiratory degradation. It is an overwhelming experience that induces horror and triggers frantic survival instincts. [...]". (Quelle: Washingtonpost.com)


Auch geschulte, militärische Überlebenstrainer scheinen also letztlich wehrlos zu sein gegen das Aufkommen des Horrors beim Waterboarding und können sich auch nicht gegen die körperlichen Reaktionen wehren. Manchen Navy-Soldaten wird das Waterboarding in ihrer Ausbildung vorgeführt, so Nance - um ihnen zu zeigen, was sie alles erwarten kann, welche schlimmen Foltermethoden, wenn sie in feindliche Hände geraten. Normale Gefangene jedoch wüssten vermutlich nicht, was beim Waterboarding mit ihnen geschieht, so Nance. Zum überwältigenden körperlichen Gefühl, gerade getötet zu werden, käme bei uninformierten Gefangenen also noch eine gesteigerte Hilflosigkeit dadurch hinzu, dass sie nicht wissen und verstehen, was gerade mit ihnen passiert.

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