Samstag, 1. September 2007

BKA-Gesetz: Tiefere Analyse von Schäubles Entwurf

Reine Link-Tipps nach Art "Hier klicken, guter Text!" und ohne weiteren eigenen Senf von mir dazu, versuche ich normalerweise hier im Weblog zu vermeiden. Dazu ist mein Bookmark-Archiv bei Simpy.com da. Aber wenn es gute Texte in Weblogs sind, mache ich gerne ein Ausnahme. Auf dass der Page-Rang des verlinkten Blogs steige und wachse (Ich weiß, pure Selbstüberschätzung der Reichweite meines kleinen Blogdingens hier). :-)

Das Antiterror.Blog hat die Zeit gefunden und den gestern an die Öffentlichkeit gekommenen Gesetzesentwurf von Schäuble zum BKA-Gesetz auch jenseits des Diskussionspunktes "Online-Durchsuchung" unter die Lupe genommen: Jenseits der "Online-Durchsuchung".

Lesenswert! Ach, sagte ich schon? Und ich finde die sich selbst organisierende "Arbeitsteilung" in der Blogosphäre klasse. Deswegen noch ein Smiley: :-)

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Googles Online-Text- und Tabellenkalkulation keine Konkurrenz zu Microsoft

(Via Die herrschende Meinung, via Medien-Gerecht) Google möchte anscheinend nicht ernsthaft, dass irgendjemand sein neues Online-Textverarbeitungs- und Online-Tabellenkalkulationsprogramm nutzt. Das ist zwar etwas seltsam, aber anders kann man folgenden Ausschnitt aus den AGB zu Googles Service namens "Text & Tabellen" wohl nicht verstehen:

Durch Übermittlung, Einstellung oder Darstellung der Inhalte gewähren Sie Google eine dauerhafte, unwiderrufliche, weltweite, kostenlose und nicht exklusive Lizenz zur Reproduktion, Anpassung, Modifikation, Übersetzung, Veröffentlichung, öffentlichen Wiedergabe oder öffentlichen Zugänglichmachung und Verbreitung der von Ihnen in oder durch die Services übermittelten, eingestellten oder dargestellten Inhalte. Diese Lizenz dient ausschließlich dem Zweck, Google in die Lage zu versetzen, die Services darzustellen, zu verbreiten und zu bewerben; (Quelle: Google.com)


Soweit ich diesen Text verstehe, ist damit nicht nur gemeint, dass Google den vom Nutzer der Text- und Tabellenanwendung bei Google abgelegten Inhalt schlicht technisch auf mehreren Servern verteilen will, um so den sicheren Betrieb seines Dienstes zu gewährleisten. Microsoft kann sich also zurücklehnen. Google will den Office-Produkten von Microsoft also tatsächlich keine Konkurrenz machen. Denn außer ein paar Privatpersonen, die Googles Text- und Tabellenprogramm mal spielerisch ausprobieren möchten, wird bei diesen AGB kaum jemand das Teil nutzen wollen - falls er die AGB denn durchliest.

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Der Unterschied zwischen "begangen" und "geplant"

Wie die Netzeitung berichtet, wirft die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) den Gegnern der Online-Durchsuchung ideologisch verbrämtes, bewusstes Angstmachen und die Verbreitung von Fehlinformationen vor. Außerdem liest man bei Netzeitung.de:

Online-Durchsuchungen sollten nach Ansicht der CSU-Politikerin nur bei schwersten Delikten wie Mord, Terrorakten oder Kinderpornografie zum Einsatz kommen. (Quelle: Netzeitung.de)


Das stimmt leider so nicht. Merk sagt es sogar selbst. Es geht um das Aufspüren von möglicherweise geplanten Delikten und nicht um die Aufklärung begangener Straftaten. Prävention also. Und da liegt das Hauptproblem. Noch mögen die technischen Möglichkeiten bei der Online-Durchsuchung begrenzt sein. Aber die Technik entwickelt sich. Das FBI besitzt beispielsweise mittlerweile ein enorm komfortables System, um alle möglichen Telekommunikationseinrichtungen wortwörtlich mit einem Mausklick zu überwachen, wie die Electronic Frontier Foundation jüngst herausbekommen hat. Das Blog "Threat Level" berichtet darüber: FBI's Wiretap Network Revealed.

Nicht das noch unzureichende Funktionieren eines "Bundestrojaners" schützt vor Missbrauch, sondern der Verzicht auf das Ziel umfangreicher Prävention.

Bei der klassischen Ermittlung lag bislang normalerweise immer ein bereits begangenes Delikt vor. Dieses Delikt gab in seiner Beschaffenheit Hinweise auf mögliche Täter. Dann wurde ermittelt. Heute jedoch sollen die Ermittlungen schon vor dem Delikt beginnen. Und da hängen die Strafverfolger quasi in der Luft. Da werden dann alle möglichen vagen Hinweise auf mögliche zukünftige Delikte zum Ausgangspunkt der Ermittlungen.

Durch die immer mehr von der Politik geforderte Ausweitung der Ermittlungstätigkeit der Polizei hin zur Prävention verändert sich die Natur der Polizeitätigkeit grundlegend. Man könnte dies so beschreiben: Die klassische Ermittlertätigkeit war bislang geprägt von der Tatortanalyse. Hier gab es harte Fakten, die beispielsweise mit naturwissenschaftlichen Methoden analysiert werden konnten: Wo fand das Delikt statt, zu welcher Uhrzeit, wer hatte Zugang zum Tatort, wer konnte die bei der Tat verwendeten Materialien beschaffen oder hatte des Wissen mit ihnen umzugehen und so weiter. Selbst die Frage nach möglichen Motiven war häufig kein Stochern im Dunkeln. Ein Juweliergeschäft wird halt beispielsweise vermutlich selten ausgeraubt, weil es Streit in der Familie des Juweliers gab.

Wenn man jedoch Delikte verhindern will, verlässt man den Boden der harten Fakten. Selbst vorgefundene, ausgearbeitete Terrorpläne wären kein Beweis dafür, dass das geplante Delikt auch ausgeführt worden wäre. Die Prävention ist ein Stochern in möglichen Motiven, möglichen Plänen, möglichen Absprachen, möglichen Einübungen von Wissen oder Taten möglicher Krimineller oder Terroristen. Alles ist in der Schwebe. Und genau diese Unsicherheit, diese mißliche Lage für die zur Prävention verdonnerte Polizei, dieser Nebel aus Vermutungen, bei denen fast jede Indizien fehlen dürften, wird die Polizei dazu treiben, immer mehr Informationen zu sammeln. Also wird immer mehr geschnüffelt werden. Und die Abwesenheit von Funden, die einen möglichen Anfangsverdacht erhärten könnten, wird leider kaum dazu führen, von einer Überwachung abzulassen. Eher werden die Ermittler zunächst davon ausgehen, bislang einfach noch nicht genug geschnüffelt zu haben. Wer sollte den Ermittlern dieses Verhalten verübeln? Sie sind es ja, die anschließend in der Kritik stehen würden, wenn trotz zuvor jahrelanger Beschattung der Überwachte dann wenige Zeit nach Ende der Beschattung doch noch zu einem Terror-Anschlag ausholt. Wann also sollten Ermittler ihre Überwachung einstellen?

Bei der Aufklärung bereits geschehener Delikte gibt es irgendwann einen Punkt, wo den Ermittlern klar wird, dass der Verdächtige die Tat nicht begangen haben konnte. Beispielsweise, weil er ein Alibi hat oder weil jemand anderes der Tat überführt wurde. Bei einem noch nicht ausgeführten Delikt gibt es solche klaren "Abbruchkriterien" für die Überwachung nicht. Also wird weiter überwacht, ja die Überwachung sogar noch ausgeweitet - gerade dann, wenn man bislang wenig Anhaltspunkte fand.

In dem Versuch noch nicht begangene Straftaten "aufzuklären" steckt leider der Zwang zur Ausweitung der Überwachung. Ein einzelner Verdächtiger wird so eher umfassender und länger überwacht und außerdem liegt es nahe, dass immer mehr Leute überwacht werden. Bis man endlich genug Hinweise findet, dass diese Personengruppe tatsächlich eine Tat plant. Und findet man die Hinweise nicht, muss man eben noch intensiver und noch länger überwachen...

Der Wunsch nach Prävention ist verständlich, aber unerfüllbar, wenn man weiterhin eine freie Gesellschaft will.

Das einzige Szenario, bei dem ich mir deshalb den Einsatz einer der "Online-Durchsuchung" nahe stehenden Methode vorstellen könnte, sähe ungefähr so aus:

Es gab einen Terror-Anschlag. Die normalen polizeilichen Ermittlungen weisen anhand konkreter Indizien auf ganz klar zu benennende, dringend der Tat Verdächtigte hin. Kommt man zum Schluss, dass man unbedingt zum Überführen der Täter den Inhalt des Computers benötigt, könnte die Polizei vor einer Beschlagnahmung des Computers eventuell mit Hilfe eines unbemerkten Eindringens in die Wohnung überprüfen, ob die Festplatte verschlüsselt ist. In diesem Fall könnte die Polizei einen Keylogger anbringen, der allerdings nicht online überwacht oder abgefragt werden sollte, weil hier das Missbrauchspotenzial zu groß wäre. Nach einiger Zeit müsste die Polizei dann mit einer normalen Hausdurchsuchung den Computer samt Keylogger beschlagnahmen und darauf hoffen, dass der Keylogger mögliche Passwörter abgefangen hat. Wenn nicht, hätte die Polizei halt Pech gehabt.

Vermeintliche Terror-Aufklärung schon im Vorfeld eines angeblich geplanten Anschlages mit präventiver Überwachung von Computern ist hingegen ein vages Stochern im Nebel, bei dem ich schon jetzt das dann bald einsetzende Jammern höre, mit dem die Strafverfolger noch weitere Befugniserweiterungen fordern.

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Freitag, 31. August 2007

Schnüffel-Schäuble: Eskalation statt Deeskalation

Schäubles Entwurf fürs neue BKA-Gesetz ist also heute an die Öffentlichkeit gekommen. Wieder unfreiwillig, wie es scheint, weil der Entwurf nur als Kopie anonym dem Chaos Computer Club zugespielt wurde.

Was muss man dazu anmerken? Folgendes:

Gesetze sollten in einer Demokratie logischerweise nichts Heimliches sein. Ebensowenig jedoch ihre Entwürfe. Gesetze werden zwar formal nur im Parlament beschlossen, aber der Sinn der Sache ist bekanntlich, dass öffentlich über die Gesetze diskutiert wird. Wenn also in unserer Demokratie Gesetzesentwürfe zunächst häufig wie eine Geheimsache behandelt werden, dann deutet dies darauf hin, dass es hier oftmals nicht um die Realisierung von tatsächlich nötigen Lösungen in Form von Gesetzen geht. Stattdessen werden Gesetzesentwürfe und damit letztlich die Gesetze selber, also das, womit der Staat geformt und gelenkt wird, von den Parteien missbraucht als reines taktisches Instrument der Parteipolitik. Wieder einmal geht es also nur um Parteipolitik. Wieder einmal steht das Interesse der Parteien vor der ehrlichen und öffentlichen Auseinandersetzung darüber, was gute Lösungen für ein Problem sein könnten. Wieder einmal ist den Parteien wichtiger, der gegnerischen Partei eins auszuwischen, statt ehrlich in einen offenen Diskurs darüber einzusteigen, was die beste Lösung für ein Problem wäre. Zu fragen wäre also, welche parteipolitische Taktik hinter dem Schäubleschen BKA-Gesetzesentwurf steht. Heribert Prantl hat eine mögliche Antwort darauf, wie man in diesem Artikel von ihm lesen kann.

Wieder einmal erfährt man nun in dem an die Öffentlichkeit gekommenen Gesetzesentwurf, dass Schäuble noch einmal mehr Befugnisse fürs BKA will. Mehr, mehr, mehr... eine andere Richtung in der Sache kennt Schäuble nicht. Das soll ein Politiker sein? Entweder man verteidigt seine Forderungen mit guten Argumenten (und nicht immer nur mit der Abkanzelung seiner Gegner als dumme, ahnungslose Ignoranten - der Vorwurf ist mittlerweile sowas von unglaubwürdig...) öffentlich oder man signalisiert Kompromissbereitschaft. Schäuble ist nur noch nervig. Entweder man folgt seinen Maximalforderungen oder er ist eingeschnappt, hat man den Eindruck. Kein Wunder, dass ihm im Angesicht der massiven Kritik dann nichts mehr einfällt. Und auch die Parteifreunde brillieren nicht gerade mit einem Feuerwerk von Argumenten, um Schäuble beizustehen. Stattdessen fängt gar der Herr Schünemann, CDU-Innenminister von Niedersachsen, selbst an mit Terroranschlägen zu drohen, wie das Schnüffelblog trefflich darstellt. Was für eine Partei, diese CDU!

Aber eigentlich ist es auch egal, ob nun im Schäubleschen Gesetzesentwurf noch diese und jene unverschämte Befugniserweiterung fürs BKA mehr drin steht oder nicht. Ob ein Richter nun drei Tage vor oder nach Durchführung einer Online-Durchsuchung benachrichtigt werden muss (Warum eigentlich nach Beginn der Online-Durchsuchung, wenn die Vorbereitung solch einer Online-Durchsuchung doch angeblich so viel Zeit kosten soll, wie BKA-Chef Ziercke vorgestern darstellte?) oder ob nun auch völlig Unverdächtige von dem BKA ins Schnüffel-Visier genommen werden sollen. Diese ganzen Details sind fast schon unwichtig, denn der ganze Gesetzesentwurf von Schäuble ist geprägt von einem Geist, der insgesamt alles andere als gut ist. Dahinter steht eben das Motiv, die Rechtsordnung grundlegend zu ändern. Dahinter steckt der Versuch, neben dem klassischen Angeklagten eine weitere Personengruppe zu definieren, mit der die Strafverfolgungsbehörden ohne große Beschränkungen frei walten und schalten können sollen, die Personengruppe des Terror-Verdächtigen und seines Umfeldes nämlich. Beides, Terror-Verdächtige und Umfeld- und Begleitpersonen sollen nach Schäubles Vorstellungen "Freiwild" für die Ermittlungsbehörden sein. Was davon zu halten ist, kommentiert mal wieder kurz und prägnant Rechtsanwalt Udo Vetter:

Überdies soll das BKA auch gegen an sich unverdächtige Personen schnüffeln dürfen, und zwar schon dann, wenn sie als "Kontakt- und Begleitpersonen", derer sich potenzielle Täter "zur Begehung der Straftat bedienen könnten", eingestuft werden. Man muss sich klarmachen, dass schon gegen "potenzielle Täter" an sich nichts Verwertbares vorliegt. Das sind Leute, die bislang weder eine Straftat verabredet noch eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Ansonsten könnten sie nämlich schon strafrechtlich verfolgt werden. Da kann man sich ausmalen, wie viel vorliegen muss, um von emsigen Ermittlern künftig als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft und mit dem vollen Programm behandelt werden zu können. Nichts. (Quelle: Lawblog.de)


Aber wer ist terrorverdächtig? Wer bestimmt das? Was wird alles als Terror definiert? Und was ist von den Rufen aus der Union zu halten, die die angeblich nur gegen Terror-Verdächtige gezielten Schäubleschen Wunschmethoden von Vorratsdatenspeicherung bis Online-Durchsuchung dann auch ganz schnell beispielsweise gegen Leute verwendet sehen wollen, die eventuell kinderpornografische Bilder tauschen? Wo fängt der Terror an, wo hört er auf? Die Frage scheint inzwischen auch den Bundesgerichtshof zu interessieren, denn der will nun prüfen, ob auch beispielsweise einfache Brandanschläge - so wie derzeit von der Bundesanwaltschaft behauptet - schon als Terror-Anschläge gelten können. Dies meldet der Tagesspiegel (und bislang seltsamerweise noch kaum jemand sonst) als neue Entwicklung beim Fall "Andrej H.": BGH stellt Terror-Paragraphen auf den Prüfstand.

Ich frage mich, warum die Politiker nicht endlich ehrlich sind und darstellen, dass es einen Schutz gegen Terror-Anschläge nicht gibt, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht gibt. Halten sie die Bürger in ihrer Mehrheit für so doof, dass sie denken, die würden das nicht verstehen? Warum machen sich Parteien und Politiker also zum Sklaven der irrealen Vorstellung, dass man nur einfach hier und da die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden ausweiten müsste und schon hätten Terroristen keine Chance mehr?

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Donnerstag, 30. August 2007

Sozialsysteme in Deutschland: Gefangen im "Catch-22"

Eine fiktive Geschichte über unseren "Sozialstaat" erzählt Farlion: Ein denkbar schlechter Tag im Sozialstaat Deutschland.

Sehr erhellend. Und der Hintergrund der Geschichte, also das Wesentliche, ist leider nicht fiktiv. Warum liest und hört man in den reichweitenstarken Medien kaum etwas über die reale Situation vieler Menschen in Deutschland? Warum muss man stattdessen als Leser beispielsweise solch einen Scheiß eines gewissen Hans-Ulrich Jörges lesen? Warum wird so ein Mann wie Jörges stattdessen immer wieder im ARD-Presseclub oder bei Phoenix-Diskussionsrunden hofiert? Wann kommen unsere Medien endlich wieder in Kontakt mit der Realität?

Man beachte auch noch diesen Kommentar von Farlion.

Was "Catch 22" bedeutet, erklärt die Wikipedia.

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Zitat des Tages

Aus dem mir gerade via Alarmschrei.de bekannt gewordenem Blog "Kurokasai": Absurdikum des Tages:

Das Merkel reist nach China, um über Menschenrechte, Produktqualität und Klimaschutz zu reden. Und morgen reist Fidel Castro nach Nordkorea und spricht über freie Marktwirtschaft. (Quelle: Kurokasai)


Sind wir noch sicher... vor diesem Staat?

Eine Presseschau bei Zeit.de zu den Reaktionen in den Medien auf die Antworten des Bundesinnenministeriums auf SPD-Fragen zur geplanten Online-Durchsuchung ("Bundestrojaner") schließt mit den Worten:

Das Eindringen in private Festplatten ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitssphäre. Präzise Gesetze und richterliche Überwachung sind dafür unabdingbar. Gänzlich verzichten auf diese Instrument kann der Staat jedoch nicht. (Quelle: Zeit.de)


Kann er also nicht? Interessant. Ein Urteil. Einfach so am Ende der Presseschau. Nicht als eigene Meinung gekennzeichnet. Sondern einfach so. Kann er nicht. Das sind die deutschen Medien, wie ich sie liebe. Wissen alle Bescheid. Da gibt es intensive Auseinandersetzungen, Kritik und Bedenken von allen möglichen Experten, die abraten von der Online-Durchsuchung. Und Zeit.de schreibt einfach: Egal, man kann nicht drauf verzichten.

Dabei ist die Online-Durchsuchung eben gar kein mächtiges Instrument, auf das man nicht verzichten könnte. Weil Leute, die etwas Ahnung haben, sich ihr leicht entziehen könnten. Das wirklich Schlimme an der Online-Durchsuchung ist die geistige Haltung, die hinter diesen Plänen sichtbar wird: Man schaut nicht auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Würden die Leute im Bundesinnenministerium hier ideologiefreier hinschauen, müssten sie zugeben, dass allein schon der Schaden an Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Behörden wesentlich größer ist als jeder mögliche Nutzen, den die Erlaubnis zur Online-Beschnüffelung mit sich bringen könnte.

Das Besondere an der Online-Durchsuchung gegenüber anderen Ermittlungsmethoden ist, dass sie wesentlich stärker als eine Hausdurchsuchung die Privatsphäre verletzen kann, weil Daten heimlich abgegriffen werden. Dass ihr technischer Erfolg sehr, sehr unsicher ist, dass ihre Ergebnisse manipuliert sein könnten und dass sie kaum gegen technisch versierte Verdächtige eingesetzt werden kann. Und dass ihr pures Vorhandensein als Möglichkeit bei vielen Bürgern Misstrauen erweckt. Je häufiger die Online-Durchsuchung eingesetzt werden könnte, beispielsweise durch eine Verbesserung ihrer technischen Methoden, desto mehr würde in der Bevölkerung das Misstrauen gegenüber dem Staat steigen - weil die Durchsuchung so unsichtbar ist, weil sie so tiefgreifend in die Privatsphäre eindringt, weil manche Bürger bei merkwürdigen Vorgängen in ihrem Computer schnell auf den "Bundestrojaner" schließen würden. Und je weniger häufig die Online-Durchsuchung eingesetzt werden würde, desto geringer wäre ihr Nutzen zu bewerten. Ein Argumentationskreis, der zwingend dazu führt, diese ominöse Online-Durchsuchung ganz sein zu lassen. Mein eindeutiges Fazit lautet also: Ja, man kann nicht nur auf die Online-Durchsuchung verzichten, man muss sogar auf sie verzichten, weil der Schaden ihres Einsatzes den Nutzen überwiegt.

Wenn das BKA und die Bundesanwaltschaft derart locker bei ihren Ermittlungen mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit umgehen wie beispielsweise im Fall Andrej H., oder wenn - wie so häufig in Deutschland - Richter selbst bei kleinsten Verdachtsmomenten sofort den Wünschen der Ermittlungsbehörden nachgeben und einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung unterschreiben wie bei den Hausdurchsuchungen im Vorfeld des G8-Gipfels, wo die Anwaltschaft "nur mal gucken wollte, ob sie vielleicht was Interessantes findet" oder wie bei diesem von Rechtsanwalt Melchior in seinem Weblog berichteten Fall, wo mal eben eine Wohnung durchsucht wird, weil jemand behauptet, der Wohnungseigentümer hätte ein Moped im Wert von 200 Euro unterschlagen, dann entsteht bei vielen Menschen in Deutschland kein Gefühl von mehr Sicherheit, sondern von wachsendem Misstrauen gegenüber dem Staat. Sieht man sich dann noch diese Unverfrorenheit an, mit der das BKA und das Bundesinnenministerium gegen alle Kritik ihre Pläne für die Online-Durchsuchung weiter verfolgen und gar aus der Union oder aus Reihen der politisch eigentlich zur Neutralität verpflichteten Strafverfolger Vorwürfe laut werden, dass jeder, der gegen die Online-Durchsuchung sei, Terroristen schützen wolle, dann muss man sagen: Der politische Schaden durch die Pläne zur Online-Durchsuchung ist bereits jetzt größer als jeder mögliche eventuell irgendwann einmal bei ein, zwei Fällen eintretende Nutzen. Rechtsanwalt Udo Vetter sieht dies ähnlich:

Wenn die Pläne allerdings so weit gehen, dass der Bürger künftig jeder Mail und jedem Onlineangebot einer Behörde mit doppelter Skepsis begegnen, die Mail im Zweifel zurückgehen und das Onlineangebot ungenutzt lassen wird, ist der Schaden für die E-Republik Deutschland schon eingetreten - bevor der erste neue Bundestrojaner überhaupt geschnüffelt hat. Will man wirklich eine Fronstellung Behörden - Bürger, ein Klima des permanenten Misstrauens im Umgang mit den Behörden? [...] Die Erfahrung lehrt aber, dass alle technischen Überwachungsmöglichkeiten früher oder später immer mehr Anwendungsfälle finden. Das weiß natürlich auch der BKA-Chef. Aber tricksen und täuschen gehört heute offenbar zum Staatshandwerk. Siehe oben. (Quelle: Lawblog.de)


Das eigentliche Problem bei der Online-Durchsuchung ist also vor allem ihr politischer Kollateralschaden und das wachsende Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem Staat. Dieses Misstrauen wächst dabei nicht proportional zu den realen Möglichkeiten der Online-Durchsuchung, sondern ist wohl eher bestimmt durch den politischen Umgang mit diesem Thema und durch die Unbekümmertheit, mit der derzeit die Strafverfolgungsbehörden oftmals das Gebot der Verhältnismäßigkeit bei ihren Ermittlungen ignorieren.

Die Online-Durchsuchung ist hier zu einer Art Symbol geworden für diesen Ungeist in Teilen der Union und bei Teilen der Strafverfolgungsbehörden. Technisch weit gefährlicher ist jedoch die kommende Vorratsdatenspeicherung. Sie birgt Risiken, die den Einsatz jedes Bundestrojaners noch bei weitem überwiegen. Und auch hier schweigt sich die Politik bekanntlich zu den Risiken aus.

Einen lesenswerten Kommentar zu der ganzen Lächerlichkeit des "Bundestrojaners" auf der einen Seite und zur Gefährlichkeit der Vorratsdatenspeicherung auf der anderen Seite liefert Erich Moechel bei "Futurezone" vom ORF: Lachnummer "Kommissar Trojaner".

Darin:

Das innerbürokratische Frage-und-Antwort-Spiel zur Computerüberwachung minderbemittelter Krimineller mit hohem Aufwand liest sich nachgerade "kottanesk" [...] Während auf einem derartigen technischen Niveau über den Einsatz von Polizei-Trojanern diskutiert wird, werden in Deutschland wie in Österreich Überwachungssysteme umgesetzt, gegen die der Polizei-Trojaner wie eine Lachnummer aussieht. [...] Über die Möglichkeiten des Missbrauchs dieser Verkehrsdaten sind europaweit bereits zwei aktuelle Fälle, die mit dem Selbstmord des jeweiligen Netzwerk-Sicherheitschefs begannen, aktenkundig, beziehungsweise gerade vor Gericht. In Italien wurden Verkehrsdatensätze der Telecom Italia von Polizisten, dem Vizechef des Militärgeheimdienstes SISMI und Telekomtechnikern an den Meistbietenden en Gros verkauft. (Quelle: Futurezone.ORF)


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Mittwoch, 29. August 2007

Bundestrojaner: Reaktionen in Medien auf Infos des Bundesinnenministeriums

Jetzt finden die Antworten des Bundesinnenministeriums auf Fragen der SPD rund um den/die Bundestrojaner/Remote Forensic Software auch ein breiteres Medienecho. Und die Aufregung ist groß. Und die Verwirrung noch viel größer. Und die Widersprüche sind am allergrößten. Lustig auch immer wieder die sich oft gegenseitig widersprechenden Äußerungen von BKA und Bundesinnenministerium, die dann natürlich auch noch einmal in sich widersprüchlich sind. Ob unsere Medien mit diesem Tohuwabohu zu Rande kommen? Ich denke eher nicht. Die Journalisten, die sich mit diesem Thema mal eben so schnell zwischen dem aktuellen Kollaps des DAX und dem aktuellen Kollaps eines deutschen Schauspielers beschäftigen müssen, tun mir aufrichtig leid. Da kollabiert schon mal die öffentliche Diskussion bei diesem Chaos. Vielleicht ist das aber auch alles so gewollt und die unterschiedlichen Äußerungen zum Thema Online-Durchsuchung von allen möglichen Vertretern von Behörden und Regierung sind Teil einer Inszenierung, um das ganze Vorhaben weiterhin hinter einem Schleier aus Vermutungen zu verstecken.

Nehmen wir uns doch nur einmal die derzeit überall verbreitete DPA-Meldung zum Thema vor, hier die Version bei Zeit.de: Angeblich getarnter Einsatz des Bundes-Trojaners.

In der Meldung geht man ausführlicher auf Versuche von BKA-Chef Ziercke ein, den Ruf des Bundestrojaners zu retten. Zierkes Worte erscheinen mir dabei äußerst widersprüchlich zu dem, was man vom Bundesinnenministerium hört und sind auch in sich widersprüchlich. Die DPA (oder Zeit.de) machen sich nicht die Mühe, diese Widersprüche zu klären, sondern knallen sie einfach so rein in den Meldungstext. So kann man mit dem Thema natürlich auch umgehen. Der Leser bleibt dann ratlos zurück oder liest nur das, was er verstehen kann oder will.

Was sagt Ziercke nun also laut dieser DPA-Meldung? Er sagt einerseits, man bräuchte keine Angst vor dem Bundestrojaner zu haben. Andererseits seien dennoch umfangreiche Kontrollen seines Einsatzes nötig. Also doch ganz schön gefährlich das Ding, oder wie? Er sagt einerseits, dass die Software nicht fertig sei, der Aufwand ihres Einsatzes riesig sei und die Software für jeden Einzelfall quasi neu entwickelt würde. Vom Bundesinnenminsterium hört man jedoch, die Software sei kurz vor der Fertigstellung und man solle sich endlich beeilen mit den Gesetzen, damit man die quengelnde Bestie endlich in die freie Wildbahn entlassen kann. Und das Bundesinnenministerium schlägt ebenfalls vor, dass man den Bundestrojaner beispielsweise notfalls auch als Anhang an Behördenmails unters Volk bringen könnte - was sich wiederum einerseits recht einfach anhört und dem von Ziercke behaupteten enormen Aufwand widerspricht, andererseits aber bei jedem, der von einer Behörde eine E-mail empfängt (ich hab bislang noch nie eine E-mail von einer deutschen Behörde bekommen) ein ungutes Gefühl auslösen dürfte samt Überlegungen, wann man das letzte Mal eventuell aus Versehen und unbedarft solche Wörter wie "Prekarisierung" und "Gentrifizierung" verwendet haben könnte, so dass man nun zu einem der angeblich ganz wenigen Verdachtsfälle auf der Liste des BKA und der Bundesanwaltschaft geworden sein könnte.

Mann, ist das ein lächerliches Schauspiel, was BKA und Bundesinnenministerium da liefern. Passt aber von der Qualität zu ihrer bisherigen Arbeit. Beispielsweise zu ihren Ermittlungen gegen den Dr. Andrej H. und dergleichen.

Wie schreibe ich so oft als Kurz-Kommentar in meinen Bookmarks bei Simpy.com: Wir werden von Chaoten regiert.

Nachtrag: Ben hat in seinem Weblog "Elementarteile" auch noch 'nen lesenwerten Kommentar zu diesem ganzen Bundes-Schnüffel-Häckmäck: Niemand hat die Absicht....

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Bundestrojaner: Weitere Ungereimtheiten bei Antworten vom Bundesinnenministerium

Schon gestern gab es ja einige Reaktionen in einzelnen Weblogs auf die öffentlich gewordenen Antworten des Bundesinnenministeriums auf Anfragen der SPD-Fraktion und des Bundesjustizministeriums hinsichtlich des von Schäuble geplanten "Bundestrojaners" (siehe dazu mein gestriger Weblog-Eintrag "Antworten auf SPD-Fragen: Bundestrojaner weiterhin unsicher, Schäuble weiterhin gefährlich"). Kai Raven hat nun noch einmal genauer hingeschaut und weitere Ungereimtheiten gefunden: Die BMI Antworten zur "Online-Durchsuchung" an die SPD. Zum Beispiel:

  • Trotz mancher rhetorischer Kniffe (zum Beispiel wahlweise, je nachdem wie es gerade argumentativ passt, die heimliche Onlinedurchsuchung entweder als Pendant zur normalen Hausdurchsuchung darzustellen oder gerade nicht als Pendant darzustellen), wird deutlich, dass die Online-Durchsuchung sehr wohl Daten erhebt, die zum grundgesetzlich geschützten Kerbereich der persönlichen Lebensgestaltung gehören.
  • Deswegen wird wohl der Einsatz eines Richters nötig sein, der den Datenwust anschließend sichtet. Nur ist dadurch der Schutz der Privatsphäre gesichert? Kann man Dinge noch als "privat" bezeichnen, die schon durch Richterhände gingen?
  • Bezweifelt werden muss auch, dass die Strafverfolger kein Interesse an Liebesbriefen, Tagebüchern oder ähnlichem hätten, wie vom Bundesinnenministerium behauptet. Wird doch zugleich dargestellt, dass zur Vorbereitung der Online-Durchsuchung eine umfangreiche Analyse der Lebensgewohnheiten und der Kontaktpersonen gehören soll.
  • Hinsichtlich der Frage danach, ob die zur Online-Überwachung eingesetzte Software nicht selbst missbraucht, von Kriminellen eingesetzt oder die IT-Sicherheit sonst wie gefährden würde, findet man in den Antworten des Bundesinnenministeriums nur unglaubwürdige und vage Antworten.
Der entscheidende Punkt ist und bleibt: Mit dem bestehenden Grundgesetz wäre die vom Bundesinnenministerium angedachte Online-Durchsuchung nicht vereinbar. Die Antworten aus dem Bundesinnenministerium versuchen zwar mit rhetorischen Kniffen den Zugriff auf die Computerdaten als ganz normal und innerhalb der bestehenden Rechtsordnung möglich darzustellen, aber bei genauerem Hinsehen bleibt es schlicht und einfach dabei, dass dort heimlich und unkontrolliert umfangreiche Daten von Bürgern durchwühlt werden, die zum Kernbereich der Privatsphäre gehören. Wenn das Bundesinnenministerium es schaffen sollte, durch schlichte Umformulierungen und "Neusprech" die Onlinedurchsuchung der SPD schmackhaft zu machen, dann würden Begriffe wie "Privatsphäre", "Informationelle Selbstbestimmung" und "Unverletzlichkeit der Wohnung" gänzlich zu leeren Worthülsen werden.

Wie formuliert es Kai Raven passend:

Das BMI und das BKA kann bei verdeckten Online-Durchsuchungen mit einer Software, die mehr oder weniger grob und automatisch Daten sichtet und erfasst oder auf der Tastatur eingetippte Texte abgreift, nicht garantieren, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und schon gar nicht, dass nicht in den Kernbereich des Privaten eingegriffen wird. Die Online-Durchsuchung würde mehr als Regel- denn als Ausnahmefall immer gegen die Wahrung dieser Grundrechte verstoßen (müssen). (Quelle: Rabenhorst)


Ich denke, das Bundesinnenministerium weiß, dass sie die Online-Durchsuchung letztlich nicht schönreden kann. Es bleibt dabei, dass sie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Deshalb auch die Rede von Schäuble, dass man mit der bisherigen Rechtsordnung Terroristen angeblich nicht angemessen bekämpfen könne und die jetzige Rechtsordnung deshalb geändert werden müsse (siehe dazu mein oben erwähnter gestriger Weblog-Eintrag oder auch den älteren Eintrag "Chaoten im Anzug: Der Schäuble-Geist"). Und noch einmal diesbezüglich mein Hinweis: Schäuble spricht ganz bewusst von der Rechtsordnung als ganzer und nicht von einzelnen Gesetzen oder gar Details, die man verändern müsste im Grundgesetz. Die besondere Behandlung von Verdächtigen, sei es die umfassende Verletzung des geschützten Kernbereichs ihrer Privatsphäre, seien es langfristige Internierungen (Stichwort "Guantanamo") oder gar Tötungen auf Verdacht sind alle nicht etwa deshalb nicht möglich, weil im Grundgesetz einige Details fehlen, sondern weil sie dem gesamten Geist und Sinn des Grundgesetzes diametral entgegenlaufen. Es bräuchte meiner Einschätzung nach also wirklich einer Veränderung der gesamten Rechtsordnung, um den Bundestrojaner auf gesetzeskonforme Weise Realität werden zu lassen. Die Antworten des Bundesinnenministeriums auf die Fragen der SPD offenbaren, dass der Bundestrojaner technisch nicht in der Lage ist, die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und wohl auch von sich aus nie dazu in der Lage sein wird.

Sowohl das Konzept einer Online-Durchsuchung als auch die Vorstellung, manche Verdächtige (Terror-Verdächtige, Mafia-Verdächtige, Kinderpornographie-Verdächtige) anders zu behandeln als "normale" Verdächtige, haben einen großen Denkfehler: Diese Konzepte sind nicht vereinbar mit der bestehenden Realität. Die Online-Durchsuchung kann technisch niemals so realisiert werden, dass sie rechtsstaatlich funktioniert, weil die derzeitige Natur der Informationstechnologie dies unmöglich macht. Die besondere Behandlung ausgewählter Verdächtiger kann so niemals realisiert werden, weil die derzeitige Natur unseres Grundgesetzes dies unmöglich macht.

Und die Online-Durchsuchung kann niemals so realisiert werden, dass einigermaßen ausgefuchste Terroristen ihr nicht ohne größere Probleme und ohne größeren Aufwand dennoch ausweichen können. Wie schon in meinem ersten Weblog-Artikel zu diesem Thema vor gut einem dreiviertel Jahr vermutet, bleibt es meiner Meinung nach dabei, dass Opfer einer derartigen Online-Durchsuchung eher unbedarfte Kleinkriminelle oder eben zu Unrecht Verdächtigte werden dürften, die Windows verwenden, die E-mail-Anhänge öffnen ohne beim Absender nachzufragen und mit aktiviertem Java, Javascript und Active-X sich auf Webseiten des Bundesinnenministeriums herumtreiben. Das macht das Vorhaben einer Online-Durchsuchung für kompetente Computernutzer vielleicht lächerlich, aber leider nicht weniger gefährlich. Denn auch inkompetente Computernutzer haben ein Recht auf Wahrung ihrer Grundrechte.

Spannend wird, wie es jetzt weiter geht. Werden die Ausflüchte des Bundesinnenministeriums bezüglich der technischen Mängel des Bundestrojaners wohlwollend von der SPD oder später gar vom Bundesverfassungsgericht übersehen werden? Oder wird der Bundestrojaner nun zu Grabe getragen? Oder erleben wir in den nächsten Wochen eine Neuauflage der Schäubleschen Forderungen nach einer grundlegenden Änderung unserer Rechtsordnung?

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Dienstag, 28. August 2007

Diplomaten müssen vorerst auf ePässe verzichten

Heise.de berichtet (Hervorhebungen von mir):

Mit der Frage, wie es um die neuen eAusweise bestellt ist, beschäftigt sich die Sommerakademie seit vielen Jahren. ULD-Mitarbeiter Martin Meints zeigte mit seiner Untersuchung des Sicherheitskonzeptes des ePasses, das nach wie vor gravierende Lücken bestehen. [...] Meints wies darauf hin, dass deutsche Diplomatenpässe ohne RFID-Chip ausgestellt werden, was mit der besonderen Gefährdungslage der Diplomaten begründet wird. (Quelle: Heise.de)


Ach, und ich dachte, die RFID-Chips in den Pässen sollen die Sicherheit für den Passbesitzer erhöhen? So von wegen, dass seine Daten dank RFID-Chip angeblich schlechter zu kopieren und zu fälschen seien und so schlechter jemand anderes die eigene Identität übernehmen kann. Und jetzt müssen die gerade besonders gefährdeten Diplomaten auf dieses tolle "Sicherheitsfeature" verzichten? Äußerst seltsam.

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Antworten auf SPD-Fragen: Bundestrojaner weiterhin unsicher, Schäuble weiterhin gefährlich

Netzpolitik.org präsentiert zwei PDF-Dateien, die bislang anscheinend nicht der Öffentlichkeit bekannt waren. Nämlich die Antworten des Bundesinnenministeriums auf die Anfragen der SPD-Fraktion und auf die Anfragen des Bundesjustizministeriums in Bezug auf den geplanten "Bundestrojaner". Wer diese beiden umfangreichen PDF-Dateien nicht lesen möchte, dem sei eine Zusammenfassung des Inhaltes bei Rabenhorst empfohlen. Kai Raven weist dort auch auf einige Ungereimtheiten in den Antworten hin.

Zu einem kurzen, präzisen Knock-Out-Schlag setzt hingegen Fefe an bei seiner Kritik an den Antworten aus dem Bundesinnenministerium. Fefe zerfetzt die Antworten des Innenministeriums und zerstört damit die Glaubwürdigkeit von Schäuble und seinen untergebenen "Experten" mit einem einzigen Satz:

Insofern nahm ich mit Belustigung zur Kenntnis, daß das BMI denkt, sie könnten ihre Malware kryptographisch vor Reverse Engineering schützen: "Diese Analyse der RFS (Disassembling) wird jedoch durch die Verwendung kryptographischer Methoden nahezu unmöglich gemacht." An dieser Stelle hätte man nicht tiefer ins Klo greifen können. Dieser eine Satz reicht, um ihnen sämtliche auch nur in Resten von Fetzen vorhandene Sachkenntnis pauschal abzusprechen. Das ist so grotesk falsch, daß man sich ab dieser Stelle gar nicht mehr inhaltlich mit ihrem Geschreibsel beschäftigen muß [...]. (Quelle: Fefes Blog)


Ein weiterer dicker Einwand gegen die laut Bundesinnenministerium angeblich kaum vorhandene Gefahr, dass der Bundestrojaner entdeckt werden könnte, ist schlicht die Tatsache, dass die Bundes-Schadsoftware die gesammelten Daten irgendwann auch wieder zu den Schnüfflern zurücksenden muss. Dieser Netzwerkverkehr könnte vom Ausgeschnüffelten entdeckt werden. Auch darauf verweist Fefe und beispielsweise auch Verstecken.net.

Heise.de berichtete schon am 24.8.07 teilweise von den Antworten des Bundesinnenministeriums auf die Fragen der SPD zum Bundestrojaner in einem ausführlichen Hintergrundbericht. Dabei fiel mir noch folgende seltsame Äußerung des Bundesinnenministeriums auf:

Einig sei man sich jedenfalls darüber, "dass kein Interesse daran besteht, 'Hintertüren' in Betriebs- und Anwendungssysteme einzubauen". Solche absichtlich in Soft- und Hardware eingefügten Schwachstellen hätten nicht nur für die IT-Sicherheit, "sondern auch für die deutsche IT-Wirtschaft fatale Konsequenzen". Die Annahme der SPD-Fraktion, man sei auf ein "unsicheres" Netz für Online-Razzien angewiesen, sei "daher unzutreffend". (Quelle: Heise.de)


Was anderes als eine "Hintertür" ist ein Bundestrojaner? Will man diese Aussage so verstehen, dass das Bundesinnenministerium keine neuen Schwachstellen in Hard- und Software extra erzeugen oder in Auftrag geben lassen will, um den Bundestrojaner installieren zu können, so muss man dazu schlicht sagen: Das wäre auch gar nicht nötig. Es gibt einen Markt mit fertig ausgearbeiteten und erforschten aber den Softwareherstellern noch nicht mitgeteilten Sicherheitslücken, auf dem sich das Bundesinnenministerium nur zu bedienen bräuchte. Das Neuschaffen neuer Sicherheits-Schwachstellen wäre also von Seiten der Sicherheitsbehörden gar nicht nötig. Sehr schlau also geantwortet vom Bundesinnenministerium.

Der Bundestrojaner baut also sehr wohl auf ein unsicheres System auf. Alleine die Tatsache, dass das Beschnüffelungs-Opfer den Bundestrojaner nicht bemerkt, zeigt, dass sein Computersystem unsicher ist. Wir haben also weiterhin ein Bundesinnenministerium, das aktiv Schwachstellen von Computersystemen ausnutzen will und auf der anderen Seite eine dem Innenministeirum unterstellte Behörde namens BSI, die angeblich die Schwachstellen in Computersystemen bekämpfen will. Somit bleibt es bei einem unlösbaren Konflikt zwischen Innenministeirum und BSI. Die logische Folgerung kann nur sein, dass das BSI seine derzeitige Arbeit in der heutigen Form beenden müsste, denn kein Bürger würde wohl mehr Sicherheitszertifikaten oder Ratschlägen dieser Behörden Glauben schenken nach Einführung des Bundestrojaners.

Auch hinsichtlich der Frage, ob eine Online-Durchsuchung nicht zwangsläufig den Kernbereich der Privatsphäre des Ausgeschnüffelten verletzt, wirft das Innenministerium laut dieses Heise-Artikels mit Nebelkerzen. So behauptet es weiterhin, allein durch die Verwendung von bestimmten Suchbegriffen nur Informationen von der Festplatte des infizierten Rechners zu erfassen, die nicht zur Privatsphäre des Betroffenen gehören. Wie unsinnig dies ist, führt Kai Raven anschaulich vor Augen.

Auch dieser Satz lässt bei mir kein Gefühl von Sicherheit aufkommen:

Es baut ferner darauf, dass "durch entsprechende Vorfeldermittlungen" oftmals Suchbegriffe bekannt werden, anhand derer auf dem Zielsystem verfassungsgemäß gesucht werden könne. (Quelle: Heise.de)


Klar, wie beispielsweise solche Suchbegriffe wie "Gentrifizierung" oder "Prekarisierung". Da schnappt man nur Terroristen mit.

Neben den weiterhin und sogar zunehmend offenbar werdenden technischen Unzulänglichkeiten der geplanten Online-Durchsuchung (der sich etwas schlauere Terroristen übrigens trotz des ganzen Aufwandes vermutlich recht leicht entziehen werden können) machen mir aber vor allem Schäubles politische Ansichten die meisten Sorgen. Dieser Mann äußert immer wieder ganz unverfroren, dass er den bisherigen Rechtsstaat grundlegend verändern will. Jüngst wieder in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:

Es ist eben so - und das wird von keinem ernst zu nehmenden im In- und Ausland bestritten -, die Rechtsordnung, die hergebrachte Rechtsordnung passt auf die klassische Unterscheidung nicht mehr mit der asymmetrischen Kriegsführung und den terroristischen Bedrohungen. (Quelle: Dradio.de)


Schäuble ist und bleibt gefährlicher als die Online-Durchsuchung. Vor der Online-Durchsuchung kann man sich notfalls schützen. Für Firmen wird es schwierig, zugegeben. Aber besorgte Privatpersonen schaffen sich einfach einen Zweitrechner an, den sie niemals ans Internet anschließen und auf dem Dokumente nur in verschlüsseltem Zustand Eingang und Ausgang finden. Aber Schäuble und seinem und der Union Ansinnen, die derzeitige Rechtsordnung zu ändern, steht man als normaler Bürger fast machtlos gegenüber - vor allem, wenn die SPD, wie zu erwarten, bald ihren Widerstand gegen Schäuble aufgeben wird.

Nachtrag: Interessante Erläuterungen zum Thema gibt es auch im Antiterror.Blog zu lesen: Fragen ohne Antworten.

Zum Beispiel:

Bei Fragen zur Technik kommen Antworten, die mich an dem Sachverstand des Autors zweifeln lassen [...]. Damit dürfte der "Bundestrojaner" die erste Software in der Geschichte der Softwareentwicklung sein, die von Anfang an praktisch frei von Fehlern und unerwünschten Nebeneffekten ist. [...] Wie man mit "kryptographischen Methoden" die Analyse "nahezu unmöglich" macht, kann ich mir nicht vorstellen. Denn spätestens kurz vor seiner Ausführung durch den Prozessor muss das Programm ja entschlüsselt im Speicher stehen. Zumindest mit einem virtualisierten System sollte daher eine solche Analyse möglich sein. (Quelle: Antiterror.blog.de)


Nachtrag 2: Heise.de bestätigt inzwischen indirekt die Authentizität der oben erwähnten, bei Netzpolitik.org verlinkten, PDF-Dateien und berichtet über die Einschätzung professioneller Datenschützer bezüglich der öffentlich gewordenen Antworten des Bundesinnenministeriums zum Bundestrojaner: Datenschutz-Sommerakademie: Schutz und Trutz vor der Online- Durchsuchung.

Nachtrag 3: Weitere Analysen und Kommentare in einem neueren Weblog-Eintrag von mir: Weitere Ungereimtheiten bei Antworten vom Bundesinnenministerium.

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Montag, 27. August 2007

Das Parlament ist derzeit eigentlich überflüssig

Rechtsanwalt J. Melchior zeigt in seinem Weblog, dass Unions-Politiker auf direkte und persönliche Anfragen potenzieller Wähler gerne nur mit vorgefertigten Textbausteinen aus der CDU-Zentrale antworten.

Was das zu bedeuten hat? Dass die Abgeordneten eventuell faul oder inkompetent sind? Vielleicht. Eines zeigt dieses Verhalten der Abgeordneten aber mit Sicherheit: Dass der Wähler für einen Abgeordneten eher unwichtig ist. Der Abgeordnete muss sich nicht gegenüber seinem Wähler profilieren, vor allem, wenn er auf der Wahlliste der Partei steht. Anders lässt sich nicht erklären, dass viele Abgeordneten die Chance auslassen, sich öffentlich im Internet-Portal Abgeordnetenwatch.de gegenüber dem Wähler als arbeitssam, informiert und sorgend darzustellen. Stattdessen outen diese Abgeordneten sich in peinlicher weise als uninteressiert.

Das derzeitige politische System in Deutschland läuft eigentlich auf Folgendes hinaus: In Deutschland wird nicht der einzelne Abgeordnete gewählt, sondern die Partei. Der Abgeordnete ist nur ein symbolischer Platzhalter. Eigentlich könnte man ihn abschaffen und bei jeder Wahl auch formal nur noch direkt die Partei als Ganzes zur Wahl stellen lassen. Die Prozentwerte würden dann nicht mehr auf eine Anzahl von Abgeordneten umgerechnet werden, die für die Partei im Parlament sitzen. Stattdessen flössen die Prozentwerte der Wahlergebnisse als abstrakte Gewichtung der Macht der Partei direkt ein bei der Regierungsbildung oder der Verabschiedung von Gesetzen. Als Personal würden dann neben der Regierung nur noch leitende Parteigremien benötigt, die in dem Ding, das man vormals Parlament nannte, auf Grundlage ihrer jeweiligen Parteiprogramme entscheiden, wie sie sich bei aktuellen Abstimmungen dort verhalten.

Das ganze Spiel mit den Abgeordneten ist in Deutschland doch - überspitzt formuliert - derzeit überflüssig. Es genügt halt nicht, nur die Hälfte der Abgeordneten direkt wählen zu lassen. Denn ihr Einfluss auf die Politik bleibt derzeit begrenzt. Gelten doch Parteidisziplin (vielleicht bekommen sie ja später einen sichereren Listenplatz...) und Fraktionszwang in Deutschland als wichtiger, als sich als Abgeordneter direkt vor den Wählern zu profilieren. Denn kommt der Abgeordnete in der eigenen Partie nicht an, hilft ihm auch der beste Ruf bei den Wählern nichts.

Es mag Parteien geben, die Mitglieder hoch schätzen, die als mögliche Abgeordnete bei ihren Wählern gut ankommen. Aber wenn dieser Abgeordnete in der Partei allzuviel Wirbel veranstaltet, ist es auch nicht schwer, ihn innerparteilich kalt zu stellen. Und der Wähler schaut dabei als Unbeteiligter von draußen zu.

Bleibt die Möglichkeit, einer Partei beizutreten und sie so von innen politisch zu beeinflussen. Aber warum gibt man diese Möglichkeit der politischen Einflussnahme nicht schlicht und einfach direkt dem Wähler, indem man die einzelnen Abgeordneten auch real verantwortlicher macht für ihr Abstimmungsverhalten und indem man wichtige politische Entscheidungen mittels direkter Volksabstimmungen bestimmen lässt? So wie es jetzt ist, können die einzelnen Parteien und ihre Entscheidungen vom Wähler kaum zur Verantwortung gezogen werden, denn eine von den vier, fünf Parteien muss man ja wählen - also wählt man immer das kleinere Übel. Also selbst wenn alle Parteien beispielsweise eigentlich eine Schwelle überschritten hätten, ab der man sie persönlich nicht mehr als wählbar ansieht, müsste man dennoch eine davon wählen, eben das kleinste Übel. Oder man verschenkt seine Stimme und wählt irgendeine Partei, die niemals über die 5%-Hürde kommt.

Oftmals sind es ja aber gar nicht einzelne, komplexe Parteiprogramme, die man als Wähler wählen möchte, sondern es sind einzelne Fragen, die für einen ganz besonders wichtig sind. Gäbe es mehr direkte Demokratie oder würden die einzelnen Abgeordneten einen stärkeren Einfluss im Parlament haben, könnte man diese einzelnen Fragen ganz unabhängig von der Parteilinie diskutieren und nach Lösungen suchen. Heute jedoch werden teilweise vorhandene und mögliche Lösungen politischer Probleme oftmals alleine deshalb nicht realisiert, weil sie Teil des Programms der Konkurrenz-Partei sind.

Mich wundert es nicht, wenn bei diesem Getue sich immer mehr Deutsche frustriert abwenden von der Politik. Sie werden sich im Alltag nur ungern mit politischen Fragestellungen beschäftigen, da sie eh keinen Einfluss besitzen. Vielleicht machen sie noch ihr Kreuz bei den Wahlen, aber nicht eigentlich interessiert am Geschehen. Mit der Folge, dass die Parteien noch ungestörter als bislang machen können, was sie wollen. Es ist also ein System eines wachsenden Verlustes der Kontrolle der Politik durch den Bürger. Der "Spiegelfechter" hat einmal zusammengestellt, wie die Folge dieses Kontrollverlustes aussieht: Simulacrum.

Die Lobbyisten freut diese abnehmende Kontrolle der Wähler auf die Politik natürlich. Es hängt eben alles miteinander zusammen, was derzeit in Deutschland politisch passiert: Korruption der Abgeordneten (die so nicht als Korruption bezeichnet wird, sondern als "Nebenverdienst" oder als "Ohr am Puls der Wirtschaft"), Lobbyismus, Hartz IV, Populismus (Terrorangst verbreiten, Propagierung von Pseudolösungen wie Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Killerspielbekämpfung) und der Abbau von Grundrechten vor allem derzeit beim Datenschutz, sowie die durchorganisierte und bewusste Unterfinanzierung des Bildungs- und Justizwesens.

Verliert der Wähler den kontrollierenden Einfluss, können Politiker ungestraft ein verzerrtes Bild der Realität zeichnen und gewinnen Gruppen, die auch jenseits des Wahlzettels Einflussmöglichkeiten haben, an Macht. Es sind hierzu gar keine finsteren, verschwörerisch tätigen Gruppen nötig. Und als Lösung sind auch keine umfassenden, weltanschaulichen politischen Konzepte nötig (Kommunismus und so weiter). Das Problem liegt in Details, aber eben wichtigen Details, im derzeitigen politischen System selbst begründet. Änderungen wären machbar ohne Revolution. Wir brauchen kein neues politisches System, sondern "nur" entscheidende Verbesserungen des bestehenden Systems, die den Wählerwillen mehr und direkter einbinden und politisch Verantwortliche greifbarer machen, zum Beispiel durch ein Verbot des Fraktionszwanges, durch direkte Wahl aller Abgeordneten ohne Parteilisten, durch die Einführung von mehr Volksentscheiden, durch mehr Transparenz von Behördenwissen und Behördentätigkeiten gegenüber dem Bürger.

Und ich prophezeie: Sobald der Wähler direkteren Einfluss hat, werden populistische Lösungen (im Sinne von Lösungen, die zu viel versprechen) weniger Chancen haben, weil dann nämlich das Interesse an Politik allgemein wachsen wird und die daraus entstehenden engagierten, öffentlichen Diskussionen die Unausgereiftheit von populistischen Lösungen schnell offenbaren werden, beziehungsweise Politiker, die zuvor zu viel versprochen haben, abgestraft werden. Was natürlich auch zunehmen würde, wäre der politische Streit - vermutlich jedoch eher ein sachlicher Streit um konkrete Lösungsvorschläge. Politik würde für den Bürger ein anderes Gesicht bekommen. Es wäre nicht mehr wie jetzt so stark eine Bühne der Eitelkeiten, auf die man belustigt und befremdet starrt, sondern Politik würde eher zu einer alltäglichen Pflicht werden, in die man sich eindenken muss, um nächste Woche nicht völlig ahnungslos vor dem Wahlzettel zu stehen, auf dem beispielsweise gefragt werden könnte, ob die Bahn nun privatisiert werden soll oder nicht.

Ähnliches zum Thema hier im Weblog: Das Internet als Bedrohung für die Parteiendemokratie

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Hartz IV und Ernährung: Hasst die große Koalition Kinder?

Was für ein Ziel verfolgt die Politik eigentlich, Kinder aus Hartz-IV-Familien hungern zu lassen, beziehungsweise ungesund ernähren zu lassen? Das geschieht ja nicht aus Versehen. Das Problem ist ja bekannt. Mehr dazu beispielsweise in diesem Artikel des Tagesspiegels (via NachDenkSeiten.de) über die Ergebnisse einer Studie zur Kinderernährung:

Der Gesetzgeber veranschlagt für Nahrung und Getränke bei 14- bis 18-Jährigen 3,42 Euro pro Tag. Selbst wer nur beim Discounter kauft, muss jedoch im Schnitt 4,68 Euro täglich bezahlen, um den Appetit eines Teenagers mit ausgewogener Kost zu stillen, schreiben die Autorinnen der Studie, Mathilde Kersting und Kerstin Clausen. (Quelle: Tagesspiegel.de)


Lösungen wären möglich. Wenn man nicht den Eltern mehr Geld geben will, könnte man ja die betroffenen Kinder auch direkt mit Lebensmitteln versorgen, beispielsweise durch kostenlose Schulspeisungen. Kosten sparen kann auch nicht der Grund sein, warum man Kinder in Deutschland hungern lässt. Die Schäden durch Mangelernährung können bekanntlich ein Leben lang nachwirken mit gesundheitlichen Folgen oder auch dem Abfall schulischer Leistungsfähigkeit. Diese Folgen kämen dem Staat sicherlich um ein Vielfaches teurer als das Geld, was man mehr ausgeben müsste, um eine gesunde Ernährung der Kinder zu gewährleisten.

Was also steckt dahinter? Der einzige Grund, der mir einfällt: Hass. Hat jemand 'ne andere Erklärung?

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