Samstag, 24. März 2007

WDR betreibt Foltern für die "Forschung"

Ich sehe gerade eine Wiederholung der Wissenschaftssendung "Nano" von 3Sat. Normalerweise zeichnet sich diese Sendung als eine der wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen dadurch aus, dass die Beiträge seriös sind. Nicht so die gerade laufende Ausgabe. In ihr wird ein anscheinend vom WDR übernommener Beitrag gezeigt, den ich absolut skandalös finde:

Inszenierte UnfallszeneUm das bekannte und weit verbreitete Phänomen und Problem der unterlassenen Hilfeleistung zu veranschaulichen, inszenierte der WDR einen Unfall. Ein Fahrzeug liegt zertrümmert und auf der Seite am Rand einer schmalen, im Wald verlaufenden Landstraße. Unter dem Fahrzeug liegt bewegungslos ein blutverschmierter Mensch. Siehe nebenstehenden Screenshot aus dem TV-Beitrag. Mit einem Klick auf das Bild kommt man zu einer größeren Version des Screenshots.

Der WDR führt mit diesem Beitrag das der Psychologie schon lange bekannte Phänomen vor, dass viele Autofahrer (gut die Hälfte) am Unfallort vorbeifährt und nicht hilft. Die andere Hälfte der Autofahrer legt eine Vollbremsung hin und eilt schockiert zum vermeintlichen Unfallort und steht erst einmal kurz fassungslos auf der Stelle.

Ich möchte hier betonen, dass ein Ethikrat einer deutschen Universität solch eine Inszenierung für wissenschaftliche Zwecke vermutlich niemals erlaubt hätte. Der WDR-Beitrag schockiert hier nicht nur unnötigerweise die beteiligten Autofahrer, setzt sie gar durch die Nötigung zu einer Vollbremsung einer realen Gefahr aus, sondern der Beitrag verunglimpft auch die Psychologie. Muss der Zuschauer doch annehmen, dass Psychologen ähnlich brutale Methoden anwenden würden, um zu ihren Forschungsergebnissen zu gelangen.

Außerdem ist diese Inszenierung völlig überflüssig. Neue wissenschaftliche Erkenntnissen sind durch sie nicht zu gewinnen und den bekannten Sachverhalt hätte man dem Zuschauer auch anders beibringen können. Auch das von den Machern des Beitrags durchgeführte Verfolgen und inquisitorische Befragen von Autofahrern, die am vermeintlichen Unfallort vorbeigefahren waren, ihr peinliches Vorführen vor einem möglicherweise Millionenpublikum hätte man sich sparen können. Es ist eben so, dass solch eine Unfallsituation für viele eine Überforderung darstellt. Moralingetränkte Fragen helfen hier nicht, sondern konkrete Anweisungen und Tipps, wie jeder einzelne sich verhalten sollte, kommt er an solch einen Unfallort. Genau diese Tipps fehlten jedoch im WDR-Beitrag.

Fazit: Ein ekelhafter, Effekt heischender Beitrag, der die beteiligten Personen emotionalem Stress und realen, gesundheitlichen Gefahren aussetzte. Öffentlich-rechtlicher Rundfunkscheiß in Reinform.

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Unseriöse Verkaufsgespräche rund um den Bundestrojaner

Kurzes Vorwort, das nichts mit dem eigentlichen Inhalt dieses Artikels hier zu tun hat: Hallo liebe Besucher vom Beautyjunkies-Forum, die ihr seit dem 18.04. zu Hunderten diesen Weblog-Eintrag hier via Google-Cache aufruft! Ich weiß zwar nicht, was ihr an den Begriffen "Sesamstraße" und "Trenchcoat" so spannend findet und warum ihr diesen Weblog-Eintrag hier nur über den Google-Cache aufruft, aber seid willkommen. Ihr könnt diesen Weblog-Eintrag übrigens auch direkt aufrufen - ohne über den Google-Cache zu gehen - und zwar über diesen Link. Aber wenn euch der Google-Cache besser gefällt, ist das natürlich auch ok. Inhaltlich unterscheidet sich der Google-Cache übrigens nicht von dem eigentlichen Weblog-Artikel. Viel Spaß dann noch und immer ein gutes Make-up!


Screenshot aus Sesamstraße: Ernie und SchlemihlJetzt gibt es auch einmal eine Geschichte aus der Kindheit von mir. Das gehört sich so für ein Weblog.

Früher, in den Zeiten als es noch keine Privatsender in Deutschland gab, war ich - wie vermutlich jedes Kind damals - großer Fan der Sesamstraße. Eine Figur hatte es mir besonders angetan. In der heutigen Sesamstraße gibt es sie nicht mehr. Und zwar auf dem nebenstehenden Screenshot dieser grüne, mit einem Trenchcoat und Schlapphut bekleidete Typ, der ständig Ernie irgendwelche unnützen Sachen (zum Beispiel ein gelbes "O") verkaufen wollte. "Schlemihl" hieß er in der deutschen Sesamstraße wohl (obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass sein Name jemals genannt wurde) und im US-amerikanischen Original nannte man ihn "Lefty".

Ich liebte die Figur wegen der genau vorstrukturierten und vorhersehbaren Dialoge mit Ernie, die immer so anfingen:

Schlemihl sieht Ernie und ruft leise mit unterdrückter Stimme: "Hey Du!"
Ernie, überrascht, ruft laut zurück: "Wer ich?!"
Schlemihl nervös: "Psssssst!" Und nachdem er vorsichtig um sich geguckt hat: "Genaaaauuu!"
Ernie wieder laut: "Was ist denn?!"
Schlemihl: "Psssssst! Nicht so laut!"
Ernie wiederholt, dieses Mal flüsternd: "Was ist denn?"

Dann zieht Schlemihl irgendwas halb aus seinem Trenchcoat und zeigt es Ernie und preist es als etwas ganz Besonderes und Wertvolles an, das Ernie unbedingt haben und kaufen müsse und Ernie geht zunächst drauf ein, zeigt sich interessiert, fällt am Ende aber natürlich nicht auf das Angebot rein oder Krümelmonster kommt vorbei und frisst den angebotenen Gegenstand auf. Oder so. Meine Erinnerung hat hier Lücken.

Ja, und warum erzähle ich das alles?

Weil wir so einen Ernie oder so ein Krümelmonster heute gut gebrauchen könnten. Nicht unbedingt in der Sesamstraße, sondern in der Politik oder zumindest in den Medien. Den Schlemihl, den gibt es nämlich doch noch. Wenn auch nicht mehr in der Sesamstraße, so doch in der Politik. Schlemihl hört heute auf viele Namen. Zum Beispiel Schäuble, Beckstein, Wiefelspütz, BKA-Chef Ziercke, BND, Verfassungsschutz und so weiter und sein gelbes "O" sind derzeit schicke, neue Überwachungsmaßnahmen und Überwachungsbefugnisse, die er dem deutschen Volk als unbedingt nötig verkaufen möchte.

Genau wie beim Sesamstraßen-Schlemihl lässt auch bei den Politik-Schlemihls die Art ihres Verkaufsgesprächs ahnen, dass hier etwas nicht ganz koscher ist: So beginnen unsere Politik-Schlemihls das Verkaufsgespräch mit einer jammernden Forderung, dass die Sicherheitsbehörden unbedingt schnell neue Gesetze bräuchten, damit sie endlich auch sogenannte Onlinedurchsuchungen (zum Beispiel mittels eines "Bundestrojaners") durchführen dürften. Und was liest man jetzt aktuell bei Heise.de? Dass das Bundesinnenministerium plötzlich behauptet, dass neben dem Verfassungsschutz auch Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst längst schon Onlinedurchsuchungen durchführen dürften. Wie sie es machen, wann sie es machen, bei wem sie es machen, wie häufig sie es machen, wem sie davon erzählen und ob sie es überhaupt machen, bleibt geheim.

"Pssssst! Hey Du! Ich hab hier was im Trenchcoat, das du unbedingt brauchst, aber ich kann es dir nur halb zeigen, weil es so geheim ist. Aber vertrau mir, du brauchst es. Und soll ich dir noch etwas verraten? Du hast es längst, setzt es nur noch nicht überall ein! Woher ich das Zeug hab? Ob es legal ist? Ach, nicht so wichtig! Es ist nützlich, das zählt. Aber lass dich trotzdem lieber nicht erwischen!"

...

Man könnte ja darüber streiten, ob es tatsächlich wahr ist, dass die Geheimdienste bereits legal solche Mittel wie die Onlinedurchsuchung durchführen dürfen. Kai Raven beschäftigt sich mit dieser Frage in seinem Weblog Rabenhorst.

Man muss sich aber auf jeden Fall darüber streiten, ob das mächtige Mittel einer verdeckten Onlinedurchsuchung nicht im Gegenzug einer verstärkten Kontrolle der Geheimdienste von außen bedarf. Dass die Kontrolle der Geheimdienste mangelhaft ist und diese eben weder fehlerfrei handeln noch von vornherein als vertrauenswürdig angesehen werden dürfen, zeigt ja wohl in aller Deutlichkeit gerade der BND-Untersuchungsausschuss. Und wenn schon das Fehlverhalten einzelner Sicherheitsbehörden bei wenigen Fällen wie zum Beispiel dem Fall Kurnaz einem Untersuchungsausschuss derart viel Arbeit macht, was kann dann nicht alles am parlamentarischen Kontrollgremium vorbei von den Geheimdiensten an Murks gebaut werden? An demokratiegefährdendem Murks. An Bürgerrechte verletzendem Murks. Denn die Geheimdienste hatten bekanntlich vor dem Einsetzen des BND-Untersuchungsausschusses das parlamentarische Kontrollgremium schlicht falsch und unzureichend informiert. Kontrolle sieht anders aus.

Ich warne also davor, das gelbe "O" einfach so zu kaufen und sich zu sagen: Der Schäuble und die Sicherheitsbehörden werden schon Recht haben und Geheimdiensten könne man einfach blindlings vertrauen, die würden schon keinen Mist bauen.

Geheimdienste mit weitreichenden Befugnissen, ohne ihrerseits einer effizienten Kontrolle zu unterliegen, können zu einer Gefahr werden. Dazu braucht es nicht einmal irgendwelcher böser Absichten auf Seiten der Geheimdienste. Diese Damen und Herren handeln wahrscheinlich sogar nach bestem Gewissen. Aber das bewahrt sie nicht vor schlimmen Fehlern. An den eigenen Haaren können sich solche Apparate dann nicht aus dem Dreck ziehen, sondern dazu bedarf es einer äußeren, unabhängigen Kontrolle. Und je mächtiger die Mittel der Geheimdienste sind, desto mächtiger muss auch ihre Kontrolle aussehen. Und an dieser Kontrolle mangelt es schon heute. Wie sehr dann erst, wenn sie auch unbemerkt das ausgelagerte Gehirn einiger oder gar vieler Bürger, sprich Computerfestplatten, durchsuchen dürfen?

Weitere Analysen des unseriösen Gebahrens der Fans von mehr Überwachung in einem Weblog-Eintrag von vorgestern von mir.

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Freitag, 23. März 2007

Sigmar Gabriel im Freigehege

Ausgestopfter Eisbär mit gefletschten ZähnenBundesumweltminister Sigmar Gabriel verzichtete heute auf die Teilnahme an der Parlamentssitzung im Bundestag und stellte sich in Begleitung eines kleinen Eisbären namens Knut stattdessen in einem Zoo in ein Freigehege. 500 Journalisten und TV-Kameras aus aller Welt verfolgten den bedeutenden Auftritt von Knut und Gabriel. Ist ja auch wirklich süß anzuschauen, unser Sigmar. Nur der Sender "Phoenix" blieb weiter stur bei seiner Live-Berichterstattung aus dem Bundestag statt rüberzuschalten. Ignoranten halt.

Im Rahmen seines spektakulären Auftritts verkündete Sigmar Gabriel auch, dass Knut ein Symbol für die Probleme sei, die der Klimawandel mit sich bringe: Auch das Klima würde sich wie ein von seiner Mutter verlassener Eisbär fühlen, nämlich traurig. Bis dann Gabriel kam und die Patenschaft übernahm.

Ach, äh, so war Gabriels Vergleich von Knut und Klima nicht gemeint? Ah, jetzt hab ich es: Heute ist der Eisbär Knut noch klein und harmlos. So harmlos, dass er nicht einmal den Bundesumweltminister, der neben ihm im Gehege dumm rumsteht, anfällt oder auch nur anknurrt. Das will schon was heißen. Knut ist somit genauso harmlos wie es heute auch noch der Klimawandel ist.

Ganz anders wird dies jedoch in wenigen Jahren sein. Da wird der dann nicht mehr so kleine Knut alles andere als harmlos sein. Genau wie der Klimawandel.

Die Frage bleibt, ob unser umtriebiger Sigmar Gabriel dies dann auch wieder mit ähnlich persönlichem Einsatz wie heute, sprich einem Besuch im Gehege von Knut, anschaulich vorführen wird.

Copyright-Hinweis: Die Rechte an obigem Foto besitzt "ambergris". Das Foto unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.

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Was einen nervt am deutschen Journalismus

Su-Shee bringt es auf den Punkt, besser die Punkte, und rattert runter, was für ein absolut merkwürdiges Ding der deutsche Journalismus in den letzten Jahren geworden ist.

Zum Beispiel:

Ich lese keine normalen Zeitungen und Magazine mehr und die Redaktionsblogs schon gar nicht, weil: [...] deutscher Journalismus oftmals den Tonfall des kritischen Hinterfragens annimmt, aber gleichzeitig wirklich brav jedes Klischee bedient und jedem Herrschaftsmodell blindlings folgt [...] man bei "der Journalist als Ketzer" Artikeln in der Regel nur noch peinlich berührten Schmerz empfindet, weil so offenkundig ist, dass der Autor nichts verstanden hat ("kritische Journalisten installieren Linux") [...] Presse einfach nur noch hinterher hinkt [...] weil mich die Kritiklosigkeit manchmal geradezu fassungslos macht, wenn ich Artikel z.B. über Gesundheitswesen, Zukunft des Arbeitsmarkts, Alterung der Gesellschaft, Frauen im Beruf, China etc. pp lese (Quelle)


Donnerstag, 22. März 2007

Werfen Juden allen sofort Antisemitismus vor? Nö.

Schon einmal was von dem Trick der "Antisemitismus-Vorwurf-Diffamierung" gehört? Er geht ungefähr so: Eine Jüdin oder ein Jude kritisiert irgendwas, was überhaupt nichts mit Antisemitismus zu tun hat und auch von der Jüdin oder dem Juden nicht behauptet wird. Zum Beispiel eine Frau Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, kritisiert, nicht zu einer Pressekonferenz in München zur Eröffnung des dortigen Jüdischen Museums eingeladen worden zu sein. Die Süddeutsche Zeitung berichtet beispielsweise darüber: Streit um Charlotte Knobloch.

Man kann die Kritik von Frau Knobloch nun gerechtfertigt finden oder nicht, sie auf das Temperament oder den Charakter von Frau Knobloch zurückführen oder das ganze eben als Missverständnis zu erklären versuchen und damit abhaken.

Von keiner Seite jedoch gab es Vorwürfe, dass die Nicht-Einladung irgendwelche antisemitischen Gründe gehabt hätte.

Ein Streit zwischen Juden und Nichtjuden wegen irgendwas ist für manche, eigentlich unbeteiligte Zuschauer am Rande jedoch eine wunderbare Gelegenheit, mit diesem Streit ihre eigene politische Agenda zu unterfüttern. Hier kommt die oben erwähnte "Antisemitismus-Vorwurf-Diffamierung" ins Spiel. Die am Streit Unbeteiligten behaupten einfach direkt oder indirekt, die Juden hätten ihrer streitenden Gegenseite irgendwo und irgendwann Antisemitismus vorgeworfen. Stimmt zwar nicht, aber auf diese Art und Weise kann man nun als unbeteiligter Dritter wiederum den Juden eins reinwürgen und klagen, dass die ja ständig mit Antisemitismusvorwürfen um sich werfen würden.

Die "Antisemitismus-Vorwurf-Diffamierung" geht damit in die gleiche Richtung wie das Klagen darüber, dass Deutschland sich doch nun intensiv genug mit dem Holocaust beschäftigt hätte, dass man das doch nun mal auf sich beruhen lassen sollte und dass die Juden überhaupt überall viel zu viel Einfluss genießen würden.

Ein zuverlässiger Unterstützer und Lieferant solcher Unterstellungen ist zum Beispiel Politblog.net.

Vielleicht unterliegen solche Leute wie die von Politblog.net einfach tatsächlich dem Missverständnis, dass Juden indirekt alle Deutschen am Holocaust schuldig sprechen wollten. Vielleicht sind diese Leute politisch einfach ungebildet und meinen zum Beispiel ganz ehrlich, dass Juden und Israel einen zu großen politischen Einfluss besitzen würden und die Politik der USA zum Beispiel in direkter Weise durch Lobbyisten und Geheimdienstler aus Israel gelenkt würde und verkennen hierbei, dass die vorhandene Israelfreundlichkeit bei mindestens mehr als der Hälfte der US-Bürger mit der dortigen Ausprägung des christlichen Glaubens zu tun hat. Neben US-eigenen Interessen, eine Demokratie und ein entwickeltes Land zu stützen, ist es vor allem dieser christlich-religiösen Hintergrund, der Israel-Lobbyisten - ob nun direkt aus Israel in Form von Diplomaten oder Geheimdienstlern, ob aus der jüdischen US-Gemeinde oder ob aus dem christlichen Lager - offene Türen in den USA einrennen lässt.

Ich möchte hoffen, dass Missverständnisse die Ursache sind. Denn das würde bedeuten, dass solche Leute wie von Politblog.net und anderswo Argumenten zugänglich sein müssten, die den von ihnen wahrgenommenen, angeblichen großen Einfluss der Juden und Israels auf die deutsche oder amerikanische Innen- und Außenpolitik und auf die allgemeine Weltpolitik relativieren.

Das Gefährliche an der "Antisemitismus-Vorwurf-Diffamierung" ist, dass sie suggeriert, Juden würden vorschnell den Vorwurf des Antisemitismus erheben. Erheben Juden dann tatsächlich einmal den Vorwurf des Antisemitismus, wollen sie also irgendwo tatsächlichen Antisemitismus erkannt haben, wird dieser Vorwurf dann vorschnell als "ungerechtfertigt" abgeschoben. Und genau darauf lassen zum Beispiel die Kommentare bei Politblog.net oder dort verlinkte andere Weblogs schließen. So ist man schnell dabei, zum Beispiel Vorwürfe von jüdischer Seite gegen Polizei-Schüler, die sich weigerten über den Holocaust etwas zu lernen, als übertrieben abzuwerten.

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Mittwoch, 21. März 2007

Der Bundestrojaner und Wiefelspütz' gelenkte Demokratie

Heute gab es bezüglich einer Podiumsdiskussion zwischen Politikern, Strafverfolgern, Datenschützern und Journalisten interessante Offenbarungen zu lesen. Heise.de berichtet: SPD-Sprecher: Online-Durchsuchungen kommen auf jeden Fall.

1. Offenbarung: Die Wünsche von KGB- BKA-Chef Ziercke, dass man auch wegen kleinerer Delikte die gesamte Bevölkerung flächendeckend überwachen wolle:

Er machte sich auch für die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten angesichts eines Kinderporno-Falls in Baden-Württemberg stark, in dem 4600 Bilddateien auf einem Server rund 280.000 Zugriffe erzielt hätten. Eine Aufklärung sei nur über die Vorhaltung von IP-Adressen machbar. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


So ekelhaft Kinderpornografie ist, der reine Besitz dieser Fotos steht strafrechtlich auf einem zum Beispiel der Sachbeschädigung gleichgestellten Rang, ob man das nun mag oder nicht. Aber Ziercke fordert hier folglich die Auswertung des riesigen Berges von Daten aller Bürger, den die Vorratsdatenspeicherung anspült, auf Grund geringer Delikte und nicht nur zur Terror-Abwehr.

2. Offenbarung: Bundesdatenschützer Schaar meint zu den Wünschen von Ziercke:

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warf angesichts dieser Ausführungen die Frage auf, inwiefern sich die angestrebten Maßnahmen so "nicht doch wie ein Schleppnetz über die Gesellschaft verbreiten". Gerade bei der "IT-Überwachung" sei die Anzahl der betroffenen Personen schnell sehr groß. Wenn man den Strafrahmen für den Bezug kinderpornographischer Materialien ansetze, "haben wir hunderte Delikte, wo man Online-Durchsuchungen rechtfertigen könnte." Er sei generell gespannt darauf, "wie man das verfassungsfest formulieren will". (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


3. Offenbarung: Stefan Geiger, der Politik-Korrespondent der Stuttgarter Zeitung, führt aus, wie die geplante Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikations-Verbindungsdaten aller Bürger die Pressefreiheit gefährdet:

Die Protokollierung der Verbindungsdaten "wird dazu führen, dass unsere Informanten sich nicht mehr melden, weil sie Angst haben, dass die Tatsache, dass sie mit uns telefoniert haben, hochkommt." (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Viel Kritik also. Von den unterschiedlichsten Seiten. Die Kritik der Wirtschaft an den zunehmenden Überwachungsmaßnahmen noch gar nicht berücksichtigt, weil die bei der Podiumsdiskussion nicht dabei war.

4. Offenbarung: Aber Wiefelspütz hält die Datenschutzdebatte trotzdem für eine "Gespensterdebatte":

Die "Gespensterdebatten" von Datenschützern und anderen Gegnern einer weiteren Befugnis zur staatlichen Bespitzelung versteht Wiefelspütz dagegen nicht. Da werde immer so getan, "als wären wir ein Überwachungsstaat". (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


5. Offenbarung: Wiefelspütz verspricht jedoch, dass es im Parlament trotzdem eine "offene, faire und transparente Diskussion" geben wird:

"Wir machen das in einer offenen und fairen Diskussion und in einem transparentem Diskussionsprozess, kontrolliert durch die Öffentlichkeit und im letzten Wort vom Bundesverfassungsgericht", erläuterte der SPD-Sprecher seinen Ansatz. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


6. Offenbarung: Aber letztendlich gibt Wiefelspütz zu, dass dieses Debattenzeugs eh nur Theater ist, denn wie weiß Heise.de zu berichten:

Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ließ am gestrigen Dienstag bei einer Diskussion unter dem Aufhänger "Staat surft mit" keinen Zweifel an seinem Segen für den Bundestrojaner: "Das werden wir selbstverständlich machen [...] (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Und eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag ergab gerade, dass der Bundesverfassungsschutz heute eh schon das durchführt, was mit dem Bundestrojaner bald auch die Polizei können soll, wie ebenfalls Heise.de berichtet: FDP wirft Bundesregierung falsches Spiel beim Bundestrojaner vor.

Dort liest man:

Auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hatte die Bundesregierung zuvor erklärt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz schon jetzt das Recht zum heimlichen Ausspähen von vernetzten PCs und geschützten Datenspeichern im Internet habe. [...] "Offenbar hat die Regierung die Öffentlichkeit in der Diskussion um Online-Durchsuchungen bisher getäuscht", beklagen der FDP-Innenexperte Hartfried Wolff und die innenpolitische Sprecherin der Faktion, Gisela Piltz, nun in einer gemeinsamen Stellungnahme angesichts des Anlegens zweierlei Maß in Berlin. Die Bundesregierung erwecke mit ihrer Aussage zum Einsatz des Bundestrojaners für den Verfassungsschutz den Verdacht, dass sie – ohne ausreichende gesetzliche Grundlage – umfangreicher als bisher zugegeben Online-Durchsuchungen praktiziert habe. (Quelle. Direktlink zum Textauszug: Teil 1, Teil 2.)


Also, Mensch... Woran erinnert mich das alles nur? Ah, ich habs!

7. Offenbarung: Russland.

Zunehmende Überwachung der gesamten Bevölkerung, Gefährdung der Pressefreiheit durch den Staat und die Sicherheitsbehörden. Aber vor allem die Vortäuschung einer "offenen, fairen und transparenten Diskussion" im von der neuen Einheitspartei (Unions-SPD) kontrollierten Parlament. Und ein Diskussions-Ergebnis, das von vornherein feststeht. Ja, so sieht sie aus, die neue deutsche "gelenkte Demokratie" nach russischem Vorbild.

Aber es wird ja alles "durchs Bundesverfassungsgericht kontrolliert", so Wiefelspütz... Komisch nur, dass das gar nicht stimmt. Denn das Verfassungsgericht kontrolliert nicht selbsttätig. Da muss erst jemand kommen, dem diese gelenkte Demokratie und ihre Entscheidungen gegen den Strich gehen und der da Verfassungswidrigkeit wittert. Der darf dann nach der Verabschiedung des Gesetzes eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Und wenn er (und das deutsche Volk) Glück haben, das Verfassungsgericht nicht überarbeitet ist und die Sache als juristisch interessant genug ansieht und man bei der Klage auch keinerlei Formfehler begangen hat, dann nimmt sich das Verfassungsgericht der Klage an und entscheidet dann zwei, drei Jahre später.

Und wie es dann im Detail entscheidet und welche mehr oder weniger stark einschränkenden Vorgaben die richterlichen Worte dann wiederum für die Politik machen... das dauert. Bis dahin kann die neue deutsche Einheitspartei aus SPD und Union schalten und walten wie sie mag und das Theater sogenannter "offener, fairer und transparenter Diskussionen" weiter treiben.

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Unbelehrbare Kultusminister

Unbelehrbare Kultusminister müssten eigentlich ein Paradoxon sein. Nicht jedoch in Deutschland.

Die erneute Kritik der deutschen Kultusminister am Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten Muñoz über das deutsche Schulsystem beweist, dass die Bildungspolitik den Bundesländern entrissen werden muss. Seit 30 Jahren versprechen die Bundesländer, die Durchlässigkeit des Schulsystems zu erhöhen und die Chancengleichheit zu fördern. Nichts ist passiert. Selbst jetzt nicht, wo harte, wissenschaftliche Daten vorliegen und Kritik von allen Seiten auf die Kultusminister einprasselt. Zum Beispiel heute wieder: Studie des Münchner Ifo-Instituts stützt die Kritik des UN-Menschenrechtsinspektor (Netzeitung.de).

Stattdessen stecken die Kultusminister weiterhin den Kopf in den Sand und verteidigen das dreigliedrige Schulsystem, so als ob es etwas Heiliges, Unantastbares wäre: Kultusminister und Elternverein halten UN-Bildungsinspektor Muñoz für inkompetent (Netzeitung.de).

Was ist mit diesen Kultusministern los?

Bildung ist tatsächlich ein Menschenrecht. Chancengleichheit ist Menschenrecht. Aber statt das ernsthaft anzuerkennen, polemisieren die deutschen Kultusminister, dass das Bildungssystem ja wohl kein Fall für Amnesty International wäre und weisen so den kritischen Bericht des UN-Beauftragten zurück, ohne sich sachlich und ernsthaft mit ihm auseinanderzusetzen:

Starke Töne schlug der saarländische Kultusminister Jürgen Schreier an. Zwar verkenne nach der Pisa-Studie niemand die großen Herausforderungen an die deutschen Schulen, sagte er dem "Tagesspiegel". Empörend sei jedoch der von Muñoz vermittelte Eindruck, Deutschland verletze Menschenrechte. "Das deutsche Bildungssystem ist kein Fall für Amnesty International!" (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Die Verantwortungslosigkeit der Kultusminister stinkt zum Himmel. Die föderal organisierte Bildungspolitik ist eine organisierte Verantwortungslosigkeit - und diese wird auch in Zukunft leider sicherstellen, dass sich auf diesem Gebiet nichts in Deutschland verbessern wird. Deshalb muss eine Diskussion darüber starten, ob man das Bildungwesen nicht den Händen der Bundesländer entreißen sollte. Würde für Bildung die Zentralregierung alleine zuständig sein, wäre es - so meine Hoffnung - weniger leicht möglich für die verantwortlichen Politiker, dem Thema immer wieder mit dummdreisten Behauptungen aus dem Weg zu gehen. Die Arbeit von Politikern auf Bundesebene erhält halt allgemein größere Aufmerksamkeit als die von Landespolitikern. Auch das Festmachen der Verantwortung an einer Person, sprich an einem Kultusminister, statt an 16 (plus einen Pseudo-Bildungsminister auf Bundesebene) würde einen größeren Handlungsdruck für die Politiker auf diesem Gebiet erzeugen. Zugleich könnte der Bund wesentlich besser sicherstellen, dass alle Bildungseinrichtungen die gleiche finanzielle Ausstattung bekommen.

Es reicht also nicht, dass ein Sachgebiet den Ländern theoretisch Anreize bieten würde, einen Wettlauf "nach oben" zu starten. Man könnte ja denken, dass jedes Bundesland auf lange Sicht profitieren würde von eigenen Investitionen in den Bildungsbereich.

Aber vermutlich besteht dieser Anreiz so gar nicht. Weil die Bundesbürger natürlich nach ihrer Ausbildung oftmals nicht im Bundesland bleiben, sondern dahin wechseln, wo es Arbeitsplätze gibt. So ist bei den Bundesländern sogar dasjenige das Dumme, das viel ins Bildungswesen investiert und die Breite der Bevölkerung fördert. Bayern zum Beispiel macht es sich besonders einfach und sortiert einfach früh aus, statt der Masse an Schülern zu helfen (TAZ.de: Bayerns ungerechter Erfolg). Wenige, aussichtsreiche Schüler zu fördern, ist insgesamt natürlich billiger als die breite Masse ausreichend zu fördern. Die Folge: Müsste Bayern sich alleine mit seinen Abiturienten versorgen, käme es bald zu einem Abwandern der Industrie in andere Bundesländer, weil Bayern viel zu wenig Abiturienten und damit Studienanwärter bereit stellt im Verhältnis zu allen Schulabgängern Bayerns. Aber da gibt es ja gottseidank die Abiturienten aus den anderen Bundesländern, die diese bayerische Lücke auffüllen.

Das föderale Bildungssystem fördert also das Schmarotzertum unter den Bundesländern statt den gegenseitigen Wettbewerb und gehört deshalb abgeschafft.

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Kluge Bundesregierung: Kein Vertrauen in die Pan Amp AG

Ich muss zugeben: Die Bundesregierung ist klüger als ich dachte.

Anders als ein schludriges und extrem arrogantes TV-Magazin namens "Panorama" (Telepolis.de: Panorama, "Killerspiele" und die Filter-Firma) vom NDR vertraut die Bundesregierung nicht den ominösen Aussagen der "Sicherheitsfirma" Pan Amp AG.

So berichtet Welt.de, dass die Pan Amp AG angeblich den Ort herausgefunden haben will, wo das Droh-Video der Terrorgruppe "Grimmmmpf" (oder so ähnlich) gedreht wurde: Erfurt. Die Bundesregierung will davon jedoch nichts wissen:

Der Sprecher des Bundesinneministeriums, Stefan Kaller, bezweifelte den Wahrheitsgehalt der Äußerungen von Pan Amp. "Es gibt nach wie vor keine Hinweise auf Ort oder Urheberschaft." Es sei "mit Sicherheit nicht" die thüringische Hauptstadt gewesen, sagte Kaller. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Jetzt fehlt nur noch, dass Medien und Politiker die Pan Amp AG auch bei anderen Themen nicht mehr ganz so ernst nehmen. Zum Beispiel beim Thema "Killerspiele". Siehe dazu oben verlinkten Telepolis-Artikel.

Zusammenfassung: GIMF, Grimmmpfff, PanAmpfff, Pfffff...

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Dienstag, 20. März 2007

Faschismus entsteht nicht im luftleeren Raum

Zufall?

Oder Methode?