Samstag, 3. März 2007

Karikaturenstreit: Sigmar Gabriel kriegt 'ne Klatsche

(Via BooCompany.com) Sehr schön. Sigmar Gabriel, angeblich Bundesumweltminister, hatte vorm Landgericht Hamburg keinen Erfolg damit, die Meinungsfreiheit eines deutschen Bloggers zu beschneiden. Seine Abmahnung an das Weblog "Mein Parteibuch" wegen der Veröffentlichung einer satirischen Karikatur über Gabriel und seine Beziehungen zur Firma "VW" und die Klage Gabriels auf Übernahme der mit der Abmahnung verbundenen Kosten durch den Blogger Marcel Bartels hatte anscheinend keinen Erfolg. Scheiß Demokratie, scheiß Meinungsfreiheit, scheiß Blogger, denkt sich der Herr Bundesumweltminister jetzt vielleicht.

Und vorher hatte er sich vielleicht gedacht, dass man es bei Bloggern ja mal versuchen kann, ihnen ihren Mund zu verbieten. Schließlich schreiben Blogs ja nur Lügen und Verleumdungen. Weiß doch jeder.

Marcel Bartels berichtet: Klage von Sigmar Gabriel abgewiesen.

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Freitag, 2. März 2007

Eurovision Song Contest: Angst vor Krieg ist zu politisch

Wie jetzt? Weil irgendjemand protestiert hat (wer wohl?), wird nun von irgendwem diskutiert, den israelischen Song zum Eurovision Song Contest nicht zum Wettbewerb zuzulassen, weil er politische Botschaften enthalte und dies in den Statuten des Eurovision Song Contest nicht gestattet sei? Die Welt ist kirre. Spiegel.de berichtet und hält auch den kompletten Songtext (auf Englisch) des inkriminierten, hochgefährlichen, radikal-politischen Liedes bereit: Israelischem Polit-Pop droht Grand-Prix-Verbot.

Der Song wird natürlich nicht verboten werden. Sonst würde der Veranstalter, die European Broadcasting Union, ein Zusammenschluss etlicher Rundfunksender, sich sowas von zum Narren machen, dass die ganze Welt darüber lachen würde: Rundfunksender, die die Meinungsfreiheit derartig beschneiden, würden beim Publikum - außer vielleicht bei den Islamisten - jegliches Vertrauen verlieren.

Politisch ist der israelische Song schon. Wie so vieles andere auch. Wie zum Beispiel natürlich auch der Text der ehemaligen Wettbewerbs-Siegerin "Nicole":

Dann seh ich die Wolken, die über uns sind,
und höre die Schreie der Vögel im Wind,
ich singe aus Angst vor dem Dunkel mein Lied,
und hoffe, daß nichts geschieht.

Ein bißchen Frieden, ein bißchen Sonne,
für diese Erde, auf der wir wohnen,
ein bißchen Frieden, ein bißchen Freude,
ein bißchen Wärme, das wünsch ich mir.
Ein bißchen Frieden, ein bißchen träumen,
und daß die Menschen nicht so oft weinen,
ein bißchen Frieden, ein bißchen Liebe,
daß ich die Hoffnung nie mehr verlier.


Hört sich doch ziemlich ähnlich an wie dies hier:

Everybody's suffering
The streets are filled with violence
How lucky we are
To have got this far
Without even getting injured
As this regime, so fanatical
Gets even more tactical
It's so tragic my eyes fill with tears
And I don't want to die

I want to see the flowers bloom
Don't want a go capoot ka boom
And I don't want to cry
I wanna have a lot of fun
Just sitting in the sun

(Quelle, Source)


Es geht um Angst, Sorgen, Hoffnungen - und das bei beiden Liedern im Zusammenhang mit der politischen Weltlage! "Ein bisschen Frieden" ist nur vor dem Hintergrund des kalten Krieges zu verstehen. Er drückt die Angst vor einem Atomkrieg aus. Der israelische Song ist nur vor dem Hintergrund der Spannungen im Nahen Osten zu verstehen und drückt die Angst vor einem Atomkrieg aus. Der Unterschied ist, dass die Konflikte im Nahen Osten heiß und nicht kalt sind. Und dass es bei der EBU damals keine osteuropäischen Mitglieder gab, heute jedoch sehr wohl Sender von beiden Seiten der Konfliktlinien im Nahen Osten.

Das Politischste an der ganzen Sache wäre also ein Verbot des israelischen Songs, nicht seine Aufführung.

Update: Die TAZ scheint es ähnlich zu sehen und hält noch mehr Beispiele von halbgaren halb- oder ganz politischen Eurovision-Song-Contest-Teilnehmerliedern bereit: Keine Bombe.

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Chaos Computer Club bittet um Spenden gegen Wahlcomputer

Der Chaos Computer Club (CCC) will zusammen mit der "Wau-Holland-Stiftung" weiter und noch intensiver aufzeigen und belegen, dass Wahlcomputer manipulierbar und unsicher sind und Wahlcomputer somit die Durchführung von transparenten Wahlen unmöglich machen.

Die holländische Bürgerinitiative "Wij vertrouwen stemcomputers niet" hat gemeinsam mit dem Berliner Chaos Computer Club (CCC) erhebliche Sicherheitsmängel bei den Wahlcomputern von Nedap nachgewiesen. Zu dem berechtigten Einwand des Wählers, dass das Wahlergebnis beim Einsatz der Wahlcomputer nicht mehr nachprüfbar ist, kommt nun das Wissen um die Manipulationsmöglichkeiten an den Nedap-Maschinen.

Neben diesen Bedenken stellt sich die grundsätzliche Frage, warum das in Deutschland sicher und transparent funktionierende Papierwahl-System durch die intransparenten, unsicheren und teuren Wahlcomputer entdemokratisiert werden soll. (Quelle)


Der CCC möchte dazu weitere Untersuchungen durchführen, Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zur Aufdeckung der tatsächlichen Kostenstrukturen und Interessensverflechtungen bei der Anschaffung von Wahlcomputern stellen und juristische Schritte gegen den Wahlcomputereinsatz unterstützen beziehungsweise einleiten. Dies alles kostet Geld für Hardwarebeschaffung, Informationsfreiheitgesetz-Gebühren und Anwaltskosten.

Wer für das Vorhaben des CCC spenden möchte, kann dies ab sofort tun. Weitere Informationen dazu hier: Spendenaufruf des CCC.

An Brisanz hat das Thema "Wahlcomputer" jüngst auch noch einmal gewonnen, nachdem der Hersteller der Software für die in den Niederlanden und Deutschland größtenteils eingesetzten NEDAP-Wahlcomputer anscheinend die niederländische Politik unter Druck setzen wollte. Der Chef dieses Drei-Mann-Betriebs wollte anscheinend, dass der niederländische Staat seinen Betrieb aufkauft, ansonsten würde er die Wartung der Wahlcomputer-Software einstellen, was wohl zu einer Gefährdung der nächsten Wahlen in den Niederlanden geführt hätte. Der CCC berichtet dazu: Zuverlässigkeit von Wahlcomputer-Hersteller nach versuchter Erpressung höchst zweifelhaft.

Der Vorgang macht deutlich, dass neben dem technischen Aspekt, nämlich der Computern innewohnenden Intransparenz ("Black Box") in Bezug auf die Zählung von Wählerstimmen, auch die mehr oder weniger starke Monopolstellung von NEDAP gefährlich sein könnte für freie, nicht manipulierbare und transparente Wahlen.

Warum also sollen teure, fehleranfällige, nicht ungefährliche Wahlcomputer angeschafft werden, wenn man es doch in den letzten gut 60 Jahren problemlos schaffte, allein mit Stift und Papier ordentliche, freie und ausreichend transparente Wahlen in Deutschland durchzuführen? Wenn die Rekrutierung von Wahlhelfern tatsächlich das einzige Problem sein sollte, so müsste man dieses Problem doch auch mit anderen Mitteln lösen können. Auch erscheint mir die Demokratie nicht unterzugehen, wenn Wahlergebnisse nicht sofort fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale vorliegen, sondern halt erst Stunden später. Das Risiko des Einsatzes von Wahlcomputern gehört überdacht, bevor man so etwas großflächig einsetzt. Jeder, der Wahlcomputer pauschal gut heißt, handelt meiner Ansicht nach irrational. Das Vorhaben des CCC, Wahlcomputern weiter auf den Zahn zu fühlen, halte ich für legitim und ist sicher keine Wichtigtuerei.

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Donnerstag, 1. März 2007

Gib niemals einem TV-Sender ein Interview

Kleiner Tipp an alle, die keine ausgewachsenen Medienexperten sind: Gebt niemals, ich wiederhole: niemals, einem TV-Sender irgendein Interview. Ihr könnt nicht kontrollieren, was der Sender aus den Bildern und euren Worten macht, in welchem Zusammenhang eure Person anschließend gezeigt wird, mit welchem Material eure Worte zusammengeschnitten werden.

TV-Sender sind nicht vertrauenswürdig. Die allermeisten jedenfalls. Da man als normaler Medienkonsument nicht (mehr) unterscheiden kann, welchen Sendern oder Sendungen man vertrauen kann, kann man allgemein nur den Rat aussprechen: Finger weg vom sich Filmenlassen! Keine Kommentare in irgendwelche Fernsehkameras!

Schlüsselszene: der Computerspieler Ingolf Wichmann am Computer. Schnitt: eine Computerspielszene: ganze Magazine werden auf Soldaten abgefeuert, die bereits am Boden liegen. Kopfschüsse. Blut. Wieder ein Schnitt: Der Mann vor dem Computer lacht. Wichmann protestiert auf der Webseite gegen den Bericht: "Mein Lächeln in diesem Zusammenhang stimmt in keinster Weise mit den angrenzenden Szenen überein." Er will mit seinem Anwalt über rechtliche Schritte gegen den NDR beraten. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


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Mittwoch, 28. Februar 2007

Presseschau zum "Cicero"-Urteil: Angriff auf Pressefreiheit teilweise abgeschmettert

Der Erfolg vorm Bundesverfassungsgericht ist gut und schön und war für demokratisch sozialisierte Menschen vorhersehbar. Aber auf die Karlsruher Wiederherstellung eines wichtigen Teils der Pressefreiheit, des Informantenschutzes also, musste man - das bringen Verfassungsbeschwerden halt mit sich - erst einmal warten. Die Pause in der Pressefreiheit wurde verursacht durch Otto Schily. Ein zweifelhaftes Verdienst mehr dieses Mannes. Und wo solch eine selbstherrliche, jeglicher Kritik unzugängliche Type wie Schily demokratische Gepflogenheiten mit seinen Trampelfüßen in Grund und Boden tritt, da folgen manche andere zwielichtige Politiker gerne nach um nachzusetzen und diese wenigen investigativen Journalisten, die es in Deutschland gibt, in Schily-Manier wegen angeblicher Beihilfe beim Verrat von Dienstgeheimnissen zu trietzen. Namentlich zum Beispiel ein Herr Kauder von der CDU, dem es gegen den Strich geht, dass das Volk von internen Unterlagen des BND-Untersuchungsausschusses etwas mitbekommt.

Manche hätten sich noch eine klarere Aussage des Bundesverfassungsgerichts gewünscht, aber auch das aktuelle Urteil weist Sicherheitsbehörden und ihnen gefällige Hampelmann-Politiker in die Schranken. Die Presse hat also die Chance, wenn sie vorsichtig ist, weiter dem Staat, seinen Behörden und Politikern unter die Decke zu gucken. Leider wird sie das aus anderen Gründen immer weniger tun. Hier eine kleine Presseschau zum Thema:

Klares Signal für die Pressefreiheit (Tagesschau.de):

Es war eine der letzten Amtshandlungen von Otto Schily als Bundesinnenminister der rot-grünen Koalition, dass er die Anzeige des Bundeskriminalamtes gegen das Politmagazin "Cicero" samt folgender Hausdurchsuchung guthieß. Statt im eigenen Haus nach dem Leck zu suchen, das zur Veröffentlichung eines dienstinternen Papiers zur Terrororganisation Al Kaida geführt hatte, nahm man lieber die Redaktion hops, kopierte gleich eine Festplatte - und als Kritik aufkam, wiegelte Otto Schily ab, das ganze interessiere doch nur ein paar Hanseln. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


"Das ist kein Freibrief für Journalisten" (Tagesschau.de):

Haberbusch: Es gibt derzeit in Hamburg und Berlin mehrere Strafverfahren gegen Journalisten, in denen man - genau wie bisher im Fall Cicero - unterstellt, die Journalisten hätten sich der Beihilfe des Geheimnisverrats schuldig gemacht. Aber in Wirklichkeit will man durch diese Strafverfahren eigentlich nur die Informanten herausbekommen, die diese Unterlagen angeblich an Journalisten gegeben haben.

tagesschau.de: Wer ist "man"?

Haberbusch: Beispielsweise der Ausschussvorsitzende im Fall Kurnaz, Siegfried Kauder, der genau diese Strafanzeigen in letzter Zeit erstattet hatte, um undichte Stellen zu finden. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Durch Cicero-Urteil "skandalöse Praxis gestoppt" (Netzeitung.de):

Die Deutsche Journalistenunion sieht es als Absage an alle, die die Pressefreiheit aushöhlen wollten. Sie gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft in Hamburg ähnlich gelagerte Ermittlungen gegen Journalisten des Nachrichtenmagazins "Stern" und der "Financial Times Deutschland" umgehend einstelle, erklärte der Landesverband Berlin-Brandenburg. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Razzien bei Journalisten keine Seltenheit (Netzeitung.de):

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat seit 1987 178 Fälle von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionen und bei Journalisten dokumentiert. In den zusammengetragenen Fällen wurden Durchsuchungen auch mit Vergehen nach Paragraf 353 b der Strafprozessordnung, dem Verrat von Dienstgeheimnissen, begründet. (Quelle. Direktlink zum Textauszug.)


Lass' dich nicht erwischen, Journalist (Spiegel.de)

Wie 1961 im Hause Augstein, wühlte auch in Potsdam 2005 die Staatsanwaltschaft mit allerhöchster Billigung des Bundesinnenministers. Und die Fahnder Otto Schilys sahen keinen Grund zur Zimperlichkeit. Die Parole des Chefs lautete schließlich: "Für Journalisten steht nichts im Grundgesetz." [...] Doch das von der Branche mit Spannung erwartete "Cicero"-Urteil hat die Rolle der Presse im Staat des Grundgesetzes nicht wirklich gestärkt. Ungelöst blieb das Problem, mit dem sich investigative Journalisten seit einigen Jahren herumschlagen müssen: Die Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Verschwiegenheit von Beamten und anderen Amtsträgern lassen sich so auslegen, dass die pure Veröffentlichung geheimer Behörden-Dokumente durch Journalisten strafbar ist - als "Teilnahme" am Bruch der Amtsverschwiegenheit. [...] Ein klares Wort wäre nötig gewesen: Entweder sollten Journalisten künftig an die Staatsraison gebunden werden und auf die Veröffentlichung interner Papiere verzichten. Dann haben wir wieder ein Amtsgeheimnis wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Oder es gilt das Wort des Strafgesetzes, wonach ein Amtsgeheimnis nur von Amts wegen geheim zu halten ist, nicht aber von Journalisten. Dann müsste die geltende Rechtsanwendung für verfassungswidrig erklärt werden. Die Karlsruher Richter haben [...] entschieden, dass die Frage nicht zu entscheiden ist. Denn im Fall "Cicero" sei der Tatverdacht für den Bruch irgendeines Amtsgeheimnisses mangels näherer Anhaltspunkte zu vage gewesen [...]. (Quelle)


Restaurierung eines Grundrechts (Süddeutsche.de):

Diese Durchsuchungen haben nämlich einschüchternde Wirkung auf Journalisten wie Informanten, sie zerstören die Vertraulichkeit zwischen Medien und ihren Informationsquellen. Wörtlich wiederholen daher die Verfassungsrichter die Sätze aus dem Spiegel-Urteil von 1966: Der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informanten "ist unentbehrlich, da die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann". [...] Nach diesem Urteil gilt in Deutschland eine Rechtslage wie in der Schweiz: Verweigern dort Journalisten "das Zeugnis über Inhalt und Quellen ihrer Informationen, so dürfen weder Strafen noch prozessuale Zwangsmaßnahmen gegen sie angeordnet werden". Die höchsten deutscher Richter haben also dafür gesorgt, dass investigativer Journalismus nicht mehr, wie bisher oft, fast automatisch als Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat bewertet werden kann. [...] Staatstätigkeit ist grundsätzlich "res publica", also vor den Bürgern offenzulegen. Die höchsten Richter hätten daher durchaus noch weiter gehen und die Strafbarkeit einer Anstiftung oder Beihilfe zum "Geheimnisverrat" kategorisch ausschließen können. (Quelle)


Selbstzensur in den Medien: Über den Hochverrat (Süddeutsche.de):

Aber schlimmer als Cicero-Razzien sind die geistigen Zwangsjacken, die sich der Journalismus selber anzieht: Zu beklagen ist eine Tendenz zur Vermischung von Information und Unterhaltung. Zu beklagen ist die Vermischung von Journalismus und PR. Zu beklagen ist die Verquickung von Journalismus und Wirtschaft - die Tatsache also, dass sich immer mehr Journalisten zu Büchsenspannern und Handlangern von Wirtschaftslobbys machen lassen. Mittlerweile gibt es Medienpreise für "Kritischen Journalismus". Kritischer Journalismus - das sollte eigentlich eine Tautologie sein, ist es aber nicht. [...] Pressefreiheit ist nicht die Freiheit, Redaktionen auszupressen oder sie, was immer öfter schon geschieht, durch redaktionelle Zeitarbeitsbüros zu ersetzen, als gelte es, ein Call-Center eine Weile am Laufen zu halten. Schon heute sagt jeder dritte Journalist, dass die Zeit fehle, "um sich über ein Thema auf dem Laufenden zu halten". Dadurch ist - und das mitnichten nur bei vielen kleinen lokalen Blättern - eine zentrale journalistische Aufgabe gefährdet: das Aufspüren von Entwicklungen, das Sammeln, Bewerten und Ausbreiten von Fakten und Meinungen.(Quelle. Direktlink zum Textauszug 1. Direktlink zum Textauszug 2)


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Montag, 26. Februar 2007

Klassenkampf: Internetnutzer gegen Fernsehdeppen

(Via Blogbar.de) Ist den Machern des ARD-Politikmagazins "Panorama" eigentlich klar, welchen Schaden sie anrichten mit einem im Propaganda-Stil gedrehten und mit Lügen durchsetzten Beitrag über angebliche "Killerspiele" (Panorama: Morden und Foltern als Freizeitspaß - Killerspiele im Internet)?

Es sind nicht nur einzelne Details, die falsch sind in dem Beitrag. Es ist die ganze Machart, die extrem entlarvend ist (Eine ausführliche Anaylse bietet zum Beispiel Jan Scheijbal in seinem Weblog). Sie zeigt, was möglich ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland: Die Abwesenheit jeglicher Qualität und jeglichen aufklärerischen Geistes, die pure Propaganda und Lüge. Und das bei einem vergleichsweise harmlosen Thema wie "Killerspiele". Wer diesen Beitrag gesehen hat und etwas Ahnung von Computerspielen hat, könnte mit einiger Berechtigung zu dem Schluss kommen, dass man sich das System der öffentlich-rechtlichen Sender schenken kann. Schluss damit. Ende.

Wenn der Beitrag als "Kommentar" oder "Glosse" gekennzeichnet worden wäre... aber er kommt als Tatsachen berichtender Beitrag daher und verdreht die Tatsachen mit Falschaussagen und Mitteln der Propaganda (zum Beispiel der Art, wie Schnitte gesetzt sind etc.).

Hinzu kommt die absolut arrogante Reaktion der Panorama-Macher auf die vielfältige Kritik der Zuschauer (hierzu beispielsweise Netzeitung.de: NDR-Magazin verteidigt "Killerspiele"-Beitrag). Die Zuschauer äußern sich vor allem im Internet - dem Medium der Informierten. Zum Beispiel im Internet-Forum von Panorama, das aber mehr ein Platz ist, bei dem die Zuschauer miteinander reden, statt dass eine Kommunikation zwischen Sendungsmachern und Zuschauern stattfindet. Das Fernsehen selbst wird zunehmend zum Medium der Dummen. Panorama hat dies erkannt und stellt sich mit der Machart seiner Beiträge anscheinend auf diese neue Zielgruppe der Internetverweigerer ein. Da stören dann auch die wütenden Reaktionen im eigenen Internet-Forum nicht, denn diese Zuschauer will man als Panorama-Sendung ohnehin nicht bedienen.

Mit dem kleinen, eigentlich unwichtigen Beitrag über "Killerspiele" hat Panorama vielen (vor allem wohl jungen) Menschen gezeigt, wie propagandistisch Fernsehen sein kann. Panorama hat - wie zuvor zum Beispiel auch schon das ZDF-Magazin "Frontal 21" oder das angestaubte ZDF-Magazin "Aspekte" - die nachwachsenden, mitdenkenden Medienkonsumenten mit einer unsäglicher Arroganz ihnen gegenüber nachhaltig dem Medium Fernsehen entfremdet. Panorama hat damit die Lebenszeit des Mediums Fernsehen als Ort öffentlicher Diskussion wieder ein Stück gekürzt. Dafür ein Danke an Panorama. Denn das Fernsehen ist zum Austragen öffentlicher Diskussionen als tyrannisches "Top-Down-Medium" eh technisch ungeeignet. Die Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert findet im Internet statt. Jeder, der sich dem verschließt, bekommt nicht mehr mit, was gesellschaftlich los ist. Der Panorama-Beitrag zeigt dies durch seine verzerrte Wahrnehmung und Darstellung zum Thema Computerspiele bereits. Jeder Internetverweigerer schließt sich aus aus der aufdämmernden Internet-Gesellschaft. Für ihn bleibt dann nur noch das billige TV-Amüsierviertel à la "Musikantenstadl" und "Big Brother". Der Marktplatz, auf dem die politische Zukunft verhandelt wird, auf dem man sich informiert und Einfluss ausübt, der bleibt den Internetverweigerern und Fernsehdeppen immer mehr verschlossen.

Deshalb mein Rat an die Nutzer und Teilhaber der aufdämmernden Internet-Gesellschaft: Lächelt über diese ignoranten Panorama-Leute. Sie sind von gestern. Habt Geduld. Ich vermute, dass schon in zehn Jahren solche Leute wie Beckstein und Schünemann und Schäuble keine Chance mehr haben. Denn das Internet wird sich weiter entwickeln. Das Zusammentragen von Wissen wird durch neue Techniken noch benutzerfreundlicher werden für jeden. Und in zumindest maximal zwanzig Jahren werden alle, die "mitten im Leben stehen" mit dem Internet aufgewachsen sein, über das sie sich intensiv informieren, austauschen und organisieren. Dumpfen, verdummenden politischen Parolen zu vertrauen dürfte dann nur noch möglich sein, wenn man gar keinen Kontakt hat zu irgendwelchen denkenden Menschen. Denn sobald das Denken anspringt - und sei es anfänglich nur, um eigene Vorurteile zu bestätigen - begibt man sich ins Internet und hier ist die "Gefahr" auf andere Meinungen und tiefere Informationen zu stoßen wesentlich größer als beim Anschauen irgendeines klitzekleinen, abgekapselten Beitrages im Fernsehen. Sich im Fernsehen über ein tagespolitisches Thema informieren zu wollen, wird in wenigen Jahren schon so absurd erscheinen wie wenn man heute ins Kino gehen würde, um etwas darüber zu erfahren, was die Bundesregierung gerade beschlossen hat. Auf Fernsehdeppen wird über kurz oder lang also niemand mehr angewiesen sein, um sich über irgend etwas zu informieren. Fernsehen wird zu einem reinen Amüsiermedium werden, wie es heute eben zu 95% oder mehr das Kino ist. Auf lange Sicht wird die Informationsfreiheit im Internet den Populismus in seiner Wirkung stark einschränken - so lange das Internet und seine freie Nutzung nicht verboten wird in Deutschland.

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Sonntag, 25. Februar 2007

Seymour Hersh: USA unterstützen El Kaida nahe stehende Gruppierungen

Ich bin zur Zeit mal wieder dabei einen Rückstau an interessanten Online-Artikeln abzuarbeiten und diese dann in meinem Del.icio.us-Archiv zu verlinken. Deshalb herrschte hier im Weblog auch Schweigen in den letzten Tagen.

Ich belasse es aber dabei, die Einträge aus meinem Del.icio.us-Archiv nicht auch noch hier als Weblog-Einträge zu veröffentlichen. So kann jeder selbst entscheiden, ob er zusätzlich zu meinen eigenen Wortergüssen hier im Weblog auch noch die Linktipps meines Del.icio.us-Archivs (zum Beispiel via RSS-Feed) lesen will. Ich würde sogar empfehlen, eher mein Del.icio.us-Archiv zu verfolgen als die sporadischen Einträge hier im Weblog. Die in meinem Del.icio.us-Archiv verlinkten Artikel bilden nämlich häufig die Basis für meine weiteren Erläuterungen hier im Weblog.

Auf einige Online-Artikel, die ich auch (gleich) noch in meinem Del.icio.us-Archiv verlinken werden, will ich aber an dieser Stelle doch auch noch gesondert hinweisen:

Das Thema des Tages, vielleicht der kommenden Tage oder gar Wochen, ist ein neuer Artikel von dem bekannten Journalisten und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh im Magazin "The New Yorker" zu fragwürdigen Aktionen der Bush-Regierung im Zusammenhang mit dem Iran-Konflikt.

Die deutschen Medien konzentrieren sich bei ihrer Berichterstattung über den Hersh-Artikel bislang anscheinend nur auf einen kleinen Teil seiner Enthüllungen, nämlich auf die mögliche Vorbereitung der USA auf einen Überraschungs-Angriff auf den Iran. Siehe dazu zum Beispiel Süddeutsche.de: Iran sieht sich auf Krieg vorbereitet. Oder Netzeitung.de: Die zwei Gesichter der USA für den Iran.

Nur Welt.de scheint bislang unter den deutschen Medien ausführlicher online über die weiteren Details des Hersh-Artikels zu berichten: Washingtons neue Strategie gegen den Iran.

Glücklicherweise ist der Artikel von Hersh selbst online beim New Yorker zu lesen: The Redirection - A Strategic Shift.

Als weitere Lektüre empfiehlt sich ein ausführliches Interview, das Hersh heute der CNN-Sendung "Late Edition" gab. Neuerdings stellt "Late Edition" lobenswerterweise die Transkripte seiner Sendungen ins Internet! Also brauche ich den Inhalt der oft hervorragenden Sendung hier nicht mehr unbedingt in Kurzform nachzuerzählen, wie ich es bislang schon zwei Mal getan habe:

Warum ist der Artikel von Hersh brisant?
  • Nicht die Pläne der US-Regierung, das Militär in die Lage zu versetzen, zu jedem möglichen zukünftigen Zeitpunkt innerhalb von 24 Stunden tausende von Bodenzielen im Iran angreifen zu können, sind die eigentliche Sensation des Hersh-Berichtes. Pläne machen Militärs immer. Und so wird dieser Punkt des Hersh-Artikels auch schnell von der US-Regierung abgewehrt werden als eine selbstverständliche Vorgehensweise, damit die USA für alle Fälle gerüstet sind.
  • Auch die Erwähnung, dass die USA eventuell auch den Einsatz taktischer Atomwaffen andenken, wurde bereits früher schon diskutiert. Siehe dazu zum Beispiel den Artikel 'Bunker Buster' Casualty Risk Cited von der Washington Post aus dem Jahr 2005. Oder jüngst den Aufruf von Daniel Ellsberg, Träger des alternativen Nobelpreises, an US-Beamte und US-Militärs, bei FR-Online.de: Höchste Zeit, Verrat zu begehen.
  • Die eigentliche Brisanz des Hersh-Artikels liegt in dem Vorwurf, dass die US-Regierung am US-Kongress vorbei heimlich auf militärischer Ebene Gelder zum Beispiel im Irak abzweigt, um damit aufständische sunnitische Gruppen im Nahen Osten zu unterstützten. Diese sunnitischen Gruppen sollen den Einfluss des schiitischen Irans in der Region zurückdrängen helfen. Koordiniert werden diese finanziellen Zuwendungen dabei durch Saudi-Arabien. Saudi-Arabien verspricht, es habe diese sunnitischen Gruppierungen unter Kontrolle. Aber ist dem so? Wer garantiert, dass diese Gruppen, die schließlich El Kaida nicht gerade fern stehen, nicht doch mit amerikanischem Geld US-Ziele angreifen? Welche Glaubwürdigkeit besitzen sunnitische Gruppierungen in der Region noch, wenn sie im Verdacht stehen, ausgerechnet von den USA unterstützt zu werden? Außerdem werden vor allem sunnitische Gruppierungen für die Eskalation im Irak verantwortlich gemacht von Experten, nicht die vom Iran unterstützten Schiiten.
  • Neben dieser Unsicherheit, ob diese Taktik geheimer Operationen der Militärs und der finanziellen Unterfütterung sunnitischer Gruppierungen überhaupt zum Erfolg führen kann, erinnert das Vorgehen der US-Regierung stark an die Iran-Contra-Affäre: Gelder werden am US-Kongress vorbei für Dinge und Militäraktionen verwendet, die so niemals einem politischen Diskurs über Sinn und Risiken und Chancen ausgesetzt sind. Die militärischen Geheimdienste regieren so unabhängig und bestimmen die Außenpolitik der USA entscheidend mit, ohne dass der eigentliche Souverän in Form des US-Bürgers davon etwas mitbekommt. Mitbekommen hätte... Denn glücklicherweise sind diese Dinge ja nun durch Seymour Hersh ans Tageslicht gebracht worden. Der demokratisch kontrollierte Kongress wird sich das jetzt vermutlich ganz genau ansehen.
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