Neues Gesetz mit Nebenwirkungen - Warum IP-Adresssammler bald Musikverlage gründen werden
Viele Anbieter von Webseiten oder Dienstleistungen via Internet speichern bekanntlich die IP-Adressen ihrer Besucher und Nutzer. Beispielsweise Google (Blogspot.com gehört auch zu Google). Aber auch viele private Website-Betreiber speichern leider immer noch die IP-Adressen ihrer Besucher.
IP-Adressen verraten, aus welcher Region oder Stadt der IP-Adressenbesitzer kommt und wie lange er wo unterwegs war. Ein Dienstleister wie Google könnte theoretisch Surfer mittels der IP-Adressen über viele Webseiten und Websites hinweg verfolgen. Google jedoch käme beispielsweise theoretisch auch an die IP-Adresse von Surfern, die überhaupt nicht Google nutzen. Denn Google verkauft Werbebanner. Und viele Websites binden diese Werbebanner wiederum in ihre Webseiten ein. Jeder Surfer, der Werbung sieht, hat somit eventuell, ohne es zu merken, auch dem Anbieter des Werbebanners (beispielsweise Google) seine aktuelle IP-Adresse mitgeteilt. Ob aktuell von Werbebanner-Anbietern tatsächlich IP-Adressen von Surfern längerfristig gespeichert werden, ist mir unbekannt.
Wäre ich Google (oder ein anderer großer Suchmaschinenbetreiber oder Werbebanner-Anbieter) würde ich demnächst zusätzlich zu den vielen Unternehmungen noch in ein völlig neues Geschäftsfeld einsteigen: Musik. Denn ein Musikverlag könnte bald in Deutschland der Schlüssel sein, der Türöffner sein, um diese vielen gespeicherten IP-Adressen mit den realen Personendaten, also den Namen der Surfer, zu verbinden.
Union und SPD wollen nämlich übermorgen ein Gesetz beschließen, nach dem die Musikindustrie direkt einen Richter bitten kann, dass Internet-Provider die Adressdaten von Kunden rausrücken müssen, die in Tauschbörsen Urheberrechtsverletzungen begangen haben. So wäre für die Musikindustrie nicht mehr der Umweg über die Staatsanwaltschaften nötig, die bislang erst immer ein Strafverfahren eröffnen mussten, im Zuge dessen die Musikindustrie dann eventuell an die Adressdaten der Urheberrechtsverletzer kam. Golem.de berichtet über das neue Gesetz.
Mit den nach dem neuen Gesetz leichter zugänglichen Adressdaten der Websurfer ließen sich also schneller Schadensersatzansprüche gegenüber den Urheberrechtsverletzern durchsetzen. Dafür mag man ja eventuell sogar noch Verständnis aufbringen. Richtig problematisch wird dieser relativ einfache Zugang der Musikindustrie zu diesen Daten jedoch, wenn diese Daten, also wer wann mit welcher IP im Internet surfte, in die Hände von Leuten gelangen, die eine riesige Datenbank haben, in der für einen langen Zeitraum genauestens aufgezeichnet ist, welche IP-Adressen welche Internetseiten besuchten. Könnten Besitzer umfangreicher IP-Datenbanken diese IP-Adressen mit vollständigen Personendaten verbinden, wäre das der Traum professioneller Datensammler und der Albtraum für die Verbraucher.
Dieses zusätzliche Datenschutz-Risiko gehen Verletzer von Urheberrechten also demnächst in Deutschland ein. Ob dieses allgemein größere Risiko der "Raubkopierer" Opfer von Datenschutzverletzungen zu werden sich dann jedoch mildernd auf die gegen sie erhobenen Schadensersatzansprüche auswirkt, wage ich zu bezweifeln.
Ein unredlich handelnder Musikverlag könnte natürlich auch versuchen, gleich ganze IP-Adressbereiche vor einem Richter fälschlicherweise als angebliche "Raubkopierer" anzukreiden, nur um so an noch umfassendere Datensätze zu kommen.
Mal sehen, wie lange es also dauert bis zur Gründung von "Google Records". Der Name wäre zudem schön zweideutig. Womit ich natürlich nicht behaupten will, dass Google dann tatsächlich solcherart in Erfahrung gebrachte Personendaten illegal weiterverwenden würde.
Technorati-Tags: Musikindustrie, Urheberrecht