Donnerstag, 3. Mai 2007

Tagesschau verfälscht Bericht der Drogenbeauftragten

Die Tagesschau berichtete heute in ihrer 20-Uhr-Ausgabe über den Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Allerdings grob falsch. Die Tagesschau behauptete nämlich, dass der Alkoholkonsum von deutschen Jugendlichen insgesamt zugenommen habe. Wörtlich: "Immer mehr Jugendliche würden zur Flasche greifen". Das hatte die Drogenbeauftragte jedoch gar nicht behauptet und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sieht das nicht so:

Der Alkoholkonsum Jugendlicher ist in den letzten Jahren zwar insgesamt zurückgegangen, trotzdem liegt er mit 35,7 Gramm reinem Alkohol pro Woche in der Altersgruppe der 12 bis 17-jährigen im Durchschnitt auf einem hohen Niveau. (Quelle)


Vielmehr hat der Alkoholkonsum von bestimmten Teilen der deutschen Jugend dramatisch zugenommen. Manche Jugendliche trinken plötzlich so viel mehr - gegen den allgemeinen Trend - dass die Zahl von Krankenhauseinlieferungen wegen Alkoholmissbrauchs insgesamt zunahm.

Es ist keine Korinthenkackerei hier genau hinzugucken. Wenn der Alkoholkonsum bestimmter Teile der Jugend gegen den Trend rasant zugenommen hat, dann ist es interessant zu fragen, warum dies geschieht. Aber diese Frage birgt die Gefahr, dass die möglichen Antworten der Regierung nicht gefallen könnten. Ist dies eine Folge der präkeren Situation mancher gesellschaftlicher Schichten? Eine Folge von Hartz-IV zum Beispiel? Ist dies Ausdruck einer zunehmenden Hilflosigkeit und Verzweiflung von bestimmten gesellschaftlichen Kreisen? Ist dies Ausdruck der Chancenungleichheit für bestimmte Teile der deutschen Jugend? Liegen diese Fragen nicht nahe? Anders zum Beispiel als wenn allgemein die Jugend mehr trinken würde?

Der Tagesschau-Bericht mit seiner Falschmeldung, dass "immer mehr Jugendliche zur Flasche greifen" sowie der fehlende Hinweis, dass schon heute der Ausschank von Alkohol an Betrunkene verboten ist, stützt die Forderung der Union nach härteren Gesetzen. Wie sollen diese jedoch schon heute illegales Verhalten verhindern helfen?

Es ist der alte Trick mancher Politiker: Gesellschaftliche Missstände sollen durch einfach zu zimmernde, aber wirkungslose Placebo-Gesetze aus der Welt geschafft werden statt durch eine genaue Prüfung ihrer Ursachen und eine wirkungsvolle und breite Bekämpfung dieser Ursachen oder zumindest durch intensivere Kontrolle (Achtung: personalintensiv und damit teuer!) der Befolgung bestehender Gesetze. Schade, dass die Tagesschau sich einspannen lässt in dieses Spiel mancher Politiker.

Oder wenn schon neue Gesetze, dann bitte wirklich wirkungsvolle. Wie wäre es also mit einem generellen Verbot des Verkaufs von Akohol (auch an Erwachsene) an Orten, an denen auch Jugendliche Zutritt haben? Also ein Alkoholverkaufsverbot beispielsweise für Supermärkte oder Kiosk-Läden? Alkohol dürfte dann allgemein nur noch in Geschäften oder Gastwirtschaften verkauft werden, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben. Das könnte vielleicht den Zugang Jugendlicher zu Alkohol erschweren. Aber ich vermute, dass kein deutscher Politiker in der Lage ist, sich dem dann zu erwartenden Protest der Wirtschaft entgegen zu stellen.

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Verbotene Früchte

Kapuzineraffe hält einen Stein in beiden Händen
Kapuzineraffe donnert Stein auf eine Nuss
Kapuzineraffe hat mit dem Stein eine Nuss geknackt

Das soll ein Kopierschutz sein? Kein Wunder, dass solch ein Kopierschutz gesetzlichen Beistand in Form mächtiger Strafandrohungen benötigt. Aber ob die künstliche Verknappung von Kulturgut mittels Kopierschutz tatsächlich sinnvoll ist, um Kultur zu retten, vor allem, wenn der Kopierschutz nicht funktioniert und sich die Primaten einfach nicht ans Verbot halten wollen?

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Mittwoch, 2. Mai 2007

Onlinedurchsuchung: Wie oft schnüffelte der Verfassungsschutz tatsächlich?

Die TAZ berichtet heute, wie bei manchen Politikern der Koalition wegen des Skandals rund um das Bundesinnenministerium und den Bundesverfassungsschutz (von dem die ARD-Tagesschau übrigens in ihrer 20-Uhr-Ausgabe am Tag des Offenbarwerdens des Skandals nichts berichtete...) das Fluchtverhalten einsetzt: Online-Schnüffeln ohne Freibrief?

Darin wird berichtet, dass Staatssekretär Lutz Diwell (SPD) erklärt, er habe damals, als er unter Schily im Bundesinnenministerium arbeitete, die Bitte des Verfassungsschutzes nach Erlaubnis der Durchführung von Online-Überwachungen nicht als Bitte um Online-Durchsuchung von privaten Computern verstanden und sie deshalb genehmigt, beziehungsweise an Schily weitergereicht. Hat Diwell Angst? Ist es der gesunde Fluchtinstinkt des erfolgreichen Politikers, der hier am Wirken ist und merkt, dass da noch etwas Großes und Bedrohliches auf die Beteiligten zurollt?

Diwells Aussage - so sie denn stimmt - kann zweierlei bedeuten: Er (und Schily!) war(en) zu inkompetent, um zu verstehen, was der Verfassungsschutz da forderte. Oder der Verfassungsschutz hat ohne politische Genehmigung agiert. Beides würde bedeuten, dass die Kontrolle der Geheimdienste in höchstem Maße einer breiteren, kompetenteren und effektiveren Kontrolle bedarf als heute.

Wer meint, dass die Kontrolle doch nun - wenn auch etwas verspätet - funktioniert habe, den möchte ich mit folgendem Widerspruch konfrontieren:

So lese ich einerseits im oben verlinkten TAZ-Artikel, dass das Innenministerium jetzt noch einmal hochheilig versichert, dass es bisher Online-Durchsuchungen nur in deutlich weniger als einem Dutzend Fällen gegeben habe. Ein Bericht im Deutschlandfunk jedoch schildert, dass es so viele Zugriffe auf fremde Rechner während der Online-Durchsuchungen gab, dass sogar die Rechner des Verfassungsschutzes unter dem Datenverkehr "wie bei einem Denial of Servcie Angriff" in die Knie gingen:

Neben den Zielrechnern, die sie online durchsuchen wollten, sind auch andere Rechner mit diesem Trojaner wohl verseucht worden. Und das soll zur Folge gehabt haben, dass so viele Daten an den Zielrechner geschickt worden sind, dass der Sammelrechner, auf dem die ganzen Durchsuchungsdaten landen sollten, sich offensichtlich wie bei einem Denial of Servcie Angriff verhalten hat. Das heißt, ob der vielen Daten soll der einfach in die Knie gegangen sein. (Quelle)


Na, wo ist sie, die effektive Kontrolle der Geheimdienste, wenn es solch total widersprüchliche Schilderungen über das Tun des Verfassungsschutzes gibt?

Siehe auch meinen gestrigen Weblog-Eintrag "Bundestrojaner: Verpfuschter Verfassungsschutz" dazu.

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Medien in USA und Deutschland: Dort schmeckt es nicht, hier gibt's gar nichts zu essen

(Via Stefan-Niggemeier.de) In einem Gespräch (Video, Transkript) zwischen zwei US-Medienmenschen (Bill Moyers und Jon Stewart) wird der Zustand der US-amerikanischen Medien beklagt.

Verglichen mit der deutschen Medienlandschaft ist das Klagen von Stewart und Moyers über die US-Medien ein Klagen auf hohem Niveau. Gut, es gibt natürlich auch in Deutschland manche, einmalige Reportagen - meist spät nachts - oder einige, wenige kritische Politik-Magazine - ebenfalls am späteren Abend und für 30 Minuten in der Woche - oder einige Interviewperlen oder Hintergrundsendungen vor allem im öffentlich-rechtlichen Radio. Aber verdammt... man muss danach suchen wie ein schwitzendes Trüffelschwein. Wenn man nicht verdammt aufpasst, bekommt man als normaler Medienkonsument nichts mit von diesen Ausnahmen in der deutschen Medienlandschaft.

Moyers und Stewart beklagen, dass der US-Justizminister Gonzales in einer öffentlichen Anhörung vor dem Kongress sich mehr oder weniger aus einem Schlamassel, in dem Gonzales zur Zeit steckt, herauswinden konnte, indem er einfach sagte, er könne sich an nichts erinnern.

Aber in den USA wird solch eine öffentliche Anhörung zumindest live im Fernsehen übertragen! In Deutschland passiert es nur absolut selten, dass beispielsweise die Sitzung eines Untersuchungssausschusses in einem reichweitenstarken TV-Sender (also jenseits vom TV-Kanal des Bundestags) live übertragen wird! Aber selbst über die weitere Arbeit von Untersuchungssausschüssen berichten die Medien in Deutschland anschließend nur noch sporadisch. Bruchstücke kritischer Analysen bleiben in Deutschland meist den Kommentatoren in kleinen Zeitungs-Kolumnen vorbehalten.

Moyers und Stewart beklagen, dass der Regierung nahestehende Politiker einer konkreten Diskussion von Problemen immer aus dem Weg gehen würden.

Aber in Deutschland ist es mittlerweile schon eine Seltenheit, wenn ein Politiker sich überhaupt den Medien zu einem ausführlichen Interview stellt! Dass die Politiker dann in diesen Interviews ähnlich wie die US-Politiker einer konkreten Diskussion aus dem Weg gehen, wird in Deutschland dann schon gar nicht groß in den Medien thematisiert. Man will es sich mit dem interviewten Politiker nicht verderben, sonst bekommt man bald überhaupt gar keine Interviews mehr...

Moyers und Stewart beklagen, dass es vor allem nur die Weblogs wären, die die alten Medien ins Schwitzen bringen würden.

Aber in Deutschland gibt es noch nicht einmal derartige Weblogs, die das könnten! Oder die Medien ignorieren sie einfach.

Moyers und Stewart beklagen, dass die meisten der zahlreichen sonntäglichen Politik-Diskussionssendungen (Sunday Morning Shows) nicht kritisch genug seien.

Aber in Deutschland gibt es nicht einmal ähnliche Politik-Sendungen! Und es komme mir bitte keiner mit einem Hinweis auf die Veranstaltung namens "ARD-Presseclub", einer Sendung, wo Journalisten, die gerne Experten wären, sich über ein Thema auslassen. Einer Sendung, wo Journalisten in Vertretung von Politikern politische Konzepte präsentieren und verteidigen. Einer Sendung, wo Journalisten, die eigentlich erst einmal anfangen sollten die Gegenwart und Vergangenheit zu analysieren und sie ihren Zuschauern zu erklären, stattdessen lieber minutenlang über mögliche Zukünfte philosophieren und sich in unsinniger Prognostizitis verlieren, weil das nicht so anstrengend ist wie die Gegenwart verständlich und ausgiebig zu verstehen und zu vermitteln.

Und einen Jon Stewart oder Bill Moyers gibt es natürlich erst recht nicht in Deutschland.

Wenn Moyers und Stewart also beklagen, dass die Qualität der derzeitigen Medien-Suppe nicht sehr gut sei, fragt der deutsche Medienkonsument nur: Suppe? Was ist das denn?

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Dienstag, 1. Mai 2007

Bundestrojaner: Verpfuschter Verfassungsschutz

(Via Farliblog) Der Deutschlandfunk führte ein Interview mit Peter Welchering (um welchen Peter Welchering es sich handelt, wird vom Deutschlandfunk nicht erläutert.), in dem detaillierte Informationen über die Art der bisher illegal vom deutschen Verfassungsschutz durchgeführten Onlinedurchsuchungen geschildert werden. Es gibt ihn also tatsächlich, diesen ominösen Bundestrojaner:

In einem Fall sollen Festplatteninhalte von 120 Gigabyte über Wochen hinweg an die Zieladresse des Verfassungsschutzes von einem Trojaner geschickt worden sein. Der betroffene PC-Besitzer, der da online ausgespäht wurde, hat das wohl nach 14 oder 15 Tagen gemerkt, weil er über ausgewertete Systeminformationen mitbekam, dass 120 Megabyte von seinem Rechner aus ins Netz geschickt wurden. [...} In einem anderen Fall hat der Besitzer eines online durchsuchten PCs unbestätigten Informationen zufolge den Trojaner gleich beim Einschleusen bemerkt, die Aktivitäten des Bundestrojaners genau analysiert und der Zieladresse dann regelrechten Datenmüll geschickt. [...] Neben den Zielrechnern, die sie online durchsuchen wollten, sind auch andere Rechner mit diesem Trojaner wohl verseucht worden. Und das soll zur Folge gehabt haben, dass so viele Daten an den Zielrechner geschickt worden sind, dass der Sammelrechner, auf dem die ganzen Durchsuchungsdaten landen sollten, sich offensichtlich wie bei einem Denial of Servcie Angriff verhalten hat. Das heißt, ob der vielen Daten soll der einfach in die Knie gegangen sein. (Quelle)


120 Megabyte wurden also allein von einem Rechner übertragen. Was da wohl alles dabei gewesen sein mag und wie der Verfassungsschutz wohl sichergestellt haben will, nicht in die intimste Privatsphäre des Betroffenen geblickt zu haben dabei?

Und der Bericht des Deutschlandfunks bestätigt also auch die Befürchtungen, dass die Ausspionierten den Spieß einfach umdrehen und anfangen, diesen ominösen Trojaner zu untersuchen. Fehlt nur der Schritt, dass sie sich ihn dann auch noch zu Nutze machen.

Fazit:
  • Der Bundestrojaner ist technisch nicht sicher. Wird es vermutlich auch nie sein. Das heißt, die Betroffenen können ihn für sich selbst anwenden für kriminelle Zwecke.
  • Die Gefahr ist riesig, dass bei Onlinedurchsuchungen schlicht - wenn sie denn unentdeckt bleiben - riesige Datenmassen von den sogenannten "Sicherheitsbehörden" abgesaugt werden. Wer dann was mit diesen Daten macht, kann bei digitalen Informationen kaum ausreichend genau kontrolliert werden. Die Missbrauchsgefahr ist riesig.
  • Am schlimmsten wiegt jedoch wohl der Ansehensverlust aller Bundesbehörden - egal ob im Sicherheitsbereich tätig oder nicht. Alle Onlineaktivitäten aller Bundes- und Landesbehörden werden nach offizieller Einführung eines Bundestrojaners von vermutlich jedem Bürger nur noch mit größter Skepsis betrachtet werden. Ich sage nur: PDF-Datei mit irgendwelchen Informationen der Bundesregierung zu irgendwas? Nö, danke, käme mir nicht mehr auf meinen Rechner...
  • Ich bin mir sicher, dass Sicherheitsfirmen diese jetzt offenbar gewordenen Informationen höchst interessiert verfolgen und bereits an Hardware- oder Softwarelösungen arbeiten, die für betuchte Kundenkreise oder Firmen den Zugriff eines Bundestrojaners auf ihre Rechner vereiteln würden. Aber Terroristen sind ja ganz arme Kirchenmäuse. Die könnten sich sowas dann vermutlich nicht leisten.
P.S.: Hat jemand mal Lust, die Infos aus dem Deutschlandfunk-Artikel ins Englische zu übersetzen und sie an relevante Stellen, also an Open-Source-Projekte und Sicherheitsfirmen im Ausland, weiterzuleiten? Wäre ein Dienst an der deutschen Gesellschaft. Ich kann zwar Englisch prima lesen, aber mit dem Übersetzen ins Englische geht es nicht so flüssig.

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Google-Bildersuche listet auch reine Textseiten als "Treffer" auf

Gerade entdecke ich anhand eines Referrers meines Statistiktools, dass die Google-Bildersuche auch Webseiten als "Treffer" aufführt, die überhaupt nicht das gesuchte Bild enthalten. Es reicht schon, einen Textlink auf ein Bild zu setzen (also ohne Einbinden des verlinkten Bildes in die eigene Webseite, ohne Image-Tag also), um in der Google-Bildersuche als "Treffer" aufgelistet zu werden. Sehr seltsam, finde ich. War das schon immer so?

Noch deutlich wird das, wenn man zum Beispiel bei der Google-Bildersuche nach "Schieflage" und "Anstand" sucht. Der erste Treffer führt zu diesem Weblog hier, was natürlich einerseits logisch ist, da ich ein Bild namens "Anstand.gif" in einem Weblog-Eintrag verlinkt hatte. Aber andererseits auch verwirrend ist, denn das in der Google-Bildersuche gezeigte Bild wird hier ja nirgends gezeigt.

Ob diese Präsentation der Suchergebnisse sinnvoll ist für eine Bildersuchmaschine? Schnallt der Google-Suchrobot tatsächlich nicht, dass ein Link auf ein Bild nicht begleitet wird von einem Image-Tag? Da sollte Google vielleicht die Usability verbessern und das Suchergebnis nicht so präsentieren, als ob das per Textlink verlinkte Bild auf der als "Treffer" aufgelisteten Webseite irgendwo zu sehen wäre. Denn Google betitelt den Suchtreffer, also die Internetseite, die das Bild angeblich beinhalten soll, auf der aber das Bild gar nicht zu sehen ist, mit den Worten: "Unten sehen Sie das Bild im Originalzusammenhang auf der Seite...". Und das stimmt nicht.

Mal sehen, wann der erste Anwalt, der diesen Fehler von Google nicht bemerkt und sich nicht die Mühe macht, tatsächlich mit eigenen Augen zu kontrollieren, ob eine von der Google-Bildersuche präsentierte Webseite auch tatsächlich das Bild enthält, Abmahnschreiben losschickt, weil er fälschlicherweise meint, eine Internetseite, die per Textlink auf ein Bild irgendwo verlinkt, hätte das Bild unter Verletzung des Urheberrechts in die eigene Internetseite eingebaut. Könnte lustig werden. Fragt sich nur für wen: Für den Anwalt oder den Abgemahnten?

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Der Reiche - das ewige Opfer

(Via Wut! und via Pfalz-Haus) Die Begriffe "Aufklärung" und "Humanismus" sind heutzutage ja leider nicht viel mehr als Schlagworte. Beliebig von jedem für sich in Anspruch zu nehmen. So verwundert es mich auch nicht, dass eine Stiftung, die im Untertitel ihres Namens dieses Begriffspaar verwendet, einen Text eines gewissen Professor Gerd Habermann unter ihre Fittiche nimmt, der nur so strotzt vom Gegenteil dessen, was ich unter "Aufklärung" und "Humanismus" verstehen würde.

Habermann wettert in dem Text dagegen, dass der Staat für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich sorge. Er verneint, dass Armut auch Folge gesellschaftlicher Zwänge sein kann, dass Armut sich also wie Reichtum oftmals "vererbt" und Arme gefangen sind in ihrer Armut, sondern er sieht jede Form der Armut an als rein individuelles Versagen des Einzelnen. Die Forderung nach einem staatlich gelenkten Ausgleich zwischen Arm und Reich kann sich Habermann deshalb auch nur mit dem "Neid" der Armen erklären. Die Armen seien faul und neidisch. Die Reichen jedoch seien der Garant dafür, dass diese faulen Armen überhaupt Arbeitsplätze hätten und wer am sozialen Ungleichgewicht rüttele, stelle laut Habermann die freie Marktwirtschaft und den Wettbewerb als Ganzes in Frage. Das Begriffspaar "soziale Marktwirtschaft" scheint Habermann nicht zu kennen:

Moderne Umverteilungsökonomien bestrafen die Erfolgreichen und belohnen Misserfolge durch soziale Transfers – mit fatalen Folgen

Neid ist kein edles Motiv. Er ist ein Laster. Aber er kann schöpferische Leistungen in Gang setzen. Meistens aber zielt Neid auf das Schädigen und die Entmutigung des (erfolgreichen, gesunden, glücklichen) anderen. Das Ziel ist erreicht, wenn der Glückliche sein Glück als "unverdient" empfindet und darüber unglücklich wird; wenn er sich für seinen Erfolg zu entschuldigen sucht, sich schließlich vielleicht selber zu einem "Missbrauch" erklärt wie der unglückliche Reformkönig Ludwig XVI. [...] Diese Suggestion hat im Jahrhundert des Sozialismus ihre mürbemachende Wirkung besonders auch auf die unternehmerische Elite nicht verfehlt. Es gibt Unternehmer, die ihre gegenwärtige, zum Teil schikanöse Fesselung durch ein feingesponnenes Sozial-, Arbeits- und Fiskalrecht für notwendig erklären. (Quelle)


Habermann übertreibt bewusst, um die soziale Marktwirtschaft zu diskreditieren. Er verunglimpft den Ruf nach staatlichem Lenken und Regulieren als Angriff auf den Wettbewerb schlechthin. Das ist der Neoliberalismus in seiner Reinform. Dass die Reichen nach einer progressiven Besteuerung trotzdem immer noch mehr als genug haben und somit Reichtum sich auch weiterhin lohnt und dass der Staat den Armen lediglich die Existenz sichert, das übersieht Herr Habermann leider.

Ein beliebtes Argument der Neoliberalen gegen den Sozialstaat ist, dass der Sozialstaat häufig mittels des Gießkannenprinzips seine kostenlosen Leistungen nicht nur den Bedürftigen zuteil kommen lasse, sondern auch den Reichen, die dies doch eigentlich gar nicht nötig hätten. Beispiele: Kostenlose Studienplätze, Krankenkassen, subventionierte Theater- und Opernplätze für alle - sowohl die Armen als auch die Reichen. Dass der Verlust, den der Staat erleidet, indem er auch den Reichen diese kostenlosen Leistungen zuteil kommen lässt, zu vernachlässigen ist und der Vorteil überwiegt, indem man für diese Leistungen keinerlei Einkommensprüfungen bei allen Studenten oder Theaterbesuchern durchführt, indem man den Zugang zu diesen staatlichen Leistungen so wirklich sicher stellt, auch das übersieht Habermann. Die neoliberale Schlussfolgerung lautet immer: Der Staat müsse sich zurückziehen, seine Leistungen einstellen, damit ja kein Reicher aus Versehen in den Genuss von subventionierten Leistungen komme. Leistungstransfers seien ungerecht. So als ob das Geborenwerden mit dem goldenen Löffel im Mund nicht ebenfalls ein Leistungstransfer ist.

Auch gegen den Schutz von Minderheiten und gegen den Schutz des Staates für diese Minderheiten gegen Diskriminierungen wehrt sich Habermann. Dass Behinderte zum Beispiel vor Diskriminierungen im Berufsleben geschützt werden sollen, sieht Habermann als "Abschaffung der Vertragsfreiheit".

Es ist sicherlich nicht die "Abschaffung", sondern eine Einschränkung der Vertragsfreiheit. Über die Richtigkeit, über den Umfang mancher dieser Einschränkung also, kann man sicherlich im Detail diskutieren. Aber typisch für den harten Neoliberalismus ist, hier keine Abwägungsprozesse zuzulassen, sondern das Vorhaben des Regulierens und Ausgleichens als solches darzustellen als einen unzulässigen Eingriff in die Freiheitsrechte.

Habermanns Text verdeutlicht sehr gut die Pseudo-Religion des Neoliberalismus, die da als obersten Glaubensatz hat: Absolute Freiheit für jeden, indem der Staat als Regulierer und "Gleichmacher" abgeschafft wird.

Es ist letzendlich ein anarchistisches Konzept, das sich als Sozialdarwinismus enttarnt, bei dem zunächst die Starken und ganz am Ende schließlich nur der Stärkste gewinnt. Es gäbe einen Gewinner und Millionen von Verlierern. Die Kosten einer neoliberalen Politik für die Gesellschaft sind somit viel höher als jegliches, verschwenderische "Gießkannenprinzip" eines Sozialstates. Der Neoliberalismus arbeitet nämlich schlicht an der Abschaffung der Gesellschaft. Er polemisiert in übertreibender Weise gegen das regulierende Wirken des Staates, stellt es enorm überspitzt dar, zeichnet die als "Leistungsträger" betitelten Reichen (die ihren Reichtum oftmals im Müßiggang als Erbe erworben haben, nebenbei bemerkt) als Opfer und diffamiert Arme als unwillige, unfähige und egozentrische Neider.

Selbst vor plumper Geschichtsfälschung schreckt Habermann schlussendlich nicht zurück:

Auf allen Kontinenten und zu allen Zeiten verfolgte man Menschen, die sich als Schöpfer des Volkswohlstandes hervortaten, mit großer Grausamkeit. Beispiele aus der jüngsten Geschichte sind das Hinschlachten der Armenier in der Türkei, die Vernichtung der Juden in Deutschland, die Ausrottung und Vertreibung der Ibos im Norden Nigerias, die Verfolgung der wirtschaftlich Erfolgreichen durch die roten Garden in China, die Tötung von fast einer Million Auslandschinesen in Indonesien, die Massaker unter den Weißen und Indern in Uganda, ihre Enteignung und Vertreibung aus Tansania und jetzt aus Simbabwe und die Ermordung und Internierung der Biharis in Bangladesh. In schlimmer Erinnerung ist auch noch, dass gegen Ende der siebziger Jahre ein Großteil der Elite Kubas und Südostasiens ins offene Meer getrieben wurde. Überall nehmen die Grausamkeiten zu im unablässigen Kampf der Neider gegen die angeblich gefährlichen Reichen, die Krämer, die Geldverleiher, Großhändler, Zwischenhändler, die Unternehmer schlechthin. Mit dem Exodus oder der Vernichtung der Leistungsträger steigt gleichzeitig die Millionenzahl der Opfer unnötiger Armut und Hungersnot. (Quelle)


Wer kann Habermann nach solchen Sätzen noch ernst nehmen? Behauptete Habermann da gerade tatsächlich, dass die von den Nazis verfolgten Juden "Schöpfer des Volkswohlstandes" waren? Zu Teilen sicherlich. Das klingt jedoch sehr nach der Mär von den "reichen Juden". Wo hat Habermann das denn her? Aus den Propagandaschriften der Nazis? Der größte Teil der Millionen getöteten Juden waren arm. Das passt nur leider nicht in das Bild Habermanns vom Reichen als dem ewigen Opfer der Menschheitsgeschichte.

Hütet euch vor dem Neoliberalismus. Mehr fällt mir dazu nicht mehr ein zu sagen.

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Montag, 30. April 2007

Wenn anscheinend Zwölfjährige bei Süddeutsche.de schreiben

(Via F!XMBR) Seit wie lange gibt es nun Weblogs in Deutschland in einer nennenswerten Anzahl? Seien wir kleinlich und sagen wir mal: Ab 2004.

In den althergebrachten Medien schrieb man vor allem im Jahr 2005, wenn ich mich richtig erinnere, über das "neue" Phänomen namens "Weblog". Sogar in den dem Boulevard nahestehenden Zeitungen erschienen Artikel über Weblogs. Wenn auch meist abstruser Art.

Inzwischen steht fest: Weblogs gehen nicht mehr weg. Die Zunahme der Anzahl neuer Weblogs hat sich verlangsamt, aber die Anzahl von Weblogs sagt eh nichts aus über ihren gesellschaftlichen "Impact". Genausowenig wie die zunächst geringe Anzahl unterschiedlicher Bücher nach Erfindung des Buchdrucks etwas aussagte über den "Impact" der neuen Erfindung namens "Buch". "Weblog" bedeutet schlicht, dass jeder jederzeit ohne Kosten und technisches Know-How theoretisch mit seinen Worten ein globales Publikum erreichen kann. Ob er das schafft, hängt nur von seinen sprachlichen Fähigkeiten und dem Inhalt seiner Texte ab.

Wie kommen heute also noch Texte in den althergebrachten Medien zustande, die absolut verfälschend über Weblogs berichten? Die logisch einzig mögliche Antwort: Der Verfasser oder die Verfasserin ist maximal zwölf Jahre alt und hat gestern erst das erste Mal im Leben einen Computer und Internet kennengelernt. Der eigentliche Skandal hinter einem absolut blödsinnigen Text über Weblogs bei Süddeutsche.de ist also, dass Süddeutsche.de anscheinend minderjährige Autorinnen beschäftigt. Ts, ts, ts...

Falls die Autorin des Süddeutsche.de-Artikels nicht minderjährig sein sollte, entschuldige ich mich. Aber dem würde Süddeutsche.de eh nicht widersprechen wollen. Denn die daraus resultierende Schlussfolgerung wäre für Süddeutsche.de noch verheerender.

Gute politische Diskussionssendungen - ein Ding der Unmöglichkeit?

Wegen meines jüngsten Ärgers über die WDR-Sendung "Hart aber fair", möchte ich Gedanken, die ich schon einmal in einem alten, nun nicht mehr existenten Weblog geäußert hatte, wiederholen:

Vorschläge, wie eine gute, politische TV-Sendung aussehen könnte:

  • Kein Studiopublikum. Ein Studiopublikum verleitet die eingeladenen Gäste zu populistischen Äußerungen. Der Applaus des Studiopublikums drängt die Diskutanten dazu, so zu reden, dass sie möglichst viel Applaus bekommen. Komplexe Argumentationen, langwierige Erläuterungen oder schlicht nachdenkliche Sätze animieren jedoch ein Publikum nicht zu begeistertem Applaus. Applaus erntet derjenige, der kurz und knackig formuliert. Das Ergebnis ist, dass die eingeladenen Gäste nur altbekannte Positionen mit eingeübten Phrasen absondern. Die Gäste werden sich nur ungern auf Themen einlassen, zu denen sie keine sicheren Positionen haben und zu denen ihnen eingeübte Phrasen fehlen. Eine sachliche, ernsthafte Diskussion käme so nur schwer zustande. Die Sendung würde somit schnell langweilig werden.
  • Das Thema der Sendung sollte ganz klar umrissen sein und nicht ausufern. Weniger ist hier mehr. Wie man so etwas anpackt, führt sehr erfolgreich beispielsweise jede Woche sonntags die Sendung "Late Edition" auf CNN vor. Geht es um den Irak-Krieg, so wird dieses riesige Problemfeld auf kleine Themen heruntergebrochen. Beispielsweise wird in einer zweistündigen Sendung die Frage behandelt, ob eine Truppenerhöhung sinnvoll wäre, um den Irak zu befrieden, oder die Aufteilung des Iraks eine Lösung wäre, oder die Einbeziehung der Nachbarn des Iraks zum Erfolg führen würde. Weitere, mögliche Lösungen werden bewusst außen vor gelassen und es wird erst recht nicht versucht, das gesamte Problemfeld "Irak" zu beackern.
  • Der Moderator ist in der Sendung der Alleinherrscher und setzt seine Macht auch rigoros um, um das Gespräch der Diskutanten zu lenken. Hierzu ist eine professionelle Ausbildung in Gesprächsführung nötig oder man trichtert den eingeladenen Diskutanten genau ein, wie das Gespräch abzulaufen hat, welche Regeln einzuhalten sind. Man kann zum Beispiel festlegen, dass der Moderator eine Frage stellt und diese in aller Ruhe und reihum von jedem Gast beantwortet wird und während der Antwort ihm außer dem Moderator niemand ins Wort fallen darf. Verstöße werden sofort vom Moderator unterbunden.
  • Zu einer guten Moderation gehört auch, dass der Moderator verständliche, kurze und prägnante Fragen stellt. Und immer nur eine Frage auf einmal. Bei Diskussionen im deutschen Fernsehen erlebt man jedoch häufig, dass der Moderator drei Fragen auf einmal stellt, die alle extrem wischi-waschi sind und zudem gleichzeitig an alle eingeladenen Gäste gerichtet sind. Die verheerende Folge: Es antwortet dann der Gast, der sich am sichersten fühlt oder am lautesten ist und dieser sucht sich von den drei Fragen diejenige aus, die ihm am angenehmsten ist und antwortet dann nur auf diese. Die anderen Fragen fallen dann meist unter den Tisch. Und weil die Frage nicht klar und präzise gestellt war, wird die Frage erst durch die Antwort inhaltlich eingegrenzt. Dies setzt dann wiederum die Agenda fest für die anderen Mitdiskutanten. Das heißt, der erste, der antwortet, legt für seine Kontrahenten fest, auf welche Frage diese zu antworten haben. Der Moderator legt somit durch ein "In-den-Raum-Stellen" von mehreren unpräzisen Fragen die Art und den Inhalt der Diskussion in die Hände desjenigen, der zuerst antwortet, also desjenigen, der seine Kontrahenten stimmlich übertönt oder am schnellsten zu einer Antwort bereit ist. Der Lauteste und Unverfrorenste hat jedoch bekanntlich nicht automatisch Recht oder die besten Argumente auf seiner Seite. Häufig ist genau das Gegenteil der Fall. Eine schwache Moderation spielt somit demjenigen mit den schwächsten Argumenten in die Hände.
  • Die Fragen des Moderators sollten alle einer thematischen, roten Linie folgen und sollten verschiedene Teilfragen eines Problems der Reihe nach beleuchten. Dies muss vor der Sendung ganz genau ausgearbeitet sein. Der Moderator muss ganz genau wissen, welche Fragen behandelt werden sollen und er muss die Positionen der Diskussionsteilnehmer kennen oder erahnen und vertiefende Fragen vorbereiten, um unterschiedliche Ansichten zu einem Thema zwischen den Diskutanten genau herauszustellen. Das Ziel muss es sein, die unterschiedlichen Sichtweisen der Diskutanten dem Zuschauer genau vor Augen zu führen. Dazu muss der Moderator sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Er muss im Zweifelsfall mehr wissen als alle eingeladenen Diskutanten oder Interviewpartner zusammen.
  • Die Diskutanten sollten alleine, ich betone: alleine, nach ihrer Kompetenz hinsichtlich des Themas ausgewählt werden. Zur Kompetenz gehört zweierlei: Wissen und Macht. Der eingeladene Politiker sollte ausreichend Wissen zum Thema mitbringen und zudem entscheidend mitwirken zum Beispiel bei das Thema betreffenden Gesetzesinitiativen. Das bedeutet beispielsweise, dass sowohl Politiker tabu sind, die zwar einen hohen Posten haben, aber nur entfernt mit dem Thema zu tun haben, als auch Politiker, die zwar Ahnung vom Thema haben, aber derzeit kaum politische Macht haben. Zu letzteren kann auch gehören, wer innerhalb seiner Partei kaum Einfluss hat.
  • Das Vermitteln von Hintergrundwissen durch Einspielfilme für die Zuschauer ist hilfreich aber nicht unbedingt zwingend. Normalerweise sollte eine Sendung ein Thema aufgreifen, das bereits in den Medien behandelt wird. Da es in der deutschen Medienlandschaft jedoch häufig vorkommt, dass wichtige Themen medial gar nicht behandelt werden, könnte die Vorbereitung der Diskussion durch informative Filme am Anfang der Diskussionssendung häufig nötig sein.
  • Das Konfrontieren der Diskutanten mit Einspielfilmen, die die inhaltlichen Aussagen des Gastes konterkarieren sollen, um ihn zum Beispiel zu zwingen, zu früheren Äußerungen Stellung zu beziehen, kann als letztes Mittel in der Hinterhand des Moderators sinnvoll sein. Aber wirklich nur als letztes Mittel. Wird das Einspielen von Filmen zur Konfrontation der Gäste zu oft eingesetzt, ist dies unfair den Gästen gegenüber. Eine "Anklage", die einem Diskutanten mittels Einspielfilm vor die Nase gesetzt wird, hat nämlich alle medialen Mittel und "Tricks" (Schnitt, Auswahl von Interviewauszügen, Einbinden von Grafiken, Einbeziehen von bei der Diskussion nicht anwesenden Dritten und so weiter) zur Verfügung, während die anwesenden Gäste nur ihr Wort haben, um einen Sachverhalt darzulegen. Behandelt man die Gäste unfair, leidet die Qualität der Diskussion, denn die Gäste werden sich dann einer offenen Diskussion zunehmend verweigern. Eine Diskussionssendung sollte nicht zum Ziel haben, einzelne Diskussionsteilnehmer "anzuklagen", sondern die Positionen der Teilnehmer genau herauszuarbeiten. Nur wenn ein Teilnehmer sich in Widersprüche verwickelt oder versucht seine eigentliche Position zu verheimlichen oder sonstige Täuschungen ansetzt, sollte der Moderator im Interesse einer transparenten Diskussion dieses Vorgehen versuchen aufzudecken. Es reicht hierbei, wenn der Moderator dies in einer kurzen Erläuterung tut. So kurz wie möglich. Eine Diskussionssendung ist keine Inquisition, bei der in einem Wettstreit am Ende der vermeintlich ehrlichste oder rechtgläubigste Teilnehmer gewinnt. Solch ein Sieg wäre eh eine Täuschung. Das Urteil über die geäußerten Argumente fällt jeder Zuschauer eh für sich selbst. Eine Diskussionssendung sollte somit allein die Informationsvermittlung zum Ziel haben und nicht die Zurschaustellung von persönlichen Siegen oder Niederlagen der Diskussionsteilnehmer.
  • 99% der Arbeit für eine politische Diskussions-Sendung steckt in der Vorbereitung für die Sendung. Wer solch eine Sendung wöchentlich produzieren will, braucht ein enorm großes Team und einen Moderator, der sich nur um den Inhalt kümmern muss und nicht um die Organisation der Sendung selbst.
  • Ziel der Sendung kann nicht sein, dass der Moderator am Ende der Diskussion ein Fazit zieht oder versucht, die unterschiedlichen Ansichten der Diskussionsteilnehmer zusammenzufassen. Hierbei kann nur eine verkürzte und somit verfälschende Sicht auf das Problem zustande kommen, die ja gerade durch die Diskussionssendung vermieden werden sollte. Erst recht verbietet sich für den Moderator gar eine Synthese aus den Positionen der Diskutanten zu zimmern. Eine Abmoderation darf sich darauf beschränken, einfach "tschüss" zu sagen. Alles andere ist eine Verhöhnung der streitenden Diskutanten und des Zuschauers.
  • Eine politische Diskussions-Sendung braucht ein stabiles Sende-Umfeld. Sprich: Der Sender muss Geduld und Ausdauer haben mit der Sendung und sie in erster Linie als Auftrag verstehen, vielleicht als sein Beitrag für die Gesellschaft, als Dankeschön für ein demokratisches, politisches System und nicht als eigenen Marktplatz. Das Renomee und die allgemeine Zuschauerzufriedenheit mit dem Sender würde steigen, selbst wenn die Einschaltquoten für solch eine anspruchsvolle Sendung unter derjenigen einer Krawall-Talk-Show liegen. Das gestiegene Renomee und die breitere Zuschauerakzeptanz gegenüber dem Sender als ganzem könnte sich am Ende sogar finanziell für den Sender auszahlen.
Deswegen mein Ratschlag an die privaten Sender: Wenn ihr den öffentlich-rechtlichen Sendern mal richtig Dampf machen wollt, dann versucht euch doch mal. Ihr müsst für solch eine Sendung jedoch euer sonst übliches Gebahren auf Eis legen. Das heißt: keine Lobbyisten einladen, keine "hidden agenda", kein bezahltes Spin-Doctoring, keine Klientel-Befriedigung, keine Krawallmache.

Aber vermutlich ist dazu die Unternehmenskultur bei den privaten Sendern in Deutschland längst zu verseucht. Warum die öffentlich-rechtlichen Sender keine akzeptablen Politik-Diskussionssendungen hinbekommen, kann ich mir bislang nur mit mangelnder Kompetenz erklären. Aber dem kann ja abgeholfen werden (siehe oben).

Sonntag, 29. April 2007

Wort zum Sonntag

Für die deutschen Medien gilt:

Cogito DPA ergo sum.