Samstag, 31. März 2007

Bertelsmanns politische Einflussnahmen

(Via NachdenkSeiten.de) Ein äußerst interessanter, kleiner Artikel in der NZZ über die weltweiten, politischen Umtriebe der Bertelsmann-Stiftung: Das globale Engagement der Bertelsmann-Stiftung.

Die Stiftung bereitet auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene von Gütersloh und von weltweiten Dependancen aus den Weg, dass Politiker Staatsgut, Staatsvermögen und Staatsaufgaben in private Hand geben. Weil das besser sei.

Und wer steht dann bereit, wenn der Staat den Vorschlägen der Bertelsmann-Stiftung folgt und jemanden sucht, der die Aufgaben von kommunalen Diensten und ähnlichen Dingen privat übernehmen kann? Oh, Wunder, Firmen, die zum Bertelsmann-Konzern gehören! Bestimmt purer Zufall.

Da Bertelsmann so weltweit unternehmerisch tätig ist und seine Risiken minimieren will, befürwortet es natürlich die Möglichkeit starker, internationaler Einflussnahme der EU auf labilere, aber wachstumsstarke Weltregionen. Deshalb ist der Ruf von Bertelsmann nach einer stärkeren außenpolitischen Durchschlagkraft (sprich Druckkraft) der EU auf solche instabilen Weltregionen natürlich pures Eigeninteresse.

Dass hinter ihrem Tun jedoch egoistische Eigeninteressen stehen, das verrät die Bertelsmann-Stiftung natürlich nicht. Stattdessen schwafelt sie davon, dass eine EU-Armee doch "eine neue Faszination für Bürger und Eliten ausstrahlen" würde und zur europäischen Identität beitragen würde.

Und das ist es, was mich aufregt: Man empfiehlt dies und jenes, Privatisierungen hier und dort, stärkere Einflussnahmen der Politik an diesem und an jenem Ort, spielt sich als selbstloser "Think-Tank" auf, aber verfolgt wie jedes andere Unternehmen - nur hinter der Maske einer Stiftung - knallharte Eigeninteressen.

Das Schlimmste ist jedoch, dass Medien und Politiker darauf reinfallen, oder besser: Reinfallen wollen. Denn das ist der eigentliche Sinn des Engagements der Bertelsmann-Stiftung: Dass es so geschmierten Politikern und konzerneigenen Medienablegern schlicht einfacher fällt, die Bertelsmann-Forderungen öffentlich zu vertreten. So können sie auf die Bertelsmann-Stiftung verweisen und damit vorgeben, dass sie mit ihren politischen Konzepten ja nur den weisen Ratschlägen unabhängiger Experten folgen würden.

Und so geht der neoliberale Siegeszug der gekauften Weisheiten vom angeblichen Vorzug des kleinen, schwachen Staates gegenüber einem souveränen, von der Wirtschaft unabhängigen Staat weiter.

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Tagesschau-Blog: Zensur harmloser Kommentare

Das Blog von Tagesschau.de zensiert anscheinend völlig harmlose Kommentare, die in keiner Weise gegen die Kommentarrichtlinien verstoßen. Es sei denn, dass Tagesschau.de, anders als ich es aus den Kommentarrichtlinien zu ersehen vermag, jegliche Verweise und (nicht klickbare) Links zu irgendwelchen anderen Internetseiten, ob kommerzielle oder nicht, als "Werbung" ansehen.

Dies ist mir aufgefallen, nachdem ein harmloser Kommentar von mir zu diesem Blog-Eintrag bis jetzt nicht freigeschaltet wurde.

Ich hatte in meinem Kommentar nur geschrieben, dass ein Bericht über Knut® immer auch eine Entscheidung sei, andere Themen nicht zu bringen und hatte einen nicht klickbaren Hinweis auf die Homepage der nicht kommerziellen "Initiative Nachrichtenaufklärung" (www.nachrichtenaufklaerung.de) eingefügt.

Über ähnliche Zensur-Erfahrungen mit dem Tagesschau-Blog berichtet zum Beispiel Henning Schüring.: Kommentar-Zensur beim Tagesschau-Blog.

Sorry, ihr Leute von Tagesschau.de, aber euer Vorgehen bestätigt mich in meiner Wahrnehmung, dass die öffentlich-rechtlichen Sender weiterhin vor allem arrogant daherkommen.

In dieses Bild passt, dass es bereits einen Preis gibt, wenn eine Person bei euch einfach ihren Job macht. Taten, die darüber hinausgehen, investigative, komplexe Arbeiten habe ich von dieser ausgezeichneten Person bislang jedenfalls nirgends gesehen. Das einzige, was sie auszeichnet, ist, dass sie im Gegensatz zur sonstigen Gepflogenheit bei der braven Tagesschau auch einmal zwei, manchmal so gar drei kritische, nachhakende Fragen stellt. Wirklich preiswürdig.

Viel Spaß also noch mit dem flachen, nichts sagenden, pseudokritischen Tagesschau-Blog. Es passt gut zur Tagesschau.

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Beim Thema "Sicherheit" regiert Hysterie statt Vernunft

Das Herstellen von Sicherheit ist immer mit unterschiedlichen Arten von Kosten verbunden. Diese Kosten können zum Beispiel Geldausgaben sein (mehr Polizei bedeutet mehr Personalkosten...). Oder es können Zeitkosten sein (umfangreichere Flughafensicherheitskontrollen kosten mehr Zeit...). Oder es sind abstrakte Kosten wie die Risikoerhöhung des Datenmissbrauchs bei der Vernetzung von Überwachungsdaten oder die Einschränkung der Privatsphäre der Bürger.

Vielleicht könnte man sagen: Sicherheitsmaßnahmen schränken immer irgendwie die Handlungsfreiheiten ein. Deshalb ist es normalerweise nötig, solche Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses genau anzuschauen. Das will die Bundesregierung aber seltsamerweise bei Maßnahmen, wo es um die Herstellung von Sicherheit geht, nur selten machen.

Der Grund dürfte klar sein: Sicherheit verkauft sich für Politiker gut. Sicherheitsmaßnahmen gehen weg wie warme Semmeln. Das Volk will Sicherheit. Ob bei Lebensmitteln oder beim Reisen im Flugzeug. Dass diese Sicherheits-Semmeln bei zu viel Verzehr kontraproduktiv und giftig wirken, das verschweigt man lieber.

Und das ist verantwortungslos.

Ein weiteres Beispiel dieser populistischen, unverantwortlichen Politik bringt Süddeutsche.de: Die Sprengstoff-Lüge.

Es geht darum, dass die derzeitigen Maßnahmen an Flughäfen zum Schutz vor Sprengstoffanschlägen durch Flüssig-Sprengstof (Plastikbeutel-Manie) großer Unsinn sind und enorme Kosten verursachen, ohne wirksam zu sein.

Jedoch:

Auf die Frage der FDP-Abgeordneten, ob die Bundesregierung die Flüssigkeiten-Kontrollen noch für ein geeignetes Mittel halte, den Terror zu bekämpfen, antwortet sie: "Ja, die Beschränkung der Flüssigkeitsmenge reduziert das Risiko eines terroristischen Anschlages mittels Flüssigsprengstoff." (Quelle)


Das Risiko mag minimiert werden. Nur zu welchen Kosten? Bei Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit verlieren Politiker regelmäßig jedes Augenmaß.

Die korrekte Risikobewertung ist für Laien dabei natürlich außerordentlich schwierig. Umso wichtiger wären wirklich unabhängige Experten, die beratend zur Seite stehen. Leider hören Politiker aber allzu oft auf Experten, die nicht unabhängig sind oder benutzen gleich das undurchschaubare Problemfeld "Sicherheit" als Mittel, um sich zu profilieren.

Das gilt für sicherheitsfanatische Innenexperten genauso wie für allzu verbohrte Öko-Anhänger, die jedes strahlende Handy verbieten möchten.

Update: Lesetipp zu dieser Problematik: The Psychology of Security, von Bruce Schneier.

Ein Auszug:

It makes no sense to just look at security in terms of effectiveness. "Is this effective against the threat?" is the wrong question to ask. You need to ask: "Is it a good trade-off?" Bulletproof vests work well, and are very effective at stopping bullets. But for most of us, living in lawful and relatively safe industrialized countries, wearing one is not a good trade-off. The additional security isn't worth it: isn't worth the cost, discomfort, or unfashionableness. [...]

There are several specific aspects of the security trade-off that can go wrong. For example:

1. The severity of the risk.
2. The probability of the risk.
3. The magnitude of the costs.
4. How effective the countermeasure is at mitigating the risk.
5. How well disparate risks and costs can be compared.

The more your perception diverges from reality in any of these five aspects, the more your perceived trade-off won't match the actual trade-off. (Quelle)


Im Folgenden listet Bruce Schneier Forschungsergebnisse der Wissenschaft auf, die belegen, wo wir Menschen oft völlig fehl gehen bei der Einschätzung von Risiken.

Die Tragödie ist, dass Schäuble & Co. anscheinend nicht einmal die Diskussion zulassen, dass ein Trade-Off bei Sicherheitsmaßnahmen nötig ist. Nein, nach ihnen muss man zum Herstellen von Sicherheit "alles Menschenmögliche tun". Und selbst wenn man ein Trade-Off vollzieht: Von den vielen, möglichen Fehleinschätzungen, denen wir dann beim Trade-Off zwischen Risiko und Nutzen unterliegen, werden Schäuble & Co. vermutlich noch nie etwas gehört haben.

Und so werden wir von Idioten Unwissenden und Ignoranten regiert. Viel Spaß noch, Deutschland, mit diesen Politikern und dieser inkompetenten, laienhaften, völlig unprofessionellen Politik.

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Schäuble greift weiter an: Neue Überwachungspläne

Schäuble will die Überwachungsbefugnisse des BKA ausweiten, außerdem irgendwas an den Regelungen zur Telefonüberwachung "anpassen", er will natürlich weiterhin die Onlinedurchsuchung und vor allem will er die Nutzung der Mautdaten zur Verbrechensbekämpfung, berichtet Welt.de: BKA soll präventiv überwachen dürfen.

Darin:

Außerdem sollen Rechtsgrundlagen für die neuen Eingriffsbefugnisse geschaffen werden. Schäuble will in diesem Zusammenhang die Mautdaten zur Aufklärung schwerer Straftaten nutzen. Die Gespräche zwischen dem Betreiber Tollcollect und dem BKA sind schon so weit fortgeschritten, dass die Daten bald übermittelt werden können. (Quelle)


Es ist also das übliche Spiel, das inzwischen eher an eine Kriegsstrategie erinnert: Man lässt den politischen Gegner (in diesem Fall vor allem außerparlamentarische Mahner für mehr Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit) nicht zur Ruhe kommen, sondern greift unablässig Schlag auf Schlag an mit neuen Gesetzesentwürfen, die die Überwachungsbefugnisse von Sicherheitsbehörden immer weiter ausweiten sollen.

Es hört nicht auf.

Es sind Überraschungsangriffe in Form von Gesetzesinitiativen. Diese werden in Hinterzimmern jenseits einer demokratischen, öffentlichen Debatte bis ins kleinste Detail vorbereitet und mit den Schlüsselfiguren innerhalb der SPD- und Unionsfraktionen abgesprochen, damit diese dann in ihren Fraktionen in Blitzkriegmanier die Gesetzesentwürfe durchdrücken können. Hilfreich dabei ist es zudem, mehrere Gesetzesvorhaben in ein "Paket" zu packen. So wird das ganze unübersichtlicher.

Dieses trickreiche Verhalten ist auf der politischen Bühne in allen Zeitaltern immer dann zu beobachten, wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten geht. Denn genau um solch eine Einschränkung geht es. Es geht eben nicht um den Schutz der Bürgerrechte, wie Schäuble vorgibt.

Und unsere Medien sind so bescheuert und durchschauen das Spiel nicht - oder schließen bewusst ihre Augen. Ich gehe inzwischen mehr und mehr von Letzterem aus. Warum und wie es dazu kam, weiß ich allerdings nicht. Ich beobachte nur das breite Versagen der "großen", etablierten Medien.

Die Folge: Es gibt keine gesellschaftliche, offene, demokratische Diskussion über Risiken und Gefahren von mehr Überwachungsbefugnissen. Ab und zu ein kritischer Kommentar auf Seite 2 oben in der linken Ecke reicht nicht. Die Medien behandeln das Thema nach dem Motto: Auf der einen Seite die wohlmeinenden, sich sorgenden Politiker, auf der anderen Seite spinnerte Datenschützer und Freaks, die nur Krawall machen wollen.

Die Gesetzesvorhaben von Schäuble gehörten jedoch als erste Meldung über mehrere Tage in die Hauptnachrichtensendungen sowie weiter behandelt in extra Sendungen. Sei es nun in unsäglichen Politik-Talk-Shows oder in intelligenteren Formaten. Denn Schäubles Gesetze verändern das Wesen des Staates. Eine Gesundheitsreform zum Beispiel ist dagegen Kleinkram, weil sie letztendlich nur auf die Frage hinausläuft, ob man am Ende des Monats ein paar Euro mehr oder weniger im Portemonnaie hat.

Update: Auch Heise.de berichtete versteckt in einem Artikel über ein richterliches Verbot einer Rasterfahndung wegen der vermeintlichen Einreise von zwei El-Kaida-Leuten (mit Koffern!) in NRW über die neuen Überwachungspläne von Schäuble und Co.: Keine Rasterfahndung nach islamistischen Terroristen.

Darin:

In Deutschland steht das Instrument der Rasterfahndung nur den Landespolizeien zu. Seit dem gestrigen Donnerstag beraten die Innen- und Justizpolitiker der großen Koalition über eine Verschärfung der Gesetze im Kampf gegen den Terror. Dabei setzen sich die Unionspolitiker besonders dafür ein, dass auch das BKA eine Rasterfahndung veranlassen darf. Verhandelt wird außerdem über die Nutzung der Mautdaten zu Fahndungszwecken, über die Telefonüberwachung und über den großen Lauschangriff. Hier sollen die Regeln so verändert werden, dass der vom Bundesverfassungsgericht als schützenswert definierte "Kernbereich der privaten Lebensführung" nicht die Fahndung behindert. (Quelle)


Auch die SPD wäre nicht mehr unbedingt gegen diese neuen Überwachungspläne.

Und ich frage mich: SPD? Was ist das?

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Freitag, 30. März 2007

Menschenrechtler: China tötet gezielt Häftlinge für Organhandel

Die "Initiative Nachrichtenaufklärung" hatte (wie hier schon einmal erwähnt) das Thema auf ihrer jährlichen Top-10-Liste der in den deutschen Medien am meisten vernachlässigten Themen auf Platz 2 gestellt: Chinas unmenschliche Haftbedingungen und Organhandel mit Organen von Häftlingen.

Jetzt berichtet zumindest Welt.de über den Besuch von David Matas und David Kilgour, zweier Menschenrechtler, in Deutschland, die den Skandal akribisch recherchiert haben: Zwei Kanadier bezichtigen China des Mordes.

Darin:

Die Vielzahl der Faktoren und ihre Kombination untereinander ergeben ein Gesamtbild, das die Anschuldigungen nur als wahr erscheinen lassen kann, schlussfolgern sie [David Matas und David Kilgour; Anmerkg. von mir]. Anhänger der Bewegung Falun Gong, die in China 1999 als "bösartige Sekte" verboten wurde, werden "im Verlauf einer Operation oder unmittelbar danach getötet". Im Klartext: Mord in Form von Organentnahme. "Oft genug sind wir selbst ungläubig und entsetzt vor den Ergebnissen unserer Untersuchungen zurückgewichen", sagt Kilgour. (Quelle)


Es geht hier nicht um einige wenige Fälle, exotische Ausnahmen. Nein, das passiert im großen Stil und bislang trotz offiziellem Verbot unbehelligt von den chinesischen Behörden. Man kann sogar als Ausländer einfach bei einem chinesischen Krankenhaus vorstellig werden und bekommt die Lieferung frischer Organe gegen Bargeld jederzeit zugesichert. Es scheint so zu sein, dass China so auf Bestellung gezielt Hunderte wenn nicht Tausende von Häftlingen während der und durch die Organentnahme tötet. Die Häftlinge scheinen zudem nicht etwa Schwerverbrecher zu sein, die eine Todesstrafe "verdient" hätten, sondern schlicht meist Anhänger der Falun Gong Sekte.

Natürlich werden die Menschenrechtler in Deutschland auf keinerlei Reaktionen bei unseren hochgestellten Politikern stoßen. Und natürlich werden die deutschen Medien nicht weiter darüber berichten. Genauso wenig wie sie dieses Jahr die Initiative Nachrichtenaufklärung erwähnt haben.

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Morgen kostenlose Killerspielvorführung in 3D

Hey, ihr Medien da draußen! Ich bin enttäuscht. Schon seit circa zwei Wochen kein Beitrag mehr über die mörderische Gefährlichkeit von Killerspielen.

Wenn das so weiter geht, nimmt die Gewalt und Kriminalität in der Gesellschaft immer mehr zu. Ich will sofort einen mahnenden Artikel oder TV-Beitrag! Süddeutsche, Spiegel, Panorama, Aspekte, Frontal 21... wo seid ihr?! Befriedigt meine Sucht nach populistischer Sondermüll-Berichterstattung!

Gelegenheit für einen neuen Propaganda-Artikel bietet zum Beispiel die morgige Demo gegen ein Killerspiel-Verbot in Berlin. Bei wunderbarem Sonnenschein kann man dort Fotos machen von spritzendem Blut und echten, potenziellen Amokläufern. Darauf steht ihr doch. Sowas gibt es sonst nur in Killerspielen zu sehen. Morgen live und in Farbe und in 3D und kostenlos. Dagegen kann selbst Knut® nicht anstinken.

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Logo-Designer gesucht

Der Arbeitskreis "Vorratsdatenspeicherung" (www.vorratsdatenspeicherung.de), ein breites gesellschaftliches Aktionsbündnis gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten sucht ein Logo und fragt, ob es da draußen irgendwo einen begnadeten Designer gibt:

Designwettbewerb: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sucht Logo!

Donnerstag, 29. März 2007

Gewalt, Desinformation, Überwachung

Es folgt eine kleine, spekulative Gedankenspielerei ohne jeglichen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, zusammengesetzt aus den Bausteinen meines unvollkommenen Wissens.

Will eine Regierung gegen die Interessen des Volkes regieren, so gibt es meiner Meinung nach drei Mittel, die sie anwenden kann:

1.) Abschreckung durch Gewalt. Das bekannteste Mittel. Oftmals in der Geschichte erprobt. Die pure Gewalt, der Einsatz des Militärs oder einer militärischen Polizei, die sich zur Regierung loyal verhält (um die "Sicherheit" und "Stabilität" im Lande zu sichern), führt dazu, dass es zwar im Untergrund rumort, aber jeden, dem ein friedliches Leben lieber war als politische Mitbestimmung ruhig stellte.

Dieses Mittel funktionierte in den letzten Jahrzehnten jedoch immer weniger. Zahlenmäßig geringe Gruppen können heute mittels einfach zu bedienender Maschinengewehre und anderer schwerer Waffen, durch leicht zugängliches Wissen über Bombenbau und Guerilla-Taktiken, durch internationale Finanzierung von Aufständen, durch einen internationalen Waffenmarkt und durch die Verletzlichkeit heutiger technischer Infrastrukturen die Herrschaft einer Regierung zumindest in Teilregionen dauerhaft untergraben. Die vielen Bürgerkriege weltweit bis in jüngste Zeit zeigen dies.

2.) Desinformation. Dieses Mittel funktionierte in der Vergangenheit meist nicht ohne die Hilfe des ersten Mittels, also der Abschreckung durch Gewalt. Erst die moderne Mediendemokratie mit dem gleichzeitigen Versagen dieser Medien macht das langjährige Regieren gegen das Volk alleine durch Desinformation möglich. Das Internet und seine Informationsressourcen gefährden jedoch zunehmend diese Politik, so wie sie in Teilen zum Beispiel in Deutschland anzutreffen ist. Ließe man alles so wie es ist, würde es sich trotz des Versagens der klassischen Medien irgendwann bis zum letzten Wähler herumgesprochen haben, dass beispielsweise die neoliberale Politik der letzten Jahre nicht Löser von Problemen war, sondern sie erst erschaffen und bestehende Probleme verschärft hat. Bei Wahlen würden somit auf lange Sicht Politiker den Kürzeren ziehen, die im Internetzeitalter gegen das Volk regieren wollen. Solch ein aufklärerischer Prozess dauert zwar und bis er greift können gegen das Volk regierende Politiker massiven Schaden angerichtet haben, aber er wäre meiner Meinung nach unausweichlich.

3.) Überwachung. In früheren Zeiten ließen Despoten nur ihre direkten politischen Gegner überwachen, wenn sie sie nicht gleich beseitigen ließen. Neben der Abschreckung durch Gewalt war die Desinformation das Machtinstrument gegenüber dem Volk. Gegenüber den gebildeten Rädelsführern einer Opposition half jedoch nur Überwachung. Die Überwachung existierte also schon immer, aber beschränkte sich auf eine kleine Zahl bekannter und politisch hoch auffälliger Menschen.

Nachdem nun das erste Mittel, die Gewalt, in modernen Zeiten nicht mehr zuverlässig funktioniert und auch das zweite Mittel gerade dank des Internets an Durchschlagkraft verliert, könnte das Herrschaftsinstrument der Überwachung zu ungeahnter Größe anwachsen. Dank der neuen technischen Möglichkeiten. Was der Tod der Desinformation ist, ist gleichzeitig der Dünger für die Überwachung: Vernetzte Information.

So ist es technisch möglich, jeden Klick im Internet zu speichern und automatisch auszuwerten. So ist es technisch möglich, die Bewegung von Dingen und Personen unauffällig ohne großen Aufwand genau zu protokollieren und auszuwerten. Entweder mittels RFID-Chips oder mittels aufbereiteter und zentral vernetzter Videokameras, die heute in Prototypen bereits Gesichter und damit Personen erkennen, die Emotionen der erfassten Gesichter verstehen, gefilmte Gegenstände identifizieren und verfolgen können oder auch von den Lippen lesen können. Hinzu kommt die Möglichkeit der genauen Erfassung von Finanzbewegungen.

Das erste Mittel der Herrschaftsausübung, die Gewalt also, wird in einem demokratischen Rechtsstaat durch Gesetze genau kontrolliert. Das zweite Mittel der Herrschaftsausübung, die Desinformation, wird in einer Demokratie durch die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, das Versammlungsrecht, unabhängige Gerichte, eine freie Wissenschaft und so weiter in Schranken gehalten. Der zunehmende Einfluss starker Wirtschaftsverbände auf die Medien und Politik hat hier in letzter Zeit zu einer Schieflage geführt, die jedoch eventuell zum Beispiel durch das Internet ausgeglichen werden könnte.

Die entscheidende Rolle im Machtspiel hängt somit von der Überwachung ab. Da es technisch möglich wird, wirklich jede kleinste Regung von wirklich jedem Bürger zu erfassen und dies ohne großen Aufwand und automatisiert auswerten zu lassen, wäre dadurch auch der Einsatz des Machtmittels Nummer eins, also der Gewalt, wieder effektiv möglich. Und natürlich der Einsatz der Desinformation, denn abweichend handelnde und sich abweichend informierende Menschen können dank der neuen Möglichkeiten der Überwachung schnell und zuverlässig identifiziert und ausgeschaltet werden. Ein Überwachungsstaat zeichnet sich also dadurch aus, dass er im Gegensatz zu früheren Gewaltherrschaften wirklich überall als friedlich erscheint. Störende Elemente können dank der hundertprozentigen Überwachung schnell und für die Gesellschaft nahezu unsichtbar ausgeschaltet werden. Ein moderner Überwachungsstaat wäre also völlig "befriedet".

Vielleicht kann man die drei Herrschaftsinstrumente einer gegen die Bevölkerungsmehrheit gerichteten Politik hinsichtlich ihrer in einem "erfolgreichen" despotischen Staatswesen sichtbaren Ausprägungsstärke, ihres Verhältnisses zueinander und ihrer Entwicklung über die Zeit wie folgt veranschaulichen:

Diagramm ohne feste Werte, abfallende Kurfe für 'Gewalt', gleichbleibende Gerade für 'Desinformation', ansteigende Kurve für 'Überwachung'

Das ist natürlich total vereinfacht. Aber ich denke, dass an der Ersetzung von sichtbarer Gewalt durch unsichtbare Überwachung etwas dran ist. Wo vorher (im Diagramm links) massiver Einsatz von Gewalt nötig war, um Ruhe herzustellen, sind in einem Überwachungsstaat (rechts im Diagramm) nur noch kleine, kaum noch auffallende gewalttätige Übergriffe auf die Bevölkerung in einem despotisch regierten Staat nötig.

Überprüfen könnte man die These anhand geschichtlicher Beispiele von "erfolgreichen" Despotien. Mit "erfolgreich" meine ich: Staatswesen, wo tatsächlich gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit regiert wurde und wo trotz dieses Regierungsstils weitgehend Ruhe im Staat herrschte. Wie sah es im Römischen Reich in den besetzten Gebieten aus mit dem Verhältnis von Gewalt und Überwachung? Wie in der DDR?

Wenn klar geworden ist, dass "Überwachung" ein Herrschaftsinstrument ist, sollte man dann nicht vorsichtig sein beim ständigen Fordern nach mehr Überwachung? Wie würden sich die Forderungen unserer Innenminister und Sicherheitsbehörden-Chefs anhören, wenn sie ständig zum Beispiel statt nach mehr Überwachungsbefugnissen nach mehr und stärkeren Waffen für die Polizei oder nach mehr Einheiten von besonders militärisch geschulten Polizisten rufen würden oder nach mehr Befugnissen für den Gewalteinsatz durch die Polizei? Würde man dann nicht auch eine genaue Abwägung vornehmen, ob so etwas wirklich nötig ist?

Mittwoch, 28. März 2007

Deutsche Wirtschaft: Demokratie ist Hemmnis für Investitionen

(Via Nachdenkseiten.de)

"Für die Investoren ist entscheidend, dass es der Regierung gelungen ist, ein Projekt gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen." (dpa/Der Tagesspiegel vom 10.3.2007)


Diesen Satz sprach vor kurzem der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Hüther bezog sich damit auf die Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre.

So wie im obigen Zitat denken große Teile der deutschen Wirtschaft. Will heißen: Große Teile unserer Wirtschaft stehen der Demokratie ablehnend gegenüber. Stattdessen wollen sie den demokratischen, öffentlichen Diskurs aller gesellschaftlichen Interessengruppen immer mehr ersetzen durch ihre immer perfekter werdende Lobbyarbeit. Dieses An-die-Hand-Nehmen der Politiker und vor allem der Medien funktioniert mittlerweile dank mächtiger Lobbyvereine wie zum Beispiel der bekannten INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) und anderer und dank ganzer TV-Sender (von Zeitungen ganz zu schweigen), die mittlerweile zum reinen Sprachrohr der Industrie verkommen sind, wunderbar.

Und der aufgeklärte Bürger wundert sich, was da oben in den Sphären der Politik eigentlich ab geht und fragt sich, wo unsere schöne Demokratie abgeblieben ist.

Nun wisst ihr es, liebe Bürger: Bei den Investoren.

Albrecht Müller von Nachdenkseiten.de dazu:

Hartz IV betrifft Millionen und wirkt sich bis hinein in die Betriebe und die gewerkschaftliche Arbeit aus. Auch die Zerstörung dieser wichtigen Einrichtung Arbeitslosenversicherung ist gegen die Mehrheit der Menschen und ihre Interessen und Wünsche verabschiedet worden. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist übrigens vor allem aus dem Motiv heraus gegründet worden, die Entscheidungen der herrschenden Kreise gegen die Wünsche und Interessen der Mehrheit propagandistisch abzusichern.

[...]

Hinter dem Drängen auf Strukturreformen stecken massive Interessen. Wenn zum Beispiel die gesetzliche Rentenversicherung -ergänzt und Schritt für Schritt ersetzt wird durch private Lebensversicherungen und Pensionsfonds, dann können Versicherungswirtschaft und Banken ihr Geschäft beträchtlich ausdehnen. Es geht um Milliarden.

[...]

In der Öffentlichkeit kommen diese Interessenverflechtungen mit gutem Grund nicht zur Sprache. Hinter den Attacken auf den Sozialstaat [...] stecken Meinungsführer aus der Wirtschaft. [...] Sie stützen die Reformdebatte, sie heizen sie an bis hin zur Forderung nach einem Systemwechsel. (Quelle)


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Dienstag, 27. März 2007

Unseriöse Verkaufsgespräche um Bundestrojaner gehen weiter

Die unseriösen Verkaufsgespräche der Sicherheitsbehörden, um uns ihren Bundestrojaner als unverzichtbar, schick und sicher anzupreisen, gehen weiter. So gab BKA-Präsident Ziercke heute gestern morgen zunächst der TAZ ein Interview: "Am Computer des Täters ansetzen".

Zierckes Werbetour fand dann tagsüber eine Fortsetzung bei einem Fachgespräch bei der Bundestagsfraktion der Grünen. Netzpolitik.org bringt einige persönliche Aufzeichnungen aus dem Fachgespräch und Heise.de eine ausführlichen Artikel: BKA-Präsident: Online-Durchsuchung klappt ohne Schadsoftware.

Meine Kurzzusammenfassung aus dem Berichteten:

BKA-Präsident Ziercke setzt alles dran, um die geplanten Onlinedurchsuchungen zu verharmlosen und widerspricht sich natürlich sofort:

Für die Onlinedurchsuchung würde man keine Schadsoftware einsetzen. Mit der geplanten (oder existenten?) Software könne man jedoch unbemerkt auf Rechnern anderer Leute gegen den Willen des Rechnerbesitzers und trotz möglicher Sicherungsmaßnahmen (Anti-Virenscanner) des Rechnerbesitzers gezielt einzelne Dateien kopieren. Man könne die Software auch ferngesteuert wieder abschalten. Aber das sei nach Ziercke kein Hacking und man müsse dazu auch keine Sicherheitslücken von anderer Software ausnutzen. Auch würde die Schnüffelsoftware der Sicherheitsbehörden kein Risiko bedeuten.

Ich befürchte, die deutschen Journalisten sind so bekloppt und glauben das und erkennen die Widersprüche in den Aussagen Zierckes nicht.

Jede Software, egal, ob sie nur Daten kopieren will, verändert den Zustand eines Rechners. Insofern ist es nicht irgend ein Stück passive Software, die die Sicherheitsbehörden da verteilen wollen. Einen Virenscanner muss solch eine Software nicht als einziges überwinden. Sie muss vor allem eine Firewall überwinden, wenn sie die Daten vom Rechner des Beschnüffelten zurück zu den Sicherheitsbehörden schicken will. Und weil sie das tut, ist es keine triviale Software mehr. Und weil sie keine triviale Software mehr ist, wäre sie für Kriminelle sehr interessant. Würden sie dieses Stück Software in die Hände bekommen, könnten sie die Software analysieren und nachbauen und für ihre Zwecke umbauen. Die Software stellt somit selbst ein Risiko dar. Das Einfangen dieser Software durch interessierte Kriminelle wäre vermutlich nicht so schwierig. Interessierte könnten ja "Honigtöpfe" für die Sicherheitsbehörden aufstellen, also fingierte Terror-Webseiten publizieren und ein fingiertes Netzwerk aus Terroristen virtuell erstehen lassen und dann genau vorbereitet sein und gucken, was sich auf ihren Rechnern anschließend so tut.

Ziercke widerspricht sich auch noch in anderer Hinsicht: In einem TAZ-Interview beschwört er noch, dass solch eine Schnüffelsoftware nur in ganz seltenen Fällen eingesetzt würde. Etwas später, in dem Fachgespräch bei der Bundestagsfraktion der Grünen, erläutert er jedoch, dass die Software eingesetzt werden soll, um Plänen für Terror-Anschläge, der Anwerbung von Dschihadisten, allgemein Unterstützern für ein Terrornetz, Landesverrat (ein sehr weites Feld) und eventuell sogar Phishern, also Passwort-Betrügern und Botnetz-Betreibern auf die Schliche zu kommen.

Lustig auch der Werbespruch in Autoverkäufer-Manier des Präsidenten des BSI BUSI (mehr zum neuen Namen des BSI hier):

"Wir sind die Behörde, der Sie vertrauen sollten." (Quelle.)


Lol.

Das BUSI untersteht übrigens direkt dem Innenministerium und soll unter anderem zuständig dafür sein, die Bürger vor Software zu schützen, die sich unbemerkt und ungewollt auf ihren Rechner einnistet. Wie sich dieses Aufgabenziel mit einer eventuellen Mitwirkung (die Ziercke verneint) oder einfach auch nur mit einem Stillhalten des BUSI gegenüber Zierckes Softwareprojekt verträgt, kann niemand sagen... vermutlich, weil das "geheim" ist.

Was andere von den Offenbarungen Zierckes halten:

Detlef Borchers in einem anderen Heise.de-Artikel zum Thema:

In dem Interview, das sich stellenweise wie eine Realsatire liest, behauptet der BKA-Chef, dass sich nur mit der Online-Durchsuchung die "Schlüssel" finden lassen, mit denen sich die Online-Verstecke im World Wide Web öffnen lassen. (Quelle)


Farliblog.de:

Ich weiß nicht, von wem Ziercke sich dieses Halbwissen einflüstern lässt und ob er es wirlich ernst meint, aber eins halte ich für erwiesen: Ziercke und seine Freunde sind definitiv nicht für eine Aufgabe geeignet, die mit unserer Verfassung konform geht. (Quelle)


Gulli.com:

So widerspricht Ziercke den Forderungen von Innenminister Schäuble, der den mutmaßlichen Terroristen unterstellte - Gipfel der Perfidie - Terrorpläne auch als Tagebücher zu tarnen. "Ganz private" Daten wolle man natürlich nicht durchleuchten: [...] Womit sich der BKA-Chef einmal mehr in eine Zwickmühle bringt: denn wie dies technisch machbar sein soll, wird er kaum beantworten können, und natürlich ebenso wenig, wie der "ganz private" Charakter von Daten erkannt werden soll, ohne dass sie polizeilich überprüft werden. (Quelle)


Schnüffelblog:

Manche Richter genehmigen erfahrungsgemäß vieles, dass die Staatsanwaltschaft diese Maßnahmen überwacht, liegt ja wohl in der Natur der Sache und ob ein Datenschutzbeauftragter wirklich umfassend informiert wird, mag bezweifelt werden - und wenn überhaupt, wohl ohnehin nur im Nachhinein. Nicht wirklich beruhigend! (Quelle)


Udo Vetter von Lawblog.de bezweifelt, dass es Aufgabe des BKA-Chefs ist, für eine Gesetzesinitiative Werbung zu machen:

Weiß eigentlich jemand, ob der Chef des Bundeskriminalamtes noch Zeit für seine Arbeit hat? Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem Jörg Ziercke nicht in Interviews und auf Tagungen für die Online-Durchsuchung wirbt. (Quelle)


Und zum Abschluss noch einmal ein Kommentar vom Schnüffelblog:

Wolfgang-ich-bin-anständig-Schäuble begründet die angebliche Notwendigkeit der Schnüffelei mit der allgegenwärtigen - und evtl. auch zielorientiert geschürten - Terrorismusangst, Herr Ziercke mit diversen Straftaten, wo zur Kommunikation des Internet genutzt wird bzw. werden kann und Herr Wiefelschnüff mit Sauereien aller Art - ist jetzt noch irgendjemandem nicht klar, dass es hier schlicht um umfassende Überwachung geht? (Quelle)


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Vorratsdatenspeicherung: Eine Lachnummer für Terroristen

In einem lesenswerten Interview bei Netzeitung.de fasst Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) noch einmal alle Kritikpunkte an der geplanten verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bundesbürger zusammen: Auf dem Weg zum gläsernen Internetnutzer (Netzeitung.de).

Seine wesentlichen Kritikpunkte gegen die Vorratsdatenspeicherung:

  • Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist auf juristisch fragwürdige Weise zustande gekommen.
  • Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung kostet den Providern Unsummen an Geld.
  • Die verdachtsunabhängige Speicherung all dieser Daten aller Bürger ist qualitativ etwas völlig Neues. Jemand muss nicht mehr verdächtig sein, um ins Fadenkreuz der Ermittler zu geraten, sondern das Unschuldigksein reicht aus, damit das gesamte Kommunikationsverhalten aufgezeichnet wird.
  • Die dann vorhandenen Datenberge werden den Hunger wecken bei vielen, die in den Daten auch jenseits der Verfolgung schwerer Straftaten wühlen wollen. Beispielsweise die Musikindustrie.
  • Bei einigen der Verbindungsdaten wird es technisch kaum zu vermeiden sein, auch Kommunikationsinhalte zu speichern.
  • Das Risiko des Missbrauchs der Daten ist also vorhanden.
  • Und schließlich: Zur Terror-Bekämpfung sind die gefährlichen Datenberge schlussendlich vermutlich weitgehend unbrauchbar, da technisch Versierte die Überwachung mit etwas Aufwand umgehen können. Zurück bleibt Otto-Normalsurfer, der nun als gläserner Surfer da steht.
Die alles entscheidende Frage wird in dem Interview aber auch nicht beantwortet: Warum wollen die Politiker die Vorratsdatenspeicherung?

P.S.: Extrem dreist ist übrigens eine gewisse Frau Zypries, immer noch Bundesjustizministerin. Sie behauptete doch neulich gegenüber der ARD-Sendung "Ratgeber Technik" tatsächlich, dass die Vorratsdatenspeicherung eigentlich nichts wesentlich Neues mit sich bringen würde:

"Man muss sich klarmachen, dass heute bereits die Daten der Telekommunikationsteilnehmer genauso gespeichert werden, nur zu Abrechnungszwecken und dass auch dann, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt auf diese Daten zugegriffen werden kann. Wir werden künftig die Speicherung aber nicht nur für 90 Tage haben, sondern für 180 Tage. Ansonsten ändert sich ja im Wesentlichen nichts", sagt Zypries. (Quelle)


Ja, und wenn dem so wäre, warum soll dann überhaupt die Vorratsdatenspeicherung nötig sein?

Dass Zypries sich jedoch irrt (ich möchte es einmal so ausdrücken, das Wort "Lüge" will ich hier mal nicht in den Mund nehmen...), macht Oliver Süme in oben verlinktem Interview allzu deutlich:

Netzeitung.de: Um welche Daten geht es? Welche Information sollen gespeichert werden?

Oliver Süme: Die Verbindungsdaten der E-Mail-Kommunikation, also: Wer hat wann an wen eine Mail geschickt? Außerdem soll aufgezeichnet werden, wer sich wann ins Internet wie lange eingeloggt hat. Und drittens geht es um die Internet-Telefonie. Auch dort sollen Absender und Zielwahlnummer gespeichert werden. [...]

Netzeitung.de: Welche Daten wurden bisher gespeichert?

Oliver Süme: Bisher darf nur gespeichert werden, was zu Abrechnungszwecken notwendig ist. Das sind immer weniger Daten, da wir durch die Verbreitung von Flatrates keine Einzelgespräche mehr abrechnen – und deshalb auch keine Verbindungsdaten speichern müssen. [...]

Netzeitung.de: Was stört Sie an dem Gesetz?

Oliver Süme: [...] Aber abgesehen von solchen formalen Aspekten entstehen den Unternehmen erhebliche Kosten, weil künftig enorme Datenmengen gespeichert werden müssen [...] (Quelle)


Fazit: Die Unverfrorenheit von Frau Zypries deutet an, wohin die Reise geht. Es wird der übliche Weg des politischen Diskurses in Deutschland sein. Dass nämlich Richtlinien zunächst geheim auf EU-Ebene entwickelt werden, in Eilverfahren in juristisch fragwürdiger Manier dort verabschiedet werden und dann unter angeblich großem Jammern des Bundestages unter Zwang zu deutschem Recht werden. Nicht bevor man noch ursprünglich angedachte Verwendungszwecke der Daten, zum Beispiel zum Verfolgen von Telefonterror durch Stalker oder zum Überprüfen, ob jemand während des Autofahrens am Handy telefoniert hat oder welcher Behördeninformant mit Journalisten telefoniert hat, vorerst großzügig aus dem Gesetzesentwurf streicht - um zu zeigen, dass man sich ja extrem sorge um den Datenschutz... Anschließend greift dann jedoch wie üblich das Bundesverfassungsgericht ein und schmeißt den ganzen Gesetzes-Krempel wegen seines ganzen verfassungsfeindlichen Charakters trotzdem wieder auf den Müll.

Ich wette, dass irgendwann von unseren Politikern die Forderung aufkommen wird, die Befugnisse des Bundesverfassungsgerichtes einzuschränken, weil man ja heutzutage gar keine Gesetze mehr verabschieden könne, ohne dass das Verfassungsgericht sie anschließend wieder als verfassungswidrig deklariert. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Verfassungsgericht wie dem Supreme Court in den USA, der wesentlich weniger zu vermelden hat als unser Bundesverfassungsgericht? Denn natürlich wird keiner der deutschen Politiker aus dem Vorgang die Lehre ziehen, dass es vielleicht sinnvoll wäre, Gesetzesplanungen auch zuvor in der Öffentlichkeit (in der realen Öffentlichkeit, nicht in Ausschuss-Hinterzimmern) diskutieren zu lassen und wirkliche Experten anzuhören. Das wäre ja was Demokratisches. Und Demokratie scheint momentan ziemlich out zu sein. Zumindest bei unseren Politikern.

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Sonntag, 25. März 2007

Das moderne Samstagabendprogramm der ARD

Die obligatorischen, samstäglichen Wiederholungen alter James-Bond-Filme in den öffentlich-rechtlichen Sendern haben zwei Vorzüge:

1.) Es ist immer wieder spannend zu kontrollieren, ob man mittlerweile tatsächlich alle Dialoge auswendig kann.

2.) Die alten Schinken offenbaren einem, was sich so alles verändert hat in den letzten 41 Jahren:

Hongkong im Screenshot aus dem Film "James Bond 007 - Man lebt nur zwei Mal" von 1966 (Klicken für größere Version):

Skyline von Hongkong in James-Bond-Film von 1966

Hongkong im Dezember 2006, aufgenommen von "Dittmeyer" (das Foto unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz):

Skyline von Hongkong im Jahr 2006

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Filme machen ohne (eigene) Kameras

Ich bin gerade durch die Berichterstattung des ORF über den Film "Faceless" auf der Grazer "Diagonale" aufmerksam gemacht worden auf das geniale Manifesto for CCTV filmmakers.

Dieses Manifest besagt, dass Filmemacher, die sich bei der Herstellung ihrer Filme nach diesem Manifest richten wollen, keinerlei Kameras und keinerlei Beleuchtungseinrichtungen mit zum Set bringen dürfen.

Filme ohne Kameras produzieren? Hört sich verrückt an, oder?

ÜberwachungskameraDas funktioniert jedoch, wenn man schlicht den richtigen Ort zum Drehen auswählt. Denn vor allem in Großbritannien aber bekanntlich auch immer mehr in Deutschland und anderen Ländern befinden sich bereits an vielen Plätzen Kameras. Überwachungskameras nämlich. Filmemacher können so darauf verzichten, eigene Kameras mitzubringen und müssen anschließend schlicht die gesetzlich vorgeschriebene Herausgabe von Kopien des von den Überwachungskameras aufgezeichneten Filmmaterials verlangen.

Geniales Konzept.

Passende Orte zum Filmen ohne eigene Kamera finden sich zum Beispiel mittels geogetagter Fotos folgender Flickr-Pools:



Copyright-Hinweis: Die Rechte an obigem Foto besitzt "g@ss". Das Foto unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.

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