Samstag, 16. Dezember 2006

Spiegel.de mit Leserverarschung: Quatsch-Ranking von neoliberalem Think-Tank

Spiegel.de bringt "exklusiv" eine Studie des Think-Tanks "Berlinpolis": So sozial sind die Bundesländer.

Inhalt der Studie: Ein Ranking. Ja, mal wieder. Rankings sind so ungefähr das einzige, was diese Think-Tanks auf die Beine stellen. Dieses Mal geht es um die Sozialpolitik der Bundesländer. Da gibt es nämlich Unterschiede! Ja, guck an. Wo genau, das verschweigt der Spiegel-Artikel. Ist ja auch nicht so interessant. Wichtiger ist das Ranking an und für sich. Weniger der Inhalt des Rankings. Rankings sind cool. Weil, da kann man dann schön Äschi-Bätschi sagen zu denen, die total mies abschneiden im Ranking.

Rankings transportieren somit immer die Botschaft, dass es Gute und Schlechte gibt und dass die Guten und Schlechten selbst verantwortlich sind für ihr Abschneiden. Die oben an der Spitze haben ihre Aufgabe gut gemacht, die unten sind die Versager.

Nun also ein Ranking über die Qualität der Sozialpolitik der Bundesländer. Die implizite Botschaft: Bundesländer haben alle in gleichem Maße einen gleich großen Spielraum zur Gestaltung ihrer Sozialpolitik. Denn sonst würde solch ein dämliches Ranking ja gar keinen Sinn machen, nicht wahr? So steht denn auch im Spiegel.de-Artikel:

"Deutschland ist sozial dynamischer als gedacht", sagt Daniel Dettling, Vorstandsvorsitzender von berlinpolis. Dies wird im Vergleich zur Erhebung des Jahres 2000 deutlich. Einige Länder haben seither ihre Spielräume genutzt. (Quelle)


Es liegt also anscheinend nicht daran, dass manche Bundesländer kaum Geld in den Kassen haben, weil sie zum Beispiel die miesen Geschäfte von Banken-Bonzen auf dem Rücken der Steuerzahler ausbaden müssen (Berlin) oder wegen langfristiger Strukturprobleme oder allgemein, weil man kleine Bundesländer mit großen nicht vergleichen könne und so weiter. Nein, einige Bundesländer nutzen halt einfach ihre Spielräume nicht optimal. Das sei alles. Sicherlich ist es auch reiner Zufall, dass das reichste Bundesland, Baden-Württemberg, seine Spielräume am besten genutzt hat und somit das sozialste Bundesland im Ranking von Berlinpolis ist. Von einer unterschiedlichen Gewichtung der Bundesländer liest man im Spiegel-Artikel jedoch nichts. Also vielleicht doch kein Zufall das mit Baden-Württemberg, seinem Reichtum und dem Abschneiden im Ranking?

Logischerweise fordert Berlinpolis dann anschließend auch nicht etwa, die Solidarität zwischen den Bundesländern zu stärken oder den Einfluss des Bundes zu stärken, um das im Grundgesetz vorgeschriebene gleiche Lebensniveau innerhalb Deutschlands zu sichern, nein, Berlinpolis möchte, dass die Bundesländer noch mehr Spielräume bekommen bei der weiteren Stufe der Föderalismusreform. Der Bund soll sich also noch mehr raushalten und die Länder noch stärker konkurrieren, heißt das wohl.

Bleibt die Frage, wie diese administrativen Spielräume die nun einmal faktisch existierenden enormen Unterschiede zwischen den Bundesländern beseitigen sollen. Spielräume sind ja schön und gut und fördern sicherlich die Eigenverantwortung und so weiter. Aber selbst in der Schweiz mit ihrem ausgeprägten Föderalismus sind die Kantone homogener gestaltet als die deutschen Bundesländer. Und trotzdem gibt es auch dort zum Beispiel eine gezielte Förderung schwacher Kantone.

Spielräume sind nicht alles. Und ein Ranking, in dem Bremen mit Baden-Württemberg konkurrieren muss, ist alles andere als glaubwürdig.

Mehr kritische Stimmen zu Berlinpolis:
  • TAZ.de: Arschlochalarm! - Berlinpolis in einem Boot mit "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", EnBW, Microsoft, Siemens, Dresdner Bank und so weiter.
  • Berlinpolis haben wir auch den Ausdruck "Fernuniversität der Gewalt" als Beschreibung des Internets zu verdanken. Heise.de: Deutscher Thinktank fordert Kontrolle des Internet. Seltsam. Auf der einen Seite möchte man überall Spielräume, weniger Regulierung, böse Zungen sagen dazu auch "Entsolidarisierung", aber dann wieder will man möglichst umfassende Kontrolle und Überwachung, und zwar der einzelnen Bürger. Freiheit für Konzerne? Fesseln für die Bürger? Ja, die Welt der Think-Tanks stinkt nach Gegen-Aufklärung statt nach Aufklärung, nach Gegen-Reformation statt nach Reformation. Die Mächtigen können eben immer gut das Lied von der Entfesselung des Marktes singen, um sich nach dem Liedchen an den unregulierten Tisch setzen zu können.
  • Und schließlich eine Rezension des Buches "Machtwahn" von Albrecht Müller, in dem die ganzen konservativen Think-Tanks, von denen sich viele Medien in Deutschland, allen voran der Spiegel, gerne um den Finger wickeln lassen, vorgestellt werden. Als Presse ist man ja nicht für den depperten Leser da, sondern für den wirklichen Kunden, die zahlende Wirtschaft: "Eliten" - dumm oder korrupt?
Update: Auch die NachDenkSeiten.de haben sich mit einer eingehenderen Analyse dieses manipulativen Spiegel-Artikels und des Meinungsmacher-Institutes Berlinpolis angenommen. Unbedingt lesen: Manipulatives Zusammenspiel von SpiegelOnline und berlinpolis zur Ehre CDU/CSU-regierter Bundesländer. Die Autorin des Spiegel-Artikels, so NachDenkSeiten.de, ist mit Berlinpolis verbunden. Spiegel.de ist somit ungefiltertes Sprachrohr eines politischen PR-Institutes wie Berlinpolis. Arme Spiegel-Leser...

Technorati-Tags: , , ,

Datenschützer: Online-Communities führen zu Spam, sexueller Belästigung, Drohungen

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt vor der leichtfertigen Nutzung von Online-Communities, wie Heute.de im Artikel "Kein Datenstrip im Internet" berichtet. Immer häufiger haben Datenschutzbeauftragte mit Opfern solcher Online-Communities zu tun.

Die Besitzer von "anständigen" Websites mit Impressum und eigener Domain mögen es mir verzeihen, aber: Anonymität ist Bürgerrecht, Selbstschutz und extrem cool. Alle seine Adressdaten im Internet zwanglos zu verteilen ist extrem uncool. ;-)

Technorati-Tags: , ,

Immer mehr Überwachung trotz immer weiter sinkender Bedrohung

Die Kriminalitätsrate sinkt kontinuierlich in Deutschland. Seit Jahren. Wissenschaftlich bewiesen. Zum Beispiel im "Zweiten Sicherheitsbericht der Bundesrepublik Deutschland" (PDF-Dateien: Kurzfassung, Langfassung), den Daten-Speicherung.de dankenswerterweise zusammenfasst und bewertet: Kriminalität? Die Bürger haben andere Sorgen.

Um 30 Prozent hat die Kriminalität in Brandenburg in den letzten Jahren abgenommen. Die Folge: Brandenburg bekommt das schärfste Polizeigesetz, das man sich vorstellen kann. "Scharf" im Sinne von: Mehr Macht für die Polizei. Heise.de berichtet: Brandenburg erhält deutlich verschärftes Polizeigesetz.

Während der Fußball-WM gab es keine Terror-Anschläge. Die Folge: Schäuble forderte schon im Sommer, direkt nach der friedlichen, freundlichen Fußball-WM (also lange vor den gescheiterten Kofferbomben-Attentaten) schärfere Gesetze mit folgender, äußerst intelligenter Begründung, wie DW-World im Artikel Deutsche Regierung plant strengere Sicherheitsgesetze berichtete:

Auch wenn wir in den letzten Wochen glücklich darüber sind, dass in Sachen Sicherheit alles gut gelungen ist, darf das ja nicht heißen, dass wir uns nicht mehr um Sicherheit kümmern. Sondern, dass wir den Schluss ziehen, auch in Zukunft das Menschen mögliche zu tun, damit wir alle friedlich, sicher und fröhlich zusammenleben können. (Quelle)


Die angeblichen Terror-Anschlagspläne auf ein Flugzeug in Frankfurt waren bekanntlich und vermutlich keine richtigen (Süddeutsche.de: Terror-Gefahr offenbar aufgebauscht). Und selbst wenn es doch ernstgemeinte Terror-Pläne gewesen wären, so sagten Experten, dass der Ansatzpunkt, um in Zukunft so etwas zu verhindern, bei den Flughäfen liegt, zum Beispiel bei einer besseren Ausbildung des dortigen Personals, und nicht in weiteren Überwachungsbefugnissen (Welt.de: Gravierende Sicherheitslücken auf dem Frankfurter Flughafen).

Die Folge: Die Bundesanwaltschaft fordert vor allem wieder und erneut nur eines, nämlich noch mehr präventive Überwachungsmaßnahmen. Liest man den liebedienerischen, unkritischen Artikel bei Spiegel.de über den netten Besuch der Presse bei der im Artikel mit einer "Charity-Lady" verglichenen Monika Harms (Spiegel.de: Wir sind knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt) wird einem klar, dass es den Sicherheitsbehörden und (Un-)Sicherheitspolitikern eigentlich nur um eine Sache geht: Sie fürchten sich einfach mächtig davor, im Fall der Fälle, also wenn etwas passieren sollte, von den bösen, bösen, wilden, unzähmbaren, reißerischen, wutschnaubenden, zerfleischenden Medien kritisiert zu werden:

"Was hätte die Presse wohl gesagt", fragt Harms energisch, "wenn wir einfach zugesehen hätten und dann etwas passiert wäre?". (Quelle)


Arme Politiker! Arme Behörden! Sie müssten in dem Fall Kritik ertragen! Vielleicht sogar unberechtigte! Daran würden sie zerbrechen. Ganz bestimmt. Also müssen noch schärfere Gesetze her, dass auch wirklich niemals irgendjemand den selbstlosen und unbezahlten Behördenvertretern auch nur die kleinste Nachlässigkeit im Ansatz vorwerfen kann. Dass es keine einhundertprozentige Sicherheit gibt und dass selbst die deutschen Sicherheitsbehörden nicht das Paradies auf Erden schaffen können, diese Argumente fallen Frau "Charity-Lady" Harms nicht ein.

So werden auch in Zukunft - ganz egal, ob die Terror-Gefahr zu- oder abnimmt - eine Clique aus Politikern und Behördenvertretern unabhänderlich weiter noch schärfere Gesetze fordern. Nur um ja nicht von irgendwo den kleinsten Vorwurf zu hören, sie hätten nicht verdammt nochmal alles überhaupt Denkbare unternommen.

Leider gibt es keine Behörden, die man im Fall der Fälle kritisieren könnte, wenn den Bürgern ihre Freiheit bei diesen immer schärferen Gesetzen abhanden kommt.

Technorati-Tags: , , , , , ,

Handys in Wanzen verwandeln mittels FOTA

Die deutschen (Un-)Sicherheitspolitiker verfahren gerne nach der Devise: Alles, was technisch möglich ist, muss auch zu Überwachungszwecken genutzt werden können.

Insofern könnte bald neben der Forderung, die Festplatten der Bürger per Spionageprogrammen übers Internet durchforsten zu dürfen (Schieflage: Schäuble & Co. sind eine Gefahr für die Gesellschaft), auch die Forderung im Raum stehen, die Handys der Bürger mittels automatischem und heimlichem Firmware-Update notfalls in mobile Wanzen verwandeln zu dürfen. Wenn dies nicht eh schon geschieht und auf Grundlage irgend eines verkruselten Gesetzestextes möglich ist.

Technisch möglich ist so etwas über eine Feature von modernen Handys, das sich "FOTA" nennt. Die Abkürzung steht für "Firmware Over The Air", also das automatische Überspielen von einer neuen Handy-Firmware über das Funknetz des Mobilfunkanbieters auf die Handys der Endkunden. In den USA wird dies bereits vom FBI verwendet, um Gespräche mittels der Handys der Verdächtigen mitschneiden zu können, wie zum Beispiel Rabenhorst ausführlich darstellt: FBI-Wanderwanzen für Handys.

Und jetzt berichtet sogar Spiegel.de über diese neuen Möglichkeiten, wenn auch mit anderem inhaltlichen Schwerpunkt: "Handy-Fernsteuerung gegen Mobil-Schnüffler":

Über eine oft übersehene Funktion, die auch automatische Updates erlaubt, das sogenannte OTA (over-the-air programming), lassen sich beliebige Features von Telefonen an- und abschalten - und das sozusagen per Fernbedienung über das Mobilnetz. Über OTA lässt sich die Firmware eines Handys verändern, die sämtliche Handy-Funktionen steuert [...]. (Quelle)


Der Spiegel-Artikel stellt ironischerweise FOTA vor allem als Mittel dar, um Leuten, die ihr Handy als Spionagewerkzeug missbrauchen, einen Riegel vorzuschieben. Die andere Seite der Medaille, dass Handys selbst zu Spionen werden können mittels FOTA, fehlt im Spiegel-Artikel.

Wesentlich mehr Informationen über FOTA gibt es in der Wikipedia.

Ich bin nicht prinzipiell dagegen, den Sicherheitsbehörden neue Technologien zur Seite zu stellen. Das Problem ist nur: Ob die Nutzung zum Missbrauch und damit zu einer ungerechtfertigten Überwachung der Bevölkerung führt, hängt bei den neuen Technologien von komplizierten, entscheidenden Detaifragen ab. Die neuen Technologien sind einerseits so mächtig, andererseits aber so unsichtbar in ihrem Einsatz und damit äußerst anfällig für den Missrauch - nicht nur durch Kriminelle und Terroristen, sondern eben gerade auch durch Sicherheitsbehörden! Und die derzeitige Rechtssprechung (Stichwort "Vorratsdatenspeicherung" oder "Anti-Terror-Datei") in Deutschland berücksichtigt diese letztgenannte Gefahr bekanntlich bislang viel zu wenig.

Mal beobachten, wie lange es dauert, bis Rufe laut werden, die oben vorgestellten technischen Möglichkeiten auch deutschen Sicherheitsbehörden als Überwachungsinstrument zur Verfügung zu stellen. Und mal sehen, ob es dann eine breite gesellschaftliche Diskussion über Überwachung gibt und welchen Stellenwert richterliche Kontrolle und Datenschutz dabei einnehmen werden.

Technorati-Tags: , , ,

Anonyme, eigene Domain via Google

(Via Google Blogoscoped) Google bietet jetzt die Möglichkeit an, eine eigene Domain mit den Endungen .com, .org, .net, .biz, .info zu bestellen, ohne dass die persönlichen Daten in den öffentlich zugänglichen WHOIS-Datenbanken erscheinen müssen.

Der Service ist Teil der von Google angebotenen "Google Apps for Your Domain". Um diese Applikationen (Google Apps) nutzen zu können, benötigte man bisher eine eigene Domain. Nun hilft Google allen, die bisher keine eigene Domain hatten. Meldet man sich zur Nutzung von "Google Apps for Your Domain" an, hat man die Möglichkeit, gleich auch noch eine Domain hinzu zu bestellen.

Google Apps selbst ist kostenfrei, aber noch im berühmten Beta-Stadium. Liest man die deutschsprachigen Infos von Google zu Google Apps hört es sich so an, als ob Google nur ausgewählte Organisationen teilnehmen lässt an diesem Service. Die englischsprachigen Infos hören sich da anders an. Man soll zwar Google bei der Anmeldung zu Google Apps Informationen über die eigene Organisation mitteilen, die Freischaltung geschieht allerdings anscheinend sofort. An die englischsprachigen Informationen gelangt man wie bei Google üblich nur über den nutzerunfreundlichen, usability-schwachmatigen Weg, indem man zuvor erst die Adresse www.google.com (nicht www.google.de) aufruft und dann auf "Google.com in English" klickt. Cookies müssen aktiviert sein. Waren Cookies zuvor nicht aktiviert, muss man teilweise erst die Cookies manuell löschen, eventuell sogar den Browser schließen, um auch aus Deutschland heraus auf die englischsprachigen Dienstleitungen von Google.com zugreifen zu dürfen. (Für diese Informationen werde ich übrigens nicht bezahlt von Google. Unglaublich, aber wahr.)

Die Informationen und die Anmeldung sind dann auf Englisch. Die Domain-Miete kostet 10$ pro Jahr und wird über "Google Checkout" bezahlt.

Google Blogoscoped schreibt:

During the registration, you have to fill in a form for the WHOIS data, where you can check an option to “Keep my registration information unlisted. Do not make it available in the WHOIS directory unless required." (Quelle)


Insgesamt also eine komfortable Möglichkeit, um eine eigene Domain zu betreiben, ohne die Risiken (Spam, Stalking, Datensammler und Profiler usw.), die die Veröffentlichung der eigenen Adressdaten in WHOIS-Datenbanken so mit sich bringen, erdulden zu müssen.

Kennt jemand ähnliche Angebote anderer Provider, die es ermöglichen, eine eigene Domain zu mieten, ohne dass die eigenen Adressdaten öffentlich in den WHOIS-Datenbanken auftauchen? Falls ja, einfach einen Kommentar hinterlassen! Danke!

Freitag, 15. Dezember 2006

Sicherheit als wichtigster Maßstab der Politik tötet die Demokratie ab

Ronald Dworkin in der Sendung 'Kulturzeit'Meine gewählte Artikel-Überschrift könnte vielleicht eine Kurzzusammenfassung der Aussagen des liberalen US-Bürgerrechtlers Ronald Dworkin, eines Antipoden zu Schäuble, Beckstein, Schünemann & Co. sein. Die Sendung "Kulturzeit" von 3Sat berichtete gerade über ihn: Kämpfer für die Demokratie.

Dworkin sagt, dass beim vermeintlichen Tausch von Sicherheit gegen Freiheit vor allem eines verloren geht: Die Achtung gegenüber dem andersartigen Mitmenschen:

"Wir benutzen viele Strategien nicht, die totalitäre Staaten benutzen", sagt er. "Das würde uns mehr Sicherheit geben: Wir machen Leute ausfindig, die uns Ärger machen könnten, und bevor sie etwas tun, werfen wir sie ins Gefängnis. Wir wären sicherer. Warum machen wir das nicht? Weil es unehrenhaft ist! Aber was wir jetzt versuchen zu tun, und diese Gefahr besteht, dass die Terroristen uns in eine Situation bringen, in der wir für unsere Sicherheit nicht die Freiheit, aber die Ehre opfern. Ich möchte nicht mit dieser unehrenhaften Gesellschaft zusammen untergehen!" (Quelle)


Wir sollten also gerade nicht "alles Menschenmögliche tun", um unsere Sicherheit weiter zu steigern, so wie Schäuble dies in seiner letzten Grundsatzrede "Gesamtstaatliche Sicherheit aus Sicht der Bundesregierung" forderte. Eine Analyse der Rede findet sich zum Beispiel bei Rabenhorst: Schäubles neues altes Lied.

Eine Gesellschaft, die Gleichheits- und Freiheitsrechte zu Gunsten von vermeintlicher Sicherheit aufgibt, ist trotz ansonsten weitgehend intakter politischer Strukturen undemokratisch, weil eine Demokratie auf lebendige, gelebte moralische Werte aufbauen muss, so Dworkin. Sonst kann in einer Demokratie zum Beispiel eine Minderheit unterdrückt werden. Bei der Suche nach verdächtigen Elementen wäre dies meiner Meinung nach zum Beispiel Folter, präventives Einsperren oder präventive, umfangreiche Überwachung von bestimmten Bevölkerungsgruppen. Auch die neoliberale Ellenbogenmentalität ist aus dieser Perspektive der gelebten moralischen Werte betrachtet undemokratisch.

Technorati-Tags: , ,

Deutscher Olympischer Sportbund will sich nicht entschuldigen bei Blogger

Der Deutsche Olympische Sportbund gibt vor, zurückzurudern im Fall seiner Abmahnung von zwei völlig harmlosen Artikeln im "Saftblog" der Kelterei Walther (Mehr dazu in meinem früheren Weblog-Eintrag "Deutscher Zweig des Olympischen Komitees bedroht Saftblog"). So veröffentlichte jetzt Marketing-Blog.biz eine Antwort des Pressesprechers der deutschen Vertreter des Olympischen Komitees: Lieber Saftblog, liebe Blogosphäre,...

Zurückrudern sieht allerdings anders aus. Der Pressesprecher versucht, dem Saftblog zu unterstellen, es hätte mit der Marke "Olympia" Werbung machen wollen. Die Arroganz und Frechheit des Deutschen Olympischen Sportbundes nimmt also nicht ab, sondern zu. Olympischer Gedanke halt: Höher, weiter, schneller... rein ins Fettnäpfchen und in die Verachtung all jener, die die Meinungsfreiheit lieben.

Ich ahne schon die Verteidigungsstrategie des geldschweren Vereins: Es gäbe ja so viele Markenrechtsverletzer, da könne man halt nicht immer so genau hinschauen. Da könne es auch schonmal einen kleinen Blogger treffen. So als Kollateralschaden. Meinungsfreiheit? Wird allgemein zu hoch bewertet. Markenrecht ist wichtiger. Sichert Arbeitsplätze, den Standort Deutschland und den Weltfrieden. Also ihr kleinen Blogger, zieht euch warm an. Es wird auch weiterhin kostenpflichte Abmahnungen mit Fantasie-Streitwerten aus total hirnrissigen Gründen geben. Außer euch Bloggern juckt das eh keinen. Die Medien reiben hinterrücks ihre Hände, hoffen sie doch vermutlich auf diese Art und Weise die lästige Meinungskonkurrenz los zu werden. Die Politiker und der größte Teil der deutschen Bevölkerung hat noch nichts von Weblogs gehört und die Wirtschaft findet Weblogs eh lästig. Also warten wir auf die nächste Weblog-Abmahnung. Ich tippe auf Montag.

Technorati-Tags: , , , , ,

Schünemann will Bill Gates, Steve Jobs und Robert Gates ins Gefängnis sperren

Wenn Schünemann, Beckstein & Co. mit ihren Gesetzesinitiativen zum Verbot der Verbreitung von "Killerspielen" Erfolg haben, hätte dies zumindest ein "Gutes": Microsoft-Gründer Bill Gates könnte nicht mehr in persona im Studio bei Sabine Christiansen auftreten oder mit deutschen Politikern sprechen. Keine Lobbyarbeit mehr für Microsoft! Er dürfte überhaupt nicht mehr deutschen Boden betreten. Genauso wie allerdings auch zum Beispiel Apple-Chef Steve Jobs oder gar der US-amerikanische Verteidigungsminister. Sie alle wären dann nämlich nach deutschem Recht wohl illegale Verbreiter von "Killerspielen". Also sowas ähnliches wie Drogendealer oder Waffenschmuggler. Der US-amerikanische Verteidigungsminister könnte sich vielleicht auf seine diplomatische Immunität berufen. Aber auch nur während seiner Amtszeit...

Über diese interessanten Konsequenzen eines Killerspiel-Verbots berichtet Telepolis.de: Verbieten! Verbieten! Alles Verbieten!

Technorati-Tags: ,

Deutscher Zweig des Olympischen Komitees bedroht Saftblog

Das "Saftblog", ein Weblog der Kelterei Walther, wird derzeit ausgepresst abgemahnt vom Deutschen Olympischen Sportbund, dem Vertreter des IOC in Deutschland. Grund: Angebliche Rufausbeutung, Urheberrechtsverletzung, Irreführung, Markenrechtsverletzung und anderes.

Rechtsanwalt Udo Vetter kann in den inkriminierten Weblog-Artikeln im Saftblog ("Die Olympiade von Turin beginnt am Montag" & "Nacholympische Gedanken oder im Sport sind wir Spitze") nicht erkennen, wie die offiziellen Vertreter des olympischen Gedankens in Deutschland darauf kommen, dass hier ein Rechtsbruch von Seiten des Saftblogs stattgefunden haben soll. So schreibt Udo Vetter in seinem Law Blog:

Es geht um zwei Artikel, in denen sich Kelterei-Geschäftsführer Jörg Holzmüller mit “Olympia” beschäftigt. Im ersten Beitrag erklärt er sachlich den Unterschied zwischen Olympischen Spielen und Olympiade. Der zweite Artikel beschäftigt sich mit den Leistungen einzelner Olympioniken, ordnet diese ein und empfiehlt die Einstellung der Sportler als Vorbild für uns alle.

Bis auf die Veröffentlichung der olympischen Ringe ist es wirklich schwer zu erkennen, wo in diesen harmlosen, für den olympischen Gedanken sicher auch nicht schädlichen Artikeln die Rechte des mir bislang unbekannten Sportbundes, dem wahrscheinlich alles rund um Olympia und die Olympischen Spiele gehört, verletzt sein sollten. Ich jedenfalls kann nichts Großartiges finden und schon gar nichts, wofür man Anwälte losschicken müsste.

Würde mich nicht wundern, wenn sich das Ganze als wenig sportliche und schon gar nicht olympische Leistung entpuppt.(Quelle)


Von den Anwälten der Olympioniken angesetzter Streitwert: 150.000 Euro. Das heißt, dass die Kelterei Walther ein großes Risiko eingehen würde, würde sie es auf eine Auseinandersetzung vor Gericht ankommen lassen. Selbst wenn die Rechtslage als klar zugunsten der Kelterei zu liegen scheint, bleibt ein Risiko, dass das Gericht, oder zumindest eine der Gerichtsinstanzen, zunächst anders entscheidet. Und dann stellt sich in Deutschland mit seinem katastrophalen Abmahnrecht immer die Frage, ob einem Privatmann oder einer kleinen Firma die eigene, persönliche Meinungsfreiheit soviel Geld wert ist. Man kann wohl im Gegenzug annehmen, dass die deutschen Vertreter des Olympischen Komitees nicht über zu wenig Geld in ihren Taschen klagen. Das Saftblog will also aufgeben und gänzlich aus dem Internet verschwinden. Das Risiko in Deutschland etwas im Internet zu veröffentlichen ist leider enorm hoch. Nicht umsonst publiziere ich hier unter Pseudonym und auf einem US-amerikanischem Server. Nicht, weil ich Kriminelles vorhabe, sondern um mich vor meiner Meinung nach kriminellen Angriffen auf meine persönliche Meinungsfreiheit auf Grundlage des völlig verfehlten deutschen Abmahnrechts besser schützen zu können.

Meine Vermutung ist im vorliegenden Fall: Den Vertretern des Olympischen Komitees stinkt es, dass ein kleines Weblog bei Google bei Suchbegriffen zu Olympia in den Trefferlisten sehr weit oben steht.

Die Abmahnung stellt für mich einen weiteren Versuch einer finanziell starken Organisation dar, die Kommunikation über die eigenen Produkte im deutschen Internet zu reglementieren. Ein weiterer Missbrauch des ekelhaften, deutschen Abmahnrechts also zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Es sind nun also noch nicht einmal mehr Firmen, die die kritische Berichterstattung über ihre Produkte im Internet in deutschen Weblogs unterminieren wollen durch einschüchternde Abmahnungen, sondern nun geht sogar das Olympische Komitee gegen völlig harmlose Weblog-Einträge vor. Hier wird eine Einstellung gegenüber der Meinungsfreiheit deutlich, die wunderbar zur Entscheidung des IOC passt, die nächsten ihrer Kotz-Spiele in einem Land wie China abzuhalten.

Ihren "Olympischen Gedanken" können sich die vom Deutschen Olympischen Sportbund und vom IOC sonstwo hin schieben. Dem Gebahren dieser Funktionäre nach zu urteilen, scheint es sich dabei im Wesentlichen um einen Gedanken der Geldmacherei und Einschüchterung zu handeln.

Obstsaft ist gesünder für den Geist und die Gesellschaft als dieser "Olympische Gedanke".

Technorati-Tags: , , , , , , ,

Wir wollen mehr Entschlackung! Aufklärung ist Dünnpfiff!

Der Fellow Passenger bringt einen kurzen, knackigen Kommentar zum esoterischen Unsinnsgerede über "Entschlackung" als gesundheitsfördernde Maßnahme: Entschlackung:

Es ist ja nicht so, daß Lebewesen ihre Nahrung unter Entwicklung von Gluthitze zu Asche verbrennen würden und dabei metallische Bestandteile schmelzen. (Quelle)


Der "Trick" der vielen esoterischen, pseudowissenschaftlichen Erklärungs- und Deutungskonzepte ist es bekanntlich, sich Vokabeln aus dem wissenschaftlichen Bereich anzueignen und sie auf andere Gebiete zu übertragen. So reden sie häufig gerne von "Energien" oder "Strahlungen" und bieten dann gerne Mittelchen an, um Energien zu sammeln oder vor gefährlichen Erdstrahlungen zu schützen und so weiter. Durchgehende, erklärende und überprüfbare oder gar überprüfte Theorien bieten Esoteriker nicht an. Nur das wissenschaftliche Vokabelskelett.

Das Betrübliche ist die Akzeptanz, auf die derartiger Schwachsinn bei vielen Menschen stößt. Denn es zeigt, dass viele Menschen nicht wirklich wissen und verstehen, was Wissenschaft eigentlich ist und macht. Und dieses Unwisssen ist nicht ungefährlich. Sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt.

Je stärker Menschen offen sind für esoterischen Schwachsinn, desto eher sind sie vielleicht auch offen für esoterische, politische Pseudolösungen à la Schünemann & Co?

Aber statt zu maulen, sollte man tatsächlich einfach Geld machen mit der Dummheit der Leute. Demnächst werde ich also hier, exklusiv in diesem Weblog, folgende Produkte und Dienstleistungen bewerben und anbieten:
  • Die Online-Elektronentauschbörse zur Gewichtsreduzierung: Verbinden sie ihren Körper direkt mit dem Internet mit unserem antistatischen, energiereichen, platinummantelten Kabel und tauschen sie Elektronen mit der Online-Elektronentauschbörse aus, um ganz einfach und ohne Anstrengungen abzunehmen! Das ganze ist hochwissenschaftlich und basiert auf dem Prinzip der Redoxreaktion! Ehrlich!
  • Der Killerspiel-Detektor. Schützt vor Amokläufen und Hausdurchsuchungen.
  • Für ihren schnellen beruflichen Aufstieg: Unsere Turbo-Job-Qualifizierungsmaßnahme (Haareschneiden & Waschen).
  • Und ganz neu: Die private Anti-Terror-Versicherung für den Schutz ihres persönlichen Umfelds: Unsere Detektei durchmustert all ihre Verwandten und Bekannten auf auffällige Verhaltensmuster hin und warnt sie rechtzeitig.
Technorati-Tags: , , ,

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Kurt Beck kommuniziert volksnah

Von wegen Politiker könnten nicht kommunizieren, würden immer falsch verstanden werden, drückten sich nicht klar aus, seien nicht volksnah und würden klare, ehrliche Dialoge mit dem Volk scheuen und so weiter! Kurt Beck kommuniziert nicht nur mit klaren Worten (Beispiel: Becks Tipp an einen Arbeitslosen: "Waschen und rasieren, dann kriegen Sie auch einen Job"). Nein, sein Tipp offenbart, dass Beck das äußere Erscheinungsbild eines Menschen ebenfalls als Botschaft versteht! Diesen Kommunikationskanal hatte ich bislang völlig übersehen.

Ich gebe zu, dass ich noch ungeübt bin, aus dem äußeren Erscheinungsbild eines Menschen zu lesen, die versteckte Botschaft zu verstehen, die ein Mensch mit seinem Erscheinungsbild transportieren möchte. Aber wenn ich mich an Becks Interpretationsanweisungen halte, müsste es doch eigentlich klappen. Versuchen wir es mal mit einem Bild vom Meister-Kommunikator persönlich:

Kurt Beck, unrasiert

Und nun meine "Übersetzung" des Gesehenen: Der dichte Bart, die ungekämmte Frisur und das ungewaschene Mundwerk können nur eins bedeuten: Kurt Beck wünscht sich eigentlich arbeitslos zu sein! Sprich: Er ist den Job als SPD-Vorsitzender absolut leid!

Wer hätte gedacht, dass Kurt Beck so ehrlich kommuniziert?!

Also, lieber Kurti: Mach weiter so! Der Bart muss noch etwas mehr zulegen und weiterhin nicht waschen (vor allem nicht das Mundwerk). Dann wird dein Wunsch bestimmt bald in Erfüllung gehen. Die SPD ist halt nur etwas schwerhörig. Das Volk hat dich aber schon verstanden, da bin ich mir sicher.

Update: Das Satiremagazin "Titanic" konnte schon viel früher das Erscheinungsbild von Kurt Beck deuten. Das beweist nicht nur ihr aktueller Startcartoon, sondern auch schon ein Titanic-Titelbild von vor einem halben Jahr

Technorati-Tags: ,

Da ändert sich doch ständig etwas...

... waren die Worte einer Bankangestellten in Großbritannien, als Christiane Link vor einigen Tagen versuchte, in London ein Konto zu eröffnen und nachweisen sollte, ob sie Bürgerin der DDR oder der BRD sei.

Die ganze Story auf dem Behindertenparkplatz: Die DDR lebt.

Russische Journalistin Elena Tregubova untergetaucht

Die Sendung "Kulturzeit" von 3Sat wollte gestern die russische Journalistin Elena Tregubova live interviewen. Wie schon in der Talk-Sendung von Sabine Christiansen vergangenen Sonntag in der ARD, als der Regimekritiker und Schachweltmeister Gari Kasparow aus mysteriösen Gründen nicht interviewt werden konnte, so scheiterte auch "Kulturzeit", die kritische Journalistin Tregubova, vor die Kamera zu bekommen. Sie sei untergetaucht.

Mehr dazu bei Kulturzeit: Was geht in Russland vor sich?

Die russische Journalistin Elena Tregubova ist untergetaucht. Sie hat die russischen Zustände angeprangert, zuletzt im September. Fünf Jahre lang war sie Kreml-Korrespondentin der liberalen Zeitung "Kommersant". Elena Tregubova ist der Macht sehr nahe gekommen, zu nahe vielleicht. (Quelle)


Mehr über die personellen technischen Schwierigkeiten bei der letzten Talk-Show von Sabine Christiansen, die verhinderten, irgendwelche Russland-Kritiker einzuladen, in der FAZ: Moskauer Technik.

Könnte die ARD diese Talk-Show nicht einfach bis auf weiteres von sofort an absetzen? Aus rein technischen Gründen natürlich.

Technorati-Tags: , , , , , Sabine Christiansen

Deutschland: Noch neun Monate anonym surfen

Im September 2007 ist es dann vorbei. Ab dann beginnt wahrscheinlich die umfangreiche Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürger Deutschlands.

Einen gut verständlichen, kurzen Text dazu findet man zum Beispiel bei Teltarif.de: Anonymisierungs-Dienste vor dem Aus.

Was in dem Artikel fehlt:

  • Auch die Aufenthaltsorte von Handys werden gespeichert.
  • Auch Inhalte der Kommunikation werden teilweise gespeichert (zum Beispiel bei E-mails).
  • Verbindungsdaten enthalten ein enormes Potenzial, um viel über die Nutzer in Erfahrung zu bringen. Die Anonymisierung dieser Daten ist für jeden Internetnutzer sinnvoll und kein Versteckspiel, um sich vor Strafverfolgung zu schützen, denn auch viele Internetdienstleister (zum Beispiel Google) sammelt Verbindungsdaten, über die der Nutzer ohne Anonymisierungsmöglichkeiten keine Kontrolle mehr hätte.
  • Außerdem übersieht der Teltarif-Artikel, dass auch das Anonymisierungs-Netzwerk TOR durch die europäischen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung Schaden erleiden wird, weil in Europa vermutlich kaum noch jemand TOR-Server wird betreiben können, wenn auch sie staatlicherseits gezwungen werden, alle ein- und ausgehenden Verbindungen zu speichern.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Angriff auf den Verbraucherschutz, ein unkontrollierter Machtzuwachs für Sicherheits- und Geheimdienste, ein gefährliches Einfallstor für Wirtschaftsspionage und wegen der leichteren Überwachungsmöglichkeiten zum Beispiel der Presse durch die Sicherheitsbehörden eine Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit. Informanten der Presse könnten so mittels der automatisch aufgezeichneten umfangreichen Verbindungsdaten ohne großes Aufsehen durch die Sicherheitsbehörden ausfindig gemacht werden. Die Missbrauchsmöglichkeiten der riesigen Datenberge durch Sicherheitsbehörden oder durch die Wirtschaft oder durch Kriminelle Data Broker sind enorm. Schließlich können im digitalen Zeitalter derartige Daten ohne Spuren zu hinterlassen per Knopfdruck millionenfach heimlich kopiert werden. Sicherheitssysteme sind fehleranfällig. Menschen sind korrumpierbar. Behörden machen Fehler. Die im Gesetz vorgesehene Überwachung der Datennutzung ist mangelhaft.

Alternative? Ganz einfach: Statt die Daten aller Bürger zu speichern, sollte Sicherheitsbehörden nur erlaubt sein, die Daten von verdächtigen Bürgern zu speichern.

Warum dieser alternative Weg von der Politik nicht beschritten wird? DAS IST DIE GROßE FRAGE.

Die Vorbereitung für eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung läuft bereits: Massenverfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

Aber was ist das für ein Staat, in dem die Bürger sich permanent per Verfassungsgericht gegen Grundrechtsverletzungen ihrer Politiker zur Wehr setzen müssen?

Technorati-Tags: , , , ,

Mittwoch, 13. Dezember 2006

Telemediengesetz: Experten kritisieren, Politikern ist es egal

Netzpolitik.org hat einmal die kritischen Stimmen rund um das geplante neue Telemediengesetz der Bundesregierung zusammengestellt: Anhörung zum Telemediengesetz im Wirtschaftsausschuss.

Vor allem der Artikel "Erhebliche Bedenken gegen Telemediengesetz" bei Heise.de und die Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein ist lesenswert: Telemediengesetz: Datenschützer gegen Unkultur aus Zensur und Meinungskontrolle.

Die Kritik von Datenschützern, Verbraucherschützern und Wirtschaftsvertretern geht in eine Richtung: Das neue Gesetz schafft an allen Ecken und Enden Unsicherheiten und Chaos. Vor allem für den Datenschutz, und damit für den Bürgerschutz, sei das Gesetz verheerend. Wieder einmal.

Wie reagieren unsere Politiker? Gar nicht. Das Gesetz kommt. Unverändert. Punkt. Warum auch? Den reichweitenstarken Medien ist das Thema anscheinend zu aufwändig und zu kompliziert. Die haben keine Zeit sich in sowas einzulesen. Bürgerrechte, Meinungsfreiheit, Rechtssicherheit für die Wirtschaft, Verbraucherschutz im Internet und so weiter... Wen interessiert so etwas schon? Ist ja eh nur interessant für Leute, die das Internet nutzen. Und wer macht das schon?

Technorati-Tags:

Will Schünemann alle Computerspiele verbieten?

(Via Netzpolitik.org) Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, macht sich weiter zum Deppen. Jetzt fordert er auch für Aufbau- und Strategiespiele Haftstrafen: Niedersachsens Innenminister will bis zu zwei Jahre Haft für Verbreitung von "Killerspielen" (Heise.de).

Dort liest man:

Danach müssten künftig sämtliche Shooter und selbst Aufbau- und Strategiespiele, die Kampfhandlungen etwa zur Eroberung oder Verteidigung von Territorien enthalten, unter Strafe gestellt werden. (Quelle)


Nach Schünemann würden dann wohl auch Schach, Go und so weiter verboten werden. Wie bitte? Da würde doch nur auf symbolische Art und Weise um Territorien gekämpft werden? Ach, und wie ist das bei "Siedler" oder "Age of Empires"? Wird da etwa real um Territorien gekämpft...?

Interessanterweise ist Schünemann anscheinend selbst Sportschütze (und nicht nur Mitglied in einem Schützenverein) und schießt selbst gerne mal. Sogar mit echten Waffen, wenn auch nur auf virtuelle Ziele, wie man im Hamburger Abendblatt im Artikel "Garlstorf: Minister Schünemann schoß auf den Keiler" lesen darf:

Es war nicht nur eine Einweihungsfeier. Eher Volksfeststimmung herrschte in Garlstorf, als die Jägerschaft Landkreis Harburg am vergangenen Freitag ihre neue, eine Million Euro teure Kugelschießanlage vorstellte. Hunderte von Mitgliedern und viele Ehrengäste wie Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Polizeichef Friedrich Niehörster waren dabei. Und natürlich fielen Schüsse. Innenminister Schünemann war einer der ersten, der das Gewehr im sogenannten Schießkino anlegte und mit dem Lazerstrahl den Keiler auf der Großweinland "erlegte". Die Treffer wurden mit Hilfe der Elektronik sofort registriert. (Quelle)


Zurück zu Schünemanns Forderungen: Entweder ist Schünemann dumm und ignorant, für einen Innenminister meiner Meinung nach gefährlich dumm und ignorant, oder aber es geht bei den irrwitzigen Forderungen von Schünemann nur darum, die allgemeine Akzeptanz für Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger zu erhöhen. Wenn ein Minister ungestraft fordern kann, dass Bürger in Zukunft Hausurchsuchungen zu befürchten haben, wenn sie Computerspiele spielen, dann wird der Boden dafür bereitet, dass in Zukunft noch ganz andere Dinge gefordert werden können.

Entweder Schünemann erklärt in den nächsten Tagen seinen Rücktritt oder die deutsche Gesellschaft (zumindest aber die niedersächsische) ist bereits vollkommen verblödet, weil sie so jemanden als Innenminister duldet.

Mehr Kommentare aus der Blogosphäre, dem Medium, bei dem sie richtig informiert werden, hat Jens Scholz verlinkt: Deconstructing Uwe Schünemann.

Technorati-Tags: ,

Dienstag, 12. Dezember 2006

Brandenburg: Alle Macht der Polizei!

Nahezu alle Experten sagen, dass das neue Brandenburger Polizeigesetz großer Mist ist. Die geplanten, überbordenden Überwachungsmöglichkeiten für die Sicherheitsbehörden seien unnötig aber gefährlich. Und selbst die beteiligten Politiker wissen wohl, dass ihr tolles Gesetz eh bei der nächstbesten Gelegenheit vom Bundesverfassungsgericht als nicht vereinbar mit einer rechtsstaatlichen Demokratie für ungültig erklärt wird.

Aber warum tun sie es dann? Warum diese Sturheit? Warum verabschieden die Brandenburger Abgeordneten aller Voraussicht nach solch ein Gesetz? Möchten sie die Demokratie so richtig schön lächerlich machen? Oder möchten sie sich selbst als echte Sprücheklopfer und Großkotze dem Volk präsentieren? Oder ist das irgendein gruppendynamisches Ding, das diese "Volksvertreter" dazu veranlasst, sich kollektiv zu blamieren? Woher kommt das, dass viele deutsche Politiker Gesetze durchziehen und Expertenmeinungen immer häufiger einfach in den Wind schlagen? Faulheit? Dummheit? Frechheit? Egal. Es ist auf jeden Fall eine Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Bürger, was da häufig veranstaltet wird. Diejenigen Bürger, die von diesem Gesetzesmurks im Vorhinein etwas mitbekommen, sind vermutlich zum größten Teil empört. Das Problem ist nur, dass es nur wenig Bürger mitbekommen. Obwohl die Deutschen wie kaum ein anderes Volk Nachrichten in Hülle und Fülle konsumieren.

Videoüberwachung auch in privaten Wohnungsräumen, präventive (!) Telefonüberwachung und die Unterbrechung von Telefongesprächen sollen anscheinend möglich werden. Den ehemaligen Mitarbeitern der Stasi müssen doch die Augen übergehen. Solch herrliche Arbeitsbedingungen hätten sie sich sicherlich auch gewünscht.

Kritische Stimmen zum Vorhaben des Brandenburger antidemokratischen Chaos-Teams, auch Abgeordnete genannt, mal wieder bei Heise.de (wo sonst?): Datenschutzbeauftragte kritisiert Entwurf zum Brandenburger Polizeigesetz.

Technorati-Tags: , , , ,

Furl hat ausgefurlt

Das war es dann wohl mit Furl.net. Zumindest für mich, befürchte ich. Die Suchfunktion innerhalb von Furl, dem Social Bookmarking Dienst, funktioniert nun schon seit einigen Wochen nicht mehr richtig. Zumindest in dem von mir angelegten und genutzten Furl-Archiv. Hat jemand ähnliche Beobachtungen mit Furl gemacht?

Es werden zwar irgendwelche Suchergebnisse angezeigt, wenn ich in meinem großen Furl-Archiv nach Begriffen suche, aber es werden längst nicht alle Furl-Einträge aus dem gewählten Archiv angezeigt, in denen der Suchbegriff entweder in der Überschrift zum Furl-Eintrag oder in der Beschreibung zum gefurlten Link oder in den Kategorien oder in den Stichwörtern oder in der gefurlten Webseite selbst vorkommt. Ich habe das nun ausführlich getestet. Furl findet einfach viele Einträge nicht mehr wieder. Sie sind zwar im Archiv abgelegt und vorhanden, aber sie sind per Suche nicht erreichbar.

Damit ist Furl nutzlos geworden.

Glücklicherweise bietet Furl eine umfangreiche Export-Funktion an. Ich werde also meine über 1600 Furl-Einträge exportieren und nach Möglichkeiten suchen, diese wieder auch per Suche zugänglich zu machen. Notfalls muss ich die gefurlten Webseiten, um auch sie durchsuchbar zu machen (und nicht nur die eigenen Furl-Notizen zu den Furl-Archiveinträgen) auf einen eigenen Server hochladen und sie dort entweder über die Suchfunktion einer auf dem Webserver installierten Weblog- oder Forumssoftware oder eben über das Google-API wieder für mich per Suche zugänglich machen.

Die Besonderheit von Furl ist ja, dass Furl von gebookmarkten Webseiten eine Kopie anlegt, auf die man zugreifen kann, wenn die originale Webseite schon wieder verschwunden ist. Manche hinterwäldlerischen Webauftritte haben ja noch nie etwas von permanenten Links, also permanent unter einem URI abrufbaren Inhalten, gehört. Ganz schlimm ist hier zum Beispiel der Webauftritt der Frankfurter Rundschau, bei der viele Webseiten immer nach zwei Wochen (glaube ich) wieder aus dem Internet verschwinden. Für solche Webseiten war Furl zum Beispiel sehr wertvoll, wenn man die Webseiten nicht selbst mühsam als Kopie auf die eigene Festplatte kopieren wollte.

Da das Hochladen der per Furl gespeicherten Webseiten jedoch eine Urheberrechtsverletzung ist, sofern ich die hochgeladenen HTML-Seiten für jeden zugänglich mache, muss ich den Bereich wohl per Passwort schützen. Keine Ahnung, ob man das Google-API auch für per Passwort (.htaccess) geschützte Webseiten verwenden kann, ohne dass Google die geschützten Seiten nach außen hin sichtbar werden lässt. Vermutlich werde ich also dann doch eher die Suchfunktion einer zu installierenden Weblog- oder Forumssoftware nutzen, um die über 1600 HTML-Seiten für mich wieder zugänglich zu machen.

Ich habe Furl vor einer Woche eine E-mail geschrieben und beschrieben, dass deren Suche in meinem Furl-Archiv nicht mehr richtig funktioniert. Ich habe bis heute keine Antwort erhalten. Ich kann vor der weiteren Nutzung von Furl also nur warnen. Ein Social Bookmarking Dienst, bei dem die Suchfunktion nicht mehr funktioniert, erscheint mir eben ziemlich sinnlos.

Update: Die einfachste Lösung, um zumindest die eigenen Kommentare, mit denen man eventuell seine Bookmarks bei Furl versehen hat, wieder durchsuchbar zu machen - so lange die Suchfunktion von Furl nicht richtig funktioniert - ist es, sein Archiv im Mozilla/Netscape-Bookmark-Format aus Furl zu exportieren. Die so entstandene einzelne Datei kann man dann in einem Browser lokal öffnen und sie mit der im Browser eingebauten Volltextsuchfunktion nach zumindest einem Stichwort oder Wortgruppe durchsuchen.

Technorati-Tags: ,

Montag, 11. Dezember 2006

Gutachter verteidigt Mord mit angeblich tödlicher Wirkung von Computerspiel

Spiegel.de berichtet, dass die Verteidiger eines Jugendlichen, der im Juli in Cottbus einen Obdachlosen misshandelt und getötet hatte, den Hirnforscher Manfred Spitzer als Gutachter geladen haben: Gutachter macht Videospiel für Tötung verantwortlich. Der Spiegel.de-Artikel schlussfolgert:

Der Prozess dürfte der Diskussion um die Wirkung gewalttätiger Computer- und Videospiele neue Nahrung geben. (Quelle)


Nö, das glaube ich nicht. Es mag zwar der Wunsch von Spiegel.de und manchen Politikern sein, aber was im Artikel nur am Rande zum Ausdruck kommt:

Spitzer vertritt eine äußerst radikale Sichtweise in Bezug auf die Wirkung von Medien. Radikal in dem Sinne, dass er mit seiner These ziemlich alleine dasteht und radikal in dem Sinne, wie Computerspiele angeblich wirken sollen. Er geht nämlich von einer direkten, ungefilterten, nicht beeinflussbaren, automatischen Wirkungsweise aus: Das Gehirn würde durch Computerspiele in einer Art deterministisch geformt, dass der Computerspieler anschließend willenlos das gelernte Computerspielverhalten wie ein Roboter auch in der Realität ausüben muss.

Wenigstens erwähnt Spiegel.de noch am Rande, dass anscheinend auch Alkohol im Spiel war. Der angeklagte Jugendliche konnte es anscheinend nur schwer ertragen, zu verlieren. Ein meines Wissens nach bekanntes Anzeichen für ein psychisches Problem. Vor allem bei einem 19-Jährigen.

Manfred Spitzer profiliert sich mit seinen Thesen vom direkten, ungefilterten Medieneinfluss auf die Gehirnstrukturen gerne in den Medien. Seine wissenschaftlichen Kollegen können dieser spektakulären These nur nüchterne und langweilige Fakten entgegensetzen, die besagen, dass der Einfluss von Computerspielen auf das reale Verhalten, wenn überhaupt nur kurzfristig (z.B. in Form von leicht erhöhter Aufgeregtheit nach dem Spielen am Computer) wirksam ist und langfristig nur bei eh bereits gewalttätig eingestellten Menschen einen diffusen negativen Einfluss haben.

Mehr zu Manfred Spitzer und seine Thesen und zum Thema "Killerspiele" überhaupt in meinen älteren Weblog-Einträgen "Expertenstreit um Killerspiele?" und "Medien kontern Killerspiel-Verbotsrufe".

Es ist meines Wissens nach das erste Mal, dass ein Vertreter der Gruppe von Hirnforschern, die die gewagte wissenschaftliche These vertreten, dass der Mensch eigentlich keinen eigenständigen, freien Willen besitze, vor Gericht auftritt und diese These anscheinend teilweise als Entlastung für den Angeklagten anwendet. Mal sehen, wie das Gericht damit umgeht.

Technorati-Tags: , , ,

Gefahr für Freiheit: Niedersachsens Innenminister will Razzien bei "Killerspiel"-Spielern

(Via Netzpolitik.org) Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, äußerte in einem Interview bei Stern.de:

[Stern.de:] "Demnächst müssen also alle Spieler mit Razzien zu Hause rechnen?" [Schünemann:] "Natürlich. Diejenigen, die die brutalen, verbotenen Spiele spielen, müssen damit rechnen, dass sie dingfest gemacht werden. Das halte ich auch für richtig." (Quelle)


Ich könnte jetzt kurz auf diese dummdreiste Forderung von Schünemann eingehen und das war's dazu. Und eigentlich hasse ich längere Blog-Artikel. Liest eh kein Mensch. Anders ausgedrückt könnte man sagen: "Ach, der Schünemann..." und das ganze über sich ergehen lassen. Schließlich ist man ja raus aus dem Alter, in dem man noch Computerspiele spielte. Keine Gefahr also für einen persönlich und so weiter.

Doch es wäre einmal ein Artikel fällig, der deutlich macht, was in Deutschland gerade los ist. Hier zumindest ein paar einleitende Gedanken. Ich versuche trotz der Länge keine überflüssigen Worte zu machen.

Schünemanns Äußerungen sind meiner Beobachtung nach leider Teil eines größeren Dingsbums.

Es gibt in Deutschland nämlich einen Kreis an Politikern, Lobbyisten und Medien, der hart und äußerst geschickt daran arbeitet, Freiheitsrechte einzuschränken. Das ist weniger eine Verschwörung als vielmehr ein loser Verbund von Akteuren, die auf verschiedene Art und Weise Profit daraus schlagen wollen, Freiheitsrechte der Bürger auf unterschiedlichen Gebieten einzuschränken.

Wir hätten da zum Beispiel die Lobbyisten der Urheberrechte-Verwerter, die ihr im digitalen Zeitalter veraltetes Konzept, sich über den Verkauf von Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken zu finanzieren, durch die Einschränkung von Freiheitsrechten der Bürger retten wollen, statt ihr Geschäftsmodell zu überarbeiten.

Wir hätten da die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste, die im Kampf gegen den Terrorismus nach Ende des kalten Krieges genau das Mittel gefunden haben, um sich vor Sparmaßnahmen der Politik zu schützen.

Wir hätten da Politiker, die die Sorgen und Ängste der Bevölkerung aufgreifen und dem Volk einfache, populistische Konzepte anpreisen, die zwar aus Sicht von Experten die Probleme nicht lösen, aber wegen mangelnder Aufklärungsarbeit auf Seiten der Medien dennoch ankommen im Volk, um im Volk als "Macher" und "Problemlöser" auftreten zu können.

Es wird vergessen, dass die Probleme der Urheberrechte-Verwerter andere Urachen haben als "Raubkopierer", dass es andere Lösungen gibt als Massenklagen gegen Verbraucher, dass der kalte Krieg weit gefährlicher und von einer viel größeren Dimension war als der heutige lächerliche Terrorismus von schwachsinnigen Islamisten und dass Maßnahmen zur einfacheren, vollständigen Überwachung der Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung und so weiter) den Terrorismus nicht stoppen und dass das Verbot von "Killerspielen" den Gewalt-Wunsch mancher psychisch kranker Jugendlicher nicht beseitigt.

Es wird vergessen, dass der Kollateralschaden all dieser populistischen Konzepte erheblich ist: Die Freiheitsrechte der Bürger werden - jedes Mal nur ein winziges, aber entscheidendes Stückchen - weiter eingeschränkt.

Die deutsche Gesellschaft wandelt sich gerade. Der paternalistische Staat ist erneut auf dem Vormasch.

Die moderne Technik macht es dabei dem Staat sehr einfach, Überwachungsstrukturen aufzubauen, die:

a) relativ preiswert sind (im Vergleich z.B. zum Anheuern von Massen an informellen Mitarbeitern),
b) sehr effektiv sind, also wirklich sehr gut funktionieren und vollständig überwachen,
c) deren Existenz und Wirken dem normalen Bürger verborgen bleiben.

Sind diese Überwachungsstrukturen erst einmal etabliert, wird es für den Bürger immer schwieriger, sich dem Staat zu widersetzen. Heute fragen sich viele: Warum sollte sich der Bürger dem Staat widersetzen? Ist solch ein Widersacher nicht automatisch ein Krimineller, der etwas zu verbergen hat, der also zu Recht vom Staat überwacht und kontrolliert wird?

Es wird dabei übersehen, dass Überwachung Macht bedeutet. Die Demokratie lebt jedoch von der Aufteilung der Macht auf verschiedene Akteure, um die Macht zu begrenzen. Um also den Bürger zu schützen vor einem Macht-Ungleichgewicht im Staat und damit vor einer Staats-Übermacht, die der Bürger (der eigentliche Staats-Souverän!) selbst nicht mehr kontrollieren kann.

Die moderne Technik mit ihrer sanften, unbemerkten, aber dennoch so einmalig effektiven Überwachung lässt den Bürger nicht bemerken, welche Macht sich da ansammelt bei einigen Akteuren im Staat.

Die moderne Staatsphilosophie lehrt, dass ein Machtungleichgewicht im Staat immer zu einem Missbrauch der Macht führt. Wird also die Ausweitung der Überwachung und die Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte nicht beendet oder die Überwacher selbst nicht besser überwacht, schlittert Deutschland irgendwann unweigerlich in eine Situation, in der der Staat den Bürgern entgleitet. Man könnte die Situation in Russland hier durchaus als warnendes Beispiel vor Augen führen, auch wenn die Geschichte Russlands natürlich völlig anders aussieht als die jüngste Geschichte Deutschlands.

Noch sind die von den Politikern beschlossenen Überwachungsgesetze befristet. Noch sind nicht alle Dämme gebrochen. Noch darf nicht jede Firma, die irgendwo im Internet einen Anspruch gegen Privatpersonen durchsetzen will sofort an die Adressdaten der Privatpersonen gelangen, noch werden "nur" die Internetspuren aller Bürger aufgezeichnet und noch nicht die realen Bewegungsprofile auf dem Bürgersteig (sofern zumindest das Handy ausgeschaltet ist) oder die Bewegungsprofile auf den Autobahnen.

Aber die Entwicklung geht genau weiter in diese Richtung: Die Maut auch für PKWs wird disktutiert. Dann fallen vielleicht auch bald via Mautsystem automatisch erzeugte Bewegungsprofile der PKWs an und der Wunsch nach Auswertung dieser Daten, um Terroristen, Kinderschänder, Produktpiraten ("organisierte Kriminalität") und so weiter zu fassen, wächst. Die allgemeine Impressumspflicht für jede deutsche Internetwebsite wird kommen. So wird für den Privatmann die Meinungsfreiheit im Internet risikoreicher (siehe hierzu auch meine Weblog-Einträge: Meinungsfreiheit ist kein deutsches Thema und Schäuble & Co. sind eine Gefahr für die Gesellschaft). Und so weiter. Ein Steinchen wird auf das andere gesetzt.

Und die Medien kriegen diese Entwicklung bislang entweder tatsächlich noch nicht mit oder sie sind aus irgendwelchen Gründen nicht daran interessiert, zumindest überhaupt einmal warnende Stimmen gegen diesen Trend in ausreichendem Maße zu Wort kommen zu lassen. Warum wird über die Vorratsdatenspeicherung kaum diskutiert in den Medien? Warum wurde das Gebahren der Bundesanwaltschaft nicht intensiver diskutiert, die auch nach dem Bekanntwerden, dass die angeblichen Terroristen, die in Frankfurt ein Flugzeug in die Luft sprengen wollten, keine Terroristen waren, weiter daran festhielt, es hätte sich doch um gefährliche Terroristen gehandelt?

Nun will also Uwe Schünemann ein weiteres Steinchen beim Abbau von Freiheitsrechten platzieren. Denn wer Jugendschutz dadurch durchsetzen will, dass er die zu schützenden Kinder und Jugendlichen vor allem mit Wohnungsdurchsuchungen und Razzien bedroht, der will nur einschüchtern, aber nicht helfen. Der hasst die Freiheit. Der hasst es, wenn Menschen Kulturgüter konsumieren, die ihm persönlich nicht genehm sind. Experten schlagen andere Wege vor, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Außerdem gibt es bereits Gesetze, die das, was Schünemann da regulieren will, bereits regulieren. Computerspiele, die Gewalt derart verherrlichen, wie Schünemann das im Interview schildert, können bereits heute strafrechtlich verfolgt werden. Schünemann will davon anscheinend nichts wissen. Warum nicht? Warum gibt er sich dermaßen ignorant? Warum hat er es auch hier wieder abgesehen vor allem auf die Freiheitsrechte? Warum dieser erneute Angriff in Form von Hausdurchsuchungs-Drohungen auf einen der letzten Schutzräume des Bürgers vor dem Staat, nämlich seine Wohnung? Bei solch einem im Vergleich zu Themen wie organisierte Kriminalität oder Terrorismus lächerlichen Thema wie "Killerspiele"? Mit welchem Ziel macht Schünemann solche Forderungen? Wozu soll das gut sein? Ist das wirklich nur pure Dummheit auf Seiten von Schünemann?

Eine mögliche Antwort wäre: Schünemanns Forderungen dienen indirekt dazu, das Einschränken der Freiheitsrechte allgemein wiederum ein Stückchen plausibler und akzeptabler zu machen in der Gesellschaft. Der Ruf nach einem Killerspiel-Verbot mit der Androhung von Razzien wäre dann vor allem eines: Den Angriff auf die Freiheitsrechte wiederum ein Stückchen mehr hoffähig zu machen.

Insofern ist die Debatte um ein Killerspiel-Verbot ein weiterer Gradmesser dafür, wie stark in der deutschen Gesellschaft bereits der Glaube verbreitet ist, dass:

1.) Man mit Verboten alles regeln kann.
2.) "Sicherheit" der höchste Wert ist, dem sich alle anderen Werte wie z.B. die Freiheit unterzuordnen haben.
3.) Die Bevormundung der Bürger ein adäquates Mittel ist, um den angeblich höchsten Wert, nämlich die "Sicherheit", zu schützen.


Wenn Schünemann in dem Stern-Interview solche Klöpse wie den oben zitierten äußern kann, ohne dass seine Äußerungen auf massiven Widerstand in der Gesellschaft stoßen, dann hat die Idee der Freiheit in Deutschland bereits mächtigen Schaden erlitten.

Update: Neben obigem "Via"-Link von Netzpolitik.org empfehle ich als zusätzliche Lektüre zum hier Besprochenen auch noch einen Weblog-Eintrag bei "Too Much Cookies": Auf ein Wort: Killerspieldebatte.

Technorati-Tags: , , ,