Spiegel.de mit Leserverarschung: Quatsch-Ranking von neoliberalem Think-Tank
Spiegel.de bringt "exklusiv" eine Studie des Think-Tanks "Berlinpolis": So sozial sind die Bundesländer.
Inhalt der Studie: Ein Ranking. Ja, mal wieder. Rankings sind so ungefähr das einzige, was diese Think-Tanks auf die Beine stellen. Dieses Mal geht es um die Sozialpolitik der Bundesländer. Da gibt es nämlich Unterschiede! Ja, guck an. Wo genau, das verschweigt der Spiegel-Artikel. Ist ja auch nicht so interessant. Wichtiger ist das Ranking an und für sich. Weniger der Inhalt des Rankings. Rankings sind cool. Weil, da kann man dann schön Äschi-Bätschi sagen zu denen, die total mies abschneiden im Ranking.
Rankings transportieren somit immer die Botschaft, dass es Gute und Schlechte gibt und dass die Guten und Schlechten selbst verantwortlich sind für ihr Abschneiden. Die oben an der Spitze haben ihre Aufgabe gut gemacht, die unten sind die Versager.
Nun also ein Ranking über die Qualität der Sozialpolitik der Bundesländer. Die implizite Botschaft: Bundesländer haben alle in gleichem Maße einen gleich großen Spielraum zur Gestaltung ihrer Sozialpolitik. Denn sonst würde solch ein dämliches Ranking ja gar keinen Sinn machen, nicht wahr? So steht denn auch im Spiegel.de-Artikel:
"Deutschland ist sozial dynamischer als gedacht", sagt Daniel Dettling, Vorstandsvorsitzender von berlinpolis. Dies wird im Vergleich zur Erhebung des Jahres 2000 deutlich. Einige Länder haben seither ihre Spielräume genutzt. (Quelle)
Es liegt also anscheinend nicht daran, dass manche Bundesländer kaum Geld in den Kassen haben, weil sie zum Beispiel die miesen Geschäfte von Banken-Bonzen auf dem Rücken der Steuerzahler ausbaden müssen (Berlin) oder wegen langfristiger Strukturprobleme oder allgemein, weil man kleine Bundesländer mit großen nicht vergleichen könne und so weiter. Nein, einige Bundesländer nutzen halt einfach ihre Spielräume nicht optimal. Das sei alles. Sicherlich ist es auch reiner Zufall, dass das reichste Bundesland, Baden-Württemberg, seine Spielräume am besten genutzt hat und somit das sozialste Bundesland im Ranking von Berlinpolis ist. Von einer unterschiedlichen Gewichtung der Bundesländer liest man im Spiegel-Artikel jedoch nichts. Also vielleicht doch kein Zufall das mit Baden-Württemberg, seinem Reichtum und dem Abschneiden im Ranking?
Logischerweise fordert Berlinpolis dann anschließend auch nicht etwa, die Solidarität zwischen den Bundesländern zu stärken oder den Einfluss des Bundes zu stärken, um das im Grundgesetz vorgeschriebene gleiche Lebensniveau innerhalb Deutschlands zu sichern, nein, Berlinpolis möchte, dass die Bundesländer noch mehr Spielräume bekommen bei der weiteren Stufe der Föderalismusreform. Der Bund soll sich also noch mehr raushalten und die Länder noch stärker konkurrieren, heißt das wohl.
Bleibt die Frage, wie diese administrativen Spielräume die nun einmal faktisch existierenden enormen Unterschiede zwischen den Bundesländern beseitigen sollen. Spielräume sind ja schön und gut und fördern sicherlich die Eigenverantwortung und so weiter. Aber selbst in der Schweiz mit ihrem ausgeprägten Föderalismus sind die Kantone homogener gestaltet als die deutschen Bundesländer. Und trotzdem gibt es auch dort zum Beispiel eine gezielte Förderung schwacher Kantone.
Spielräume sind nicht alles. Und ein Ranking, in dem Bremen mit Baden-Württemberg konkurrieren muss, ist alles andere als glaubwürdig.
Mehr kritische Stimmen zu Berlinpolis:
- TAZ.de: Arschlochalarm! - Berlinpolis in einem Boot mit "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", EnBW, Microsoft, Siemens, Dresdner Bank und so weiter.
- Berlinpolis haben wir auch den Ausdruck "Fernuniversität der Gewalt" als Beschreibung des Internets zu verdanken. Heise.de: Deutscher Thinktank fordert Kontrolle des Internet. Seltsam. Auf der einen Seite möchte man überall Spielräume, weniger Regulierung, böse Zungen sagen dazu auch "Entsolidarisierung", aber dann wieder will man möglichst umfassende Kontrolle und Überwachung, und zwar der einzelnen Bürger. Freiheit für Konzerne? Fesseln für die Bürger? Ja, die Welt der Think-Tanks stinkt nach Gegen-Aufklärung statt nach Aufklärung, nach Gegen-Reformation statt nach Reformation. Die Mächtigen können eben immer gut das Lied von der Entfesselung des Marktes singen, um sich nach dem Liedchen an den unregulierten Tisch setzen zu können.
- Und schließlich eine Rezension des Buches "Machtwahn" von Albrecht Müller, in dem die ganzen konservativen Think-Tanks, von denen sich viele Medien in Deutschland, allen voran der Spiegel, gerne um den Finger wickeln lassen, vorgestellt werden. Als Presse ist man ja nicht für den depperten Leser da, sondern für den wirklichen Kunden, die zahlende Wirtschaft: "Eliten" - dumm oder korrupt?
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