Freitag, 2. Februar 2007

Welt.de: Klimaforschung ist reine Glaubenssache

Die Tageszeitung "Die Welt" ist eine enorm kritische Zeitung. Und wenn auch die ganze Menschheit jenseits der Firma Exxon Mobil an einen menschengemachten Klimawandel glaubt, so bleibt "Die Welt" standhaft.

Der standhaft daherkommende Standpunkt dieses Welt.de-Artikels scheint nämlich zu sein: Man müsse doch bitte schön einmal fragen dürfen! Man müsse doch bitte schön auch einmal diese ganze Klimawandel-Hysterie skeptisch beäugen dürfen! Die Hetze gegen Kritiker des Klimawandels trage ja geradezu "religiöse" Züge! Und dass nur noch Exxon Mobil nicht an den Klimawandel glaubt, heiße ja bitte schön nicht, dass das Äußern von Zweifeln am Klimawandel verboten sein könne!

Doch. Das heißt es. Zumindest für eine Zeitung, die als seriös rüberkommen will. Welt.de hat also ausgeschissen. Das war es also mit der Seriösität. Dahin. Weg. Denn der oben verlinkte Artikel von Welt.de steht nicht etwa im schon immer sehr kruden und skurrilen Meinungsforum von und bei Welt.de, sondern in der Rubrik "Politik".

Warum Welt.de nicht mehr als seriöses Nachrichtenorgan gelten kann nur wegen eines Artikels, der den Klimawandel anzweifelt? Weil der Artikel unterstellt, dass Wissenschaft gleich Religion sei. Weil der Artikel indirekt darzustellen versucht, dass es in der Wissenschaft nicht um Empirie und die ständige Neu-Überprüfung von Theorien geht, sondern um das Anpreisen von unbeweisbaren Glaubenssätzen und das Zusammenrotten von Wissenschaftler, die anschließend nichts anderes im Sinn hätten als wie ein Mob gegen Kritiker loszugehen.

Denn im Artikel heißt es unter anderem:

Wenn nach Meinung der meisten Klimaforscher die Erderwärmung außer Kontrolle geraten ist, so ist aus Sicht der vielen Millionen Laien die Klimaforschung selbst erst recht außer Kontrolle - naturgemäß. Denn wer von ihnen kann sich schon ein Bild davon machen, ob die Computersimulationen der Experten korrekt laufen, geschweige denn ob sie mit den richtigen Daten gefüttert sind. Abhilfe könnte ein Korrektiv schaffen mit dem offiziell erteilten Arbeitsauftrag, die alarmistischen Szenarien infrage zu stellen. (Quelle)


Dieses Korrektiv, liebe Redakteure bei Welt.de, gibt es schon. Es nennt sich Wissenschaft. Nichts machen Wissenschaftler lieber als die Arbeit ihrer Kollegen kritisch zu bewerten. Denn weist man irgendwo Fehler nach oder korrigiert und erweitert man bestehende Theorien oder sammelt gegensätzliches Datenmaterial und ist dieses stichhaltig, wird man bekannt und berühmt in der Wissenschaft. Anders als im Feuilleton reicht allerdings der reine Widerspruchsgeist in der Wissenschaft nicht aus, um ernst genommen zu werden. Man muss harte Daten liefern und überzeugende Argumentationen und bessere Theorien. So arbeitet die Wissenschaft. In der Wissenschaft wird es glücklicherweise immer Querdenker geben, die an ihren Daten festhalten und von ihrer Theorie überzeugt sind. Aber sie müssen auch ihre Kollegen überzeugen und das geschieht meist erst, wenn Daten wirklich sehr überzeugend sind und in ein umfassendes Erklärungsmodell passen. Der einzelne Wissenschaftler soll ruhig weiter arbeiten an seiner Theorie, die herrschenden Theorien widerspricht, aber man darf von seinen Kollegen nicht erwarten, dass sie ihn nur wegen seiner Starrsinnigkeit ernst nehmen. Zweifel und Zweifler wird es also in der Wissenschaft immer geben. Scharlatane in den Medien und der Wirtschaft und der Politik nutzen dies meist aus, um zu sagen: "Seht ihr! Da gibt es doch noch Kritiker! Also kann die herrschende wissenschaftliche Meinung eventuell falsch sein!" Denen muss man antworten: Sicherheit gibt es in der Wissenschaft nie. Aber anders als Wahrsager können Wissenschaftler die mögliche Fehlergröße ihrer Theorien und Vorhersagen einigermaßen genau beziffern.

Wer also sollte nach Meinung von Welt.de dieses geforderte "Korrektiv" sein? Der Artikel spricht es nicht klar aus, aber man liest es zwischen den Zeilen: Womöglich soll es Exxon Mobil sein. Für Exxon Mobil lässt Welt.de nämlich nicht gelten, was es für die Wissenschaft fordert: Kritik. Kritik an Exxon Mobil sei nämlich nur ein "Vorwurf plumper Lobbypolitik":

Viel ist es nicht, was das American Enterprise Institute (AEI) als Preisgeld ausgelobt hat: 10 000 Dollar soll der Wissenschaftler erhalten, der die apokalyptischen Thesen des IPCC zur Klimaentwicklung widerlegt. Die Tatsache, dass hinter dem AEI der Ölmulti Exxon steht, sollte eigentlich etwas mehr erwarten lassen. Dieser Zusammenhang allerdings war es auch, der - wie zu erwarten - dem Anliegen sogleich den Vorwurf plumper Lobbypolitik einbrachte. (Quelle)


Der Artikel fährt danach fort: "Das mag so abwegig nicht sein, dennoch...". Doch, doch, liebe Welt.de. Das ist absolut abwegig. Es ist tatsächlich leider absolut abwegig, davon auszugehen, dass Exxon Mobil nicht Lobbypolitik betreibt. Das "mag" könnt ihr euch schenken. Und das "dennoch" erst recht... Und der am Ende des Artikels stehende Satz, dass man Exxon die korrektive Arbeit nicht überlassen sollte, klingt dann doch eher so, dass man Exxon nicht die ganze Arbeit machen lassen sollte, Exxon also unter die Arme greifen müsse.

Solch eine Zeitung, die die Wissenschaft derart verfälschend darstellt, ist gefährlich. Nicht, weil die Wissenschaft etwas Hochheiliges ist, was man nicht kritisieren darf, sondern weil eine Zeitung, die die Arbeitsweisen eines für die Gesellschaft nicht unbedeutenden Dinges wie das Ding namens Wissenschaft so verfälschend darstellt, gefährlich ist. Solch einer Zeitung ist schließlich alles zuzutrauen. Solch eine Zeitung schreckt nicht davor zurück, den Leser nach Strich und Faden bei allen sonstigen möglichen Themen zu bescheißen. Das ist es, was mich aufregt.

Denn der Artikel vermengt die Darstellung der Ergebnisse aus der Klimaforschung in den Medien mit der Arbeitsweise innerhalb der Wissenschaft. Ob da nun in den Medien eine Liste mit Forschern zirkuliert, die im Welt.de-Artikel als "Klimaleugner" bezeichnet werden, sollte den betroffenen Forschern relativ schnurz egal sein, wenn sie zu ihren Daten und Theorien stehen. Und ich vermute, dass sie das tun, weil sich ihre Aussagen meines Wissens nach auf andere Bereiche beziehen als die möglichst genaue Vorhersage der Klimaentwicklung der nächsten 100 Jahre. Solche Feinheiten gehen im reißerischen Welt.de-Artikel jedoch unter. Da wird gleich von Mobbing gemutmaßt und vom Abkanzeln von Ketzern innerhalb der Wissenschaft. Wer derart in der Wissenschaft vorgehen würde, der würde schnell an Renomee verlieren. In solch einem Fall würde es ausreichen, einfach die Gegenseite einmal ausführlich zu Wort kommen zu lassen und der Listen-Mobber stände dumm da. Außerdem legt der Welt.de-Artikel nahe, dass von der Politik nur gezielt Forscher gefördert würden, die die Apokalypse des Klimawandels möglichst in schillernden Farben beschreiben. Das Fördersystem der Wissenschaften funktioniert jedoch nicht ganz so plump.

Aber sicherlich wird diese meine Kritik von Welt.de-Autoren wie Ulli Kulke und Co. vermutlich nur verstanden werden als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Dabei ist meine Kritik genau das Gegenteil. Denn das bewusste Lügen und Täuschen, das Welt.de mit diesem Artikel betreibt, das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Denn so dämlich können doch selbst Redakteure bei Welt.de nicht sein, dass sie nicht zumindest die absolut grundlegende Arbeitsweise der Wissenschaft begriffen haben. Also kann es sich bei dem Artikel nur um eine bewusste Täuschung und Lüge handeln, die dem Leser einreden will, Wissenschaft sei im Grunde genommen reine Glaubenssache. Es sollte klar sein, dass diese Unterstellung in höchstem Maße anti-aufklärerisch und auch anti-religiös ist, weil die Äußerungen im Welt.de-Artikel auch der Religion und dem Glauben nicht gerecht werden. In der Wissenschaft geht es nämlich um den zivilisierten und mit realen Argumenten (ja, liebe Welt.de-Redakteure, so etwas gibt es - ganz ohne Rabulistik und sonstige Tricks...) ausgefochtenen Streit um die richtige Interpretation von Daten. In Religion und Glaube geht es jedoch um wichtige theologische Aussagen und Offenbarungen Gottes (nicht um Offenbarungen von Menschen oder Wissenschaftlern oder Welt.de-Redakteuren) und nicht darum, ob das Klima sich verändert und ob man daran glauben muss oder sollte oder kann.

Wer dermaßen - so wie dies dieser Welt.de-Artikel tut - Religion mit Wissenschaft gleichsetzt, ist also entweder äußerst ungebildet oder er verwirrt und täuscht seine Leser ganz bewusst, um Zweifel an nach wissenschaftlich bemessenen Maßstäben relativ sicheren Aussagen zum Klimawandel zu säen. Diese Zweifel dienen jedoch nicht mehr der Wahrheitsfindung, sondern der Verwirrung. Wer hier bei dem Thema Klimawandel Verwirrung stiften will und warum, das mag sich jeder selbst an seinen zehn Fingern ausrechnen.

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Montag, 29. Januar 2007

Süddeutsche.de: Wenn Menschen kopieren, sind sie böse

(Via Indiskretion Ehrensache) Ich möchte hier eine kleine Warnung aussprechen: Lieber Leser, hüten Sie sich vor manchen Artikeln bei Süddeutsche.de. Es gibt dort Artikel, die zwar nicht direkt kriminell (aber fast) sind, die jedoch extrem fahrlässig mit der Wahrheit umgehen.

So wie dieser hier: Kopiermaschine Internet

Der Artikel stellt Tauschbörsen als einen Ort dar, wo im Internet nur illegale Dateien getauscht werden. Auch die Software Bittorrent wird in diese Ecke geschoben. So als ob bei der Diskussion über die vermeintliche Schuld von vermeintlichen "Killerspielen" an Amokläufen plötzlich Journalisten von Süddeutsche.de schreiben würden, dass Computerspiele nur dazu da seien, Jugendliche für Amokläufe zu trainieren.

Tauschbörsen sind jedoch wie Computerspiele an und für sich schlicht und einfach erst einmal nur neutrale Dinge. Man kann sie zum Guten und zum Schlechten einsetzen. Dieser entscheidende Hinweis fehlt in dem oben verlinkten Artikel leider. Die Folgen lassen sich ausmalen: Der Artikel wird Leute unterstützen, die Tauschbörsen und damit auch wieder ein Stück der Meinungsfreiheit insgesamt verbieten möchten.

Es ist eben das alte Lied mit vielen Jour*hatschi*nalisten ('tschuldigung, muss tatsächlich eine beginnende Allergie bei mir sein) in Deutschland: Da macht jemand was Schlimmes im Internet oder da nutzen schlimme Leute das Internet (wahlweise Terroristen oder jugendliche Amokläufer oder Kinderschänder) und die einzige Schlussfolgerung, die diesen Geistesgrößen unseres Landes einfällt: Das Internet ist böse.

Teppichmesser (Stichwort: 11. September, Tatwaffe der Flugzeugentführer von El Kaida...) sind bekanntlich auch ganz böse und wurden direkt in der Hölle erfunden.

Den oben (natürlich per "nofollow") verlinkten Artikel muss man sich aufheben als erneutes Beispiel für eine der beunruhigendsten und zugleich irgendwie faszinierendsten Eigenschaften des Menschen: Seine immer wiederkehrende Ignoranz technischen Neuerungen gegenüber.

Bei vielen deutschen Journalisten wird diese Obsession, dieser Hass gegen das Internet, jedoch langsam psychopathologisch, habe ich den Eindruck. Denn so neu ist das Ding namens Internet ja nun auch nicht mehr. Dumm nur, dass der Leser der Leidtragende ist, der sich von diesen Jour*hatschi*nalisten nun verarschen lassen muss.

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Deutsche Autolobby: Wir stinken und können nicht anders

Warum protestiert die deutsche Auto-Lobby gegen verschärfte EU-Abgasgrenzwerte? Siehe zum Beispiel: Jobverlust durch Klimaschutz? (Zeit.de)

Ich verstehe es nicht!

Was ich verstanden habe: Die deutschen Autos sind zur Zeit noch nicht in der Lage, diese vorgeschlagenen, verschärften Abgasgrenzwerte einzuhalten. Wollen die Autobauer mit ihrem Protest jetzt darstellen, dass sie sich technisch und wissenschaftlich überfordert sehen, Autos zu bauen, die verschärfte Abgaswerte einhalten können? Warum aber können die Franzosen das dann schon lange? Sieht es tatsächlich so schlecht aus mit der Forschung in der deutschen Automobilindustrie? Sind die tatsächlich technisch bereits schon so stark zurück gefallen?

Oder meinen die Autobauer, dass bei verschärften Abgaswerten die deutschen Konsumenten plötzlich keine Autos mehr kaufen möchten? Warum aber kaufen Franzosen weiterhin französische Autos, auch wenn diese bereits anscheinend teilweise die neuen Abgaswerte einhalten können? Warum sollte ein verbessertes Produkt (und ein Auto mit weniger Abgasen ist ja wohl unzweifelhaft ein verbessertes Produkt) nicht im Gegenteil eine größere Kundenzufriedenheit erzeugen?

Wo genau liegt also das Problem der Autolobby? Ich verstehe den Protest der Autolobby gegen die vorgeschlagenen, verschärften EU-Abgasgrenzwerte wirklich nicht! Kann mir jemand weiterhelfen?

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