Freitag, 5. Oktober 2007

Die Kunst des leisen Schlachtens

Kleiner Tipp für angehende Despoten: Bringe niemals eine große Masse an Menschen gleichzeitig um. Dann würden die Medien weltweit aufmerksam werden. Und dass kann keinem Despoten recht sein.

Du kannst die hundertfache Menge an Menschen umbringen, ohne dass sich jemand aufregt, wenn du über Jahre hinweg nur jeden Tag einen oder maximal zehn Menschen umbringst.

Tian'anmen-Massaker sind also schlecht. Tägliches Abschlachten (siehe auch ein, zwei, drei ältere Weblog-Einträge von mir dazu) von einigen Häftlingen, um ihnen frisch ihre Organe zu entnehmen und um diese dann an den Meistbietenden zu verkaufen, das ist nicht so schlimm. Es kann zwar vorkommen, dass ab und zu mal einige Medien drüber berichten, aber es fehlen halt die Bilder, unter denen CNN & Co. ihr "Breaking News" drunter setzen können. So fühlt sich auch kein Politiker gedrängt, zu diesen einzelnen Berichten über ein schleichendes Massaker Stellung zu beziehen. Und kein Sportler wird sich fragen müssen, ob es richtig ist, nächstes Jahr nach China zu fahren.

Die Sorgen von der von mir hochgeschätzten Sibylle Berg, dass man sich langsam vorbereiten müsse, mit einem bald offenbar werdenden Grauen unfassbaren Ausmaßes fertig zu werden, sind also völlig unbegründet.

Vielleicht in 20 Jahren. Dann könnte dieses Grauen Gesprächsstoff sein - falls China es doch irgendwie geschafft haben sollte, ein Rechtsstaat zu werden und dann eventuell die geschichtliche Aufarbeitung dessen einsetzt, was heute gerade in diesem Land passiert. Aber das wird ein Grauen aus der Distanz sein, mit dem man politisch leichter umgehen können wird. Da haben die Menschen, die heute, morgen, übermorgen, überübermorgen, überüberübermorgen, überüberüberübermorgen und so weiter abgeschlachtet werden, um ihnen ein paar Organe zu entnehmen, halt Pech gehabt. Aber ich denke, die verstehen das.

In 20 Jahren wird jedoch sicherlich weiterhin ein Rätsel sein, wie man eine wirklich große Zahl von Medien dazu bewegen könnte, auch Themen aufzugreifen, die ohne spektakuläres Peng, Bumm und Tschingderassa daherkommen.

Nachtrag: Vielleicht bringt ja ein Boykott-Aufruf, wie in Sozial-Gangbang vorschlägt, etwas, um die Öffentlichkeit - seien es Politiker oder die etablierten Medien - aufmerksamer auf die Situation in China zu machen: Aufruf zum Boykott der Olympiade in China.

Es ist wohl nicht mangelndes Wissen um die Situation in China, sondern vielmehr medieneigene Faktoren, die verhindern, dass ausführlicher und konstanter über die Realität in China berichtet wird und so Druck auf Politiker ausgeübt wird. Medien brauchen - warum auch immer - diesen initialen Bumms, das Großereignis, die Katastrophe, die Eskalation eines Problems. Dann wird das Ding zu einem "Anlass" und plötzlich kann berichtet werden. Vorher nicht. Unter der Haube der Medien läuft also anscheinend ein Verbrennungsmotor. Ohne Anlasser und Explosionen bewegt sich da meist wenig. Ob ein Boykott-Aufruf zu einem Zündfunken werden kann, der den Medienmotor anspringen lässt? Oder schaffen es Blogger mittlerweile alleine genug Aufmerksamkeit in Deutschland an den etablierten Medien vorbei zu erzeugen, um Politiker zum Handeln zu drängen? Aber vielleicht genügt es ja, Sportler oder Verbände zu erreichen? Aber selbst das dürfte bei einer auf Weblogs beschränkten Aktion zur Zeit in Deutschland kaum von Erfolg gekrönt zu sein.

Ich sehe den Sinn von Weblogs oder Internetforen deshalb momentan eher im Gedankenanstoßen und Gedankenaustausch zwischen von sich aus bereits engagierten Menschen. Weblogs und Internetforen in Deutschland erscheinen mir noch eher eine Art Hinterzimmer zu sein, in dem sich informierte Personen treffen, die dann an anderer Stelle das umsetzen und wirksam werden lassen, was sie dort im Weblog-Hinterzimmer an Gedankenanregungen bekommen haben mögen. Die große, offene Bühne, für alle einsehbar, mit einer Großdemonstration oder Ähnlichem vergleichbar, das scheinen mir Weblogs derzeit noch nicht zu sein in Deutschland. Eine Aktion namens "Ein Blog-Post für Birma"? Boykottaufrufe zu den Olympischen Spielen? Versuchen kann man es natürlich.

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Donnerstag, 4. Oktober 2007

Warum man manchmal alte Filme anschauen sollte

Ich sehe gerade den Stummfilm "Intolerance" aus den USA von 1916 beim TV-Sender "Arte". Aus den begleitenden Programminformationen:

Das Unrecht, das Arbeiter in den amerikanischen Slums des 20. Jahrhunderts erleiden, der Untergang Babels, die Kreuzigung Jesu und das Massaker der Bartholomäusnacht - vier Säulen der Geschichte, denen eines gemein ist: Die Inhumanität des Menschen gegenüber sich selbst. (Quelle: Arte.tv)


Screenshot aus Film 'Intolerance': Fabrikarbeiter im GefängnisEin alter Schinken also. Alte Technik und alte Themen... - Langweilig also? Überholt, irrelevant, auf voller Linie von gestern? Und dann noch der vermeintlich billige Trick des Films, einmal Querbeet durch die Geschichte zu laufen und Dinge miteinander zu vermengen, die nichts miteinander zu tun haben (Babel, Kreuzigung Jesu, Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts...)! Und als Krönung des Ganzen auch noch die unvermeidliche, schnulzige Liebesgeschichte oben drauf gesetzt!? Wen interessiert sowas denn?

Oder deckt der Film tatsächlich Gemeinsamkeiten auf bei den genannten vier historischen Szenarien und ist die Liebesgeschichte nur vordergründige Tarnung, um dem amerikanischen Kinopublikum trickreich eine Gesellschaftskritik unterzujubeln?

Screenshot aus Film 'Intolerance': König von Babylon blickt auf seine Stadt, die einer Fabrikanlage nicht unähnlich siehtEin Motiv des Filmes ist beispielsweise, darzustellen, dass es immer eine herrschende Klasse gab, die die Menschenrechte der anderen verletzte. Der Fabrikant also quasi als Nachfolger des Königs von Babel. Übertrieben? Vielleicht. Eine konsequente Kritik an der Klassengesellschaft stellt der Film aber nicht dar. Griffith scheint die Ursache menschlicher Intoleranz und Ungerechtigkeit eher in der Natur des Menschen selbst begründet zu sehen und dementsprechend endet der Film auch mit dem Hinweis auf eine nötige, göttliche Erlösung des Menschen von seiner schlechten Natur.

Screenshot aus Film 'Intolerance': Fabrikanten feiern eine PartyAls der fast 100 Jahre alte Film aber die Drangsalierung der Arbeiter durch die Fabrikanten Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt, erschrickt man nichtsdestotrotz beim Lesen der eingeschobenen Texttafeln wegen mancher erstaunlicher Parallelen zu heute:


Screenshot aus Film 'Intolerance': Texttafel

Die Aussage auf der Texttafel ist die eines empörten Arbeiters, nachdem der Fabrikant von einem Tag auf den anderen die Löhne um 10% gesenkt hat, und lautet: "They squeeze the money out of us and use it to advertise themselves by reforming us." Übersetzt also in etwa: "Sie quetschen das Geld erst aus uns raus und nutzen es dann, um sich selbst als Reformer darzustellen, wenn sie es uns in Form von Wohltätigkeiten wieder zurückgeben." Oder auch: "Sie quetschen das Geld aus uns raus und nutzen es anschließend, um uns zu bessern und zu erziehen, aber eigentlich wollen sie so nur ihre eigene Position legitimieren." Tja, Englisch ist halt schön kurz und knapp und es ist schwer, all die Konnotationen eines englischen Satzes im Deutschen anklingen zu lassen, ohne dass aus einem Satz ein Roman wird.

Anmerken muss man noch, dass der Filmemacher Griffith vor "Intolerance" bereits einen heftig umstrittenen Film namens "Geburt einer Nation" gedreht hatte, der eine völlig andere Botschaft als "Intolerance" zu vermitteln scheint und als Verteidigung von Sklaverei und Rassismus verstanden wurde und von Griffith wohl als Verteidigung der Südstaaten-Position im amerikanischen Bürgerkrieg gedacht war. Filmgeschichtlich bedeutend sind beide Filme wegen zahlreicher Innovationen, mit denen Griffith die Filmkunst spektakulär weiterentwickelt hatte.

Warum sollte man sich also alte Filme anschauen? Ganz klar..., weil man so zu einem Thema für einen neuen Blog-Eintrag kommt. ;-)

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Ein freies Burma/Birma/Myanmar...

Bild zur Aktion 'Free Burma': Protestierende Mönche... kann nicht schlecht sein. Auch wenn ich die Wirksamkeit der Aktion stark bezweifele, schaden kann sie auch nicht.

Neueste Nachrichten bei Amnesty International zur aktuellen Situation in Birma/Burma/Myanmar. Weitere Informationsangebote jenseits der abebbenden Informationen in den etablierten Medien, hatte ich hier schon einmal erwähnt.

Sehenswert: Menschen in Birma.

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Mittwoch, 3. Oktober 2007

Demokratie für Dummies

Revolutionäre stellen meist folgende einfache, aber zutreffende Formel auf: Politischer Einfluss = Waffen + Geld.

Um also politisch etwas zu verändern, benötige man entweder Waffen oder Geld oder am besten beides. Und natürlich den Willen, diese Machtmittel politisch einsetzen zu wollen. Friedliche Revolutionen konnten und können wohl nur dann gelingen, wenn die Gegenseite ihre eigentlich vorhandenen Machtmittel in Form von Waffen und Geld freiwillig nicht (mehr) einsetzen will, um ihren politischen Einfluss zu sichern.

Das System der Demokratie ist jedoch der Versuch, auch denjenigen, die keine Waffen besitzen und denjenigen, die kein oder nur wenig Geld haben, dauerhaften und zuverlässigen politischen Einfluss zu sichern, der nicht nur einfach abhängt vom Wohlwollen der Waffen- oder Geldbesitzer.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Gruppen, die Waffen besitzen und Gruppen, die viel Geld besitzen, normalerweise demokratische Strukturen unterminieren wollen. Denn zunächst einmal verlieren sie in einer Demokratie massiv an Einfluss. Will eine Demokratie also bestehen, muss sie die bewaffneten Gruppen und die reichen Gruppen wirksam kontrollieren.

Die Kontrolle bewaffneter Kräfte sieht normalerweise so aus, dass der Staat einerseits das Gewaltmonopol an sich zieht, also neben Militär und Polizei keine nicht-staatlichen, bewaffneten Kräfte geduldet werden. Aber mehr noch: Übernimmt der Staat das Gewaltmonopol, so muss auch andererseits diese Gewalt kontrolliert werden. Dies geschieht durch die Installation eines Rechtsstaates. Rechtsstaat heißt vor allem, dass der Einsatz staatlich-bewaffneter Gewalt bewusst behindert und eingeschränkt wird durch klar definierte und durch auf demokratisch legitimierte Weise zustande gekommene Gesetze.

Auch der Einfluss reicher Gruppen (seien es einzelne Familien, Cliquen, Mafias oder ganz normale, große Firmen) wird durch den Rechtsstaat insofern eingeschränkt, dass der Spruch gilt, dass vor dem Recht alle gleich sind. Dies betrifft aber vor allem nur die Beziehung der Bürger (ob reich oder arm) untereinander, aber nicht unbedingt hinsichtlich des Einflusses reicher Menschen auf die politischen Entscheidungsträger. Dass reiche Gruppen die Politik auch in einer Demokratie nicht unterminieren, das kann in erster Linie nur durch freie und geheime Wahlen und durch eine wirksame Meinungsfreiheit und Pressefreiheit abgesichert werden. Hinzu kommen können Bestrebungen der Politik, die Lebensstandards im Land durch verschiedene Methoden (Steuern, Sozialstaat, Bildungspolitik) anzugleichen, um sonstige Abhängigkeiten des normalen Bürgers (und damit des eigentlichen Machtträgers in der Demokratie) von einzelnen, reichen Menschen oder Gruppierungen zu schwächen.

Bleibt die Frage, warum jemand überhaupt politischen Einfluss ausüben will. Natürlich nur, um die eigenen Interessen im Staat besser durchzusetzen. Und das erste Interesse wäre dabei, zunächst einmal den eigenen politischen Einfluss noch weiter auszubauen, um später noch besser eigene Interessen durchzusetzen. Bekommen also bewaffnete oder reiche Gruppen im Staat auch nur etwas zuviel Einfluss, dann kann man davon ausgehen, dass sie diesen Machtvorteil sofort dazu nutzen, das System zu ihren Gunsten zu ändern - vor allem aber zunächst so verändern, dass ihr Machtvorteil erst einmal ausgebaut wird.

Wenn also Presse- und Meinungsfreiheit nur etwas eingeschränkt werden, wenn die Kontrolle über die Gewalt im Staat auch nur etwas nachlässt und/oder wenn reiche Gruppierungen immer mehr Einfluss auf die Politik gewinnen, dann gerät das demokratische Kontrollsystem schnell in eine immer steilere Schieflage und alles fängt an zu rutschen, immer schneller an zu rutschen.

Es ist also keine Panikmache, wenn Pläne von SPD und Union für mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden oder für das Militär auf massive Kritik stoßen, selbst wenn das Mehr an Befugnissen ja nur der "Sicherheit" dienen soll.

Es ist also kein Kommunismus, wenn der Einfluss reicher Gruppierungen auf die Politik durch offenes oder verdecktes Lobbying (und hier vor allem Lobbying für das Zurückdrängen des Sozialstaates, der den Einfluss reicher Gruppen behindert und nivelliert), durch Einkaufen in staatliche Systeme, sei es durch Korruption oder durch Übernahme von bislang staatlich kontrollierten Tätigkeiten, auf massive Kritik stößt.

Lasst euch also nicht täuschen.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Freiwilliges Trinkgeld für Medienangebote

And now for something completely different...

Man möge mir das für dieses Weblog hier unübliche Thema verzeihen. Aber es überfiel mich gerade eine Idee, die ich nun nicht wieder aus dem Kopf bekomme. Eine ernst gemeinte Idee übrigens - aber ein einleitendes Monty-Python-Zitat macht sich immer gut. Das Thema hat allerdings auf einer tieferen Bedeutungsebene doch auch wieder mit Monty Python zu tun. Die passenden Stichworte hierzu würden lauten: "Low Budget"; alternative Medien; einfallsreiche Methoden eines Terry Gilliam, der widerstrebend den Forderungen eines Geldgebers Folge leistete, ihn im Abspann besonders zu würdigen und diesem Geldgeber anschließend doch trickreich eins auswischte - als kleines, amüsantes Beispiel für den Kampf von Medienproduzenten um Unabhängigkeit...

Also... Thema:

Warum nutzen im Medienbereich eigentlich nur diese bekloppten Call-In-Sender, zweifelhafte Klingelton-Anbieter und dämliche Unterhaltungsshows mit begleitendem SMS-Gewinnspiel das Prinzip, einfach per Handy-SMS Dienstleistungen von interessierten Kunden bezahlen zu lassen?

Gut, es gibt Pilotprojekte, bei denen man beispielsweise Fahrkarten des öffentlichen Nahverkehrs oder Ähnliches per SMS bezahlen kann.

Aber warum wagt es beispielsweise eine Zeitung nicht einfach, unter die kostenlos zugänglichen Online-Artikel eine SMS-Nummer zu pappen, an die ein Leser eine "Premium"-SMS schicken kann, wenn ihm der Artikel gefallen hat und er freiwillig, einfach so, der Zeitung oder dem Autor als Dank ein paar Cent zukommen lassen will? Ohne begleitendes Gewinnspiel - das ist wichtig. Dazu unten mehr.

Gibt es datenschutzrechtliche Einwände? Wenn ja, wären technische Lösungen denkbar, die vermeiden, dass das Nutzerverhalten von Lesern auf diese Art gespeichert wird? Ist die Installation eines SMS-Bezahldienstes mit hohen Kosten auf Anbieterseite verbunden? Ist der Weg, etwas per SMS zu bezahlen, bereits so in Verruf gekommen, dass eine seriöse Zeitung solch eine Finanzierungsmethode aus Imagegründen meidet? Oder glaubt man, dass eh kein Leser freiwillig für ein Produkt bezahlt, obwohl er es kostenlos konsumieren kann?

Dem möchte ich widersprechen: Nicht "kein" Leser würde für etwas bezahlen, das er auch kostenlos konsumieren kann, sondern vermutlich wenige Leser. Aber Kleinvieh macht ja auch Mist.

Warum durchaus Leser freiwillig für etwas bezahlen würden, das sie eigentlich auch kostenlos konsumieren könnten:

  • Der Bezahlvorgang per SMS wäre enorm unkompliziert. Dass etwas unkompliziert zu erledigen ist, ist bei einer freiwilligen Leistung enorm wichtig. Jeder Klick mehr, jede Armbewegung mehr könnte hier den Handlungsvorsatz sogleich wieder lähmen oder wieder ganz verschwinden lassen.
  • Der Leser könnte so bewusst Artikel oder sonstige Medienangebote belohnen, die er gut fand und genossen hat und so direkten Einfluss nehmen auf die Qualität einer Zeitung.
  • Der Leser bindet sich durch eine SMS nicht weiter an eine Zeitung, muss also kein Abo ertragen, muss keine Kündigungsfristen einhalten, kann Artikel, die ihn ärgern einfach durch Nichtbeachtung strafen.
  • Das freiwillige Spenden kann ein emotionales Bedürfnis des Lesers sein. Wie häufig gab es Aufrufe von Lesern im Heise-Forum, als Dank für den Einsatz von Heise für Verbraucherrechte oder die Meinungsfreiheit den Heise-Verlag zu unterstützen? Sind Links in Social-Bookmark-Sammlungen nicht auch so etwas wie der Versuch, Autoren von guten Artikeln etwas zurückzugeben?
Sicher wäre solch eine Bezahlmöglichkeit per SMS kein sicheres Finanzierungsmodell, sondern höchstens eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit. Abos oder Werbung werden dadurch vermutlich kaum ersetzt werden können. Es wäre unter Umständen sogar schädlich für die Qualität einer Zeitung, wenn sie sich nur durch freiwillige SMS-Spenden finanzieren müsste. Außerdem sollte eine Zeitung solch ein "Spenden-Angebot", bei dem also der Leser freiwillig für einen guten Artikel im Nachhinein Geld gibt, auch nur dezent einsetzen, um beim Leser gerade eben kein Verpflichtungsgefühl entstehen zu lassen. Trinkgeld gibt man bekanntlich gerade deshalb gerne, weil es freiwillig ist und weil man sich anschließend wegen des freiwilligen Gebens gut fühlt. Ein an die Premium-SMS gekoppeltes Gewinnspiel würde genau diesen emotionalen Gewinn auf der Seite des Lesers wieder zerstören. Gewinnspiele stehen außerdem im Ruf, nur dazu da zu sein, die Teilnehmer anschließend mit Werbung zu bombardieren oder sonstwas mit den Teilnehmerdaten anzustellen.

Okay, und nun bitte ich um Kommentare, die meinen Vorschlag in der Luft zerreißen. :-)

Urteil: Speicherung von IP-Adressen in Deutschland gänzlich verboten?

Daten-Speicherung.de stellt ein hochinteressantes Urteil vor, das gerade rechtskräftig geworden ist: Vorratsspeicherung von Kommunikationsspuren verboten.

Das Urteil wurde genau zur richtigen Zeit rechtskräftig.

Gestern und vorgestern hatte ich noch geschrieben über die unglaubliche Verletzung der Privatsphäre, die das BKA den Besuchern seiner BKA-Website antat. Es erschien mir als eindeutig illegal, dass das BKA sich bei Internetzugangsprovidern wie beispielsweise der Telekom die Namen und Adressdaten besorgte von allen BKA-Website-Besuchern eines gewissen Zeitraumes.

Nicht illegal erschien es mir, dass das BKA, wie so viele andere Websites im Internet auch, zunächst nur die IP-Nummern der Website-Besucher (also ohne Name und Anschrift der Nutzer) speicherte. Da lag ich falsch! Selbst diese IP-Adressen-Speicherung ist laut des oben erwähnten Gerichtsurteils sogar illegal!

Das Urteil bezieht sich auf eine Klage eines Internetnutzers gegen das Bundesjustizministerium. Das Gericht untersagte dem Bundesjustizministerium Nutzerdaten über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus dauerhaft zu speichern. Insbesondere IP-Adressen dürfen laut Urteil nicht gespeichert werden, selbst wenn sie an sich noch keine eindeutige Identifizierung der Nutzer ermöglichen. Es reicht als Grund für das Verbot der Speicherung von IP-Adressen aus, dass Dritte (beispielsweise die Internetzugangsprovider) mit diesen Daten die Identität des Nutzers feststellen können. Weil also die IP-Daten unter Mithilfe von Dritten dazu führen, dass Personen als solche identifiziert werden, sind die IP-Daten auch an sich schon Personendaten.

Wow. So eng hatte ich das bisher noch gar nicht gesehen. Aber es stimmt natürlich! Ich sah das Hauptproblem bislang eher darin, dass die Internetzugangsprovider diese Daten speichern. Aber die Darlegung des Gerichts ist glasklar und logisch.

Wenn ich das richtig verstehe, dann könnte das Urteil Ungemach für deutsche Website-Betreiber bedeuten, die irgendwo IP-Adressen ihrer Besucher länger speichern als dies für den Aufruf der Webseite an sich nötig ist. Das heißt, dass IP-Adressen auch nicht mehr zu statistischen Zwecken gespeichert werden dürfen. Der Einsatz so mancher Analyse-Software (Google-Analytics beispielsweise?) dürfte damit illegal werden für deutsche Website-Anbieter. Auch die Speicherung von IP-Adressen durch Auslieferer von Werbebannern, die so versuchen das Nutzerverhalten über mehrere Webseiten hinweg zu erfassen und die Auslieferung der Werbebanner abzustimmen auf den jeweiligen Nutzer (und sei es nur, dass verhindert werden soll, dass dem Nutzer immer das gleiche Banner gezeigt wird), dürfte damit als eindeutig illegal gekennzeichnet worden sein.

Oder?

Ich habe daraufhin den Teil des Weblogs, der IP-Adressen kurzfristig speicherte und der als einziger hier unter meiner direkten Kontrolle steht, nämlich der kostenlose Counter von StatCounter.com, aus dem Weblog entfernt. StatCounter legte zwar nur eine 100kb große Log-Datei an, die durch neue Besucher immer wieder neu gefüllt und überschrieben wurde, aber selbst dies ist nach oben erwähntem Urteil illegal. Ich weiß zwar nicht, ob ich als privater Blogger tatsächlich von dieser gesetzlichen Regelung betroffen bin, aber ich befolge die Regelung alleine schon deshalb, weil ich sie sinnvoll finde. Die IP-Adressen haben mich eh nie interessiert, nur woher Besucher kamen, fand ich interessant. Aber auch darauf kann ich verzichten. Leute, die mich verlinken, können ja kurz einen Kommentar unter dem Weblog-Eintrag hinterlassen, den sie verlinken, wenn sie möchten, dass ich erfahre, dass sie mich verlinken.

Bleibt nur das Problem, dass mein Weblog bei Blogspot.com gehostet ist. Und Blogspot.com gehört zur Datenkrake namens Google. Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass Blogspot.com die IP-Adressen aller Weblog-Leser speichert. Diese Speicherung unterliegt aber nur insofern meiner Kontrolle, dass ich das Bloggen hier bei Blogspot.com dann halt gänzlich beenden könnte. Ich habe auch keine Informationen darüber, was Blogspot.com/Google tatsächlich speichert.

Keine befriedigende Situation also.

Was wäre also nötig? Es wäre ein deutscher Bloghoster nötig, der glaubwürdig versichert, keinerlei IP-Adressen von Weblog-Besuchern zu speichern und es den Bloggern selbst ermöglicht, unter Pseudonym zu bloggen. Kennt jemand so einen Weblog-Hoster, der glaubhaft keine IP-Adressen speichert? Außerdem wären natürlich einfache Statistiktools schön, die ohne IP-Adressen zu speichern funktionieren. Die Umrechnung einer IP-Adresse in einen Hash-Wert und die weitere Verwendung dieses nicht wieder reversiv in eine IP-Adresse umwandelbaren Zahlenwertes wäre vielleicht eine mögliche Lösung. Auf bereits existierende Softwarelösungen beispielsweise für Foren oder selbstgehostete Weblogs verweist die Initiative "WirSpeichernNicht.de.

Ein Weblog ohne IP-Adressen-Speicherung wäre momentan wohl nur realisierbar, indem man einen eigenen Server aufsetzt und bei der Server-Software "Apache" die Protokollierung von IP-Adressen abschaltet und anschließend keinerlei Software und Skripte einsetzt, die irgendwo IP-Adressen speichern. Kein geringer Aufwand.

Ich hoffe, meine Besucher können es mir nachsehen, dass ich deshalb zunächst einmal weiter hier bei Blogspot.com blogge - trotz der bestehenden Unsicherheit darüber, was Blogspot.com wie lange an Daten speichert.

Es wäre zu begrüßen, wenn das Urteil große Veränderungen in der Internetbranche in Deutschland bewirkt. Wäre es nicht großartig, wenn Google.de nicht nur fleißig vermeintlich jugendgefährdende Seiten oder Bilder in Deutschland zensiert, sondern sich auch auf anderen Gebieten an deutsche Gesetze halten würde und ab sofort aufhören würde die IP-Adressen seiner Nutzer länger als nötig zu speichern?

Das Urteil des Gerichts beruft sich übrigens auch ausdrücklich auf das Grundgesetz. Ein weiterer, deutlicher Hinweis, dass auch die geplante Vorratsdatenspeicherung wohl kaum zu vereinbaren ist mit der Verfassung.

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Montag, 1. Oktober 2007

"Bundeslinkwarnung": Links zu Bundesbehörden und Regierung nur noch mit Warnhinweis

Wie schon erwähnt schnüffelt(e) das Bundeskriminalamt (BKA) den Besuchern ihrer BKA-Webseite hinterher und fragt(e) anhand der gespeicherten IP-Adressen bei Providern nach, welche Namen und welche Anschrift die Besucher haben. Der Tagesspiegel brachte die Geschichte an die Öffentlichkeit. Jetzt berichteten auch Süddeutsche.de und Focus.de. Die öffentlich-rechtlichen Sender schweigen - nicht unüblich.

Ich persönlich finde es ungeheuerlich, dass das BKA ohne zuvor darüber zu informieren und somit ohne Einwilligung der Websurfer Namen und Anschrift protokolliert oder protokolliert hat - von allen, die die Website oder eine bestimmte Informationswebseite des BKA aufrufen oder aufriefen (siehe mein ausführlicher Kommentar dazu).

Wenn das BKA so etwas in der Vergangenheit gemacht hat, muss man davon ausgehen, dass es solche (vermutlich illegalen) Schnüffelmethoden auch in Zukunft gegenüber seinen Webseiten-Besuchern anwendet. Mehr noch: Vielleicht bat, bittet oder wird das BKA auch andere Bundesbehörden darum bitten, ähnliche Verfahren anzuwenden, um Namen und Adressen derjenigen Bürger in Erfahrung zu bringen, die sich für bestimmte Informationen von der oder über die Bundesregierung oder für die Arbeit von Bundesbehörden interessieren. Da das Handeln des BKA anscheinend von der derzeitigen Regierung gedeckt wird und es somit vermutlich breite Kooperationsbereitschaft von Bundesbehörden und Bundesministerien bei derartigen Schnüffel-Anliegen des BKA gibt, werde ich in Zukunft nicht mehr direkt zu Webseiten des Bundes (Regierung und Behörden) und der derzeit regierenden Parteien, also SPD, CDU und CSU verlinken. Das Vorgehen des BKA zeigt, dass es leider nicht abwegig ist anzunehmen, dass weitere Bundesbehörden, Ministerien oder die genannten Parteien ebenfalls die Daten ihrer Besucher an das BKA weitergeben und das BKA daraufhin mittels der IP-Adressen Name und Anschrift der Besucher erfragt und abspeichert.

Links zu Bundesbehörden oder zu Webangeboten der Bundesregierung oder zu Webangeboten der Regierungsparteien werden von mir also ab jetzt nur noch als nicht verlinkter Text dargestellt und zusätzlich mit dem Warnhinweis versehen, dass der Besuch der genannten Webseite(n) eventuell dazu führt, dass Name und Anschrift des Websurfers in Erfahrung gebracht werden. So will ich verhindern, dass jemand ohne Nachdenken und allzu rasch einem Link folgt, der möglicherweise dazu führt, dass das BKA ihn in irgendeine obskure Verdachtsliste aufnimmt.

Vielleicht hat ja der ein oder andere Webseiten-Betreiber, Forenbetreiber, Forenposter, Blogger und Blog-Kommentator Lust, ähnlich zu verfahren.

Mein Vorschlag also: Kein Bundes-Link mehr ohne Warnhinweis! Kein Hinweis auf Webseiten von Regierung, Bundesbehörden und Regierungsparteien mehr ohne Bundeslinkwarnung!

Bei mir hier im Weblog wird das dann beispielsweise so aussehen:

"Die Bundesregierung (www.bundesregierung.de - Vorsicht! Bundeslinkwarnung!) hat ... bla bla bla bla... Die SPD (www.spd.de - Vorsicht! Bundeslinkwarnung!) will jedoch ... bla bla bla bla... Das Forschungsministerium (www.bmbf.de - Vorsicht! Bundeslinkwarnung!) sagt dazu ... bla bla bla..."

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Sonntag, 30. September 2007

Schily: Vorratsdatenspeicherung gibt es schon

Im ZDF kann man gerade die Runde der ahnungslosen, alten Herren bestaunen. Nennt sich "Philosophisches Quartett". Ein gewisser Herr Schily, ehemaliger Bundesinnenminister, redet die anderen Anwesenden in Grund und Boden, denn diese anderen haben sich nicht vorbereitet und anscheinend von Nichts ne Ahnung.

So kann Schily behaupten, dass bei der Vorratsdatenspeicherung keine anderen und nicht mehr Daten erhoben würden als bisher schon. Diese klare Falschaussagen bleibt dann in dieser Altherrenrunde auch noch unwidersprochen stehen.

Peinlich.

Vielleicht hätten die an der Diskussion Beteiligten sich zuvor einmal informieren sollen. Beispielsweise bei Vorratsdatenspeicherung.de. Dort kann man folgende kurze, aber klare Information dazu lesen, was bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung anders ist als bisher:

Nach Plänen von CDU, CSU und SPD soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste sollen verboten werden.

Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff auf die Daten sollen Polizei, Staatsanwaltschaft, Nachrichtendienste und ausländische Staaten erhalten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen.

Derzeit dürfen Telekommunikationsanbieter nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten speichern. Dazu gehören Standortdaten und Email-Verbindungsdaten nicht. Der Kunde kann verlangen, dass Abrechnungsdaten mit Rechnungsversand gelöscht werden. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen kann eine Speicherung zudem bisher gänzlich vermieden werden, was etwa für Journalisten und Beratungsstellen wichtig sein kann. (Quelle: Vorratsdatenspeicherung.de)


Zu beachten ist außerdem, dass durch die Schaffung von neuen Schnittstellen den Ermittlungsbehörden der technische Zugriff auf die gespeicherten Daten noch einfacher wird als bisher schon. Die gerade auf EU-Ebene in Arbeit befindlichen ETSI-Spezifikationen dazu implementieren gar die technische Möglichkeit einer umfassenden, eigentlich illegalen Totalerfassung des Kommunikationsverhaltens ganzer Bevölkerungsteile. Außerdem ist der korrekte Umgang der Behörden mit den Daten wegen der digitalen Natur der Daten nur sehr schwer zu überwachen. Vertrauen ist zwar schön, aber es sollte nicht "blindes" Vertrauen sein, sondern Vertrauen, das sich auf der Tatsache gründet, dass die Behörden in ihrem Tun effektiv überwacht werden. Schließlich erhalten die Behörden mit den Daten der Vorratsdatenspeicherung und mit dem erleichterten Zugriff ein enormes Machtinstrument in die Hand. Macht gehört kontrolliert. Vorsichtiges Misstrauen gegenüber der Obrigkeit ist in einer Demokratie Anzeichen einer gesunden Einstellung und nicht - wie Schily und Schäuble und Ziercke und Co. suggerieren wollen - krankhaft. Jeder, der leutselig daherkommt und Machtzuwächse von Behörden ohne gleichzeitige Implementierung ausreichender Kontrollmechanismen als harmlos schönredet, macht sich in meinen Augen höchstverdächtig.

Der Staat und seine Behörden sind kein Wesen, gegenüber dem man Nachsicht üben müsste, mit dessen Gefühlen man vorsichtig umgehen müsste. In Regierung und Behörden jedoch arbeiten Menschen, die ebenso verführbar sind wie jeder andere Mensch auch. Und Macht verführt zu Missbrauch und aus machtvollem Handeln kann auch ebenso machtvolles Fehlverhalten (ob gewollt oder ungewollt) werden. Das ist leider ein Naturgesetz.

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BKA schnüffelt Besuchern der BKA-Webseite nach

(Via Netzpolitik.org) Nach einem Bericht des Tagesspiegels speicherte das BKA die IP-Adressen der Besucher einer BKA-Informationsseite zur "Militanten Gruppe". Die Militante Gruppe ist eine bisher ziemlich nebulöse, terroristische Vereinigung, nach der das BKA bereits länger schon ohne großen Erfolg fahndet.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Betreiber von Webseiten die IP-Adressen der Besucher speichern, um sie statistisch auszuwerten. Um also beispielsweise zu prüfen, wieviele Besucher die Webseite angeklickt haben, wie lange sie verweilten, woher sie kamen, wohin sie klickten und anhand weiterer Daten beispielsweise auch, welchen Browser sie verwendet haben, welche Bildschirmauflösung oder welches Betriebssystem. Soweit also alles normal.

Das BKA fragte jedoch anscheinend anschließend bei Internetprovidern an und bat um Auskunft, welche Personen sich hinter den IP-Adressen der Besucher verbargen.

Warum? Der Besuch der öffentlich zugänglichen Informationsseite des BKA ist nicht verboten.

Die einzig sinnvolle Schlussfolgerung aus dem Verhalten des BKA: Das BKA meint, dass Menschen, die sich für das interessieren, was das BKA über die Militante Gruppe schreibt, verdächtig sind. Kurz: Leute, die sich für die Arbeit des BKA interessieren sind aus Sicht des BKA verdächtig.

Und mir ist dieses Verhalten des BKA verdächtig.

Diese Behörde gehört scharf beobachtet. Gerade wegen ihrer Misserfolge bei den Ermittlungen gegen die Militante Gruppe und wegen der anscheinend willkürlichen Ermittlung gegen schlichte Webseiten-Besucher des BKA.

Ich habe übrigens auch einmal auf eine Unterseite des BKA-Informationsangebotes hier in meinem Weblog verlinkt. Und zwar in diesem Weblog-Eintrag. Ich bitte meine Leser um Entschuldigung, sie möglicherweise damit heimlichen Ermittlungen des BKA ausgesetzt zu haben. Ich werde es in Zukunft unterlassen, auf Informationsseiten deutscher Behörden zu verlinken.

Rechtsanwalt Udo Vetter hat auch einen lesenswerten Kommentar zum in letzter Zeit (siehe Hausdurchsuchungen bei G8-Gipfel-Gegnern und Ermittlungen gegen den Soziologen Andrej H.) immer fragwürdiger werdenden Vorgehen des BKA:

Fangen wir ganz absurd an und unterstellen, solche Anfragen sind vom Datenschutz, dem Polizeirecht oder der Strafprozessordnung gedeckt. Dann gehen wir realistisch davon aus, dass das BKA bei 99,9 % der “Anfragenden” keine tasächlichen Anhaltspunkte gefunden hat, um tätig zu werden. Also nichts, was kriminalistische Maßnahmen rechtfertigt. Beschattung etwa. Oder eine Hausdurchsuchung. Alles andere wäre ja eine große Überraschung.

Wurden die gewonnenen Daten dann sofort gelöscht? Oder schlummern die Namen und Adressen der ahnungslosen Anschlussinhaber weiter in einer Datenbank? Vielleicht für den Fall, dass bei nächster Gelegenheit aus anderer Quelle wieder so ein quasi-verdächtiges Verhalten dazu kommt. Zum Beispiel ein in der örtlichen Bibliothek entliehenes oder online gekauftes Buch zum Terrorismus. Oder eine Google-Recherche mit bösen Worten.

Und wann stehen sie dann vor deiner Tür?

Bei einer Behörde, die - sofern der Zeitungsbericht keine Ente ist - den Nutzer ihres eigenen Informationsangebots erst mal zum potentiellen Straftäter macht, darf man sich die Antwort ausmalen. Gleichzeitig zeigt so ein infames Verhalten, wie wenig Respekt diese Leute noch vor den Bürgern und deren Rechten haben. (Quelle: Lawblog.de)


Übrigens: Kommt die Vorratsdatenspeicherung, dann könnte das BKA ohne umständliche, einzelne Anfragen bei den Internet- und Telekommunikationsprovidern in Sekundenschnelle elektronisch alle Besucher der BKA-Webseite identifizieren und eventuell mit ihren Namen in einer eigenen Datenbank abspeichern. Werden diese Besucher an anderer Stelle noch einmal auffällig, akkumulieren sich die Verdachtsmomente. Einmal im Verdachts-Netz, immer im Verdachts-Netz? Und ab welcher Verdachtsschwelle greift das BKA dann eventuell zu weiteren Mitteln, um noch mehr über einen herauszubekommen? Beschattung, Verwanzung?... Mir scheint es, dass der Richtervorbehalt bei solchen Maßnahmen kaum mehr ein Hindernis ist für das BKA. Werden Verdachtsmomente vom BKA geschickt dargestellt, wird wohl kaum ein - meist vielbeschäftigter - Richter dem BKA die Bitte abschlagen, weiter und intensiver verdächtige Personen ausforschen zu dürfen.

Ein Kommentar eines Lesers bei Netzpolitik.org veranschaulicht dieses mögliche Phänomen einer Verdachtseskalation, die sich bei solch einem niedrigschwelligen Rumermitteln des BKA, wo viele Menschen im Verdachtsnetz landen, aufbauen könnte:

Irgendwann 2005 versehentlich auf der BKA-Seite zur Militanten Gruppe gelandet. Damals Telekom-Kunde. BKA erlangt im Zuge eines Auskunftsverlangens meinen Namen und meine Adresse. Nix geschieht, was auch? Trotzdem werden meine Daten natürlich irgendwo bei den Behörden zentral gespeichert.

Irgendwann 2007, eine öffentliche Anhörung im Bundestag zur Terrorbekämpfung, namentliche Anmeldung erforderlich. Meine Anmeldung wird geprüft, mein Name taucht in der Datenbank auf, meine Anmeldung wird abgelehnt. Ermittlungen werden eingeleitet. Ich bin eine bereits mehrfach auffällig gewordene Person.

Irgendwann in Deutschland. (Quelle: Netzpolitik.org)


Ich bin mir im Lichte dieser neuen Informationen über das ungezügelte Verhalten des BKA leider inzwischen ziemlich sicher, dass ich mittlerweile auch vom BKA beobachtet werde oder wurde. Einige Vorkommnisse in letzter Zeit hatten diesen Verdacht bereits seit über einem Monat in mir reifen lassen. Dinge, die ich bislang unter der Rubrik "Zufall" verbuchte, muss ich nun neu bewerten. Dass das BKA bereit ist, alleine schon gegen Bürger ermittelnd vorzugehen, die nur eine völlig legale BKA-Informationswebseite ansurften, zeigt mir, dass es dem BKA zuzutrauen ist, in ungezügelter Art und Weise (und damit einem Geheimdienst ähnlicher als einer Polizei) auch gegen Personen zu schnüffeln, die nur kritisch die Arbeit des BKA und die Forderungen beispielsweise von BKA-Chef Ziercke so öffentlich wie in diesem Weblog hier kommentieren. Sicherlich wird das anonyme Bloggen unter einer Blogspot.com-Adresse als "konspiratives Verhalten" ausgelegt, obwohl es eher der Absicherung vor Datenhamstern aus der Wirtschaft und dem Schutz vor wilden Abmahnanwälten oder dem unangemeldeten Besuch von unangenehmen Zeitgenossen vor der eigenen Haustür dienen soll. Schließlich hat ein Blogger keine Redaktion im Rücken, hinter deren Adresse man sich "verstecken" könnte, um die eigene Privatadresse zu schützen. Anhand meiner oben rechts in der Navigationsleiste unter "Kontakt" angegebenen GMX-Mail-Adresse bin ich jedoch für jeden Staatsanwalt zu identifizieren - es ist nämlich ein GMX-Promail-Account - also kein kostenloser, anonymer Account. Ich blogge hier - ganz bewusst übrigens - also nicht wirklich anonym, sondern zumindest aus Sicht von Strafvervolgungsbehörden nur pseudonym. Vielleicht wurde auch mein häufiges Surfen unter einem Internet-Account meines Vaters und nicht mittels eines eigenen Accounts ebenfalls als "konspiratives Verhalten" interpretiert. Häufiges Nutzen anonymer Internetzugänge wäre sicherlich auch aus Sicht des BKA ein konspiratives Verhalten und damit noch ein Verdachtsmoment mehr. Man kann diese Einschätzung beispielsweise der Beschreibung des Verhaltens der neulich gefassten "Konvertiten-Terroristen" durch das BKA entnehmen. All dies - so muss ich nun annehmen - könnten Verdachtsmomente genug gewesen sein, dass das BKA auch mal bei mir etwas genauer hinschaute, hinhörte oder eventuell noch hinschaut und hinhört.

Das Heimtückische an vagen Verdachtsmomenten ist, dass jedes neue Verdachtsmoment bereits bekannte Verdachtsmomente vermutlich in den Augen mancher Ermittler in ihrer Bedeutung potenziert. Haben Ermittler genug Daten, kann so aus einer Mücke schnell ein Elefant werden. Das automatische Erfassen und Auswerten von digitalen Daten lädt geradezu dazu ein, mit den Daten "zu spielen", um mögliche Zusammenhänge aufzudecken. Es ist das Prinzip der Rasterfahndung.

In der Wissenschaft ist solch ein Umgang mit Daten verpönt. Es gilt als zutiefst unseriös, wenn man nach der Datenerhebung "a posteriori" anfängt mit dem Datenmaterial "herumzuspielen" bis irgendwelche statistischen Tests angebliche Zusammenhänge oder Signifikanzen in den Daten offenbaren. Zumindest seriöse Wissenschaftler legen vor der Datenerhebung fest, wie welche Daten zu erheben und auszuwerten sind. Man hat also zuerst eine Theorie und guckt dann, ob die in Untersuchungen gewonnen Daten sie bestätigen oder widerlegen. Das Vorgehen des BKA scheint jedoch eher darin zu bestehen, erst einmal alles Mögliche an Daten zu erheben, dann in diesem Datenwust herumzusuchen (was heute dank Statistik- und Dataminingsoftware eine Sache von Sekunden ist), um dann auf mögliche Zusammenhänge zu stoßen. Die Theorie (in diesem Fall, dass jemand verdächtig sein könnte) wird dann nach aufspüren von irgendwie zusammenhängenden Daten aufgestellt. Kein Wunder, dass das BKA der Militanten Gruppe bei solch einer durch zufällige Zusammenhänge gelenkten Ermittlung nicht auf die Schliche kommt, könnte man daraus vielleicht schlussfolgern.

In einem Punkt hat also der oben zitierte Kommentator bei Netzpolitik.org Unrecht: Nicht "irgendwann in Deutschland", sondern schon jetzt geraten vermutlich viele Unschuldige in irgendwelche obskuren Verdachtsnetze des BKA.

Nachtrag: Jetzt gibt es mittlerweile neben der oben verlinkten Kurzmeldung auch noch einen ausführlicheren Artikel des Tagesspiegel: Der falsche Klick.

Nachtrag 2: Und Schäuble sagte heute laut Heise.de noch:

Das BKA und sein Chef seien "gegen jeden Verdacht in Schutz zu nehmen, sie wollten etwas haben oder tun, was nicht rechtmäßig ist". (Quelle: Heise.de)


Richtig. Sie wollen ja auch nichts Unrechtmäßiges tun, sie haben es wahrscheinlich längst getan. Und jetzt am Montag soll im Kabinett über weitere Befugnisse fürs BKA diskutiert werden und der Entwurf fürs BKA-Gesetz verabschiedet werden, wie FR-Online.de berichtet.

Aber Schäuble gibt selbst zu, nicht richtig Ahnung zu haben:

"Ich bin kein Experte, und ich weiß auch gar nicht, ob es so furchtbar zielführend ist, dass man jede Ermittlungsmethodik der Sicherheitsbehörden breit diskutiert", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk und revidierte so seinen früheren Wunsch nach einer offenen Debatte der umkämpften Befugnis für Online-Razzien im Entwurf für die Novelle des BKA-Gesetzes. Wenn die Bundesanwaltschaft oder auch die Chefs der Landespolizeien den Einsatz des so genannten Bundestrojaners für nötig halten, "sollten sich nicht Politiker und vielleicht auch nicht Journalisten gewissermaßen zu größeren Experten machen und sagen, das braucht man gar nicht". (Quelle: Heise.de)


Allerdings gibt es eine Menge an Experten, die weder zu den Sicherheitsbehörden gehören, aber auch keine Politiker oder Journalisten sind, sondern beispielsweise Rechtsgelehrte, die "Online-Durchsuchungen" nachhaltig ablehnen. Es läuft mächtig was schief bei der Sicherheitspolitik derzeit, wenn diese Kritik konstant ausgeblendet wird von den verantwortlichen Politikern und blind den Aussagen der Sicherheitsbehörden vertraut wird und ihre Wünsche als Maßstab gelten.

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