(Via Fefe) Was Populismus ist, kann man derzeit gut anhand der Forderungen von Wahlkämpfer Roland Koch begutachten: Billige, nicht durchdachte Forderungen, die vor allem deshalb von Politikern geäußert werden, um bei uninformierten Bürgern Emotionen zu wecken. Um ernsthafte Problemlösung geht es bei populistischen Vorschlägen also nicht. Populistische Vorschläge sind also einerseits populär und andererseits ungeeignet. Ein Vorschlag, der also nur populär ist, ist noch nicht automatisch populistisch. Ebensowenig ein Vorschlag, der schlicht und einfach nur ungeeignet ist, irgendwelche Probleme zu lösen.
Daraus wird deutlich, dass all die diversen Überwachungsvorschläge, von Schäuble eben nicht populistisch sind. Schäuble selbst ist kein Populist. Andere Politiker versuchen jedoch natürlich, die Überwachungsvorschläge Schäubles zu "verpopulisieren", sie in die Sprache des politischen Populismus umzuformulieren. So entstehen dann die diversen Forderungen diverser Unions-Innenpolitiker, die "Online-Durchsuchung" beispielsweise auch gegen Besitzer von kinderpornografischen Bildern anzuwenden. Schäuble selbst hat so etwas nie gefordert.
Will ich hier Schäuble jetzt irgendwie in Schutz nehmen? Nein, ich will nur aufmerksam darauf machen, dass Schäuble und die Beamten von Bundeskriminalamt und Polizei und Geheimdiensten, die ihm zutragen, eine eigene Agenda jenseits des Populismus verfolgen.
Ist es also eine echte Sorge um die Sicherheit im Land, die Schäuble und die Beamten der Sicherheitsbehörden umtreibt und die zu solchen Forderungen wie der Ausweitung der Speicherfrist von Material von Videoüberwachungskameras, der Ausweitung des großen Lauschangriffes, Rasterfahndung, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, großer Spähangriff aufs Innere von Privatwohnungen, heimliche Hausdurchsuchungen und die Infragestellung des rechtlichen Schutzes von Verdächtigen und so weiter führt?
Bislang konnte man vielleicht noch vermuten, dass hinter diesen Forderungen tatsächlich das Bedürfnis steckt, das Leben der Bürger sicherer zu machen, auch wenn viele Experten darauf hinwiesen, dass viele der geforderten Maßnahmen häufig eh von Terroristen ausgehebelt und umgangen werden könnten und dass die Maßnahmen nicht ohne gravierende Einbußen bei den bürgerlich-freiheitlichen Grundrechten umzusetzen wären.
Aber der Staat, so Schäuble, hätte doch nichts Böses im Sinn. Die bürgerlich-freiheitlichen Grundrechte würden schon beachtet werden, selbst wenn sie auf Gesetzesebene ausgehöhlt würden durch die neuen Regeln zur inneren Sicherheit.
Viele stimmten hier Schäuble noch zu. Populistisch an Schäubles Äußerungen war in diesem Moment höchstens sein Verweis auf die wie auch immer gestaltete "Anständigkeit", die man doch bitte schön als Maßstab nehmen könne, dürfe und solle. Wer sich als Bürger "anständig" verhält, dem passiere schon nichts. Der uninformierte Bürger nickt hier wieder und macht leider meist nicht den zweiten Gedankenschritt: Wer bestimmt eigentlich, was anständig ist und was nicht, wenn nicht mehr das Gesetz in Form der bürgerlich-freiheitlichen Grundrechte, die ja nun beschnitten werden sollen?
Ansonsten ist Schäuble alles andere als populistisch. Seine Pläne werden lieber leise durchgesetzt. Die Überwachungspläne werden leise realisiert, möglichst ohne große Diskussionen.
Wenn also hinter der Politik Schäubles kein Populismus steckt und wenn unabhängige Experten sagen, dass die Gesetzesvorhaben Schäubles kaum die innere Sicherheit erhöhen und wenn diese neuen Regeln stattdessen bürgerlich-freiheitliche Grundrechte beschneiden und wenn diese Grundrechte nicht durch ein mündliches Versprechen eines Ministers, dass der Staat sich schon anständig verhalten werde, ersetzt werden können..., dann stellt sich die Frage:
Was genau treibt Schäuble?
Immer wieder taucht diese Frage hier im Weblog und anderswo auf. Und nein, Schäuble hat kein mentales Problem, kein übersteigertes, persönliches Sicherheitsbedürfnis. Zumindest ist dies kein brauchbarer Erklärungsansatz für sein politisches Handeln. Das ist eine Desinformation. Hier geht es um weit wichtigere Dinge und um weit wichtigere Motive und Ziele.
Eine kleine, relativ unscheinbare Meldung von gestern wirkt nun auf mich persönlich zumindest so, wie wenn man an einer entscheidenden Stelle ein Puzzleteil eingefügt hätte und sich so ein klareres Bild abzeichnet. So berichtet der Tagesspiegel über eine Meldung, die heute wohl in der gedruckten Ausgabe der Taz stehen wird:
Eine neue Fassung für das geplante BKA-Gesetz sieht vor, dass künftig auch Abgeordnete, Strafverteidiger und Geistliche vorbeugend durch das Bundeskriminalamt abgehört werden können. (Quelle: Tagesspiegel.de)
Hier kippt die Verhältnismäßigkeit nun völlig. Die genannten Berufsgruppen (zumindest die Abgeordneten und Strafverteidiger) sind einerseits wichtige gesellschaftliche Säulen beim Schutz des Bürgers gegen staatliche Willkür. Diese Schutzfunktion würde massiv torpediert werden durch eine "vorbeugende" (also jenseits konkreter Anhaltspunkte!) staatliche Beschnüffelung dieser Berufsgruppen. Das muss ich hier wohl kaum näher ausführen. Und andererseits wird wohl kaum jemand ernsthaft behaupten, dass von diesen Berufsgruppen eine überproportionale Gefährdung der inneren Sicherheit ausgeht, oder? Wo also ist sie, die Verhältnismäßigkeit? Ist hier noch ein ehrlicher Wille auf der Seite von Schäuble zu erkennen, die innere Sicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die freiheitlichen Grundrechte zu schützen?
Nein. Und damit wird dieser kleine Vorschlag im Rahmen des BKA-Gesetzes zu einem äußerst aussagekräftigen Hinweis, dass Schäuble ganz andere Interessen verfolgt. Und diese Interessen bestehen auch dann weiter, wenn die geplante Beschnüffelung der oben erwähnten Berufsgruppen zunächst einmal doch nicht Gesetz werden sollte.
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