Bei Zeit.de ist ein entlarvendes Interview mit einem Staatsanwalt zum Thema Vorratsdatenspeicherung zu lesen: "Wir brauchen die Daten".
Dass ein gegenüber der Politik weisungsgebundener Staatsanwalt sich überhaupt zu dieser Thematik äußert, zeugt zunächst einmal von Mut. Ich hoffe, der interviewte Staatsanwalt behält seinen Posten.
Die Überschrift über dem Interview führt in die Irre. "Wir brauchen die Daten", sagt Staatsanwalt Robert Bondzio über die Telekommunikationsverbindungsdaten, die jetzt alle gespeichert werden sollen. Aber er schränkt dieses "Brauchen" dann doch sehr ein. Es geht ihm um die Aufklärung von Betrugsdelikten, die via Internet begangen werden. Dazu bräuchte man die Verbindungsdaten:
Man braucht sie aus Sicht der Ermittler, um einige Straftaten überhaupt verfolgen zu können. Die Computerkriminalität hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen – das ist der Kernbereich, für den Vorratsdatenspeicherung notwendig ist. Das Netz bietet nun einmal Anonymität, die jedoch nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile hat. Vor allem, wenn man Geschäfte machen will. Bei denen ist es eben wichtig zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Phishing, also das Abfangen von Konten-Daten, und Nachstellungen machen nur einen Teil der Online-Kriminalität aus. Der überwiegende Teil sind Betrugsdelikte. (Quelle: Zeit.de)
Seltsam nur: Ich glaube, wenn ich mich richtig erinnere, sagten die letzten Statistiken aus, dass ungefähr zwischen 30 und 40 Prozent der Deutschen kein Internet nutzen. Aber auch von ihnen wird nun rund um die Uhr sechs Monate lange gespeichert werden, mit wem sie wie lange telefonieren und wo sie sich in den sechs Monaten mit ihrem Handy aufgehalten haben.
Weiterhin kenne ich viele, die zwar das Internet nutzen, jedoch nicht, um im Internet Dinge zu kaufen oder Bankgeschäfte zu tätigen.
Und schließlich würden vermutlich viele auf den Kauf von Waren via Internet verzichten, wenn im Gegenzug die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft würde, oder?
Zu dieser Frage starte ich gleich mal eine Umfrage. Wieder zu finden rechts in der Navigationsleiste. Falls das mit dem Abstimmen da nicht funktioniert, liegt es vermutlich daran, dass der eigene Browser oder installierte Browser-Add-Ons wie beispielsweise das fabelhafte "
NoScript" das Abstimmungselement als möglicherweise gefährliches "Cross-Site-Scripting" blockieren. Gefährliches Cross-Site-Scripting ist es in diesem Fall jedoch nicht. Wer weiß, was er tut, kann also zur Abstimmung eventuell NoScript kurz abschalten. Aber nicht vergessen, es danach sofort wieder zu aktivieren.
A propos "NoScript". Der von Zeit.de interviewte Staatsanwalt meint, dass alternative Methoden, mit denen man das Kaufen und Verkaufen jenseits einer umfassenden Vorratsdatenspeicherung im Internet sicherer machen könnte (beispielsweise sichere Authentifizierungssysteme für die Nutzer und Anbieter von Dienstleistungen), viel zu aufwendig seien. Zumindest den Banken beispielsweise sei die Anwendung sichererer Verfahren fürs Internetbanking schlicht zu teuer. Bekommen wir also die Vorratsspeicherung, um den Banken teure Investitionen zu ersparen und weil die Internetprovider, die jetzt die Kosten für die Vorratsspeicherung tragen müssen, nicht so eine gut funktionierende Lobby haben wie die Banken?
Die Äußerungen im Interview dazu finde ich äußerst aufschlussreich:
ZEIT online: Gibt es nicht technische Lösungen, um zum Beispiel Betrug einzudämmen?
Robert Bondzio: Ja, indem man für Internet-Geschäfte gewisse Sicherheitsstandards verlangt. Also beispielsweise festlegt, wenn die Banken Standards wie Itan nicht einhalten, geht jeder Schaden zu ihren Lasten. Aber seitens der Banken bestehen da gewisse Vorbehalte. Die Einführung von Itan hat auch ohne Haftungsregelung eine ganze Weile gedauert. Von einem flächendeckenden HBCI-Banking sind wir meilenweit entfernt.
ZEIT online: Warum wird es nicht per Gesetz verordnet, wenn der Schutz so doch viel leichter und billiger umzusetzen wäre?
Robert Bondzio: Diese Frage müssen Sie einem Politiker stellen. (Quelle: Zeit.de)
Viele Betrugsversuche im Internet benutzen das sogenannte "Cross-Site-Scripting", bei dem der Internetnuzter meint, auf einer ihm vertrauten Internetseite Daten in eine Eingabemaske einzugeben, im Hintergrund jedoch die Daten mittels heimlich in der Webseite eingebundener Skripte wo ganz anders hin transferiert werden. Das oben erwähnte "NoScript" verhindert solch ein Cross-Site-Scripting, weil es derart in eine Webseite eingebundene Skripte im Browser des Nutzers deaktiviert.
Sichere Authentifizierungsmethoden und solche kleinen, kostenlosen zusätzlichen Software-Add-Ons wie "NoScript" seien also zu aufwendig, um Betrugsdelikte im Internet zu verhindern? Die Vorratsdatenspeicherung, die Millionen Euro kosten wird und ein enorm hohes Missbrauchspotenzial darstellt, sei also weniger aufwendig als alternative Methoden?
Könnte das Interview vielleicht ein Betrugsversuch sein? Ein Versuch, den Verstand der Leser zu betrügen und zu verwirren?
Und dann sagt der interviewte Staatsanwalt noch:
Nach Ablauf der Speicherfrist werden die Daten gelöscht, ohne dass jemals jemand draufgeschaut hat. (Quelle: Zeit.de)
Dass die europäischen Geheimdienste ebenfalls Zugriff auf die Telekommunikationsverbindungsdaten der Vorratsspeicherung bekommen sollen - und das natürlich ganz ohne jeden Richtervorbehalt - wird im Interview natürlich nicht erwähnt. Und auch vom "Missbrauchspotenzial" wird nur abstrakt gesprochen. Konkret bedeutet dies jedoch, dass die Provider selbst die gespeicherten Daten zu Geld machen könnten. Wer sollte dies merken, außer die Kunden, die sich vielleicht irgendwann wundern, wer was alles über sie weiß, dann aber kaum nachweisen können, dass ihr Provider die Daten vielleicht heimlich verkauft hat?
Und nun viel Spaß mit der neuen Abstimmung rechts in der Navigationsleiste.
Nachtrag: Hier die Umfrageergebnisse:
Auf die Frage "Die Speicherung aller Verbindungsdaten soll vor allem vor Internetbetrug schützen. Würden Sie aufs Einkaufen via Internet verzichten, wenn dafür die Vorratsspeicherung wegfällt?" antworteten:
- Ja, dafür würde ich aufs Einkaufen via Netz verzichten: 18 Stimmen
- Nein, Einkaufen im Netz ist mir wichtiger: 4 Stimmen
- Keine Meinung, bzw. kann ich nicht sagen: 2 Stimmen
Allen, die teilgenommen haben: Danke!
Technorati-Tags: Vorratsdatenspeicherung,
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