Montag, 22. Juni 2009

Das Überwachungsmonster von Nokia Siemens Networks wird ans Tageslicht gezerrt

Schon vor mehr als einem Jahr schrieb der famose Journalist (ja, die gibt es noch, famose Journalisten...) namens Erich Moechel für den österreichischen Rundfunk (ORF) auf, dass die deutsch-finnische Firma "Nokia Siemens Networks" (NSN) eine seltsame Produktpalette besitzt. Besonders das Produkt namens "Intelligence Platform" erregte seine Aufmerksamkeit. Es wurde von NSN als eine Art eierlegende Wollmilchsau der Überwachungstechnologie angepriesen. Und tatsächlich: NSN steht mit diesem Produkt nahezu konkurrenzlos auf dem Markt. Die "Intelligence Platform" ist der feuchte Traum jedes Geheimdienstes und jedes Überwachungsfanatikers weltweit.

Zitat:

In einer Art Data-Warehouse für Geheimdienste werden von Verbindungsdaten aus Telefonienetzen und dem Internet - die nunmehr EU-weit vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung wird ganz oben angeführt - über Kreditkartenzahlungen und Banktransfers, Grundbuch, Kfz- und Melderegisterdaten bis hin zu Flugpassagier-, Fingerprint- und DNA-Informationen alles zusammengeführt, was ein Mensch an Spuren in den zahlreichen Computersystemen eines entwickelten Staates hinterlassen hat. (Quelle: Futurezone.ORF.at)

Die "Intelligence Platform" verwirklicht also das, wovor Datenschützer immer warnen: Hier werden alle möglichen Daten aus allen möglichen Lebensbereichen der Menschen an einem Ort, in einer Datenbank zusammengeführt, um diese Daten dann anschließend alle in einen Zusammenhang bringen zu können. Die Folge davon ist, dass man mit der "Intelligence Platform" ganz leicht und ganz schnell Verhaltensmuster von Millionen von Menschen entlarven kann.

Ein weiteres Merkmal der Produkte von NSN (beispielsweise des "Monitoring Center") ist, dass sie nahtlos in die Telekommunikationsnetze eines Landes eingefügt werden können und man beispielsweise via Deep Packet Inspection auch die Art der Internetnutzung (bis hin, welche Software verwendet wird) pro Internetnutzer und sein Internetnutzungsverhalten entlarven kann. Vermutlich können die Produkte von NSN dann auch gezielt den Internetzugang blockieren. Und wenn nicht, dann liefern die Produkte von NSN zumindest die Informationen, um mit Hilfe anderer technischer Systeme und Softwarelösungen Internetzugänge gezielt zu sperren.

Der Knackpunkt ist nun, dass diese Produkte von NSN in einem Rechtsstaat gar nicht eingesetzt werden könnten. Natürlich könnte ein Rechtsstaat eine extrem abgespeckte Version der Produktepalette von NSN einsetzen, aber ein Rechtsstaat, dem der Schutz seiner Bürger ehrlich am Herzen liegt, würde davon wohl eher Abstand nehmen, denn es bestände immer die Gefahr, dass eine abgespeckte Version von NSN-Produkten heimlich aufgerüstet werden könnte zum vollen Überwachungsmonster. Ein Rechtsstaat braucht schlichtweg die Produkte von NSN nicht!

NSN sieht (beziehungsweise sah - inzwischen hat NSN das Geschäft mit der Überwachungstechnik an die Münchner Investmentgesellschaft Perusa Partners abgegeben) somit den Markt für das Überwachungsmonster auch vorwiegend in Asien und im Nahen Osten.

Warum aber "muss" es erlaubt sein, dass eine Firma Produkte herstellt, die in dieser Form und in diesem Umfang letztlich nur dafür gebraucht werden, Unrechtsregime in aller Welt zu stabilisieren und Menschen zu unterdrücken? Warum gibt es aber zumindest nicht Ausfuhrverbote in Unrechtsregime für deutsche Firmen für solch eine Technik? Ah, ich ahne es: Arbeitsplätze... Also, sorry, liebe Iraner. Aber wir müssen ja auch von irgendwas leben hier in Deutschland. Wir verhungern sonst.

(Siehe auch mein Eintrag dazu in meiner Linkablage.)

1 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Klarstellung zu o.g. Bericht über Nokia Siemens Networks

Die Darstellung, Nokia Siemens Networks (NSN) hätte Technologie zur Überwachung des Internets im Iran geliefert, ist falsch. NSN hat im Iran zwei Mobilfunknetze errichtet, die es, nach der Ausweisung vieler Reporter, der iranischen Bevölkerung ermöglichen, untereinander und mit der Außenwelt nach wie vor zu kommunizieren.

Im Rahmen dessen wurde 2008 an einen der beiden Netzbetreiber auch ein Aufzeichnungsgerät geliefert, das der Aufnahme von Sprachanrufen zur Verbrechensbekämpfung dient. Diese Systeme sind in allen Ländern in Telekommunikationsnetzen Pflicht, so zum Beispiel auch in Deutschland. Mit dem Gerät können weder Personen oder Rufnummern identifiziert, nachverfolgt, das Internet oder Textbotschaften kontrolliert, noch Daten analysiert werden. Deep Packet Inspection ist mit diesem Gerät nicht möglich. Ein Intelligence Center wurde nicht geliefert.

NSN hat dieses Geschäftsfeld im März 2009 verkauft und vertreibt diese Produkte nicht mehr.

NSN hält strenge eigene und internationale ethische Richtlinen im internationalen Handel ein. Vor dem Geschäft hat NSN eindringlich die einschlägigen EU und UN Richtlinen geprüft. Diese sahen damals keine Handelseinschränkungen vor.


Mehr unter: http://www.nokiasiemensnetworks.com/global/Press/Press+releases/news-archive/Provision+of+Lawful+Intercept+capability+in+Iran.htm

Stefan Zuber
Nokia Siemens Networks