Samstag, 5. April 2008

Warnung vor der Tagesschau

Viele halten ja die ARD-Tagesschau für den Hort der journalistischen Seriosität. Ich hingegen fühle mich immer häufiger einfach nur manipuliert als informiert von dieser Sendung.

Ich gucke mir die Tagesschau nur noch selten an. Heute jedoch beim Rumzappen zufällig mal wieder. Und sofort springt mir wieder eine dieser seltsamen, manipulierenden kleinen Tagesschau-Meldungen ins Auge.

So berichteten die Tagesthemen gerade in einer kleinen, aus zwei, drei Sätzen bestehenden Meldung, dass Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, die jüngsten deutschen Lohnabschlüsse in Deutschland nicht als Vorbild sehen würde für andere Länder, weil höhere Löhne zu steigenden Preisen führen würden. Als kleine Zusatzinformation hielten die Tagesthemen dann nur noch die Information bereit, dass die Gewerkschaften diese Äußerungen Trichets kritisieren würden.

Mehr nicht. Mehr Informationen gab es dazu nicht. Es wurde nicht gesagt, worin genau beispielsweise die Kritik der Gewerkschaften bestand. Und es wurde auch nicht näher erläutert, warum Trichet für Deutschland höhere Löhne okay findet - es wurde noch nicht einmal erwähnt, dass Trichet höhere Löhne für Deutschland okay findet.

Meine Fragen: Warum wird bei dieser Kürze dann überhaupt über Trichets Äußerungen berichtet? Welchen Nachrichtenwert hat das? Trichet selbst kann keinerlei Einfluss ausüben auf irgendwelche Lohnverhandlungen - weder in Deutschland noch im Ausland. Das, was Trichet also zu irgendwelchen Lohnabschlüssen sagt, ist also erst einmal völlig irrelevant. Vor allem, weil das, was Trichet sagt, in keinster Weise neuartig oder erhellend ist. Außerdem äußerte sich Trichet in einer äußerst vagen und allgemeinen Weise über die Situation "in anderen Ländern". Man weiß nicht, welche anderen Länder er genau gemeint hat, er spricht jedoch eben nicht von Deutschland. Noch einmal meine Frage: Welchen Nachrichtenwert haben die Äußerungen Trichets dann für uns Deutsche? Warum werden Trichets Allgemeinplätze an prominenter Stelle in der Tagesschau verlautbart? Welches überraschende Wissen präsentiert hier Trichet?

Man könnte Trichets Äußerungen ja berichten. Dann aber bitte inhaltlich vollständig und nicht Sinn entstellend - und am besten noch mit einer kurzen Einordnung, also wer Trichet ist, was seine Position ausmacht, warum es angeblich wichtig ist zu vermelden, was er zu Lohnabschlüssen sagt und welche Interessen er vertritt. Oder einer kleinen Erklärung, worin genau inhaltlich die Kritik an seinen Äußerungen liegt. Einfach nur zu melden, dass die Gewerkschaften Trichets Äußerungen kritisieren - und nicht zu sagen, worin genau die Kritik denn nun besteht, die die Gewerkschaften äußern - ist pure Manipulation und hinterfotzige Meinungsmache von Seiten der Tagesschau.

Und ich behaupte: Das ist leider inzwischen typisch für die Tagesschau.

Aus meiner Sicht ist die ARD-Tagesschau vor allem in den letzten zwei Jahren zu einem Sprachrohr des konservativen Regierungsteils verkommen. Obige kleine manipulative Meldungen und Ungenauigkeiten finden sich in letzter Zeit viel zu häufig bei der Tagesschau als dass man von Zufällen oder ungewollten Schlampereien sprechen kann. Von den Tagesschau-Falschmeldungen bei der Berichterstattung über das Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung will ich erst gar nicht anfangen... Immer wieder präsentiert die Tagesschau Nachrichten in einer die Sache verfälschenden, einseitigen Art und Weise. Vor allem die Sicht der Bundesregierung wird dabei häufig als Sichtweise übernommen - und darin vor allem die Sichtweise der konservativen Teile der Bundesregierung.

Ich kann nur sagen: Vorsicht vor der Tagesschau! Lasst euch nicht manipulieren, sondern informiert euch (auch) woanders!

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2 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Moin

Hörens- und lesenswert zu diesem Thema sind noch die folgenden Links, dir mir netterweise jemand bei einem Eintrag zum Buch "Die Tagesshow - wie man die Welt in 15 Minuten unbegreiflich macht" hinterlassen hat:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/feature/637754/
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2007/07/10/dlf_200707101915.mp3
http://www.emplify.de/archives/702-Book-review-Die-Tagesshow.html

Inhalt wird durch Quote ersetzt. Ein immer wichtiger werdendes Mantra bei den öffentlich-rechtlichen Sendern...

Anonym hat gesagt…

Ein kleines Beispiel: In Frankreich wird der Mindestlohn auch unter der konservativen Regierung Sarkozy zum 1. Juli 2007 von 8,27 Euro auf 8,44 Euro pro Stunde erhöht. Der dynamisch festgelegte Mindestlohn dient dazu, die soziale Schere zu schließen. Der allgemein garantierte, gesetzliche Mindestlohn (SMIC - salaire minimum interprofessionnel de croissance) wird von der Regierung entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung im Lande ermittelt.

Bei uns geht das so:
Ein gesetzlicher Mindestlohn, so betont der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, sei „süßes Gift“ und werde mit der Union nicht eingeführt. Die FDP, die ihrerseits eine gesetzliche Lohnuntergrenze kategorisch ablehnt, brachte einen Antrag gegen die Einführung von Mindestlöhnen in den Bundestag ein.
Die Union kann sich allenfalls eine gesetzliche Ächtung sittenwidriger Löhne vorstellen. „Sittenwidrig“ ist nach aktueller Rechtsauffassung ein Lohn dann, wenn er 30 Prozent unterhalb der ortsüblichen bzw. tariflichen Löhne liegt. Bei Tariflöhnen um die drei Euro und weniger, wären somit Stundenlöhne um zwei Euro pro Stunde „nicht sittenwidrig“. Der Koalitionspartner SPD lehnt dies daher als „nicht ausreichend“ ab.

Man höre die aktuelle Diskussion um die Rente wegen 1 Prozent erhöhung. Die Inflation hat das Prozent schon zehn mal gefressen, da reden die von herausragender Leistung der Politik. Danke!!!