Montag, 18. Februar 2008

Ist Steuerhinterziehung asozial?

Ist Steuerhinterziehung asozial?

Natürlich.

Sind Steuerhinterzieher asozial?

Nein.

Es gibt Menschen, die asozial handeln, aber es gibt keine asozialen Menschen. Ein vielleicht klein erscheinender, aber entscheidender Unterschied. Jemanden als "Asozialen" zu bezeichnen, ist immer eine Verletzung seiner Menschenwürde und fällt irgendwann auf einen zurück. Das merken plötzlich auch diejenigen, die bislang immer so gerne von den "Asiozialen" "da unten", den sogenannten "Sozialschmarotzern" schrieben und redeten.

Von irgendwelchen "mildernden Umstände" zu sprechen, so mein Eindruck, wurde in letzter Zeit immer mehr zu einem Tabu. In Zeiten, wo Unions-Politiker fordern, auch Kinder hart zu bestrafen und Ausländer, die nur und allein den Begriff "Scheißdeutsche" in den Mund nehmen, sofort auszuweisen, machte sich jeder sofort angreifbar, wenn er auf die Verhältnismäßigkeit aufmerksam machte, eben auf "mildernde Umstände".

Aber plötzlich hört man wieder Beschwichtigungen und Relativierungen! Siehe der ARD-Presseclub gestern.

Erstaunlich. Sollte das Differenzierungsvermögen in die öffentliche Diskussion zurückgekehrt sein? Ich befürchte nicht.

Denn: Tun wir mal so, als ob man noch von "mildernden Umständen" sprechen dürfte in unseren harten Zeiten. Wem sollte und dürfte man dann eher mildernde Umstände zusprechen? Den steuerhinterziehenden Millionären oder den wortwörtlichen Habenichtsen, die beispielsweise kleine Zusatzverdienste nicht angeben? Die Bezieher von Sozialleistungen profitieren vom System, das sie betrügen. Genauso jedoch der steuerhinterziehende Millionär, der sein Vermögen in diesem Land machen oder bewahren oder vermehren konnte. Wieviele Hartz-IV-Empfänger müssten hingegen betrügen, um einen ähnlichen Schaden anzurichten wie ein steuerhinterziehender Millionär?

Lassen wir die "mildernden Umstände" und nehmen wir eine andere Perspektive ein: Wer geht das größere Risiko ein? Millionäre mit einer Auswahl an möglichen Steueroasen, die - sofern nicht solch ein "Unfall" passiert wie aktuell, bei dem jemand plaudert - kaum vom deutschen Staat überwacht werden können? Oder Hartz-Vierer, die sich vermutlich kaum die professionelle Beratung leisten können, Kapital sicher ins Ausland zu verlagern und sich ansonsten komplett nackig machen müssen vor den Behörden? Zudem kann der Millionär im Falle der Entdeckung ein paar Millionen springen lassen, womöglich die Steuer auf einen Schlag nachzahlen und eine Kaution hinterlegen und wird ansonsten kaum Abstriche in seinem Lebensstil machen müssen. Und der Nicht-Millionär?

Es gibt eine Ungleichheit in den Gründen, im Umfang und in den Folgen und Risiken. Die Steuerhinterziehung bei Millionären und bei ärmeren Zeitgenossen sieht also unterschiedlich aus. Es gibt Handlungen, die sind asozialer als andere Handlungen. Und es gibt Umstände, die asoziales Handeln begünstigen oder bestimmte Handlungen extrem asozial erscheinen lassen. Eine riesige Einkommensschere zwischen Arm und Reich wäre solch ein Kandidat für einen Umstand, der Asozialität wachsen lässt.

Es wird wohl kaum möglich sein, die Steuerhinterziehung der Millionäre mit irgendwelchen Maßnahmen in Zukunft nennenswert zu unterbinden ohne grundlegende Veränderungen am System. Bei den Betrugsfällen der "kleinen" Leute jedoch könnte es auch weniger aufwendige Wege geben, den Betrug unattraktiver zu machen, denn das höhere Risiko, dass diese Leute eingehen, zeugt davon, dass sie eher aus einer Notlage heraus betrügen, statt aus sportlichem Vergnügen. Eine Lösung könnte hier also sein, nicht das Risiko noch höher zu schrauben durch noch höhere Strafen, sondern den Nutzen des Betruges zu mildern, kurz: dass der Betrug nicht mehr nötig ist. Das wäre vielleicht beispielsweise realisierbar durch höhere Summen, die Hartz-IV-Empfänger ansparen dürfen und durch Mindestlöhne und ein für die "kleinen" Leute gerechteres Steuersystem. Eine Reform des Systems also, die ihren Namen "Reform" auch verdient. Stattdessen ertönen jetzt jedoch wieder sofort die Rufe nach weiteren Steuererleichterungen - und zwar für die Reichen - damit für SIE ihre angebliche Notlage nicht so groß ist und SIE deshalb weniger Steuern hinterziehen müssen.

Asozial sind also nicht die Menschen, weder die "oben" noch "unten", sondern das System, das eine derartige Einkommensschere möglich macht. Aber asozial handeln auch jene (nein, auch sie sind nicht asozial), die aus der warmen Redaktionsstube heraus die armen Leute "ganz unten" mit ihrem Geschreibsel oder Gerede zum Sündenbock der Nation machen, jetzt aber bei den Millionären äußerst auffällig nur Worte der Beschwichtigung kennen, obwohl man deren Handlungen durchaus als asozialer ansehen könnte als der "Sozialbetrug" der "kleinen" Leute.

Wenn also der Steuerskandal vielleicht ein Gutes hat, dann, dass manchen Journalisten plötzlich das Wort "asozial" schwieriger über die Lippen kommt und sie so den Populismus mancher Politiker und Kampagnen nicht noch verstärken. Hoffentlich bleibt das dann auch so, wenn es wieder um "Florida-Rolf", Statistiken über angeblich flächendeckenden "Sozialbetrug" und um unrasierte Arbeitslose geht, die angeblich wie Tiere nur fressen und saufen können und sonst keine Ziele im Leben hätten und keine Werte kennen würden.

3 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Diese ganze Heuchelschei*** wird deutlich, wenn man bedenkt, dass ohne einen neidisch erpresserischen kleinen Bänker und ein paar andere Kackies dieser ganze Sumpf niemals publlik geworden und Zumwinkel in Kürze als ehrenwertes Mitglied in den wohldotierten Ruhestand, und noch Vorsitzender (oder Vorständler) von Unicef geworden wäre. Gleichzeitig wird ein Rmmel veranstaltet, um auch dem letzten Millionärsdeppen noch eine satte Verdunklungs-Chance zu geben. Selbstanzeige? Dass ich nicht lache!

Ihre differenzierte Wortwahl in Ehren, lieber Solon, aber asozial ist asozial. Und das SIND in diesem Fall Zumwinkel, seine Kollegen Millionäre/Steuerhinterzieher (wie wird man eigentlich Millionär ohne Steuern zu hinterziehen oder sonst wen übers Ohr zu hauen?) und die Speichellecker von Politikern, die ihnen die roten Teppiche ausbreiten. Denn vor dem Handeln kommt erst die passende Geisteshaltung!

Anonym hat gesagt…

Sie schimpfen und empören sich über die gesetzeswidrige Steuerpraxis, sie empören sich über die Beihilfe des Fürstentums Lichtenstein zur Steuerhinterziehung, sie verurteilen die Gesetzeslage- oder den Schutz der Steuerflüchtlinge in Lichtenstein.
Wann prangern sie denn endlich das gesetzeswidrige Verhalten der Landesbanken an?
Hatten die nicht einen ganz anderen Auftrag, als zu zocken mit fremden Geld , statt den Auftrag der Mittestands - und der heimischen Wirtschaftsfinanzierung nachzukommen?
Hier besteht nur ein Unterschied:
Bei dem einen verliert der Staat Steuern durch nicht Abführung und Zahlung derselben.
Bei dem anderen verliert der Staat die erhaltenen Steuern indem er sie verzockt. Der Steuerzahler muß widerrechtlich dafür geradestehen.
Auch das müsste rechtlich verurteilt werden.
Das eine ist Steuerflucht, das andere ist Steuerveruntreuung.

Anonym hat gesagt…

Alles richtig. Bei dem was seit Jahren immer mehr in Schieflage gerät, weiß man gar nicht, wo man sich zuerst aufregen soll.