Freitag, 18. April 2008

ARD-Tagesschau irritiert: Geplanter BKA-Spähangriff sei Länderpolizeien bereits möglich

Anders als in allen mir bekannten anderen Medien berichtet die ARD-Tagesschau derzeit auf ihrer Website und in der heutigen 20-Uhr-Ausgabe, dass im weiterhin nicht öffentlichen Entwurf (witzig in diesem Zusammenhang auch Wiefelspütz, der sich über die jetzige öffentliche Aufregung mokiert mit den Worten, dass die Videoüberwachung doch schon lange im Entwurf stand...) zum neuen BKA-Gesetz sich die geplante Videoüberwachung von Wohnräumen angeblich gar nicht unterscheide von dem, was der Polizei bereits in vielen Bundesländern laut dortiger Landespolizeigesetze möglich sei:

Viele Landespolizeien dürfen per Video spähen

In den meisten Ländern ist die optische Überwachung von Wohnungen längst Wirklichkeit. Auf eine FDP-Anfrage antwortete die Bundesregierung im März dieses Jahres: "Die Länderpolizeigesetze sehen (...) überwiegend bereits Regelungen zur optischen Wohnraumüberwachung vor." Beispielsweise regelt das Polizeiaufgabengesetz des Landes Bayern seit den 90er Jahren in den Artikeln 33 und 34 das Ausspähen von Wohnungen per Ton und Video. Auch in Rheinland- Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Hamburg und Brandenburg gibt es vergleichbare Gesetze. Mit der BKA-Novelle soll nun auch das Bundeskriminalamt solche Ermittlungsintrumente an die Hand bekommen. (Quelle: Tagesschau.de)


Nun stellt sich die Frage: Was trifft zu, welcher der folgenden Punkte ist richtig?
  • Ich bin blöd (okay, das ist unstrittig...) und habe bislang nicht mitbekommen, dass es diversen deutschen Länderpolizeien tatsächlich schon gesetzlich erlaubt ist, private Wohnräume präventiv und längerfristig per in den Wohnungen angebrachter, heimlicher Videokameras zu filmen und diese Videos auch aufzuzeichnen. Ich dachte, dies sei bislang höchstens zur Eigensicherung der Polizisten möglich und/oder ohne Videoaufzeichnung. Ansonsten kannte ich bislang nur die Möglichkeit für die Polizei, die Wohnungen von außen zu filmen (beispielsweise Wohnungseingänge). Um die allgemein übliche Videoüberwachung öffentlicher Plätze kann es ja im BKA-Entwurf nicht gehen, wenn man den bisherigen Informationen zum Gesetzentwurf in diversen Medien, denen der Entwurf heimlich zugeschoben wurde, vertrauen darf.
  • Oder im Entwurf zum BKA-Gesetz wird gar nirgends eine heimliche Wohnraumüberwachung per Videoaufzeichnung gefordert?
  • Oder die Tagesschau bringt hier mächtig was durcheinander, wenn sie die für das BKA geplanten Befugnisse mit den bestehenden Befugnissen der Länderpolizeien gleichsetzt und in fahrlässig ungenauer Weise davon spricht, dass "in den meisten Ländern die optische Überwachung von Wohnungen längst Wirklichkeit" sei? Ja, fragt sich nur: Welche optische Überwachung? Von außen? Mit oder ohne Aufzeichnung? Heimlich und/oder nur zur Eigensicherung der Einsatzkräfte? Und "geregelt" kann ebenfalls vieles heißen...

Wenn tatsächlich in den Bundesländern bereits eine präventive, heimliche Videoüberwachung inklusive Videoaufzeichnung in privaten Wohnräumen möglich sein sollte - so wie dies die ARD-Tagesschau suggeriert - mutet es mir nur seltsam an, dass neulich die Polizeichefs der Länder noch vehement genau solch eine gesetzliche Befugnis zum "großen Spähangriff" forderten, wie Spiegel.de berichtet. Nun kann es natürlich sein, dass Spiegel.de sich irrt oder dass die Forderung nach einem "großen Spähangriff" nur von denjenigen Polizeichefs geäußert wurde, in deren Ländern dies noch nicht möglich ist.

Die ARD-Tagesschau legt in ihrer Berichterstattung jedoch auch nahe, dass ein großer Spähangriff auch bereits der Polizei in NRW rechtlich zur Verfügung stünde. Dann frage ich mich, warum dieser Spähangriff nicht bei der Observierung der vermeintlichen Terroristen im Sauerland neulich bereits durchgeführt wurde und warum die Polizeichefs genau diesen Fall mit den "Sauerland-Terroristen" als Begründung heranziehen, mehr Befugnisse im Bereich der Videoüberwachung bekommen zu müssen (siehe oben verlinkter Spiegel.de-Bericht dazu)?

Zur Klärung all dieser Fragen bleibt wohl nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass der BKA-Gesetzentwurf irgendwann in seiner letztgültigen Fassung auch den demütigen Untertanen offiziell zur Verfügung gestellt wird. Von der ARD-Tagesschau erhoffe ich mir leider aufgrund früherer Erfahrungen mit dieser Sendung nicht unbedingt weitergehenderen Erklärungen und Aufklärungen zu diesen Ungereimtheiten. Ich lasse mich aber gerne positiv überraschen.

Und wer weitere Infos dazu hat, ob einzelne Länderpolizeien tatsächlich bereits heimlich und zu Präventionszwecken Videoaufzeichnungen längerfristig in den Privaträumen Verdächtiger anfertigen dürfen, den bitte ich um kurze Meldung in den Kommentaren. Danke!

Nachtrag: Die Darstellung, dass die BKA-Videoüberwachung doch im Grunde genommen nichts anderes sei als das, was verschiedene Länderpolizeien heute schon dürften, scheint vor allem aus der Feder des Sprechers des Bundesinnenministers zu stammen. Viele Medien übernehmen diese Sichtweise anscheinend mehr oder weniger so in ihrer Darstellung. Die Frankfurter Rundschau jedoch weist zumindest in einem Kommentar darauf hin, dass die geplanten Befugnisse des BKA sich doch dahingehend unterscheiden von den Videoüberwachungsbefugnissen verschiedener Landespolizeien, dass das BKA auch eben videoüberwachen können soll, wenn eine Straftat noch gar nicht begangen wurde, also präventiv:

[...] sei der Hinweis gestattet, dass die BKA-Kameras der Gefahrenabwehr dienen, also schon auf einen bloßen Verdacht hin und ohne handfeste Beweise für eine Straftat installiert werden können. Im Vergleich zu dem normalen polizeilichen Späheinsatz stellt dies doch einen erheblich tieferen Eingriff in die Unverletzbarkeit der Wohnung dar. (Quelle: FR-Online.de)


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