Freitag, 22. Dezember 2006

Deutschland heute wie vor 78 Jahren

Ich hab den Link zwar schon in mein Archiv bei Del.icio.us gestellt, aber das Gedicht von Erich Kästner, dass die NachDenkSeiten.de bringen, ist hier auch noch einen eigenen Weblog-Eintrag wert: Erich Kästner: Knigge für Unbemittelte.

Erstaunlich, wie sich Deutschland im Jahre 1928 und 2006 wieder gleichen.

Als prosaische Ergänzung sei auch noch ein Artikel bei Telepolis.de empfohlen: Der Punk und der Politiker.

Das Gedicht von Erich Kästner beschreibt allgemein eine gesellschaftliche Stimmungslage. In dem Telepolis-Artikel geht es - sozusagen als konkretes Beispiel passend zum Kästner-Gedicht - um den Arbeitslosen Henrico Frank, den der Noch-SPD-Vorsitzende Kurt Beck angepöbelt hatte und um die Medienreaktionen.

Ein paar Zitate aus diesem Artikel:

Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich erneut auf ein Einzelschicksal, Vorurteile werden geschürt und bestätigt - und der Grundstein für eine Akzeptanz neuer Einschränkungen gelegt. [...] So gesehen konnte Henrico Frank nur verlieren: nimmt er die Jobs an, so zeigt sich "Kurt Beck hat recht", nimmt er sie nicht an, sind eben alle Arbeitslosen faul und wollen nicht arbeiten, wie man ja sowieso "schon immer wusste". Während die Medien sich noch mit dem "frechsten Arbeitslosen Deutschlands" beschäftigen, wird es ab dem 1.1.2007 möglich, einem arbeitsunwilligen Arbeitssuchenden (arbeitsunwillig = Absage dreier Arbeitsangebote ohne triftigen Grund innerhalb eines Jahres) nicht nur seinen Regelsatz bis auf Null zu kürzen, sondern auch die Krankenversicherung und die Miete ersatzlos zu streichen. Das bedeutet, dass der Arbeitssuchende völlig ohne finanzielle Mittel leben muss und zudem nur noch über eine Notversorgungsmöglichkeit bei Krankheit verfügt. [...] Zur gleichen Zeit bescheinigt eine 2.500 Seiten umfassende Untersuchung, dass die Arbeitsmarktreformen HartzI-HartzIII weitgehend wirkungslos waren, wenn es darum ging, Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Vielfach hätten sie sich sogar als kontraproduktiv erwiesen, da Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und auch durch Personal Service Agenturen vermittelte Arbeitsplätze langfristig die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erschwerten. (Quelle)


Fazit: Nicht die Arbeitslosen sind unsolidarisch mit der Gemeinschaft, es ist genau andersherum. Da Arbeitslosigkeit heute jedoch fast jeden sehr schnell betreffen kann, ist die Gesellschaft quasi unsolidarisch mit sich selbst. Die deutsche Gesellschaft hat dank jahrelanger neoliberaler Think-Tank-Indoktrination in Zusammenarbeit mit einigen machtbesessenen Medien, dank des großen Einflusses der Großindustrie durch Lobbyisten auf die Gesetzgebung und dank des Verschwindens von christlichen und/oder humanistischen Werten in der Gesellschaft wieder einen Zustand erreicht, der dem vor 70 Jahren erschreckend ähnlich ist.

Da die neoliberalen Thesen im Grunde genommen menschenfeindlich sind, weil sie nicht die Bedürfnisse, die Beschränkungen und die wahren Stärken von Menschen berücksichtigen, eine Gesellschaft aber aus Menschen besteht, wird es spannend sein zu beobachten, wie die deutsche Gesellschaft langsam auf den verschiedensten Gebieten (Mitmenschlichkeit, politische Teilnahme, bürgerliche Freiheitsrechte, Sicherheit, Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft) zerfällt.

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