Montag, 15. Januar 2007

Achtung! Virus im Umlauf! Gefahr der Erblindung!

Aus Anlass eines Artikels bei ZEIT.de (Big Brother ist wirklich ein Brite), in dem beschrieben wird, wie eine vormals liberale Gesellschaft vom Überwachungsgedanken infiltriert wurde.

Zum Appetitmachen und um den Umfang der Infiltration deutlich zu machen hier ein paar Ausschnitte aus dem äußerst lesenswerten und hoffentlich Augen öffnenden Artikel:

Einer der Videokontrolleure beobachtet einen Passanten, der einen McDonald’s-Karton fallen lässt. Er schaltet das Mikrofon ein: »Heben Sie bitte Ihren Abfall auf und werfen ihn in einen Mülleimer.« Der Schmutzfink dreht sich zu dem Lautsprecher um, wendet sein Gesicht der Kamera zu, geht weiter. Aus dem Lautsprecher gellt eine zweite Warnung: »Wenn Sie Ihren Abfall nicht aufheben, werden wir Sie strafrechtlich verfolgen.«
Der Mann im Fadenkreuz der Kamera lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Doch in ein paar Tagen wird sein Bild in der örtlichen Evening Gazette mit der Bitte um Identifizierung erscheinen. [...]
Beim Verlassen der CCTV-Zentrale wird der Reporter das Gefühl nicht los, dass die Kontrolleure ihn erneut auf Schritt und Tritt beobachten. Vielleicht aus purer Langweile? Oder will Bonnar wissen, mit wem der Reporter sich sonst noch unterhält? [...]
Vom Amt beauftragte »Nachbarschafts-Koordinatoren« füllen Formulare aus, auf denen bereits Achtjährige auf einer Skala von 1 bis 5 als potenzielle Straftäter eingeschätzt werden. [...] Tony Blair will die Frühbeobachtung jetzt sogar auf werdende Mütter ausweiten, um kriminelles und asoziales Verhalten im Keim zu ersticken. [...]
In der Theorie vergleicht die Software die Gesichter aller von den 286 Kameras des Stadtteils gefilmten Passanten mit den in einer Fotodatei eingespeicherten. [...] bis 2009 will das Innenministerium eine der Nummernschilddatei ähnliche Nationale Gesichtsdatei (FIND) einsatzbereit haben, an die dann alle lokale Systeme angeschlossen werden. (Quelle)


Die Logik der Befürworter der totalen Überwachung scheint für den unvorbereiteten, mit fehlender demokratisch gesinnter Immunisierung ausgestatteten Bürger bestechend zu sein: Jeder Bürger könnte einmal oder gar mehrmals in seinem Leben zum Verbrecher werden. Deshalb sei eine präventive Überwachung aller Bürger angebracht.

Kann irgendjemand die Richtigkeit dieses Satzes widerlegen? Nein. Denn wir wissen nicht, was die Zukunft bereit hält. Und so beginnt der Satz seine giftige Wirkung zu entfalten. Wie ein Virus, das sich als körpereigenes Genmaterial tarnt, fängt er an die Gesellschaft zu infizieren. Er erscheint ja so richtig, der Satz. Die argumentative Immunabwehr liegt flach: Wo ist das Gegenmittel? Wo ist der Gegenbeweis? Warum macht gerade dieses "Argument" so zu schaffen? Warum versagt die demokratische Immunabwehr zum Beispiel bei verwandten Angriffen nicht? Warum wurde sogar ein Satz wie "Jeder Soldat ist ein potenzieller Mörder" noch hochrichterlich erfolgreich bekämpft? Warum hat nun das erst einmal viel harmloser wirkende "Jeder ist ein potenzieller Verbrecher" nun solch einen verheerenden Erfolg?

Die Tarnprinzipien solcher Argumente wie "Jeder Soldat ist ein potenzieller Mörder", oder "Jeder Bürger ist ein potenzieller Verbrecher" sind ja längst bekannt: Der Satz stellt eine mögliche Zukunft dar. Das Wesen der Zukunft ist jedoch, dass in ihr vieles möglich ist. Insofern lässt sich ein Satz wie "Jeder Bürger ist ein potenzieller Verbrecher" nicht widerlegen, weil man die Zukunft als solche widerlegen müsste. Die Täuschung besteht natürlich darin, dass der Virus-Satz verschleiert, dass auch ganz andere Zukünfte denkbar sind.

Der zweite Pfeiler auf dem die Stärke des Virus des Glaubens an die Nützlichkeit einer totalen Überwachung fußt, ist der, dass die Überwachung selbst keinen Schaden anrichten würde. Was natürlich Nonsens ist. Überwachung ist eine Maßregelung und somit ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheit des eigenen Verhaltens. Der Überwacher hat gegenüber dem Überwachten immer mehr Macht. Wissen ist Macht. Überwachung schafft dieses Wissen auf Seiten des Überwachers und der Überwachte hat meist keine Möglichkeiten, dieses Wissen auf Seiten des Überwachers effektiv zu kontrollieren.

Der krankhafte Glaube an den Nutzen einer totalen Überwachung veruracht somit als sichtbares Krankheitssymptom eine umfassende Blindheit der Betroffenen. Befürworter der totalen Überwachung sind also ironischerweise blind. Blind dafür, dass sie von ungerechtfertigten und einseitigen Voraussichten (jeder könne zum Verbrecher werden) ausgehen. Und blind dafür, dass Überwachung konkreten Schaden anrichtet - nicht erst als Möglichkeit in der Zukunft, sondern jetzt, aktuell.

Wie kann die Bekämpfung dieser Krankheit aussehen? Natürlich durch Überwachung und Quarantäne! ;-)

Solche blinden Menschen, solche blinden Total-Überwachungsbefürworter muss man an die Hand nehmen. Notfalls vielleicht sogar politisch "entmündigen" wegen ihrer gefährlichen politischen Fehlsichtigkeit. Befürworter der totalen Überwachung in politischen Ämtern sollten behandelt werden wie Menschen mit einer ansteckenden Krankheit. Zum Wohle der Allgemeinheit sollten sie wegen ihrer gefährlichen Krankheit der argumentativen Kurzsichtigkeit aus ihren Ämtern entfernt werden.

Es braucht also eine stärkere Überwachung der in staatlichen Ämtern tätigen Personen, um sofort Anzeichen eines Glaubens an die totale Überwachung zu bemerken und um frühzeitig zum Schutze des Allgemeinwohles einzugreifen und diese Irrläufer aufzuhalten.

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