Kriegstreiber sind auch nur Menschen
(Via Furl-Archiv von Lorenz Lorenz-Meyer) Daniel Kahnemann (Psychologe und Nobelplreisträger) schreibt zusammen mit Jonathan Renshon in der Zeitschrift "Foreign Policy", warum auch die Entscheidungen von Politikern und ihren Beratern oftmals in ganz spezifischer Weise beeinflusst sind von der Psychologie längst bekannten Denkfehlern: Why Hawks Win.
Leider führen diese kognitiven "Fehler" - denen wir alle unterliegen - beim Entscheidungsprozess auf politischer Ebene größtenteils dazu, dass oftmals in Krisensituationen zwischen Staaten ein aggressiveres Verhalten zwischen den Staaten die Folge ist und nicht ein beschwichtigendes, vorsichtiges Verhalten. Die "Falken" würden also die Außenpolitik in solchen Situationen dominieren.
Kahnemann und Renshon behaupten also, dass viele der historisch bekannten Fehlentscheidungen von Staatslenkern nicht einfach nur damit erklärbar sind, dass diese zu wenige oder falsche Informationen besessen hätten. Vielmehr würden Generäle, Berater und Regierungschefs die gleichen "Fehler" bei ihren Entscheidungsprozessen machen wie jeder von uns. Diese Fehler passieren bei der kognitiven Informationsverarbeitung und sind ein beliebter Forschungsgegenstand in der Entscheidungs- und Sozialpsychologie.
Es sei angemerkt, dass viele Forscher dem Begriff "Fehler" abgeneigt gegenüber stehen, denn die menschliche Entscheidungsfindung ist nun einmal so wie sie ist. Menschen treffen Entscheidungen auf ihre Art und sind oftmals zufrieden mit ihnen, selbst wenn eine perfekte, das heißt alle Optionen und Alternativen berücksichtigende Entscheidung, eventuell eine andere Alternativenwahl nahegelegt hätte. Deshalb betonen Kahnemann und Renshon auch, dass sie nur zeigen wollen, dass die Art der menschlichen Entscheidungsfindung ein bestimmtes Verhalten von Staatschefs wahrscheinlicher macht und dass man diese Neigung eventuell berücksichtigen sollte und den Entscheidungsfindungsprozess dementsprechend ausgleichen und anpassen sollte, damit die "Falken" die "Tauben" nicht von vornherein dominieren.
Der Artikel zählt einige dieser schiefliegenden Eigenarten der menschlichen Entscheidungsfindung auf. Zum Beispiel:
- Der "fundamentale Attributionsfehler". Es ist - der Name sagt es - eine weit verbreitete Eigenart. Sie besagt, dass wir die Ursache des Verhaltens anderer Menschen häufig ihrem Charakter zuschreiben und die Einflüsse der Situationsgegebenheiten, denen der andere unterliegen mag, übersehen. Kahnemann und Renshon führen einige Beispiele an, wie dies in der Entstehungsphase von Konflikten zu Fehleinschätzungen führen kann.
- Kognitionspsychologen kennen eine ganze Reihe von "Fehlern" die alle darauf hinauslaufen, dass wir Menschen unsere Fähigkeiten allgemein überschätzen (Overconfidence, Illusion of Control, Wishful Thinking, Unrealistic Optimism und so weiter). Jeder denkt, er sei ein überdurchschnittlicher Autofahrer oder überdurchschnittlich intelligent und ist meist eher optimistisch, dass er Situationen meistern wird und überschätzt seinen eigenen Einfluss für das Erreichen eines gewünschten Ergebnisses. Diese Aspekte der menschlichen Entscheidungsfindung können bei der Bewertung der eigenen Fähigkeiten bei der Planung der Lösung von Konflikten zu argen Problemen führen.
- "Reactive Devaluation" spielt schließlich eine Rolle, wenn das Gegenüber ein Angebot macht, zum Beispiel Verhandlungen anbietet. Das Angebot wird jedoch als weniger wertvoll angesehen, einfach weil es vom gering geschätzten Gegenüber kommt. Der Inhalt des Angebotes und seine Chancen werden somit nicht adäquat bewertet. Die Person des Gegenüber färbt sozusagen auf den Inhalt des Angebotes ab.
- Wenn dann die ersten Kugeln fliegen und die ersten Verluste zu ertragen sind, gehen Menschen meist erst recht "in die Vollen". Will sagen: Meint man eine Chance zu sehen, die eigenen Verluste mit risikoreichen Aktionen zu begrenzen, so überschätzt man wiederum die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs (Wishfull Thinking) und wählt lieber Handlungsalternativen, die zwar ein Risiko eines großen Schadens beinhalten, aber auch eine Chance ohne Verluste rauszukommen, statt eine Alternative zu wählen, bei der zwar Schaden entsteht, jedoch ein kleinerer als beim risikoreichen Ausgang der ersten Alternative. Statt Verluste zu begrenzen, versucht man sie also unrealistischer Weise ganz zu vermeiden. Dies wird "Aversion to Cutting Losses" genannt.
Literaturempfehlung: "Die Psychologie der Entscheidung - Eine Einführung" von Jungermann, Pfister und Fischer; Spektrum Akademischer Verlag.
Technorati-Tags: Entscheidungspsychologie, Kahnemann
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