Samstag, 20. Januar 2007

Neues Telemediengesetz unterstützt Datenmissbrauch durch Daten-Händler

Nachdem der Bundestages jetzt also das neue Telemediengesetz beschlossen hat (Tagesschau.de: Neues Telemediengesetz beschlossen: Wenn der Landrat Spams verfolgt) sind Firmen und Privatpersonen, die im Internet Urheberrechtsverletzungen an ihren Werken verfolgen möchten, quasi den Strafverfolgungsbehörden gleich gestellt. So zumindest verstehe ich die diffusen neuen Regelungen. Denn auch Privatpersonen und Firmen können jetzt ohne beweisen zu müssen, dass ihre Verdächtigungen Hand und Fuß haben und ohne einen Richter einschalten zu müssen, Internetprovider auffordern, ihnen ihre Bestandsdaten und Daten über das Surfverhalten von einzelnen, verdächtigten Kunden, auszuliefern. Die Provider müssen diesen Auskunftsersuchen nun also nach dem neuen Telemediengesetz anscheinend nachkommen.

Äußerst interessant, wie ich finde. Einerseits spannend, welche Machtfülle nun Firmen und Privatpersonen, die Urheberrechtsansprüche geltend machen, bekommen haben. Und andererseits erstaunlich, wie ausgeliefert der einzelne Bürger nun solchen Datenabgreifern und gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ist. Dass außer einigen Medien (Heise und Co. und zum Beispiel Tagesschau.de) kaum über diese neue Machtfülle berichtet wird, ist bezeichnend für die Blindheit deutscher Medienmacher gegenüber dem Thema "Datenschutz", "Bürgerrechte" und "Rechtsstaat"...

Natürlich ist jeder Deutsche, der ab sofort ohne TOR, der Software zum anonymen Surfen im Internet, im Internet surft, ein bemitleidenswerter Zeitgenosse. Das nebenbei bemerkt. Deshalb mein dringender Rat an jeden Bürger: Benutzt TOR! Das Softwarepaket ist einfach zu installieren. Anschließend muss man nur noch einer Anleitung folgen, um zum Beispiel seinen Browser oder andere Internetprogramme so umzustellen, dass man ab sofort über das TOR-Netz anonym surft. Auch der eigene Internetzugangsprovider hat dann keine Ahnung mehr, wo im Netz man dann unterwegs ist. TOR ist noch bis zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung nutzbar. Danach könnte es schwierig werden, weil die Vorratsdatenspeicherung indirekt das Betreiben von TOR in Deutschland unmöglich macht. Erläuterungen und Links dazu in zwei früheren Weblog-Einträgen von mir: Schief, schiefer, Vorratsdatenspeicherung und Deutschland: Noch neun Monate anonym surfen.

Da bleibt dann nur die Hoffnung auf eine angekündigte Massenverfassungsbeschwerde, die die Einführung der Vorratsdatenspeicherung verhindern könnte.

Man könnte lange diskutieren, warum der Bundestag einem kleinen Wirtschaftszweig (Urheberrechtsverwertern wie Verlagen oder Musikindustrie) ähnliche Machtbefugnisse gibt wie Strafverfolgern. Man kann vermuten, dass unsere Politiker schlicht dumm und ignorant sind. Man kann vermuten, dass hinter diesen Gesetzesvorhaben eine bewusste Strategie der Abschaffung des Rechtsstaates steht. Man kann vermuten, dass die Urheberrechtsverwerter massiv Gelder an Politiker gezahlt haben. Oder man kann vermuten, dass einige Politiker in das halblegale Geschäft von Daten-Händlern eingestiegen sind.

Denn das Geschäft von Daten-Händlern wird durch das neue Telemediengesetz jedenfalls erheblich beflügelt. Jetzt kommen sie ohne große Schwierigkeiten an interessante Datensätze. Der Trick dabei: Als Datenhändler gründet man einfach einen eigenen Verlag und behauptet dann gegenüber den Internetprovidern, wahllos ausgewählte IP-Adressen aus deren IP-Adressräumen hätten Urheberrechtsverletzungen begangen und fordert nun nach dem neuen Telemediengesetz von den Providern die Herausgabe der Bestands- und Nutzungsdaten der betroffenen Kunden. Über einen längeren Zeitraum ließe sich so eine interessante Datenbank anlegen und das Surfverhalten von vielen deutschen Bürgern erfassen. Diese Daten könnte man dann anschließend für viel Geld an Interessenten weiterverkaufen.

Ich sehe jedenfalls keine großen Schwierigkeiten, dieses neue Geschäftsmodell in die Tat umzusetzen. Jemand anderer Meinung?

Weitere Informationen zu den schiefen Dingen im neuen Telemediengesetz:

Update: Ungemach droht auch von Seiten eines weiteren Gesetzes, das jetzt im Entwurfszustand das Bundeskabinett passiert hat und eine EU-Richtlinie zum Schutz des Urheberrechts umsetzen soll. Auch hier soll Urheberrechteverwertern der direkte Zugriff auf die Kundendaten von Providern ermögicht werden. Die Übermittlung der detaillierten Verkehrsdaten soll jedoch zumindest hier noch an eine richterliche Weisung gebunden sein. Die CDU und die Lobbyisten der Urheberrechteverwerter möchten dies jedoch vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag noch aus dem Gesetz gestrichen wissen. Mehr Informationen zum Kabinettsbeschluss: Bundesregierung beschliesst Durchsetzungsrichtlinie (Netzpolitik.org).

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