Donnerstag, 31. Mai 2007

Deutscher Journalismus: Jeden Tag gibt's Brei

Ich war heute schreibfaul. Aber nicht lesefaul. Und so stieß ich auf einen kleinen Artikel von Su-Shee, den ich hier weiterempfehlen möchte und der meine Schreibfaulheit hinwegfegte.

Leseprobe:

Ich hab' mich über Pfingsten [...] über die Nachrichtenarmut geärgert - als ob die Welt stillsteht, nur weil in Deutschland drei Tage Pfingsten ist. (Quelle)


Politische Artikel verleihen den Personen, die Politik machen, kein politisches Antlitz. Was geht mich Angies Frisur an? Die Kanzlerin soll regieren - meinetwegen in Sack und Asche. Mich interessiert also nur, wann sie was wie wo und warum regiert. Das ist merkwürdig unterberichtet, was Parteien und Politiker tatsächlich tun in der Politik. [...] Deutschland sieht sich in der Presse nur von Innen. Ich lese dann in ausländischen Tageszeitungen, was Deutschland so auf dem internationalen Parkett tut. [...] das vermisse ich am allermeisten - diese Art handwerklicher Sorgfalt, die elegante Vereinfachung ohne zu verflachen, die Substanz im Artikel und das Gefühl, wirklich informiert und sogar inspiriert worden zu sein. (Quelle)


Tagesschau-Häppchen sind nur trockenes Brot. Wo sind die tiefgehenden Analysen? Wo sind die Nachrichten jenseits der maximal zwei innenpolitischen Themen pro Woche, die dann zudem immer und überall gleich oberflächlich behandelt werden? Wo ist der Bericht über die tatsächliche Politik hinter dem reinen Name-Dropping von Politikernamen? Mich interessieren persönliche Machtkämpfe zwischen Politiker-Bonzen nicht, sondern ich will wissen, welche Lücken die politischen Konzepte haben, die von diesen Politikern verfolgt werden. Warum agiert Deutschland im Ausland so, wie es agiert? Und warum bleibt man an Skandalen nie länger als eine Woche dran? Es fehlt die Überschau, es fehlt die Aufbereitung, es fehlt die Recherche in die Tiefe, es fehlt die Suche nach Fragen und neuen Themen abseits dessen, was halt gerade überall berichtet wird, es fehlt der Einbezug von wirklichen, unterschiedlichen Experten und deren Wissen.

Die Redakteure, die meinen, der Leser sei zu dumm, haben selbst keine Ahnung. Deutsche Medienkonsumenten sind nicht dümmer als US-amerikanische. Es gibt Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen, die gehen in Deutschland täglich Berufen und Aufgaben nach, deren Komplexität und Anforderungen vermutlich viele Journalisten überraschen würde. Diese Menschen sind nicht dumm. Diese Menschen sind auch in der Lage Themen zu konsumieren, denen nicht durch die heiligen, redaktionellen Auswahlkriterien (wie "Konfliktpotenzial", "Dramatik", "Betroffenheit" und so weiter) der Garaus gemacht wurde.

Aber warum soll man sich auch Arbeit machen? Man unterliegt anscheinend dem Irrglauben, dass der Kunde eh keine Alternativen hat und schon schlucken wird, was man ihm da vorsetzt.

So kommt es dann, dass Lobby- und PR-Organisationen wie die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) diktieren können, was in den Medien erscheint (aktuell beispielsweise: wir bräuchten eine "Riester-Pflegeversicherung"). So kommt es, dass bei vielen Themen oberflächlich und falsch berichtet wird (weitere Beispiele: "Computerspiele" als angeblicher Auslöser für Amokläufe; G8-Gegner als Randalierer). So kommt es, dass die strunzdummen Ausreden von Politikern und ihr Aktionismus unkritisch einfach nur wiedergegeben werden. Was in Deutschland in die Medien kommt, hängt nicht davon ab, was jemand sagt, sondern wer etwas sagt. Bei Regierungsmitgliedern ist das ja noch verständlich, aber ansonsten kaum. Kritik am Polizei-Einsatz bei der Demonstration rund um den ASEM-Gipfel in Hamburg wird beispielsweise erst dann berichtet, wenn eine gewisse Frau Roth von den Grünen den Mund dazu aufmacht. Sonst erfährt der deutsche Medienkonsument davon in den meisten deutschen Medien nichts.

Statt einem Menü aus unterschiedlichsten, gut zubereiteten Speisen, serviert man in fast allen Medien immer häufiger einfach nur noch aufgekochten Brei. Dank Internet bekommen aber immer mehr Leute mit, dass es woanders festere Nahrung gibt - sei es im Internet selbst oder in anderen Zeitungen und Medien im Ausland. Der deutsche Medienkonsument ist zwar immer noch bei vielen Dingen auf die deutschen Medien angewiesen, aber der Brei schmeckt ihm nicht mehr, seit er dank Internet weiß, dass es woanders besser schmeckt. Vielleicht ist das der Grund für den lieblosen Umgang vieler deutscher Medien mit dem Internet.

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