Samstag, 24. März 2007

Unseriöse Verkaufsgespräche rund um den Bundestrojaner

Kurzes Vorwort, das nichts mit dem eigentlichen Inhalt dieses Artikels hier zu tun hat: Hallo liebe Besucher vom Beautyjunkies-Forum, die ihr seit dem 18.04. zu Hunderten diesen Weblog-Eintrag hier via Google-Cache aufruft! Ich weiß zwar nicht, was ihr an den Begriffen "Sesamstraße" und "Trenchcoat" so spannend findet und warum ihr diesen Weblog-Eintrag hier nur über den Google-Cache aufruft, aber seid willkommen. Ihr könnt diesen Weblog-Eintrag übrigens auch direkt aufrufen - ohne über den Google-Cache zu gehen - und zwar über diesen Link. Aber wenn euch der Google-Cache besser gefällt, ist das natürlich auch ok. Inhaltlich unterscheidet sich der Google-Cache übrigens nicht von dem eigentlichen Weblog-Artikel. Viel Spaß dann noch und immer ein gutes Make-up!


Screenshot aus Sesamstraße: Ernie und SchlemihlJetzt gibt es auch einmal eine Geschichte aus der Kindheit von mir. Das gehört sich so für ein Weblog.

Früher, in den Zeiten als es noch keine Privatsender in Deutschland gab, war ich - wie vermutlich jedes Kind damals - großer Fan der Sesamstraße. Eine Figur hatte es mir besonders angetan. In der heutigen Sesamstraße gibt es sie nicht mehr. Und zwar auf dem nebenstehenden Screenshot dieser grüne, mit einem Trenchcoat und Schlapphut bekleidete Typ, der ständig Ernie irgendwelche unnützen Sachen (zum Beispiel ein gelbes "O") verkaufen wollte. "Schlemihl" hieß er in der deutschen Sesamstraße wohl (obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass sein Name jemals genannt wurde) und im US-amerikanischen Original nannte man ihn "Lefty".

Ich liebte die Figur wegen der genau vorstrukturierten und vorhersehbaren Dialoge mit Ernie, die immer so anfingen:

Schlemihl sieht Ernie und ruft leise mit unterdrückter Stimme: "Hey Du!"
Ernie, überrascht, ruft laut zurück: "Wer ich?!"
Schlemihl nervös: "Psssssst!" Und nachdem er vorsichtig um sich geguckt hat: "Genaaaauuu!"
Ernie wieder laut: "Was ist denn?!"
Schlemihl: "Psssssst! Nicht so laut!"
Ernie wiederholt, dieses Mal flüsternd: "Was ist denn?"

Dann zieht Schlemihl irgendwas halb aus seinem Trenchcoat und zeigt es Ernie und preist es als etwas ganz Besonderes und Wertvolles an, das Ernie unbedingt haben und kaufen müsse und Ernie geht zunächst drauf ein, zeigt sich interessiert, fällt am Ende aber natürlich nicht auf das Angebot rein oder Krümelmonster kommt vorbei und frisst den angebotenen Gegenstand auf. Oder so. Meine Erinnerung hat hier Lücken.

Ja, und warum erzähle ich das alles?

Weil wir so einen Ernie oder so ein Krümelmonster heute gut gebrauchen könnten. Nicht unbedingt in der Sesamstraße, sondern in der Politik oder zumindest in den Medien. Den Schlemihl, den gibt es nämlich doch noch. Wenn auch nicht mehr in der Sesamstraße, so doch in der Politik. Schlemihl hört heute auf viele Namen. Zum Beispiel Schäuble, Beckstein, Wiefelspütz, BKA-Chef Ziercke, BND, Verfassungsschutz und so weiter und sein gelbes "O" sind derzeit schicke, neue Überwachungsmaßnahmen und Überwachungsbefugnisse, die er dem deutschen Volk als unbedingt nötig verkaufen möchte.

Genau wie beim Sesamstraßen-Schlemihl lässt auch bei den Politik-Schlemihls die Art ihres Verkaufsgesprächs ahnen, dass hier etwas nicht ganz koscher ist: So beginnen unsere Politik-Schlemihls das Verkaufsgespräch mit einer jammernden Forderung, dass die Sicherheitsbehörden unbedingt schnell neue Gesetze bräuchten, damit sie endlich auch sogenannte Onlinedurchsuchungen (zum Beispiel mittels eines "Bundestrojaners") durchführen dürften. Und was liest man jetzt aktuell bei Heise.de? Dass das Bundesinnenministerium plötzlich behauptet, dass neben dem Verfassungsschutz auch Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst längst schon Onlinedurchsuchungen durchführen dürften. Wie sie es machen, wann sie es machen, bei wem sie es machen, wie häufig sie es machen, wem sie davon erzählen und ob sie es überhaupt machen, bleibt geheim.

"Pssssst! Hey Du! Ich hab hier was im Trenchcoat, das du unbedingt brauchst, aber ich kann es dir nur halb zeigen, weil es so geheim ist. Aber vertrau mir, du brauchst es. Und soll ich dir noch etwas verraten? Du hast es längst, setzt es nur noch nicht überall ein! Woher ich das Zeug hab? Ob es legal ist? Ach, nicht so wichtig! Es ist nützlich, das zählt. Aber lass dich trotzdem lieber nicht erwischen!"

...

Man könnte ja darüber streiten, ob es tatsächlich wahr ist, dass die Geheimdienste bereits legal solche Mittel wie die Onlinedurchsuchung durchführen dürfen. Kai Raven beschäftigt sich mit dieser Frage in seinem Weblog Rabenhorst.

Man muss sich aber auf jeden Fall darüber streiten, ob das mächtige Mittel einer verdeckten Onlinedurchsuchung nicht im Gegenzug einer verstärkten Kontrolle der Geheimdienste von außen bedarf. Dass die Kontrolle der Geheimdienste mangelhaft ist und diese eben weder fehlerfrei handeln noch von vornherein als vertrauenswürdig angesehen werden dürfen, zeigt ja wohl in aller Deutlichkeit gerade der BND-Untersuchungsausschuss. Und wenn schon das Fehlverhalten einzelner Sicherheitsbehörden bei wenigen Fällen wie zum Beispiel dem Fall Kurnaz einem Untersuchungsausschuss derart viel Arbeit macht, was kann dann nicht alles am parlamentarischen Kontrollgremium vorbei von den Geheimdiensten an Murks gebaut werden? An demokratiegefährdendem Murks. An Bürgerrechte verletzendem Murks. Denn die Geheimdienste hatten bekanntlich vor dem Einsetzen des BND-Untersuchungsausschusses das parlamentarische Kontrollgremium schlicht falsch und unzureichend informiert. Kontrolle sieht anders aus.

Ich warne also davor, das gelbe "O" einfach so zu kaufen und sich zu sagen: Der Schäuble und die Sicherheitsbehörden werden schon Recht haben und Geheimdiensten könne man einfach blindlings vertrauen, die würden schon keinen Mist bauen.

Geheimdienste mit weitreichenden Befugnissen, ohne ihrerseits einer effizienten Kontrolle zu unterliegen, können zu einer Gefahr werden. Dazu braucht es nicht einmal irgendwelcher böser Absichten auf Seiten der Geheimdienste. Diese Damen und Herren handeln wahrscheinlich sogar nach bestem Gewissen. Aber das bewahrt sie nicht vor schlimmen Fehlern. An den eigenen Haaren können sich solche Apparate dann nicht aus dem Dreck ziehen, sondern dazu bedarf es einer äußeren, unabhängigen Kontrolle. Und je mächtiger die Mittel der Geheimdienste sind, desto mächtiger muss auch ihre Kontrolle aussehen. Und an dieser Kontrolle mangelt es schon heute. Wie sehr dann erst, wenn sie auch unbemerkt das ausgelagerte Gehirn einiger oder gar vieler Bürger, sprich Computerfestplatten, durchsuchen dürfen?

Weitere Analysen des unseriösen Gebahrens der Fans von mehr Überwachung in einem Weblog-Eintrag von vorgestern von mir.

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