Sonntag, 3. Juni 2007

Fließbandarbeit am Sonntagmorgen

Eine kleine Sonntagsbeobachtung: Während in der ARD in der "Sendung mit der Maus" amüsante, leicht ironische Geschichten geboten werden, die zum Nachdenken anregen, präsentiert der ZDF-Fernsehgarten zur gleichen Zeit auf seinem Kanal minutenlang Kinder, die in Windeseile circa zwölf Pappbecher zu einer Pyramide aufbauen und wieder abbauen und wieder aufbauen und wieder abbauen und wieder aufbauen und wieder abbauen und wieder aufbauen und wieder abbauen und so weiter.

Screenshot vom ZDF-Fernsehgarten: Kinder stapeln Pappbecher zu PyramidenSie machen das still, ohne aufzugucken, mit immer den gleichen, zuvor vermutlich lange eingeübten, schnellen Bewegungen, an langen Tischen stehend. Auch während die Moderatorin ein Kind interviewt, arbeiten die anderen Kinder im Hintergrund, ordentlich nebeneinander in langen Reihen aufgereiht, weiter an ihren Pappbecherpyramiden, die sie immer wieder neu auf- und abbauen. Sie sprechen nicht, sie lachen nicht, nur ihre Hände bewegen sich flink über die Pappbecher.

Screenshot vom ZDF-Fernsehgarten: Kinder stapeln Pappbecher zu PyramidenMir entlockt so etwas nicht Bewunderung. Nein, es gruselt mich. Es gruselt mich wegen dieser stupiden Fließbandtätigkeit. Es gruselt mich, weil an dieser Tätigkeit nichts Bewundernswertes zu finden ist, es aber so dargestellt wird, als ob da irgendwas Tolles dran sei. Als selbstironischer Partygag ist das vielleicht ganz erheiternd, für fünf Sekunden, aber nicht als minutenlange Massenvorführung. Mit etwas Geduld wäre wohl jeder in der Lage, zwölf Pappbecher schnell aufzustapeln. So bleibt als einziges, was man bewundern mag, die Disziplin der Kinder. Disziplin als Vorführung. Disziplin als beklatschenswerter Selbstzweck. Mich gruselt es, dass das ZDF sein Programm so billig füllt. Mich gruselt aber noch mehr, wie die Kinder hier vorgeführt werden. Ja, das hätte ich auch nicht gedacht, dass diese kleinen Menschendinger Pappbecher aufeinander stapeln können - ohne auch nur den Hauch des Abgelenktseins, ohne Mit-dem-Nachbarn-Quatschen, ohne lautes Lachen. Wirklich ganz toll.

Ich freue mich schon auf die nächsten Ausgaben des ZDF-Fernsehgartens, wo Literaturkritiker mit ernster Miene zwölf Bücher zu einer Pyramide stapeln und wieder abbauen oder Fleischfachverkäufer Wurst in Windeseile in Scheiben schneiden und die Scheiben dann rasend schnell auf einem Teller in einem Kreis ablegen. Der Zuschauer von "Sendung in der Maus" hingegen erfuhr heute, dass es für Letzteres längst Maschinen gibt.

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