Freitag, 7. September 2007

Gewöhnungseffekt

Schon erstaunlich, wie von allen Seiten nun behauptet wird, die Pläne für mehr Überwachung und Online-Durchsuchung wären seit dem oder durch den verhinderten, vermeintlichen Terroranschlag dreier "Konvertiten" irgendwie sinnvoller oder weniger gefährlich geworden. Dazu bräuchte man eigentlich nichts weiter zu sagen oder zu kommentieren. Es ist schon alles gesagt worden zur Onlinedurchsuchung. Wer jetzt so "argumentiert", dass die verhinderten Anschläge ein Argument für die Online-Durchsuchung seien, ist eh nicht interessiert an einer ehrlichen Diskussion. Behauptet wird ja jetzt auch, die Gegner von Online-Durchsuchungen oder gar Vorratsdatenspeicherung würden die Terrorgefahren negiert haben. Auf solche Diffamierungen muss man nicht eingehen. Und wenn die Bevölkerungsmehrheit auf diese Rattenfänger reinfällt, dann kann man nichts machen. Sollen sie doch ihr Mehr an Überwachung bekommen und glücklich damit werden.

Die Terrorgefahr ist existent, aber man muss sie im Verhältnis sehen zu sonstigen Gefahren des modernen Lebens und dementsprechend Nutzen und Risiken von Überwachungsmaßnahmen kühl gegeneinander aufrechnen. Was fehlt, sind weiterhin überzeugende Argumente, die darlegen, dass bei Online-Durchsuchungen der Nutzen gegenüber den Risiken für den Rechtsstaat überwiegt.

Ich befürchte jedoch, dass die bisher (beispielsweise im Gesetzesentwurf zur Neuregelung der BKA-Aufgaben) diskutierten Vorschläge samt Online-Durchsuchung noch längst nicht das Ende der Forderungen der Sicherheitsbehörden sein werden. Beckstein von der CSU ist sich ja beispielsweise nicht zu dumm dafür, jetzt schon die Überwachung von Deutschen, die zum Islam übergetreten sind, zu fordern. Dass Sicherheitsbehörden immer mehr Befugnisse fordern, ist quasi ja auch ihr Job. Es sind Lobbyisten in eigener Sache. Die Politik hätte jedoch die Aufgabe, das Gesamtbild im Auge zu behalten und die Forderungen in Bezug zu stellen mit den Anforderungen eines Rechtsstaates, statt den Forderungen jedesmal unbekümmert nachzugeben (sind ja alles Profis da in den Sicherheitsbehörden, wie Schäuble beschwichtigt).

Der angeblich verhinderte Terroranschlag könnte leider auch dazu führen, dass man sich an die Präventionsarbeit der Polizei gewöhnt und den Erfolg der Sicherheitsbehörden als selbstverständlich ansieht. Schaut man sich den Hergang jedoch genauer an, stellt man fest, dass die Täter gar nicht so "konspirativ" vorgingen, wie jetzt das BKA immer behauptet. Im Gegenteil scheinen sie sehr offen und unbekümmert agiert zu haben und kamen deshalb auch ins Visier der Ermittler. Und dennoch war von Seiten der Sicherheitsbehörden anscheinend ein enormer Aufwand nötig, um sie ständig zu beobachten. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis ein Terroranschlag auch in Deutschland von etwas versierter vorgehenden Terroristen leider erfolgreich ausgeführt werden wird.

Mein Fazit ist jedoch nicht, dass man deshalb noch mehr tun müsse und könne als bisher schon, sondern dass man Terroranschläge nicht wird mit letzter Sicherheit verhindern können, ohne massiv in die Grundrechte einzugreifen. Die Online-Durchsuchung wäre solch ein Placebo-Terrorabwehr-Mittel mit heftigen Nebenwirkungen für die Grundrechte.

Aber wenn jetzt schon nach einem verhinderten Terroranschlag bei manchen alle Schranken des Verstandes weichen und maßlos mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden gefordert werden, dann wird man die Demokratie und den Rechtsstaat in Deutschland vermutlich vergessen können, wenn tatsächlich einmal ein verheerender Terroranschlag durchgeführt würde. Die demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Gesinnung ist eben weiterhin nicht sehr tief verankert in diesem Land. Woher auch?

Eventuell füge ich hier später noch Links zu Artikeln aus Weblogs oder den Medien hinzu, die auch Kommentare zum Thema beinhalten.

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