Donnerstag, 10. Januar 2008

Meinung ist irrelevant?

In der Berliner Zeitung findet sich ein lustiger Artikel über die Bedeutung (oder eher Nicht-Bedeutung) von Weblogs: Viel Meinung, wenig Echo.

Lustig finde ich den Artikel deshalb, weil er ungewollt alle Missverständnisse der deutschen Medien gegenüber Blogs vorführt: Dass ein Weblog nur dann wichtig sei, wenn es viele Leser habe. Dass es nur viele Leser haben könne, wenn der Blogger mit seinem Weblog irgendwie Geld verdienen kann. Dass Weblogs ihr Ziel darin sehen würden, den Journalisten Konkurrenz machen zu wollen. Und dass die in Weblogs häufig meist nur anzutreffenden Meinungsäußerungen eigentlich irrelevant seien.

So liest man im Artikel:

Die Szene erkennt, dass sie sich professionalisieren muss, wenn sie weiter wachsen will, um tatsächlich ein Wort im Nachrichtengeschäft mitreden zu können [...]. (Quelle: BerlinOnline.de)


Dass "Meinungsäußerung" häufig auch mit "Analyse" und "Bewertung" übersetzt werden kann, scheint der Artikel zu übersehen. Und insofern übersieht der Autor ironischerweise auch, dass er seinen eigenen Artikel nach seiner eigenen Logik im Grunde genommen selbst für "irrelevant" halten müsste. Denn der Artikel enthält nur Meinungen. Wenn auch die Meinungen anderer Leute. Aber der geschulte Medienkonsument weiß, dass sich hinter der gezielten Auswahl von Themen, Fakten und Äußerungen häufig die eigene Meinung des Journalisten verbirgt - vor allem, wenn die Auswahl zu unvollständig ist oder die Fakten ungenau wiedergegeben werden oder die berichteten Dinge wiederum nur Meinungsäußerungen sind.

Der Artikel der Berliner Zeitung ist jedoch natürlich trotzdem nicht irrelevant. Genauso wenig irrelevant wie die vielen Weblogs. Auch wenn Weblogs häufig kein Journalismus in dem Sinne sind, dass sie neue Storys ausgraben und neue Fakten berichten. Aber auch der nachträgliche, zweite Blick und die Bewertung von bereits berichteten Fakten kann neues Wissen schaffen - mal mehr, mal weniger sinnvolles Wissen.

Ähnlich verfährt schließlich sogar die Wissenschaft, die nach dem Sammeln von Daten und Fakten einen Wissensgewinn erst durch die Einordnung und Bewertung dieser Daten und Fakten erzeugt (*). Natürlich sieht dieses wissenschaftliche Verfahren der Bewertung im Detail völlig anders aus als das, was man in Form von irgendwelche Reflexionen in abertausenden von Weblogs findet. Dazu ist die wissenschaftliche Herangehensweise zu aufwendig und folgt zudem (im Idealfall) einer gut ausgearbeiteten, gut dokumentierten und transparenten Methodik. Diese wissenschaftliche Methodik ist übrigens auch wesentlich aufwendiger, ausgearbeiteter und transparenter als das, was man üblicherweise so in Artikeln von Journalisten liest.

Aber kein Wissenschaftler würde wohl deshalb auf die Idee kommen, dass der Journalismus überflüssig sei. Schlicht und einfach, weil Wissenschaft und Journalismus und eben auch die Bloggerei unterschiedliche Ziele verfolgen. Meistens zumindest.

Der Autor des Artikels der Berliner Zeitung könnte nun natürlich auch noch anmerken, dass sein Artikel schon deshalb nicht irrelevant sei, weil es ja ein Echo auf seinen Artikel gibt, beispielsweise in Form dieses kleinen Weblog-Eintrags hier und weil sein Artikel vermutlich von mehr Leuten gelesen wird als viele tausende Weblog-Einträge.

Aber die Größe des "Echos" auf irgendetwas ist eigentlich auch kein Maßstab für Relevanz oder "Bedeutung". Höchstens für eine bestimmte, künstliche Medien-Relevanz. Diese Medien-Relevanz bildet jedoch nicht die wirkliche Relevanz von Dingen ab. Soll heißen: Ob über etwas viel oder wenig gesprochen wird, mag für Journalisten relevant sein, sagt aber noch nichts darüber aus, ob das, worüber viel gesprochen wird, tatsächlich bezogen auf den diskutierten Gegentand inhaltlich relevant ist.

Der Artikel der Berliner Zeitung bleibt also bei der Beurteilung des Bloggens unvollkommen, weil er das Bloggen vor allem anhand journalistischer Kriterien bewertet. Und damit wird er dem Gegenstand letzlich nicht gerecht.

(*) Fußnote: Die wissenschaftliche Methode ist korrekter gesagt eigentlich ein ständiges Hin- und Her zwischen Faktensammeln und Theorieausarbeitung.

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