Donnerstag, 15. Februar 2007

Liste der 2006 von Medien vernachlässigten Themen

Wie jedes Jahr äußerst lesenswert ist die Liste der zehn in den deutschen Medien am meisten vernachlässigten Themen: Topthemen 2006.

Die Liste wird jedes Jahr erstellt von der "Initiative Nachrichtenaufklärung", einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Journalisten. Auf der Website Nachrichtenaufklaerung.de unter "Aktuelles" findet man derzeit weitere Informationen zur Themenliste - leider nicht als Inhalt permanent verlinkbar.

Interessant zum Beispiel Thema Nummer zwei: Über eine Million politische Gefangene in China – unmenschliche Haftbedingungen und Organhandel?

(Etwas zum Thema auch in einem früheren Weblog-Eintrag von mir: China gibt erstmals Handel mit Organen Hingerichteter zu.)

Deutschland könnte hier einigen Druck auf China ausüben. Erst recht im Verbund mit anderen Ländern. Unsere Politiker drücken sich verständlicherweise vor dieser unangenehmen Aufgabe. Aber welcher Sportler möchte dort in solch einem Staat an olympischen Spielen teilnehmen? Meiner Verachtung kann sich bereits heute jeder der teilnehmenden Sportler sicher sein, denn sie lassen sich zu Hampelmännern der chinesischen Selbstdarstellung machen. Die anstehenden olympischen Spiele wären eine gute Gelegenheit gewesen, China unter Druck zu setzen und diese makellose Selbstinszenierung kräftig zu stören.

Natürlich gibt es in Deutschland diese weit verbreitete Einstellung: Was gehen mich die Chinesen an? Aber die Achtung von Menschenrechten und Bürgerrechten ist nicht teilbar. Entweder man nimmt die Menschenrechte ernst oder nicht. Wer sie für China nicht ernst nimmt, nimmt sie auch für Deutschland nicht ernst. Vielleicht ist das ein Grund für die soziale Kälte in Deutschland? Für die Möglichkeiten der zynischen Politik, die es zur Zeit gibt (aktuelle Stichworte dazu zum Beispiel: Keine Bafög-Erhöhung, UNICEF-Bericht über kinderunfreundliches Deutschland, Umwandlung des Rechtsstaates in einen Präventionsstaat, neoliberale Ideen auch im Sozialbereich, menschenverachtender Umgang mit Asylbewerbern und so weiter). Denn diese Politik wird ja akzeptiert. Das Motto "Jeder ist sich selbst der Nächste" wird gelebt. Mit der Achtung von Menschenrechten hat das nichts zu tun. Viel Spaß noch am Leben, ihr dummen Deutschen, kann man da nur sagen.

Zurück zur Themenliste: So sinnvoll es ist, jedes Jahr solch eine Liste von vernachlässigten Medienthemen aufzustellen, so erschütternd ist es, dass die deutschen Medien es weiterhin schaffen, große und äußerst wichtige Themen, die in anderen Ländern mit auf den Titelseiten stehen, einfach totzuschweigen.

Es muss endlich die Frage angegangen werden innerhalb der Medien, wie man die eigene Qualität verbessern kann. Die deutschen Medien leiden an mangelhafter Qualität. Durchweg. Ob öffentlich-rechtlich oder privat. Ob Fernsehen, Radio, Tageszeitung, Wochenzeitung oder Magazin. Es gibt Ausnahmen, natürlich. Aber die kann man meist an einer Hand abzählen und Ursachen für diese Ausnahmen sind meist wenige Menschen, die ihren Job als Journalist/Redakteur anscheinend ernst nehmen.

Natürlich gibt es auch anderswo absolut schrottige Medien. Noch schrottiger als in Deutschland. Aber was in Deutschland fehlt, ist eine größere Verlässlichkeit ganzer Publikationen oder Sender. Vor allen Dingen der großen, reichweitenstarken Medien. Schaut man sich beispielsweise die New York Times an, dann kann man sich meist darauf verlassen, dort gut recherchierte Beiträge zu finden und dass die Macher offen sind für Kritik. Man spürt, dass die an sich arbeiten und versuchen, bei jedem Artikel bestimmten Qualitätsstandards zu entsprechen. Das gelingt natürlich nicht immer, aber man spürt, dass es diese Richtung gibt, dieses Bemühen. Ähnliches kann man bei der BBC beobachten. Hier in Deutschland jedoch kann es in ein und derselben Sendung, Zeitung etc. passieren, dass ein exzellenter Beitrag direkt auf einen absolut einseitigen, manipulativen, falschen Beitrag folgt (jenseits von Meinungs-Beitragen natürlich). Als Zuschauer muss man bei unseren Medien - egal welchen (!) - immer auf das Schlimmste gefasst sein.

Was auch fehlt: Eine ausgearbeitete Strategie, um über eine längere Zeit ein Thema umfassender darzustellen (wie zum Beispiel die BBC das gerade gemacht hat mit dem Thema "India Rising" - Indien als Thema über mehr als zwei Wochen in fast jeder Sendung bei BBC World Service - und noch dazu spannend gemacht). So etwas gibt es bei deutschen Medien höchstens, wenn das Medium eine bestimmte Agenda verfolgt. Beispielsweise Lobbyinteressen transportieren möchte wie jüngst das ZDF mit seiner Themenwoche zum demografischen Wandel. Ansonsten sind die deutschen Medien abhängig davon, was gerade aktuell passiert und vor allem, worüber die anderen berichten. Dazu gibt es dann auch mal Hintergrundinfos. Häufig zu spät - wenn also zum Beispiel Gesetze bereits verabschiedet wurden. Da wird dann im Nachrichtenteil über den Beschluss des Bundeskabinetts berichtet und da fällt es den Journalisten dann ein, doch auch einmal einen Hintergrundbericht zum Thema zu bringen. Zu spät. Weil das Gesetz dann schon unaufhaltbar auf dem Weg ist.

So informiert man seine Kunden nicht!

Man kann in Deutschland keine Zeitung, kein Magazin oder keine Sendung einfach als ganzes, so wie sie ist, empfehlen.

Das ist schlimm. Das ist keine Kleinigkeit. Das ist ein Armutszeugnis für diejenigen, die für die Organisation und Arbeitswese der deutschen Medien verantwortlich sind.

Die in den deutschen Medien nicht vorhandenen Themen, die die Initiative Nachrichtenaufklärung jedes Jahr präsentiert, sind ein kleines Zeichen dafür, wie unzuverlässig die deutschen Medien insgesamt sind. Es liegt nicht an den Themen. Diese sind äußerst spannend und relevant. Es kann auch nicht am Unvermögen der Journalisten liegen, denn andere Themen, die teilweise schwieriger und komplexer sind als die vergessenen Themen, können sie ja auch darstellen und beschreiben und dem Zuschauer/Zuhörer/Leser nahe bringen.

Warum also lassen deutsche Medien viele wichtige und interessante Themen jedes Jahr einfach unter den Tisch fallen? Und warum wird bei den Themen, die es in die Medien geschafft haben, oftmals so fade und andere nachplappernd, so wenig informativ also, berichtet?

Mal schauen, wer von den Medien nicht über die aktuelle Liste der Initiative Nachrichtenaufklärung berichtet...

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