Montag, 2. Juli 2007

Wann wird aus Forderungen nach Überwachung Volksverhetzung?

Schäuble fordert angesichts der glücklicherweise dilletantischen Nichtausführung von Pseudo-Terror-Anschlägen in Großbritannien wieder die Online-Durchsuchung. Anders als zuvor nennt Schäuble dieses Mal sogar eine Art Argument:

Er [Schäuble] forderte eine Änderung des Bundeskriminalamt-Gesetzes, um dem BKA "unter klaren rechtlichen Begrenzungen und Voraussetzungen" die Möglichkeit zu geben, "in die Kommunikationsstrukturen der Terroristen einzudringen. Sie müssen ja vor solchen Anschlägen miteinander kommunizieren, und dort ist die Chance zu erfahren, was sie vorhaben. Und wenn man weiß, was sie vorhaben, kann man es verhindern. Nur wenn man weiß, was sie vorhaben, kann man es verhindern. [...]" (Quelle)


Dumm nur, dass die richtigen Terroristen (also nicht solche Möchtegern-Terroristen wie jetzt in Großbritannien) dann natürlich wieder technische Mittel und Wege finden werden, auch diesen Überwachungsmaßnahmen zu entgehen. Aber Schäuble spricht ja selbst nur von der "Chance", die man anhand der Online-Durchsuchung habe, zu erfahren, was Terroristen vorhaben. Er sagt also selbst, dass die Online-Durchsuchung letztendlich nicht ausreicht. Und ich befürchte, dass ihm das kein Argument ist, mit einer weiteren Ausweitung der Überwachung endlich aufzuhören, weil Terroristen immer ein Schlupfloch finden werden, sondern dass er anschließend weitere und noch umfassendere Überwachung fordert. Er sagt es ja selbst: Der Präventionsstaat kommt nur dann zu einem Ende in seiner immer stärkeren Ausweitung seiner letztlich gegen alles und jeden gerichteten Überwachung, wenn er weiß, was die Bürger vorhaben.

Man sollte sich also über immer weitere Vorschläge zur Überwachung nicht wundern. Denn bis der Staat weiß, was jemand vorhat, ist es noch ein weiter Weg. Selbst Orwells "Big Brother" konnte dies nur unzureichend.

Schäuble ist auf einem derartigen politischen Irrweg, dass der Wahnsinn hinter seinen politischen Zielen anscheinend alleine deshalb nicht weiter auffällt, weil niemand so richtig ernst nimmt, was er da sagt. Deshalb hört anscheinend niemand richtig zu. Aber er sagt es. Ganz offen. Und er sagt es immer und immer und immer wieder.

... nur für den Fall, dass es später niemand gewusst haben will.

Eine immer umfassendere Überwachung bis hin zu dem Punkt, dass der Staat weiß, was jemand vorhat, bevor dieser Jemand überhaupt etwas getan hat, läuft letztlich auf einen Angriff auf Menschenrechte und Menschenwürde hinaus. Denn eine derart umfassende Überwachung macht den Überwachten ein selbstbestimmtes Leben unmöglich, es macht sie gänzlich zu kontrollierten Objekten. Die große Frage ist: Wann übertreten Schäuble und Co. mit ihren Forderungen nach Einschränkung der Menschenrechte die Grenze, ab der man von Volksverhetzung sprechen kann? Nimmt man das Grundgesetz ernst, kann es in Deutschland eigentlich nicht zu einem ähnlichen Überwachungs-Szenario wie in Großbritannien kommen. Irgendwann ist Schluss, irgendwann überschreiten Schäuble und Co. eine Grenze, bei der ihre Forderungen nach mehr Überwachung gleichzusetzen ist mit Volksverhetzung. Denn Volksverhetzung ist nichts anderes als das öffentliche In-Abrede-Stellen der Grundrechte, der Menschenwürde einzelner oder bestimmter Bevölkerungsgruppen - in diesem Fall der Menschenrechte und Menschenwürde von Verdächtigen.

Es sollte geprüft werden, ob Schäuble nicht längst die Grenze zur Volksverhetzung überschritten hat mit dieser Forderung, dass der Staat wissen müsse, was Bürger oder Verdächtige vorhaben.

Die Menschenwürde als unantastbar zu definieren war vermutlich der klügste Schachzug der Verfasser des Grundgesetzes, um Auswüchse wie die im 3. Reich für die Zukunft zu verhindern. Die Menschenwürde macht es unmöglich, Menschenleben gegen Menschenleben aufzurechnen. Sie macht es unmöglich, die Menschenrechte einer Gruppe auf Kosten der Menschenrechte einer anderen Gruppe zu verteidigen. Das 3. Reich war ein totalitärer Staat, was auch heißt, dass der Staat totale Kontrolle besaß. Ein Staat mit totaler Kontrolle ist mit diesem Grundgesetz nicht vereinbar. Die totale Kontrolle ist jedoch genau das, was Schäuble und Co. im Bereich der Inneren Sicherheit fordern.

Technorati-Tags: , , , , ,

0 Kommentar(e):