Desinformationen des ZDF zur "Online-Durchsuchung"
Das ZDF verbreitet gerade im ZDF-Morgenmagazin in (vermutlich halbstündlich oder stündlich wiederholten) Einspielfilmen seiner Korrespondenten die Meldung, dass es in den USA und in Großbritannien schon längst Online-Durchsuchungen legal geben würde.
Sicherlich wird es da irgendwelche Überwachungen der Online-Kommunikation geben. Aber wohl kaum so etwas ähnliches wie den von Schäuble angedachten Bundestrojaner, oder auch "Remote Forensic Software" genannt, der ferngesteuert die Inhalte von Festplatten von Privatrechnern durchstöbern soll und Dateien anschließend von der Festplatte kopieren und online verschicken soll, um sie vor Gericht als Beweismittel verwerten zu können. Zumindest scheint es meines Wissens nach so etwas weder in den USA noch in Großbritannien offiziell und legal zu geben als Mittel der polizeilichen Arbeit. Was Geheimdienste machen, steht auf einem anderen Blatt. Die machen, würde ich schlicht sagen, eh, was sie wollen. Aber ihre Rechercheergebnisse können dann zumindest nicht als Mittel in Gerichtsverfahren verwendet werden. Auch in den USA und Großbritannien nicht. Noch einmal: Die Online-Kommunikation wird auf vielfältige Weise abgehört. In den USA unter anderem auch über eine Trojaner-ähnliche Software namens CIPAV (Computer and Internet Protocol Address Verifier). Diese Software schickt jedoch anders als der geplante Bundestrojaner keinerlei Dateiinhalte als Beweismittel übers Internet an die Polizei, sondern sammelt nur Informationen, die anscheinend dazu dienen sollen, den befallenen Rechner eindeutig zu identifizieren. Anschließend untersucht die Software, mit welchen Internetadressen der infizierte Rechner Kontakt aufnimmt. Kommunikationsinhalte sollen dabei nicht erfasst werden laut eidesstattlicher Versicherung des FBI. Heise.de berichtete schon vor ein paar Monaten ausführlicher über CIPAV.
Ich vermute, dass hier eine gezielte Medienkampagne vom ZDF aufgezogen wird, um den Begriff "Onlinedurchsuchung" umzudeuten und zu verwässern, um damit bewusst Verwirrung bei der politischen Diskussion zu stiften. Wurde bislang in der Diskussion hier in Deutschland der Begriff "Onlinedurchsuchung" gleichgesetzt mit dem Bundestrojaner, also dem Einsatz einer online übers Internet auf Privat-Rechner übertragenen Schadsoftware, die Dateiinhalte als Beweise fürs Gericht auslesen und sammeln soll, so scheint das ZDF nun ganz bewusst unter "Onlinedurchsuchung" ganz allgemein das Abhören von Internetkommunikation und die Offline-Untersuchung von Festplatten zum Beispiel bei normalen Hausdurchsuchungen verstehen zu wollen. Oder das ZDF ist einfach extrem schlecht informiert und mutet dem Zuschauer schlecht recherchierte, fehlerhafte Berichte zu, sprich, arbeitet unverantwortlich schlampig.
Also aufgepasst! Lasst euch nicht auf den Arm nehmen, liebe ZDF-Zuschauer! Das, worüber gerade politisch gestritten wird in Deutschland ist der Einsatz eines sogenannten Bundestrojaners. Andere Methoden der "Online-Durchsuchung" gibt es auch hier in Deutschland längst.
Technorati-Tags: ZDF, ZDF-Morgenmagazin, Online-Durchsuchung, Onlinedurchsuchung, Bundestrojaner, Remote Forensic Software, RFS, CIPAV, Spin-Doctoring, Medien-Manipulation
3 Kommentar(e):
»...das ZDF ist einfach extrem schlecht informiert und mutet dem Zuschauer schlecht recherchierte, fehlerhafte Berichte zu...«
Ebene dieses! So langsam frage ich mich, ob die Bundesbürger morgens das Hirn mit dem Pyjama im Bad lassen. In meinem Umkreis werden Nachrichten und Zeitungen als Wahrheit akzeptiert, gegen die nicht widersprochen werden darf. Ich habe selbst schon angehende Fernseh-Journalisten unterrichtet. Tatsächlich fehlt weithin eine Ausbildung zum kritischen Nachfragen. Es ist gar nicht so einfach, die Leutchen mal von ihren Agenturmeldungen weg zu bekommen, und in der recherche vielleicht mal ein - na - Telefon zu benutzen oder sich vielleicht mal vor Ort zu informieren. Kreuzrecherchen und Verifizierung von Information findet kaum einmal statt - und wird von den Redaktionen auch nur selten eingefordert, wenns nicht ins Weltbild passt.
Seit einigen Jahren findet diesbezüglich gerade bei den bisherigen Flaggschiffen ARD und ZDF ein dramatischer Qualitätsverlust statt.
Aber vielleicht folgerichtig in einer Republik, in der sich der Politiker morgens aus der BILD seine Meinung bildet.
Man kann nur äußerst dankbar sein, dass mit den Weblogs ein schnelles, hochinformatives (o.k., auch hier muss man suchen und oft ein-, zweimal weiterklicken) Netzwerk mit Informationen, Meinungen und Kommentaren entstanden ist.
Wortbestätigung des Tages: frnljmp
(Wolfgang Schäuble prustet hinter vorgehaltener hand beim Betrachten des Morgenmagazins)
Ich bin neidisch! Mir erzählt diese Blog-Software bei den Wortbestätigungen nie was. Immer nur ein missmutiges "qwfrnfzsch" oder ähnliches. Die mag mich eindeutig nicht.
Mal sehen, ob dieses Wischiwaschi beim Begriff "Online-Durchsuchung" sich jetzt weiter verbreitet in den Medien. Die Union hat ja auch schon versucht, den Begriff aufzuweichen, beispielsweise in den Äußerungen des innenpolitischen Sprechers der Fraktion, Hans-Peter Uhl, wie Netzpolitik.org zusammenfasst.
Andererseits ist das Thema auch komplex und lädt zu Missverständnissen ein. Aber bei anderen Themen ist das mit der Komplexität ja genauso und trotzdem schafften es Medien und Politik in der Vergangenheit einigermaßen ausführlich und argumentativ zu diskutieren. Ich hatte schon vor, die Debatte rund um den Bundestrojaner mal in Politik und Medien von ihrer Art her zu vergleichen mit der ehemaligen Debatte beispielsweise um die Sicherheit von Atomkraftwerken. Ungefähr so:
Bundestrojaner-Befürworter:
Wir brauchen mehr Sicherheit und die gibt es nur mit Bundestrojaner.
Atomkraft-Befürworter:
Wir brauchen mehr Strom und den gibt es nur mit Atomkraft.
Bundestrojaner-Befürworter:
Das Teil ist sicher, da können Sie den Sicherheitsbehörden einfach vertrauen.
Atomkraft-Befürworter:
Ein GAU ist höchst unwahrscheinlich. Denn es gibt folgende Sicherheitssysteme: Automatische Abschaltung, redundante Kühlsysteme, hermetische Abschottung des radioaktiven Materials von der Umwelt, ausgebildetes Personal, genaue Sicherheitsvorschriften und so weiter...
Einfach um zu zeigen, wie dämlich die Debatte um den Bundestrojanern von Seiten der Bundestrojaner-Befürworter geführt wird. Außer der immer wieder wiederholten Aussage, dass man das Teil brauche, hört man keine weiteren Argumente von denen.
Aber meine Zeit ist auch begrenzt...
Die Online-Durchsuchung hat in dem Sinne nichts mit "Online" oder "Kommunikation" zu tun, das wird aufgrund dieses falschen Namens vielfach falsch verstanden. Korrekter wäre der Name "Remote-Durchsuchung" - genau das ist es auch.
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