Dienstag, 11. September 2007

Aus Arcors Kunden werden Kinder

Nicht nur Google, sondern auch der Internetzugangs-Anbieter "Arcor" weiß, dass es da im Internet Inhalte gibt, die nicht für jeden geeignet sind. Webseiten mit anspruchsvollen Texten beispielsweise sind für Unions-Politiker weniger geeignet. Da kann man als Arcor-Kunde und Internetsurfer schon gereizt reagieren, wenn man Sachen auf seinem Bildschirm sieht, die man da gar nicht hinhaben wollte, die da aber ganz plötzlich einfach so erscheinen.

Aber Arcor tut jetzt was. Arcor hat nämlich anscheinend nach einer intensiven Recherche herausgefunden, dass die Arcor-Kunden sich nach dem Gefühl der Geborgenheit und Sorglosigkeit sehnen, so wie man es nur früher als Kind genießen konnte. Oder was auch sein kann: Arcor hat festgestellt, dass die eigenen Kunden alle tatsächlich Kinder sind. Was die Kleinen dazu verleitet hat, Arcor gegenüber anderen Internetprovidern zu bevorzugen, bleibt im Unklaren. Genauso bleibt leider unklar, wie es möglich war, dass Minderjährige überhaupt einen Vertrag mit Arcor abschließen konnten (inklusive Schufa-Prüfung und Pipapo). Aber da das nun mal so ist, dass Arcor nur Kinder als Kunden hat oder Erwachsene, die gerne wieder Kind sein möchten, stellt sich Arcor nun auf diese Kundengruppe ein:

Heise.de: Arcor sperrt Zugriff auf Porno-Seiten.

Hm. Was wäre jetzt eigentlich, wenn ein Arcor-Kunde beispielsweise das Anonymisierungsnetzwerk TOR nutzt, um doch in selbstmörderischer Absicht und in Verkennung der Beschützer-Philosophie von Arcor Porno-Webseiten anzusurfen? Müsste Arcor dann nicht auch den Zugriff auf bekannte TOR-Server blockieren? Oder was wäre, wenn eine Webseite nicht nur Pornofilmchen anbieten würde, sondern zusätzlich auch andere Dinge und Inhalte, beispielsweise literarische oder gar politische Texte (im Playboy - diesem Magazin aus Papier - soll so etwas schon einmal vorgekommen sein)? Wie müsste Arcor sich dann verhalten? Vielleicht müsste Arcor dann einen Textfilter einsetzen und den Inhalt vor der Übertragung erst analysieren und durch eine Jugendschutz-Expertengruppe bewerten lassen?

Und ich dachte, Arcor als ein Internetzugangsprovider gehe der Inhalt der Kommunikation eigentlich nichts an und ein Internetzugangsprovider sei eher so etwas wie die Post oder wie ein Teil des Verkehrsnetzes und damit eigentlich neutral gegenüber dem, was da übers Netz übertragen wird. Aber vermutlich wird die Post demnächst auch bald Pakete von Erotikversandhäusern aussortieren und sicherheitshalber nicht zustellen. Denn es könnte ja nicht ausgeschlossen werden, dass der Empfänger des Paketes den Inhalt an Minderjährige weitergibt. Genauso wie Arcor ja nicht auszuschließen scheint, dass seine Kunden bestimmte Internetinhalte Minderjährigen zugänglich machen. Und dann wäre die Post ebenso wie Arcor anscheinend ein "Mitstörer" und mitverantwortlich.

Ja, das Konzept der Störerhaftung ist schon toll. Es schafft Rechtssicherheit. Und zwar die Sicherheit, dass damit jeder irgendwo und irgendwie und irgendwann zum Mitstörer wird. Eine zugeschickte Abmahnung von irgendwo reicht und zack, schon ist man Mitstörer, wenn man der Abmahnung nicht sofort Folge leistet und sperrt und zensiert und löscht und schweigt und zahlt. Nur die Eltern, die sind natürlich total unschuldig, wenn sie ihre Kinder unvorbereitet und ohne Aufsicht ins Internet lassen.

Ist Deutschland nicht ein lustiges Land?

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