Montag, 15. Oktober 2007

Sie nehmen ohne zu fragen

(Via Dauerfeuer Verarsche) Eine kleine Geschichte, die etwas tiefer blicken lässt (wortwörtlich und im übertragenen Sinne), erzählt die Journalistin Daniela in ihrem Weblog: Willkür der Behörden.

In Wien angekommen, kamen relativ rasch unsere Koffer auf dem Förderband dahergeruckelt. Bis auf einen. Nach langem Warten ging’s dann auf zum Lost&Found-Schalter, Formalitäten ausgefüllt, Fragen geklärt und nun hieß es warten. Aber nicht lange. Denn am nächsten Tag kam die Information, dass unser Koffer, der übrigens unsere komplette Studiotechnik enthielt, zugestellt werden könne. Voll freudiger Erwartung nahmen wir das gute Teil entgegen und konnten trotz intensiver Begutachtung des Äußeren nichts Außergewöhnliches entdecken. Das extra noch vor dem Abflug besorgte qualitativ hochwertige Vorhangschloss sah aus wie immer [...] im Koffer befand sich ein Zettel der Sicherheitsbehörde Berlin Tegel, auf dem zu lesen war, dass "der Koffer einer Röntgenkontrolle der Luftsicherheitsbehörden unterzogen und danach zu einer weiteren Überprüfung zugeführt" wurde, "da Anlass zur Nachkontrolle bestand.[...]" (Quelle: Danis "list"-iger Weblog)


Auf der Hinreise von Wien nach Berlin erschien den Behörden eine solch ausführliche Kontrolle der journalistischen Arbeits-Utensilien nicht nötig zu sein. Auf der Rückreise jedoch schon.

Es kann sein, dass das Vorgehen der Behörden korrekt war. Aber ich kann dieses hilflose Gefühl, dass da etwas mit einem gemacht wird, dieser Übergriff auf die Privatsphäre, gut nachvollziehen. Man fühlt sich hilflos, weil man zuvor nicht gewarnt wurde, dass Studiotechnik vielleicht verdächtig sein könnte. Hätte man das gewusst, hätte man vielleicht den Zug oder das Auto genommen. Und man fühlt sich hilflos, weil der Zugriff zunächst heimlich erfolgte. Hätte man Daniela nicht direkt am Flughafen nach dem Schlüssel fragen können und ihn ihm Beisein von Daniela öffnen können? Ah, das wäre sicherlich zu aufwendig gewesen, nicht wahr? Der Respekt vor der Privatsphäre ist eben einfach viel zu aufwendig. Der Schutz der Privatsphäre ist das nicht wert.

Wir Bürger werden uns an dieses Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins gegenüber solchen Zugriffen gewöhnen, befürchte ich. Ist ja nur ein Koffer mit Technik. Und wer wird denn gleich annehmen, dass die Behörden in die Technik jetzt irgendwelche Wanzen eingebaut haben könnten? Oder dass diese Kofferuntersuchung zu einer Eintragung in irgendeine Datenbank geführt haben könnte? Und dass man beim nächsten Flug deswegen erst recht noch einmal genauer durchsucht wird?

Aber weiß man es? Wusste man zuvor, dass man verdächtig war? Wegen eines Koffers mit - aus Sicht von Journalisten - normalem Technikkrams drin? Wie blauäugig darf man in unserer heutigen Zeit noch sein? Wie aufgeweckt muss man inzwischen sein, um seine Privatsphäre erfolgreich zu schützen?

Hatte ich schon erwähnt, warum Daniela in Berlin war? Sie war in Berlin, um an der Demo gegen den Überwachungswahn teilzunehmen.

5 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Hätte man die reisende Dame wirklich direkt am Flughafen nach dem Schlüssel fragen können, bester Herr Solon?

Ich meine nein. Zumindest nicht ohne den Start des Fluges zu verwerfen, was immer eine überaus kostspielige Angelegenheit ist und zudem schnell zu mehrstündigen Verzögerungen führt. Wenn ein Flieger nicht zum vorgesehenen Termin startet, muß er warten bis ein weiterer frei ist. Für den muß die Fluggesellschaft genausoviel bezahlen wie für den versäumten.

Warum ich diese Angelegenheit übrigens als zu hitzig betrachtet empfinde habe ich gerade bei der Betroffenen schon geschrieben.

Solon hat gesagt…

Ich hatte neulich in einer Doku gesehen, dass vor dem Start von fast jedem Flug das ganze bereits ins Flugzeug eingeladene Gepäck der Flugpassagiere wieder ausgeladen werden muss, weil oftmals mindestens ein Passagier nicht zum Abflug erscheint und somit seine Gepäckstücke aus Sicherheitsgründen nicht mitfliegen dürfen. Da muss dann notfalls der Flieger warten. Das Wiederausladen und Wiedereinladen der Gepäckstücke (wenn man Pech hat liegt das gesuchte Gepäckstück auch noch ganz hinten) aus dem Laderaum des Flugzeuges kann bis zu einer halben Stunde dauern. Aber das nehmen alle in Kauf. Klar, es geht ja auch um die Sicherheit. Aber wie oft hat man dann tatsächlich in diesen "verwaisten" Gepäckstücken auch tatsächlich eine Bombe gefunden? Mir ist kein einziger Fall bekannt. Das heißt, dass man jeden Tag an zig Flughäfen etliche Verspätungen in Kauf nimmt, weil eine minimale Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Sicherheit gefährdet ist. Kann man machen. Aber dann sollte man ebenso den Schutz der Privatsphäre wertschätzen und auch hier notfalls Verspätungen in Kauf nehmen. Vor allem, wenn man bei einer intelligenten Organisation eine Verspätung sicherlich auf wenige Minuten reduzieren kann. Das weiter zu untersuchende Gepäckstück befindet sich ja noch nicht im Flieger, ebensowenig wie der betreffende Passagier. Passagier und Gepäckstück befinden sich im gleichen Gebäude. Ein Hinzurufen des Passagiers wäre sicherlich innerhalb weniger Minuten zu machen.

Außerdem vermute ich, dass das Gepäckstück deshalb so lange zurückgehalten werden musste, weil man erst vom Schloss-Hersteller einen passenden Nachschlüssel besorgen musste. Die Untersuchung des Koffers selbst müsste ja eigentlich ansonsten eine Sache von wenigen Minuten gewesen sein.

Die Sache halte ich keinswegs als zu hitzig betrachtet. Weil eben die Beschädigung der Privatsphäre durch eine etwas klügere und sorgsamere Vorgehensweise leicht hätte vermieden werden können.

Was wäre, wenn sich in dem Koffer außer Technikkrams weitere schützenswerte Dinge befunden hätten? Digitale Aufzeichnungen oder dergleichen, denen man nicht ansehen würde, ob die Sicherheitsbehörden sie sich - bei der Zeit, die sie sich zur Untersuchung genommen haben - nicht einfach mal näher angeschaut haben?

Anonym hat gesagt…

Für diesen Fall steht bei Ein- und Ausreise die "Gepäcknachkontrolle" zur Verfügung.
Allerdings wird die oft nur an größeren Flughäfen und eher im Ausland als in Deutschland angewendet.
Fluggast wird zum Zoll oder zur Flughafensicherheit bestellt, das Gepäck untersucht und weiter gehts.
Frühes Einchecken hilft.

Anonym hat gesagt…

Ja,mein bester Herr Solon,

so ist es. Gepäck dessen Besitzer zwischen Check-In und Boarding verloren geht, darf nicht mitfliegen. Zum Glück passiert das relativ selten. Ich habe es selbst noch nie erlebt.

Ganz oft ist es aber so, daß eine Durchleuchtung von Gepäck kein klares Ergebnis liefert. Als Passagier kennt man das vor allem vom Handgepäck, das ja sehr oft nochmal von Hand untersucht wird. Das geht einfach und der Besitzer kann zuschauen, weil er ja sowieso dabei ist.

Ganz anders ist des bei dem Gepäck, daß man beim Check-In aufgegeben hat. Das geht ab diesem Moment einen ganz anderen Weg. Passagier und Gepäckstück befinden sich oft nicht mal im selben Flugzeug und fast nie im selben Gebäude wie der Reisende.

Man weiß, daß Gepäck vor dem Flug überprüft wird. Wenn man hochbrisante oder wenigstens vertrauliche Aufzeichnungen transportieren möchte und dem Sicherheitspersonal mißtraut macht man das eben im Handgepäck wo man sieht was damit passiert und notfalls intervenieren kann. Es ist doch sonnenklar, daß man mit einem Vorhängeschloß nicht die Gepäckkontrolle umgehen kann.

Zudem hat man extra einen Zettel in den Koffer gelegt auf dem steht, der Koffer ist durchsucht worden. Hätte man ja auch lassen können, nicht?

Solon hat gesagt…

"Gepäck dessen Besitzer zwischen Check-In und Boarding verloren geht, darf nicht mitfliegen. Zum Glück passiert das relativ selten."

Wie oben erwähnt, habe ich dazu andere Informationen. Ich habe gehört, dass es leider sehr häufig passiert, dass Gepäck wieder ausgeladen werden muss.

"Ganz oft ist es aber so, daß eine Durchleuchtung von Gepäck kein klares Ergebnis liefert."

Das wäre mir neu. Kann natürlich sein. Dann fragt sich natürlich erst recht, warum man die Gepäckabfertigung nicht so organisiert, dass der Passagier dann auch beim Nicht-Handgepäck möglichst in der Nähe ist, um den Koffer mit seiner Hilfe und unter seiner Anwesenheit schnell und ohne großen Aufwand zu öffnen.

"Zudem hat man extra einen Zettel in den Koffer gelegt auf dem steht, der Koffer ist durchsucht worden. Hätte man ja auch lassen können, nicht?"

Ich glaube nicht, dass sie das hätten lassen können. Ich vermute stark, dass das noch so eine übrig gebliebende gesetzliche Mindestanforderung ist, dass der Passagier zumindest im Nachhinein informiert werden muss über die Durchsuchung. Und Sie wollen doch nicht ernsthaft in den Raum stellen, dass sich unsere Sicherheitsbehörden nicht an die Gesetze halten müssen, oder? ;-)

Dennoch erscheint es mir nicht als völlig unmöglich, eine Gepäckabfertigung so zu organisieren, dass bei der Notwendigkeit einer Gepäcköffnung in wenigen Minuten der Passagier hinzugerufen werden kann. Ganz am Anfang, wenn der Passagier sein Gepäck aufgibt, ist er ja noch in der Nähe. Warum also nicht zeitnah eine Untersuchung des Gepäcks, vielleicht nicht sogar mit der Bitte an den Passagier verbunden, sich in den nächsten 15 Minuten in der Nähe aufzuhalten? Aber bitte schön, was weiß ich schon...

Soweit ich Daniela verstehe, hatte sie das Vorhängeschloss auch nicht angeschafft, um ein eventuelles Öffnen von oder vor Sicherheitsbehörden zu verhindern. Wenn doch, wäre das natürlich wenig zielführend gewesen.

Ob tatsächlich oftmals Gepäckstücke in ganz anderen Fliegern unterwegs sind als ihre Besitzer, kann ich nicht abschätzen. Es schiene mir jedoch gegen das Sicherheitsprinzip [sic!] zu verstoßen, dass ein Gepäckstück immer zusammen mit seinem Besitzer im Flieger unterwegs sein sollte. Es könnte natürlich sein, dass die alleine fliegenden Gepäckstücke alles fehlgeleitetes Gepäck ist und deshalb in späteren Fliegern nachreisen muss.

Müssen wir also solche Durchsuchungen tatsächlich einfach klaglos hinnehmen? Kann hier nichts verbessert werden, um auch die Privatsphäre zu achten? Das unbeaufsichtigte Öffnen fremden Gepäcks ist schließlich keine Lappalie. Ich zumindest empfinde das so.