Donnerstag, 7. Dezember 2006

Schäuble & Co. sind eine Gefahr für die Gesellschaft

Nun wollen sie es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, die Computer der Bevölkerung von Ferne her heimlich zu durchsuchen: Online-Durchsuchung von PCs durch Strafverfolger und Verfassungsschutz (Heise.de).

Allein, dass es solche Gedankenspiele von Seiten unserer bekannten (Un-)Sicherheitspolitiker gibt, führt zwingend zu folgenden Schlussfolgerungen:

Schlussfolgerung Nr.1: Mit dem Credo, dass der Staat alles, wirklich absolut alles unternehmen muss und darf, um jede, wirklich absolut jede mögliche Gefahr für Leib und Leben auszuschließen, lässt sich in diesem Land derzeit jede noch so wahnsinnige politische Idee aus Parkett bringen. Protest? Nur - wie üblich - im "Maschinenraum", sprich bei Heise & Co. Man kann kaum erwarten, dass der Rest der deutschen Medien irgendwie das Vorhaben der deutschen (Un-)Sicherheitspolitiker durchschaut. Wenn unsere Medien schon daran scheitern, die Nebelkerzen rund um das Killerspiel-Verbot zu durchschauen, dann kann man denen mehr oder weniger alles verkaufen, wenn das Etikett "Sicherheit" dranhängt.

Schlussfolgerung Nr. 2: Der unbedarfte Bürger könnte denken, dass das Vorhaben von Schäuble & Co. aus technischer Sicht zum Scheitern verurteilt ist. Hat nicht jeder heutzutage eine Firewall und einen Virenscanner auf dem eigenen Rechner und würde der es nicht verhindern, dass irgendwelche komischen Spionageprogramme der deutschen Sicherheitsbehörden auf dem eigenen Rechner landen? Es gibt also die Möglichkeit, dass Schäuble & Co. hier wieder nur Nebelkerzen werfen, dass sie Sicherheitsmaßnahmen vortäuschen, symbolische Politik betreiben. In symbolischer Politik sind unsere Politiker heutzutage bekanntlich Meister. Zumindest die Medien lassen sich wie oben schon erwähnt vortrefflich leicht auf den Arm nehmen mit dieser symbolischen Politik und veranstalten gerne Talk-Runden, in denen diese symbolische Politik mit ernsthafter Miene diskutiert wird.

Schlussfolgerung Nr. 3: Es könnte aber genauso gut sein, dass Schäuble & Co. genau wissen, wovon sie sprechen. Dass sie genau instruiert wurden von den Spezialisten der deutschen Sicherheitsbehörden. Nehmen wir also mal an, dass das Vorhaben technisch umzusetzen ist, dass die Sicherheitsbehörden also den Innenministern gesagt haben: Wir können das. Wir können technisch auf die Computer der Bürger zugreifen, wenn wir es dürften. Dann führt uns das von den Innenministern geplante Vorhaben ungewollt und indirekt zu äußerst aufschlussreichen Schlussfolgerungen:

a) Der Zugriff auf Computer erscheint ernsthaft nur möglich, wenn im Windows-Betriebssystem von Microsoft Hintertüren bereits "werksseitig" eingebaut sind, die die Sicherheitsbehörden kennen.

b) Der Zugriff auf Computer erscheint ernsthaft nur möglich, wenn in den vielen Hardware-Routern, die auf dem Markt sind und im größten Teil der sonstigen Netzwerkhardware zum größten Teil bereits werksseitig Hintertüren eingebaut sind, die die Sicherheitsbehörden kennen.

c) Der Zugriff auf Computer erscheint ernsthaft nur möglich, wenn das Open-Source-Projekt Linux teilweise unterwandert ist von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden, die dort Quellcode einzuschleusen versuchen, durch den auch Linux sich ihren Spionageprogrammen öffnet.

Schlussfolgerung 4: Oder Schäuble & Co. wollen nur unbedarfte, technisch nicht versierte Normalbürger, die noch nicht einmal eine Software-Firewall unter Windows installiert haben, mit dem neuen Gesetz überwachen. Dann wäre das Gesetz jedoch eindeutig nicht gegen Terroristen gerichtet, also kein Mittel der Terror-Abwehr. Dann muss man sich fragen, wozu sie Normalbürger überwachen wollen. Um mögliche Urheberrechtsverletzungen im Auftrag der Musikindustrie schneller ahnden zu können? Warum dann die Rede vom Kampf gegen den Terrorismus?

Lassen wir Schlussfolgerung Nr. 4, die wie Schlussfolgerung Nr. 1 und 2 wiederum Zeichen von reiner Symbol-Politik wäre einmal außen vor. Dann kann neben Schlussfolgerung Nr. 1 (die eh stimmt) nur Schlussfolgerung Nr. 2 oder Schlussfolgerung Nr. 3 stimmen. Aber egal, ob nun Nr. 2 oder Nr. 3 richtig ist: Beide Schlussfolgerungen erscheinen mir als katastrophal für unseren Rechtsstaat!

Denn wer bei Gültigkeit von Schlussfolgerung Nr. 2 (oder auch 4) derart unverfroren mit den Ängsten der Bevölkerung umgeht, gehört sofort aus seinem Amt gejagt. Statt sich um reale Lösungen zur Erhöhung der Sicherheit zu kümmern, wird unter großem Aufwand vorgespielt, dass man alles tue, um das Volk vor Terror-Anschlägen zu schützen. Stattdessen wäre eine ehrliche Politik angebracht, die darstellt, dass man als Staat Terror-Anschläge in letzter Konsequenz eben nicht zu hundert Prozent verhindern kann.

Ist hingegen Schlussfolgerung Nr. 3 richtig, würde dies bedeuten, dass seit Jahrzehnten Sicherheitsbehörden Einfluss am Gesetz vorbei genommen haben auf die Entwickler von Soft- und Hardware. Es wäre hier von staatlichen Behörden die Sicherheit von unzähligen Produkten kompromittiert worden. Mit ungeahnten Folgen zum Beispiel für Wirtschaftsspionage, Verbraucherschutz, der Sicherheit des Betriebes technischer Anlagen (Kernkraftwerke? Krankenhäuser?) und so weiter. Dass hier vielleicht mit diesen kompromittierten Netzwerkprodukten noch nichts passiert ist, wäre reine Glückssache. Aber wer weiß, ob nicht manche Vorfälle und Störfälle auf eben diese eingebauten Hintertüren zurückzuführen sein könnten.

Ich hoffe, dass Schlussfolgerung Nr. 2 statt Nr. 3 zutrifft. Wenn sich jedoch erhärtet, dass Schäuble & Co. wissen, wovon sie reden, haben wir vermutlich den größten Skandal der jüngeren Geschichte vor uns liegen: Eine heimlich vorbereitete Kompromittierung vieler technischer Geräte. Von normaler Computerhardware, über Betriebssysteme bis hin zu Handys und Netzwerktechnik. Dann ist wirklich alles möglich. Dann ist auch möglich, dass zum Beispiel Datenbanksoftware verschiedener Hersteller längst kompromittiert ist. Das würde bedeuten, dass es absolut gar keinen Datenschutz mehr gibt, dass Geheimdienste und Sicherheitsbehörden längst Zugriff auf fast alle Daten haben, die irgendwo digital und vernetzt vorliegen. Es wäre eine ungeheure, kaum zu kontrollierende Macht in den Händen dieser Behörden.

Kann, muss, darf man als Bürger diesen Behörden diese Macht zugestehen, oder müsste man dann nicht sofort zum Widerstand aufrufen? Wäre das Missbrauchspotenzial hier nicht dermaßen hoch, dass der Gewinn an Sicherheit dagegen klein wirkt?

Ich hoffe, dass diese Fragen bald, endlich, vielleicht, möglicherweise, hoffentlich einmal ausführlich in den reichweitenstarken Medien diskutiert werden. Irgendwann muss die Gefahr, die von nahezu allmächtigen Sicherheitsbehörden für das Gleichgewicht der Mächte in einer Demokratie ausgeht, doch auch einmal bei den dämlichsten Chefredakteuren in diesem Land ankommen?

Update: Es scheint sich Schlussfolgerung Nr. 4 als die wahrscheinlichste herauszukristalisieren. Ein Artikel bei Onlinekosten.de ist ausführlicher als oben verlinkter Heise.de-Artikel: Onlinekosten.de: BKA soll Computer über das Internet ausspionieren. Demnach wollen die Sicherheitsbehörden undokumentierte Sicherheitslücken in Betriebssystem und Browser für ihre Angriffe über das Netz nutzen:

In hartnäckigen Fällen könnten die BKA-Beamten den PC durch einen gezielten Internet-Angriff über undokumentierte Schwachstellen des Betriebssystems und der Browser-Software aufhebeln - wie eine morsche Stalltür mit dem Brecheisen. Ist das digitale Hintertürchen erst einmal installiert, steht der PC für die Fahnder ohne weitere Gegenwehr offen. Antivirensoftware und Firewalls stellen für die Ermittler keine ernsthaftes Problem dar. (Quelle)


In diesem Zusammenhang macht auch das Verbot des Einsatzes von Hacker-Tools (Heise.de: Bundesregierung hält an Verschärfung der 'Hackerparagraphen' fest) Sinn, werden mit solchen Tools doch auch von gutwilligen Hackern Sicherheitslücken aufgedeckt, um diese dann den Herstellern melden zu können.

Sicherheitsbehörden sollen also aktiv Sicherheitslücken ausnutzen. Welche Ironie! Sicherheitsbehörden kennen Sicherheitsschwachstellen - und statt dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung sicherer lebt, indem nämlich die Behörden die Schwachstellen den Softwareprogrammierern mitteilen, setzen die Behörden Millionen von Internetnutzern bewusst dem Risiko aus, dass die von ihnen gefundenen Sicherheitslücken eventuell auch von anderen Hackern weiter für Angriffe genutzt werden können.

Das ist einfach nur ekelhaft. Richtig ekelhaft. Machen sich die Politiker eigentlich irgendwelche Gedanken darüber, wie ihr Handeln und das geplante Handeln der "Sicherheitsbehörden" wahrgenommen wird in der Bevölkerung? Oder ist der Wille zur totalen Überwachung bereits so fest in die Hirne von Schäuble & Co. eingebrannt, dass sie gar nicht mehr merken, was sie da anrichten?

Der Vertrauensverlust in die "Sicherheitsbehörden" und den Staat allgemein dürfte enorm sein: Behörden, die eigentlich zum Schutz der Bevölkerung da sind, setzen die Bevölkerung bewusst Gefahren aus, nur um aus Zeitersparnisgründen einfacher auf manche Computer zugreifen zu können. Der Zugriff auf die verdächtigen Computer wäre ja auch ohne diese Hacker-Methoden möglich. Mittels klassischer Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung des Rechners. Das wäre halt nur aufwändiger. Das Vorhaben von Schäuble & Co. offenbart also, dass hier mitnichten das Interesse vorliegt, die Sicherheit der Bürger zu erhöhen. Es geht allein um die Faulheit von Behörden, nicht um die Sicherheit von Bürgern.

Es ist unfassbar.

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3 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Es ist schon sehr bedenklich, wenn ein Staat der in seinem Selbstverständnis ein demokratischer Rechtsstaat ist, Methoden andwendet, die man früher nur faschistischen Diktaturen zugetraut hätte.

Solon hat gesagt…

Nicht nur bei den Methoden, sondern auch bei ihrer Begründung gibt es Parallelen zu faschistischen Diktaturen. So war das erste, was die Nazis wenige Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler machten, von einer immensen Gefährdung der Sicherheit durch Terroristen zu sprechen. Zwar sprach man nicht von Terroristen, sondern von Kommunisten, aber man meinte eine angebliche terroristische Bedrohung durch Kommunisten. Der Reichstagsbrand lieferte dabei das anschauliche Alibi-Beispiel, um sofort Notstandsgesetze zu erlassen und die Pressefreiheit einzuschränken usw.

Es hilft nur eins: Man muss zumindest im Bekannten- und Verwandtenkreis versuchen, deutlich zu machen, dass eine allgemeine Überwachung, dass präventive Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und dass derartig heimliche Polizeimaßnahmen wie Trojaner-Angriffe auf Rechner - in NRW gar ohne richterlichen Beschluss - ein absolutes Unding sind.

Die Überwachungsfans gehen von zwei Fehlschlüssen aus: Dass jeder ein potenzieller Verbrecher ist und deshalb präventive Überwachung nötig sei und dass Überwachung an sich keinen Schaden anrichte. Mehr zu diesen Fehlschlüssen u.a. in einem anderen Weblog-Eintrag von mir:

Achtung! Virus im Umlauf! Gefahr der Erblindung!

Anonym hat gesagt…

Das ist wirklich richtig ekelhaft, alles an der Wahrheit!