Mittwoch, 4. April 2007

Der Schäuble-Katalog und die wackelnde SPD

Der SPD-Mann Stegner, Innenminister Schleswig-Holsteins, beteuert in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die SPD so einfach die Forderungen von Schäuble nach verschärften Sicherheitsgesetzen nicht mittragen würde.

Konkret erklärt Stegner dann jedoch, dass man bei der Frage, ob man Daten aus der LKW-Maut für die Verbrechensbekämpfung verwenden solle, mit sich reden lasse. Abgesehen davon, dass dies teilweise längst geschieht (ohne dass die verantwortlichen Politiker dies seltsamerweise an die große Glocke hängen als Erfolg bei ihrem Kampf für die totale Sicherheit), abgesehen davon also sind das ganz neue Töne! Bis vor kurzem galt die Massenüberwachung von Autofahrern noch als unerhörtes Horrorgemälde und stieß auf Ablehnung. Jetzt erscheint dies jedoch als das kleinere Übel im Vergleich zu den sonstigen Forderungen von Schäuble. Das Abwiegeln und Rumstottern der SPD beginnt also schon.

Bei der Forderung Schäubles nach Onlinedurchsuchungen (Stichwort "Bundestrojaner") sehe er bis jetzt schlicht noch nicht die Notwendigkeit. Was aber auch heißt, dass Stegner hier auch mit sich reden lassen würde.

Nur bei der angedachten zentralen Speicherung der Fingerabdrücke aller Bundesbürger will Stegner nicht mit sich reden lassen. Hier ist aber noch unklar, was Schäuble eigentlich in Bezug auf die Fingerabdrücke oder gar genetische Daten der Bevölkerung gefordert hat. Zur Rasterfahndung äußern sich mehrere SPD-Leute vor allem insofern, dass sie sie als unnütz ansehen.

Was wird aus dem Gesagten deutlich? Die SPD hat anscheinend eben immer noch nicht verstanden, was an den Plänen von Schäuble eigentlich problematisch ist. Und deshalb wird die SPD zweifelsohne wichtige Teile des Schäuble-Katalogs durchwinken. Beim "Otto-Katalog" vom ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily hat sie es ja auch getan. Das Gebrause der SPD gegen die geplanten Überwachungsmaßnahmen ist genauso unglaubwürdig wie das Gebrause der CDU, dass man mit den geplanten Maßnahmen effektiv die Sicherheit erhöhen könne und sie deshalb nötig seien.

SPD und CDU scheinen mit der Materie schlicht überfordert zu sein. Deshalb hier ein kleiner Nachhilfekurs:

  • Entscheidend bei der Verwendung der Mautdaten ist, wie sie verwendet werden. Vor allem, wie lange die Daten gespeichert werden, wer alles Zugriff darauf hat, welche Kontrollen es für den Zugriff gibt. Das sind wichtige Details. Problematisch ist zum Beispiel, dass die Kameras auf den Mautbrücken zunächst einmal alle Autos, auch PKWs also, erfassen. Und problematisch ist, dass die Polizei als wenig vertrauenswürdig eingestuft werden muss, wenn es um die Pflege ihr anvertrauter Daten geht. Die deutsche Polizei ist leider ein regelrechter Datenschmutzfink, der alles gerne sammelt und danach nicht wieder aufräumt. Hier müssten tatsächlich absolut scharfe und wirksame Kontrollen eingeführt werden, um diesen Datenmist bei der Polizei endlich einmal aufzuräumen und die Verwendung weiterer Daten rigoros zu kontrollieren. Ist die Einführung solcher rigorosen Datenschutzregelungen und die echte Sorge um den Datenschutz unseren Politikern zuzutrauen? Ich traue ihnen das nicht zu. Definitiv nicht. Deshalb würde ich es lieber sehen, wenn die Mautdaten gar nicht zur Verbrechensaufklärung herangezogen werden. Vor allem, weil überhaupt nicht geklärt ist, ob sie tatsächlich nötig sind.
  • Einfach wie Stegner davon auszugehen, dass die Onlinedurchsuchung nicht nötig ist, ist dumm. Sicherheitsbehörden werden immer konstruierte Fälle finden, bei denen eine Onlinedurchsuchung irgendwie sinnvoll wäre. Vermutlich schwenkt Stegner in seiner Meinung um, wenn er beispielsweise erfährt, dass es Software gibt, die den Inhalt einer Festplatte beim Herunterfahren des Computers verschlüsseln kann. Klopft also eine herkömmliche Hausdurchsuchung an die Wohnungstür, hätte ein Verdächtiger die Möglichkeit, in aller Ruhe vor dem Aufmachen der Tür seinen Rechner runterzufahren und seine Daten zu verschlüsseln. Für Stegner wäre dies sicherlich das Argument, nun den totalen Zugriff der Sicherheitsbehörden online über Trojaner zu ermöglichen. Das Argument gegen die Onlinedurchsuchung lautet aber, dass das staatliche Hacken das Vertrauen der Bürger ins Internet massiv aushölen würde. Auch wenn es richterliche Kontrollen geben sollte, so besteht immer die Gefahr des Missbrauchs. Einmal entwickelte, staatliche Trojaner könnten schnell und ohne viel Aufwand und ohne Spuren zu hinterlassen in riesigem Ausmaß missbraucht werden. Das ist das entscheidende Argument gegen die Onlinedurchsuchung.
  • Die zentrale Speicherung von Fingerabdrücken wäre sicherlich eine Horrorvorstellung. Aber allein das Vorhandensein der Fingerabdruckdaten in den zukünftigen Pässen wird die Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden nach solch einer Datei nicht zur Ruhe kommen lassen. Wie bei den Mautdaten. Da wurde auch zunächst versichert, dass auf sie nicht zugegriffen werden würde. Die zentrale Speicherung aller Fingerabdrücke wird kommen. Wenn nicht sofort in einem Schritt, dann in mehreren kleinen. Vielleicht wird es zum Beispiel Fahndern zunächst erlaubt, die Fingerabdruckdaten aller Bekannten eines Gewaltopfers auszuwerten und zu speichern, um Tätern schneller auf die Spur zu kommen. Vielleicht wird es irgendwann erlaubt, dass bei Ausweiskontrollen die Polizei die Fingerabdruckdaten speichern darf. Erst für eine gewisse Zeit, dann länger. Und schließlich entstehen auf Länderebene zentrale Datenbanken mit allen Fingerabdrücken aller Landesbürger. Bis es dann einen Terror-Anschlag gibt und die Hürde für die zentrale Speicherung aller Fingerabdrücke fällt - völlig unabhängig natürlich davon, ob solch eine Fingerabdruckdatei nun hilft gegen den Terror oder nicht.
Fazit: Die SPD argumentiert zwar noch gegen den Schäuble-Katalog, aber sie argumentiert falsch. Und deshalb werden die Vorschläge (und noch mehr) aus dem Schäuble-Katalog Wirklichkeit werden, weil unsere Politiker die beiden zentralen, tatsächlichen Argumente gegen die Überwachung nicht verstehen wollen:
  • Dass nämlich Überwachung an sich - egal in welcher Form und in welchem Ausmaß und egal, ob die Daten aus der Überwachung missbraucht werden von Dritten oder nicht - immer ein Eingriff ist, ein Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger. Jede Überwachung verändert das Verhalten der Beobachteten und lässt sie sich selbst als nicht autonomes Objekt erleben. Und wer behauptet, er wüsste, wo die Grenze liegt, bis zu der ein Eingriff in diese Freiheitsrechte nicht schädlich ist, der lügt.
  • Dass die Anhäufung von Daten immer mit dem Risiko des Missbrauchs verbunden ist. Daten sind Wissen, Wissen ist Macht. Einfach davon auszugehen, dass unsere guten, deutschen Behörden schon nichts Verwerfliches mit den Daten anstellen werden, ist absolut naiv. Es bedarf dazu nur einiger weniger Problemfiguren oder eines technischen Fehlers und schon kann diese Macht im Zeitalter der digitalen Informationstechnologie leicht und ohne Spuren zu hinterlassen in riesigem Ausmaß missbraucht werden.
Technorati-Tags: , , , , , , , , , ,

0 Kommentar(e):