Samstag, 21. April 2007

Desinformation zur Pflegeversicherung: "Info-Radio" fällt auf INSM rein

Kennt Ihr das auch, wenn Freunde oder Verwandte einem nach dem Einkauf vor allem erzählen, wie toll doch der Verkäufer gewesen ist? Wie freundlich, wie zuvorkommend, wie informiert, wie ehrlich und wie bemüht und wie er einem geholfen hat, genau das Richtige zu finden?

Die Enttäuschung ist dann meist groß, wenn ich kurz angebunden nach einer kurzen Internet-Recherche darauf hinweise, dass man das gleiche Teil da und dort 40% billiger bekommen hätte, dass das Teil leider nicht all die Funktionen hat, von denen der Verkäufer sprach oder dass es sich bei dem Produkt leider um ein Auslaufmodell handelt. Ich bin halt ein Spielverderber.

"Aber der Verkäufer war doch wirklich soooo freundlich und ist wirklich genau auf unsere Wünsche eingegangen!" Tja, hätte man sich erst einmal unabhängig informiert, dann wäre das nicht passiert.

Genau solch einem Verkäufer bin ich heute morgen begegnet. Einem Verkäufer, der solch ein weiches, einschmeichelndes, warmes Timbre hatte, das es einem die Schuhe auszog. Allerdings nicht in einem Geschäft, sondern im Radio. Nein, auch nicht in einer privaten Billig-Radio-Klitsche, die gerade eine Dauerwerbesendung brachte. Es war auch nicht eines dieser unerträglichen Gewinnspiele, das da gerade von einem gehirnbefreiten Moderator angepriesen wurde. Nein, ich hatte das Info-Radio vom RBB angeschaltet und bei dem Verkaufsgespräch ging es auch nicht um die üblichen 50-Cent-Beträge für ein SMS-Gewinnspiel, sondern es ging um Milliarden von Euro. Der Mann, der da dem Radiohörer ein Produkt verkaufen wollte, das mehrere Milliarden Euro kostet, dieses bewundernswerte Verkaufsgenie also, war natürlich so schlau, diesen teuren Preis mit keinem Wort zu erwähnen. Stattdessen wickelte er die Moderatorin des RBB so um den Finger, dass sie sprachlos und atemlos war wegen der Aufopferungsbereitschaft dieses Mannes, der da ein Produkt zu verkaufen versuchte, dass dem deutschen Volke das Heil bringen würde. Es gab somit auch keine kritischen Nachfragen von Seiten der Moderatorin. Im Gegenteil. Am Ende des Verkaufsgespräches durfte der Verkäufer sogar noch etwas aus seinem Leben erzählen und - gaaaaanz bescheiden - darstellen, wie er dazu kam, als Heilsbringer unters Volk zu gehen, um derat gute Taten zu vollbringen und das Volk mit seinen Produkten und Ideen zu versorgen.

Bei diesem Heilsbringer handelte es sich um Herrn Professor Rürup. Auch bekannt aus der vormaligen "Rürup-Kommission". Große Teile seines Gehaltes bezieht der Herr Professor von der deutschen Versicherungswirtschaft (dies wurde jedoch nicht von der Moderatöse erwähnt). Und so warb Herr Rürup nun für ein neues Versicherungsprodukt. Genauer gesagt: Die bisherige, staatlich gesteuerte Pflegeversicherung wäre bald am Ende. Man hätte bei ihr nicht die Kosten berücksichtigt, die die angeblich zunehmende Menge von Demenzkranken bald verursachen würde. Deshalb müsse die staatliche Pflegeversicherung nun in die Hände der privaten Versicherungswirtschaft gelegt werden. Denn dann müsste jeder Beitragszahler schon in jungen Jahren enorme Summen einzahlen - nicht mehr an den Staat, sondern an die private Versicherungswirtschaft - damit auf jeden Fall dann im Fall der Demenz später genug Geld zurückgelegt worden sei. So gäbe es nicht die Gefahr wie angeblich beim jetzigen staatlichen System, dass heute eventuell zu wenig Geld zurückgelegt wird für später ansteigende Pflegekosten. Und in der Zwischenzeit könne die private Versicherungswirtschaft mit dem Geld, das vormals der Staat bekam, sich einen runterholen, äh, nein, es in gewinnbringenden Projekten anlegen. Auf dass die private Versicherungswirtschaft sich doof und dösig am deutschen Steuerzahler verdiene.

Gut, die letzten Sätze hatte Rürup so nicht gesagt, aber genau darauf läuft das ganze hinaus.

Die Moderatöse, die anscheinend schon ein bedauernswertes Opfer dieser angeblich zunehmenden Demenz geworden ist, fragte leider nicht nach, wie sicher denn die Prognosen seien, dass die staatlich gesteuerte Pflegeversicherung bald am Ende sei und warum für das Abfedern von steigenden Pflegekosten unbedingt die private Versicherungswirtschaft eingebunden werden müsse. Dafür durfte Rürup dann aber am Ende des Interviews noch darstellen, dass er all seine gemachten Äußerungen nur als selbstloses Werk am deutschen Volke ansieht.

Lieber Leser, wenn Sie also das nächste Mal aus Versehen beim Zappen beim Shopping-Kanal "Info-Radio" vom RBB landen, seien Sie auf der Hut und lassen Sie sich keinen Scheiß andrehen.

Der Auftritt von Rürup ist übrigens anscheinend Teil eines von langer Hand geplanten Raubzuges der privaten Versicherungswirtschaft, die nun nach der "Rentenreform" (Stichwort "Riester-Rente") auch das Geld für die Pflegeversicherung in die Hand bekommen möchte. Mehr dazu darf man bei den NachDenkSeiten.de nachlesen: INSM: Nach der Rente nun auch die kapitalgedeckte Pflegeversicherung.

P.S.: Vielleicht taucht das Rürup-Interview ja noch im RBB-Podcast "Interviews zu aktuellen Themen" oder im RBB-Podcast "Das Wirtschaftsgespräch" auf. Dann kann jeder sich selbst einen Eindruck verschaffen vom bewundernswerten Timbre Rürups und der strunzdummen Dämlichkeit der Moderatorin. Bislang erschien das Interview in diesen Podcasts jedenfalls noch nicht.

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