Freitag, 31. August 2007

Schnüffel-Schäuble: Eskalation statt Deeskalation

Schäubles Entwurf fürs neue BKA-Gesetz ist also heute an die Öffentlichkeit gekommen. Wieder unfreiwillig, wie es scheint, weil der Entwurf nur als Kopie anonym dem Chaos Computer Club zugespielt wurde.

Was muss man dazu anmerken? Folgendes:

Gesetze sollten in einer Demokratie logischerweise nichts Heimliches sein. Ebensowenig jedoch ihre Entwürfe. Gesetze werden zwar formal nur im Parlament beschlossen, aber der Sinn der Sache ist bekanntlich, dass öffentlich über die Gesetze diskutiert wird. Wenn also in unserer Demokratie Gesetzesentwürfe zunächst häufig wie eine Geheimsache behandelt werden, dann deutet dies darauf hin, dass es hier oftmals nicht um die Realisierung von tatsächlich nötigen Lösungen in Form von Gesetzen geht. Stattdessen werden Gesetzesentwürfe und damit letztlich die Gesetze selber, also das, womit der Staat geformt und gelenkt wird, von den Parteien missbraucht als reines taktisches Instrument der Parteipolitik. Wieder einmal geht es also nur um Parteipolitik. Wieder einmal steht das Interesse der Parteien vor der ehrlichen und öffentlichen Auseinandersetzung darüber, was gute Lösungen für ein Problem sein könnten. Wieder einmal ist den Parteien wichtiger, der gegnerischen Partei eins auszuwischen, statt ehrlich in einen offenen Diskurs darüber einzusteigen, was die beste Lösung für ein Problem wäre. Zu fragen wäre also, welche parteipolitische Taktik hinter dem Schäubleschen BKA-Gesetzesentwurf steht. Heribert Prantl hat eine mögliche Antwort darauf, wie man in diesem Artikel von ihm lesen kann.

Wieder einmal erfährt man nun in dem an die Öffentlichkeit gekommenen Gesetzesentwurf, dass Schäuble noch einmal mehr Befugnisse fürs BKA will. Mehr, mehr, mehr... eine andere Richtung in der Sache kennt Schäuble nicht. Das soll ein Politiker sein? Entweder man verteidigt seine Forderungen mit guten Argumenten (und nicht immer nur mit der Abkanzelung seiner Gegner als dumme, ahnungslose Ignoranten - der Vorwurf ist mittlerweile sowas von unglaubwürdig...) öffentlich oder man signalisiert Kompromissbereitschaft. Schäuble ist nur noch nervig. Entweder man folgt seinen Maximalforderungen oder er ist eingeschnappt, hat man den Eindruck. Kein Wunder, dass ihm im Angesicht der massiven Kritik dann nichts mehr einfällt. Und auch die Parteifreunde brillieren nicht gerade mit einem Feuerwerk von Argumenten, um Schäuble beizustehen. Stattdessen fängt gar der Herr Schünemann, CDU-Innenminister von Niedersachsen, selbst an mit Terroranschlägen zu drohen, wie das Schnüffelblog trefflich darstellt. Was für eine Partei, diese CDU!

Aber eigentlich ist es auch egal, ob nun im Schäubleschen Gesetzesentwurf noch diese und jene unverschämte Befugniserweiterung fürs BKA mehr drin steht oder nicht. Ob ein Richter nun drei Tage vor oder nach Durchführung einer Online-Durchsuchung benachrichtigt werden muss (Warum eigentlich nach Beginn der Online-Durchsuchung, wenn die Vorbereitung solch einer Online-Durchsuchung doch angeblich so viel Zeit kosten soll, wie BKA-Chef Ziercke vorgestern darstellte?) oder ob nun auch völlig Unverdächtige von dem BKA ins Schnüffel-Visier genommen werden sollen. Diese ganzen Details sind fast schon unwichtig, denn der ganze Gesetzesentwurf von Schäuble ist geprägt von einem Geist, der insgesamt alles andere als gut ist. Dahinter steht eben das Motiv, die Rechtsordnung grundlegend zu ändern. Dahinter steckt der Versuch, neben dem klassischen Angeklagten eine weitere Personengruppe zu definieren, mit der die Strafverfolgungsbehörden ohne große Beschränkungen frei walten und schalten können sollen, die Personengruppe des Terror-Verdächtigen und seines Umfeldes nämlich. Beides, Terror-Verdächtige und Umfeld- und Begleitpersonen sollen nach Schäubles Vorstellungen "Freiwild" für die Ermittlungsbehörden sein. Was davon zu halten ist, kommentiert mal wieder kurz und prägnant Rechtsanwalt Udo Vetter:

Überdies soll das BKA auch gegen an sich unverdächtige Personen schnüffeln dürfen, und zwar schon dann, wenn sie als "Kontakt- und Begleitpersonen", derer sich potenzielle Täter "zur Begehung der Straftat bedienen könnten", eingestuft werden. Man muss sich klarmachen, dass schon gegen "potenzielle Täter" an sich nichts Verwertbares vorliegt. Das sind Leute, die bislang weder eine Straftat verabredet noch eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Ansonsten könnten sie nämlich schon strafrechtlich verfolgt werden. Da kann man sich ausmalen, wie viel vorliegen muss, um von emsigen Ermittlern künftig als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft und mit dem vollen Programm behandelt werden zu können. Nichts. (Quelle: Lawblog.de)


Aber wer ist terrorverdächtig? Wer bestimmt das? Was wird alles als Terror definiert? Und was ist von den Rufen aus der Union zu halten, die die angeblich nur gegen Terror-Verdächtige gezielten Schäubleschen Wunschmethoden von Vorratsdatenspeicherung bis Online-Durchsuchung dann auch ganz schnell beispielsweise gegen Leute verwendet sehen wollen, die eventuell kinderpornografische Bilder tauschen? Wo fängt der Terror an, wo hört er auf? Die Frage scheint inzwischen auch den Bundesgerichtshof zu interessieren, denn der will nun prüfen, ob auch beispielsweise einfache Brandanschläge - so wie derzeit von der Bundesanwaltschaft behauptet - schon als Terror-Anschläge gelten können. Dies meldet der Tagesspiegel (und bislang seltsamerweise noch kaum jemand sonst) als neue Entwicklung beim Fall "Andrej H.": BGH stellt Terror-Paragraphen auf den Prüfstand.

Ich frage mich, warum die Politiker nicht endlich ehrlich sind und darstellen, dass es einen Schutz gegen Terror-Anschläge nicht gibt, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht gibt. Halten sie die Bürger in ihrer Mehrheit für so doof, dass sie denken, die würden das nicht verstehen? Warum machen sich Parteien und Politiker also zum Sklaven der irrealen Vorstellung, dass man nur einfach hier und da die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden ausweiten müsste und schon hätten Terroristen keine Chance mehr?

Technorati-Tags: , , , , , , ,

0 Kommentar(e):