Sonntag, 23. September 2007

Demo "Freiheit statt Angst": DPA und AP verbreiten mal wieder Falschmeldungen

(Via Farliblog.de) Viele der Artikel in den Medien, vor allem in den überregionalen Teilen der Zeitungen, bestehen zu fast 100 Prozent aus Meldungen von Presseagenturen. Eine Falschmeldung solcher Presseagenturen hat somit sogleich eine enorme Reichweite. Die Medien, die die Agenturmeldungen abdrucken, waschen zudem ihre Hände in Unschuld, wenn Meldungen dieser Presseagenturen einmal falsch gewesen sein sollten. Sie, die Medien, hätten ja nicht falsch berichtet, sondern die Agenturen. Richtigstellungen werden in deutschen Medien freiwillig so gut wie nie abgedruckt, erst recht nicht, wenn es sich um Falschmeldungen von Presseagenturen handelt.

Die deutschen Medien sind in sehr hohem Maße abhängig von Agenturmeldungen. Würden sie keine Agenturmeldungen mehr übernehmen, wäre es nicht so einfach möglich, den leeren Platz auf den Zeitungsseiten anschließend zu füllen.

Die Folge dieser Abhängigkeiten und des mangelnden Drucks auf die Presseagenturen ist, dass vor allem die am meisten in Deutschland verbreitete Deutsche Presse-Agentur (DPA) in letzter Zeit anscheinend häufiger schlampig berichtet. Denn wer wollte der DPA ernsthaft mit Konsequenzen drohen?

So auch aktuell wieder.

So berichten AP und DPA von einer Demonstration, die angeblich gestern am Samstag in Berlin stattgefunden haben soll. 2000 Demonstranten hätten an einer Demonstration unter dem Motto "Freiheit statt Angst" teilgenommen. Die Demonstration sei jedoch von den Veranstaltern frühzeitig abgebrochen worden:

Unter dem Motto "Freiheit statt Angst: Stoppt den Überwachungswahn" haben rund 50 Bürgerrechtsgruppen, politische Parteien und Vereine einen Protestmarsch durch Berlin organisiert. 2000 Menschen folgten den Aufruf, doch der Marsch wurde abgebrochen. (Quelle: Stern.de)


Nun könnte man fragen: Warum berichten die Presseagenturen überhaupt über solch eine kleine, unbedeutende Demonstration? Oder warum wird die Agenturmeldung über solch eine kleine, erfolglose Demonstration überhaupt von irgendjemandem abgedruckt?

Das Seltsamste ist jedoch, dass diese Demonstration weit mehr Menschen besucht haben. Sogar nach Polizeiangaben seien es wohl mindestens 8.000 Menschen gewesen. Die Veranstalter sprechen gar von mindestens 15.000 Menschen. Und abgebrochen wurde die Demonstration, zu der ein enorm breites Spektrum an politisch aktiven Gruppen (von "Spartakisten" bis FDP) aufgerufen hatte, auch nicht. Dies erfährt der Leser jenseits von AP und DPA beispielsweise bei Tagesschau.de oder bei Heise.de. Über kleinere Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei am Rande der Demonstration berichtet Heise.de sogar noch in einem weiteren Artikel. Die vielen Millionen Deutsche, die sich jedoch häufig nur mittels ihre Regionalzeitung über die Welt informieren, werden morgen am Montag vermutlich etwas anderes lesen - allerdings würde es mich überraschen, wenn überhaupt über eine angeblich abgebrochene, klitzekleine Demonstration berichtet würde.

Wie kommen also AP/DPA zu ihrer Meldung? Ich vermute, dass die Agenturen wie schon bei ihrer Berichterstattung rund um die Proteste gegen den jüngsten G8-Gipfel in Heiligendamm einfach nur unvollständige Teil-Informationen der Polizei eins zu eins übernommen haben ohne auf weitere Informationsquellen zuzugreifen.

Diese Arbeit - vor allem in letzter Zeit von der DPA - ist extrem unprofessionell und richtet durch die hohe Reichweite von DPA-Meldungen häufig politisch großen Schaden an.

Seltsam ist, dass von der Falschberichterstattung bei der DPA häufig "linke" oder "staatskritische" Themen betroffen sind. Ist das noch ein Versehen oder steckt da eine lenkende Hand auf hoher DPA-Ebene dahinter? Wie auch immer, man kann den Medien und Medienkonsumenten wohl nur allgemein raten: Vorsicht bei DPA-Meldungen!

Hier ein paar Weblog-Einträge, in denen ich mich früher schon einmal auf die schlechte Qualität der DPA bezog:

Ergänzend kann ich noch hinweisen auf einige interessante Äußerungen von Stefan Niggemeier, Journalist und Macher von Bildblog.de zur Arbeitsweise der DPA. Beispielsweise in seinem Weblog-Artikel "Nervt's?":

Bei der Nachrichtenagentur dpa zum Beispiel sind kritische Berichte über "Bild" – und damit jeder Bericht über uns – heikel. Eine PR-Geschichte für Katja Kesslers neues Buch ist erlaubt. (Quelle: Stefan-Niggemeier.de)


Ausführlich berichtete Stefan Niggemeier auch über eine besonders eklatante Falschmeldung der DPA rund um die jüngsten Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm: Chronologie einer Falschmeldung. Die DPA hatte frech behauptet, auf dem Podium einer Demonstration in Rostock sei offen zu Gewalt aufgerufen worden. Die DPA brauchte ganze drei Tage, um zuzugeben, dass sie völlig sinnentstellend berichtet hatte. Der politische Schaden war jedoch längst angerichtet.

Nachtrag: Netzpolitik.org verlinkt weitere Medienberichte und Stellungnahmen zur Demonstration "Freiheit statt Angst" und geht auch auf die fehlerhafte Berichterstattung der Presseagenturen ein: Grösste Demonstration für mehr Datenschutz seit 20 Jahren!

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2 Kommentar(e):

Anonym hat gesagt…

Selbst die Polizei hat deutlich höhere Angaben gemacht, als dpa und ap weitergeben. Diese beiden Agenturen verbreiten echte Enten.

Solon hat gesagt…

Ja, ich hab meinen Satz im obigen Weblog-Eintrag konkretisiert zu "unvollständige Teil-Informationen der Polizei". Ich vermute, dass die Agenturen einfach ziemlich früh, als die Polizei selbst noch kein abschließendes Bild hatte, bei der Pressestelle der Polizei angerufen haben und die hat halt dann das durchgegeben, was sie bis zu diesem Zeitpunkt wusste und damit war die Sache für die Presseagenturen gegessen. Die Polizei als Berichterstatter der Wahrheit also. Oder die deutschen Presseagenturen als Sprachrohr der Polizei. Kritisches Nachfragen, gar der Gedanke, dass die Polizei eventuell auch nicht alles weiß, das kommt anscheinend bei diesen Möchtegern-Journalisten von der DPA schon gar nicht mehr vor. Es ist eine echte Schande.