Chinesen sehen in EU Vorbild und fordern globale Überwachungsstandards
Die Chinesen melden sich jetzt zu Wort und schlagen vor, dass man doch am besten gleich globale Technik-Standards definieren sollte, über die Regierungen weltweit Telekommunikation (besonders Verdindungsdaten und Datenverkehr) abhören können: Chinesisches Unternehmen plädiert für globale Überwachungsstandards (Heise.de)
Auf europäischer Ebene gibt es die sogenannten ETSI-Arbeitsgruppen (ETSI = European Telecom Standards Institute), die zumindest für Europa einheitliche technische Abhörstandards definieren sollen. So als ob Europa ein einheitlicher Rechtsraum in Bezug auf die Strafverfolgung wäre. So als ob Europa ein einheitlicher Rechtsstaat wäre. So als ob Europa ein einheitlicher, demokratischer Staat wäre.
Da haben sich die Chinesen anscheinend gedacht: Na, wenn die in Europa über Ländergrenzen hinweg Abhörstandards definieren, warum sollte man das dann nicht gleich auf globaler Ebene tun? Lasst uns also Standards definieren, nach denen sich weltweit alle Hersteller von Kommunikationshardware richten müssen. So wüssten alle Hersteller weltweit, was sie in ihre Geräte einbauen müssten, welche Schnittstellen und Protokolle also, über die Sicherheitsbehörden dann die Kommunikation, einschließlich Verbindungsdaten und Inhalte des Datenverkehrs, abhören können.
Das Problem dabei ist nur, dass die Chinesen vermutlich weit mehr abhören wollen als beispielsweise Deutschland. Aber soll das mit dem Standardisieren Sinn ergeben, müssten die chinesischen Wünsche Grundlage solcher globaler technischer Abhörstandards werden. Das heißt: Damit die Chinesen umfangreich abhören können, würden halt weltweit in alle betreffenden Kommunikationsgeräte technische Überwachungsmöglichkeiten eingebaut, deren vollständige Nutzung in Deutschland zwar illegal wäre, die aber nichtsdestotrotz in die Geräte eingebaut wären.
Und existieren erst einmal die technischen Zugriffsmöglichkeiten, wäre leider eine Kontrolle darüber, dass sie nicht genutzt werden, sehr schwer möglich.
Gut, die Vorschläge der Chinesen werden vermutlich zunächst noch auf Widerstand bei westlichen Firmen und Regierungen stoßen. Zu offensichtlich wäre wohl, dass man hier die eigenen Bürger verarschen würde. Dass man also in Gesetzen beispielsweise einerseits festlegt, dass nur Telekommunikationsverbindungsdaten einzelner Personen abgefragt werden dürfen - aber dann andererseits die Implementierung technischer Standards unterstützen würde, die ein massenhaftes Abfragen von Telekommunikationsverbindungsdaten ganzer Menschengruppen in einem Rutsch ermöglichen. Aufmerksame Bürger könnten dann ins Grübeln kommen und fragen, warum man einerseits technisch etwas implementiert, was andererseits legal gar nicht benutzt werden darf.
Moment...! Auf EU-Ebene wird ja Letzteres in den ETSI-Arbeitsgruppen längst gemacht! Obwohl es in den einzelnen EU-Ländern also ganz unterschiedliche gesetzliche Regelungen dazu gibt, was abgehört werden darf und was nicht, kümmert man sich nicht drum und implementiert technisch quasi den "fiesesten" gemeinsamen Nenner. Sprich: Auch deutsche Sicherheitsbehörden werden dank der alles über einen Kamm scherenden ETSI-Spezifikationen vieles machen können, was sie eigentlich nicht dürfen. Und man könnte kaum kontrollieren (schon gar nicht bei den Geheimdiensten), ob sie ihre Finger von den sich bietenden Möglichkeiten lassen würden.
Technorati-Tags: ETSI, European Telecom Standards Institute, ZTE-Corporation, ZTE, ITU, International Telecommunication Union, NGN, Next Generation Networks
3 Kommentar(e):
Deutschland ist immer noch Abhörweltmeister. Was die Amis dagegen veranstalten, ist Kindergarten. Jeder 17 Deutsche wird einmal am Tag belauscht. Die Auswirkungen des Lauschangriffurteils werden immer noch verzögert. So wurde bei der Neufassung der Verfassungschutz- und Polizeigesetze in NRW, die vom BGH angemahnte Änderung aus technischen Gründen nicht vorgenommen.
Die Chinesen würden gerne mehr abhören, aber deren dezentralisierte Netzarchitektur läßt dies nicht zu. Da ist ein Ortsgespräch häufig ein Orts-gespräch.
Nun ja. Das mag stimmen, wenn es nur um Telefongespräche geht. Und es ist wirklich schlimm. Dass der laxe Umgang unserer Behörden mit den Vorgaben aus Karlsruhe nicht Thema in unseren Medien ist, ist ein Skandal.
Aber soweit ich das verstehe, was gerade auf EU-Ebene technisch standardisiert wird und worauf auch der Vorschlag dieser chinesischen Firma (sicherlich nicht ohne Rückendeckung der chinesischen Regierung) zielt, geht es den Geheimdiensten jetzt vor allem um die möglichst einfach Erfassung aller anderen, möglichen Telekommunikationsdaten - seien es Verbindungsdaten oder detaillierte Infos über den Internetverkehr. Und da sind die Amis bereits sehr weit fortgeschritten - zumindest technisch. So hat die NSA wohl bei einigen Telekommunikationsfirmen wie beispielsweise AT&T ein umfangreiches Überwachungssystem aufgebaut, um den gesamten Netzwerkverkehr aller AT&T-Kunden in Echtzeit zu spiegeln und untersuchen zu können. Nur juristisch gibt es da jetzt mächtig Streit, ob die NSA das durfte.
Telefone abhören können Geheimdienste und Sicherheitsbehörden ja schon lange. Da sind die technischen Standards längst etabliert. Nur das Internet und zukünftige mobile Datendienste machen ihnen anscheinend noch Probleme. Und die Verbindungsdaten, die hätten sie jetzt auch alle gerne - und zwar als riesiges Datennetzwerk und nicht mehr nur als einen kleinen Ausschnitt in Bezug auf das Telefonierverhalten eines einzelnen, abgehörten Telefonnutzers.
Ich hab im Artikel jetzt noch einmal extra darauf hingewiesen, dass es vor allem auch um das Abhören des Datenverkehrs und um die Verbindungsdaten geht. Der verlinkte Heise-Artikel macht dies deutlich. Und ich verstehe unter "Kommunikation" auch die Verbindungsdaten oder den Datenverkehr und nicht nur den Inhalt von Telefongesprächen. Aber dein Kommentar hat mir deutlich gemacht, dass das missverständlich ist, wenn man nicht extra noch einmal darauf hinweist, dass es auch um die Verbindungsdaten und den reinen Datenverkehr beispielsweise im Internet geht und nicht nur um Telefongespräche. Insofern danke für den indirekten Hinweis auf meine unklare Ausdrucksweise! :-)
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